@Bootdiskette
Das wundert mich nicht, da letztlich die Noten in MINT-Fächern imo sehr stark mit genau dem Skillset korrelieren, das du ansprichst.
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Joar. Wobei ich eben auch schon welche hatte, die "trotz" Migrationshintergrund und viel Shit im Leben cool waren und bei weitem keine schlechten Kandidaten. Noten sind halt nur ein Indikator … und ich will Leute mit ein wenig Biss, Kreativität die gerne selbst Denken und abstrahieren können–––und sich für Technik begeistern können. Da ist man dann schnell bei einem Skillset auf das v.a. Ingenieure, Physiker und Informatiker gut scoren
Beste Motivation die ich gehört habe war "bin motiviert, weil ich schon seit X Monaten arbeitslos bin".
Würde das unironisch sehr feiern wenn einer das mal bei mir brächte
Bei der Führung der Interviews tut man sich im ÖD aber auch schwer mit den gleichen generischen HR Fragen "Ein Kollege macht nicht das, was er soll bzw. behindert Sie bei Ihrer Aufgabe" wo irgendwie konziliante Lösungsvorschläge erwartet werden, die im Fall der Fälle nix bringen, wenn der verbeamte Kollege einfach zu macht. Es wurde schon mal negative auslegt, wenn jemand sagte "Wenn alles nichts hilft, stelle ich klar, dass es nun meine Aufgabe ist". Die meisten Leute, die die Gespräche führen haben wahrscheinlich noch nie selbst die Situation gelöst und wüsste nicht was Sie machen würden.
Uff, ja. Deswegen bin ich sehr froh, dass ich mittlerweile gut mit unseren Recruitern eingegroovt bin und ein gutes Fragenset habe. Da habe ich auch am Anfang gut Lehrgeld bezahlt, als ich gemerkt habe, dass man auch als hiring manager mit guter Vorbereitung und Erfahrung und Menschenkenntnis viel mehr aus den Leuten rausholt. Ich weiß … surprised pikachu … aber es ist schon was anderes es logisch zu wissen "weil es ja klar ist" … und dann auch zu wissen wie es sich anfühlt solche Gespräche zu leiten und auch mit der Kollegin die Kandidaten in die richtige Richtung zu bekommen.
Kann eure Punkte schon nachvollziehen, aber
@Bootdiskette, dein erster Post war doch bezogen auf den Fachkräftemangel, oder? Ist es wirklich so, dass das Personal (hauptsächlich) fehlt, weil die Anspruchshaltung der Bewerber zu hoch ist? Dass es solche Leute gibt glaub ich sofort, aber ich kann mir schwer vorstellen, dass sie einen signifikanten Einfluss auf das Problem haben. […]
Ja schon. Was fehlt sind meines Erachtens v.a. Seniors. In meinem Bereich fehlt es nicht an frischen Absolventen die sich für den Bereich interessieren. Ich denke das ist teilweise dem geschuldet dass everything data science die letzten Jahre, und jetzt mit OMG KÜNSTLICHE INTELLIGENZ!!!!!111einself ein krasses Hype-Thema ist.
Die potentiellen Tech-Stacks sind sehr unterschiedlich, es gibt Bootcamps die "von 0 auf Data Somethingsomething in 12 Wochen" versprechen. Es gibt massenweise Tutorials die die Leute forken und dann auf Github versuchen als ihren eigenen Code zu verkaufen (ich erkenne das mittlerweile erschreckend zielgenau
). Die Hürde, um mit Copy-Paste irgendetwas beeindruckendes hinzustellen ist sehr gering … usw.
Die Schwierigkeit liegt darin, selbständig so Kram zu entwerfen und zu debuggen, ohne dass ich dann Händchenhaltend danebensitzen muss. Klar, ein Teil Mentoring ist Pflicht bei Juniors, aber es ist schon ein großer Unterschied ob ich jemanden täglich 2-3 Stunden betreuen muss, oder ob eine halbe Stunde reicht.
Kurz: Es mangelt nicht an Bewerbern mit Interesse am Bereich. Egal ob Werkstudent oder Junior. Da habe ich insgesamt mittlerweile sicherlich 150-200 Bewerbungen durchgeschaut.
Das Problem ist einmal, dass sich die Bewerber krass überschätzen (geschenkt, Mangel an Lebenserfahrung)
Dann haben sie meistens einfach nicht die richtigen Skills (kann man lernen) und realisieren nicht, dass man ständig schnell und viel dazulernen muss in diesem Bereich. Man ist niemals nie never "fertig" mit Lernen.
Die absoluten Basics, nämlich Grundverständnis Objektorientiertes Programmieren und Grundverständnis für Zahlen/Statistik, sind meistens schlecht, egal ob Werkstudent oder Absolvent. (Kommt schlecht mit dem Überschätzen der eigenen Skills sowie dem präsentierten Selbstbild.)
Und dann kommen halt die Erwartungen ins Spiel, die gerade bei denen die am wenigsten können häufig am absurdesten sind. Da ich selbst aus der Academia Bubble komme kann ich es irgendwie verstehen wenn ein Promovierter glaubt, dass die Welt auf ihn gewartet hat … aber den Zahn müssen sich die Leute ziehen lassen oder selbst ziehen. Die sind halt trotzdem (wie ich damals auch) erstmal ziemlich wertlos für die Firma weil sie nichts relevantes können. Da muss der Bonus sein, dass sie extrem schnell lernen; und wenn man im Gespräch das Gefühl bekommt, dass sie nach der Diss jetzt meinen, dass das Smooth Sailing kommt weil der harte Part hinter ihnen liegt … ja, dann muss ich ihnen direkt den nächsten Zahn ziehen.
Wer Berufsanfänger ist, muss Berufsanfängerdinge tun, wie z.B. lernen wie der Hase läuft und realisieren, dass es auch mit Dr. Lehrjahre sein können, weil man andere Zeit kostet, die sie einem schenken, um einen fit zu machen. (Oder man wurstelt sich selbstständig mit immensem Zeitaufwand zusätzlich zum Tagesgeschäft durch, bis man in allem ganz okay dabei ist, um nicht bei den Kackaufgaben hängen zu bleiben. So hab ich es gemacht.)
Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich mich in meiner Form zum Einstellungszeitpunkt auch nur deswegen eingestellt hätte, weil ich da Begeisterung an der Sache und ein bisschen allgemeine Bildung und Leistungsbereitschaft gezeigt habe … und nicht wegen meiner krassen Codingskills. Die waren da zwar schon okay und besser als die der meisten an der (Wiwi-)Fakultät, heute bin aber auf einem ganz anderen Level. Zwischen "bisserl scripten" und "production-ready" liegen halt Welten. Wobei ich mir auch heute immer noch nur ein "gut" geben würde, weil ich das Gefühl habe, dass ich an so extrem vielen Stellen noch so viel besser und schneller werden kann. Stattdessen mache ich ELI5-to-the-Management weil ein relevanter Teil der Produktmanager zu doof sind um unsere Problem zu verstehen und/oder anzuerkennen.
Catchphrase: "Sei doch mal pragmatisch." aka "Wir machen immer wieder lieber einen Schnellschuss, der uns absehbar brutal auf die Füße fallen wird und nur Probleme schafft, anstatt langfristig orientiert nachhaltig die Tech Debts aufzuarbeiten."
War auch schonmal live dabei als "Ich brauche Lösungen und keine Probleme." fiel. Bin fast vom Stuhl gefallen weil es unironisch war. Habs trotzdem vercheckt den Tag im Kalender anzustreichen :/
Fazit vom Fazit: Interessenten gibt es genug. Passende Interessenten schon sehr viel weniger bis fast gar keine, egal wie sehr man B- und C-Profilen eine Chance gibt. Man muss damit rechnen, dass man einen langen Prozess hat bei dem die Jobanzeige mehrfach geschaltet und ggf. auch mit Feedback aus den Gespräch angepasst wird (Stepstone etc.). Man merkt nämlich auch, dass sich die Leute schnell auf Schlagworte stürzen die so gar nicht gemeint waren … alles sehr lehrreich. Am Ende dauert die Stellenbesetzung lange und man sollte es strategisch machen. Als unbekanntes Unternehmen ist es sehr schwer kurzfristig ein konkretes Profil zu finden. Da landet man dann häufig aus konkreter Not bei den Freelancern … die dann auch monatelang brauchen bis sie sich im konkreten Thema alleine zurechtfinden. Zum Glück hatte ich das selbst noch nicht.
Fazit vom Fazit vom Fazit: Lieber lange suchen und mit dem Wunschkandidaten besetzen anstatt mit der Brechstange irgendwen einstellen der/die von den schlechten der/die Beste war. Ging sonst immer schief.
Mich würd ja interessieren, wie der Bewerbungs- bzw. Einstellungsprozess bei euch überhaupt aufgezogen ist. Man hört ja immer wieder, wie da gerade in kleineren Unternehmen immernoch viel rumgestümpert wird, obwohl bekannt ist, dass manch gern verwendete Metrik kaum aussagekräftig ist. ÖD bildet da meinem Eindruck nach auch keine Ausnahme - warum Einstellungsprozesse da teils nicht stärker zentralisiert werden, ist mir schleierhaft.
- Budget für die Stelle beantragen und begründen (mit HR-Vorstand diskutieren und da überzeugen, dass es überhaupt in der Budgetplanung diskutiert wird)
- Stelle bekommen (d.h. einen guten Case für die Jahresbudgetplanung im Herbst einreichen … und dann nicht traurig sein wenn das Budget von "80k falls wir einen Top-Kandidaten finden" auf "60k ist auch schon sehr sehr viel … such einfach besser" zusammengestrichen wird.
- Ausschreibung mit HR auskaspern (aka: Ich nehme die Schablone und schreibe eine nette Stellenanzeige auf Deutsch und Englisch)
- HR sehr genau aufschreiben nach welchen Kriterien sie aussortieren und weiterleiten sollen (mache nur ich glaube ich
- Bewerbungen von HR bekommen und entscheiden wer eingeladen wird.
- Erstrundengespräche via Teams führen: 30-60 min … wenn der/die Kandidatin schlecht ist würgen wir das Gespräch nach 20-30min ab weil es sonst Zeitverschwendung ist
- ggf Absage via HR mit Feedbackangebot (obvsly telefonisch)
- ggf Zusage und Terminvereinbarung via HR
- Zweitrundengespräche führen (vor Ort und inklusive dem Team vorstellen)
- Entscheidung fällen und ggf. mit meinem Chef abstimmen.
- Zusage abschicken via HR und persönlich anrufen und nochmal die Entscheidung erläutern und für eine Zusage des/der Kandidatin werben
- Zusage oder Absage bekommen ggf. anrufen und nach den Gründen fragen (ich oder HR)
- Vertragsgespräch (Unterschrift und mit eventuellen Rückfragen)
- Anruf/Email ein paar Wochen und dann nochmal ein paar Tage vor Jobantritt, um ganz banalen Kleinkram abzufangen und zu kommunizieren, dass man sich drauf freut mit Person XYZ zusammenzuarbeiten. (ich)
- Dienstausweis, Accounts und Arbeitsgerät organisieren. (ich, weil es sonst zu lange dauert)
- Arbeitsplatz aufräumen und herrichten inkl. Infomaterial und einer Packung Haribo oder ähnlich.
- Beim Jobstart werden die Teamleiter in die unternehmensweite Onboardingrunde eingeladen und stellen ihren Bereich vor (Hallo, ich bin Bootdiskette und kümmere mich um Kram den die meisten von euch megaboring finden, kthxbye.)
- In den ersten Wochen mehrere große Slots reservieren in denen ich dann Kollege XYZ in zunehmendem Detailgrad unsere Infrastrukturlandschaft erkläre, in die Team-Bibliothek einführe (= ein Haufen meiner privaten Bücher zu diversen Tech-Themen die neben mir im Regal stehen) und ihnen die Arbeitsweise(n) des Unternehmens sowie ihre Aufgaben erkläre. Da nehme ich mir meistens jeweils einen halben Tag, um direkt zum Start Fehler und Miskommunikation zu vermeiden.
- Nach 8 Wochen ein erstes formelles Feedbackgespräch über Leistung und Stimmung
- Nach 4-5 Monaten ein zweites formelles Feedbackgespräch zum Thema Probezeit.
- Nach max 6 Monaten, ggf. schon unter Punkt 18., die Aushändigung der Bestätigung des Bestehens der Probezeit.
- Nach 6 Monaten und 1 Tag: Säuremine, maximale Knechtung und Kommunikation nur noch per Arbeitsaufgabenemails
Keine Ahnung wie (un)professionell das jetzt im Vergleich ist. Hab zu wenig Querreferenzen, sollte aber ganz okay sein.
@Bootdiskette: wie genau findest Du denn in einem Vorstellungsgespräch heraus, ob jemand etwas kann oder nicht.
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Also ich bin jeweils raus und wusste, dass ich es verkackt habe. Ich war so übernervös, dass nichts ging. 4. Vorstellungsgespräch dann: ich bin total locker rein weil das ja eh nichts wird --> dort war ich dann 5 Jahre, nur 1,5 Jahre über den Dienstleister, dann fest.
Wie gesagt, bei den beiden Gesprächen nach der ersten Absage war ich richtig richtig schlecht. Aber so bin ich halt nicht immer. D.h. du stützt doch Deine Meinung nur auf das eine Gespräch, oder?
Ging mir witzigerweise ähnlich. Beim Erstgespräch für meine jetzige Stelle war ich grad megasauer wegen des Gesprächs davor. Da hatte ich einem Wirtschaftsinformatiker ein wenig Statistik erklären sollen, er hat's nicht gerafft und ich bekam eine Absage mit den Worten "ich glaube sie können uns fachlich nicht weiterhelfen." Ich war selten so sauer wie da, weil ich sehr genau wusste, dass der Typ einfach nur zu doof war.
In dem Folgegespräch hab ich dann einfach dreist und frech gesagt worauf ich Bock hatte und worauf nicht. Offenbar waren sie verzweifelt, denn sie haben mich dann nach einem Zweitgespräch genommen
In Gesprächen versuche ich vor allem konzeptionelle Verständnisfragen zu stellen, oder das typische "erzähl mal wie Du an dieses oder jenes Problem in diesem Bereich herangehen würdest". Zuerst aber viel zur Motivation … also "warum hast du dieses oder jenes studiert?", "warum fandest Du das interessant?", "erzähl mal was Du unter Data Science verstehst bzw. was Du Dir erhoffst?". Da bekommt man schon einen echt guten Eindruck (oder man stürzt in Abgründe). Das war es dann schon meistens im Erstgespräch. Da müssen die Leute wirklich nur zeigen, dass sie interessiert und keine kompletten Arschlöcher und/oder Kommunikationsdeppen sind. Mit etwas Erfahrung merkt man dann auch erstaunlich schnell und deutlich wie sich die Leute vorbereitet haben. Bei einem waren wir uns zum Beispiel hundertprozentig sicher, dass der sich (schlecht) coachen lassen hatte. Da war jede Antwort wie "Jobinterview-Bullshit-Bingo meets Jobinterview-Phrasenschwein meets Fußballerinterview." Da hab ich dann auch just for the lulz die Frage gestellt warum er genau zu uns will (obwohl sie Bullshit ist wenn der Laden nicht für irgendwas bekannt ist). Und die Antwort war wie erwartet: "Ich habe schon in meiner Kindheit von der Bootdiskette-Arbeitgeber-GmbH gehört und ihre Produkte waren immer mal wieder präsent in meinem Leben blaaaaa blub." Hätte nur noch gefehlt, dass er erzählt wie er als Kind auch schon Bootdiskette-Arbeitgeber-GmbH Bettwäsche hatte.
(Wie gesagt, den Laden muss man definitiv nichtmal kennen wenn man drei Straßen weiter wohnt.)
Letzte Fragen im Erstgespräch kommen dann von meiner HR-Kollegin: Geld, Rahmenbedingungen usw.
Dann noch die obligatorische Frage nach den Fragen … die häufig irrelevant ist, wenn sich vorher eine lockere Unterhaltung entwickelt hat. Trotzdem können sich da auch nochmal Abgründe auftun weil sie leider sehr zuverlässig zeigen ob sich die Kandidaten für die Sache und die Menschen mit denen sie potentiell zusammenarbeiten müssten interessieren.
Im Zweitgespräch vor Ort stelle ich den Kandidaten (angekündigt) mindestens 1-2 Teammitgliedern vor und lasse sie mal eine Weile alleine um sich zu beschnuppern. Je nach Tagesablauf davor oder danach rede ich noch locker mit dem Kandidaten, mache eine Führung durch den Standort, und dann kommt der schwerste Teil: technisches Interview. Da werden sie ans Whiteboard gestellt, kriegen ein Beispielproblem und dürfen mit mir darüber diskutieren wie man es lösen könnte/sollte/müsste und welche Probleme sie erwarten würden.
Das sind dann typischerweise lächerlich einfache sehr generische aber repräsentative Probleme bei denen ich meistens sehr gut sehe was sie können, oder ob sie etwas Phantasie haben oder sich strukturiert einem Thema nähern können.
Der ganze Prozess gilt für Werkstudenten und Vollzeitmitarbeiter genau identisch, nur eben mit weniger Voraussetzungen/Erwartungshaltung für die Studis.
Der Lebenslauf und die Noten sind natürlich auch noch ein Indikator. Aber entscheidend ist die Performance im Gespräch. Bisher haben wir es immer geschafft, dass die interessanten Leute auch nach einer Weile aufgetaut sind und dann nicht mehr verkrampft waren. Bei den nervigen war es mir irgendwann einfach nur noch egal.
P.S.: Seit ich auf LinkedIn als Führungskraft sichtbar bin, kriege ich ständig (okay, ab und an) unerwünschte Emails von Recruiting-Dienstleistern die uns/mir ihre Freelancer oder sonstigen Kandidaten andrehen wollen. Srsly, das ist manchmal besser als Kino und manchmal recht interessant wenn man einfach mal fake-antwortet und nach den Tagessätzen fragt. "Junior Data Scientist kriegen wir im Paket für dreistellig hin, der Senior kostet zwischen 1200 und 2k pro Tag." trololo als ob wir so viel Kohle hätten. Dann doch lieber einen Werkstudenten entwickeln