Naja, aber es ist doch wohl relativ klar, dass quasi keine Antwort auf eine dieser Fragen jemals authentisch ist, sondern in erster Linie widerspiegelt, was der Kandidat meint im Sinne der Optimierung seiner Chancen darauf antworten zu müssen. Man kann jetzt natürlich full meta gehen und sagen: Wir wollen gerade jemanden, der das gut kann (Bullshit reden, der beim Zielpublikum gut ankommt) - genau in diese Richtung sollen ein ja offensichtlich auch diese tollen Tips lenken. Aber dann sind wir halt gerade dabei, dass man eigentlich für nen Job angeheurt wird, nicht dafür, Bewerbungsgespräche zu rocken - hatten wir doch neulich beim Thema gleicher Lohn für gleiche Arbeit und dem BGH-Urteil dazu.
Ich mag mich irren, sehe aber nicht, welche Erkenntnis man aus sowas ziehen soll bzw. sehe eher das Potential, dass der Interviewer seine Fähigkeit maßlos überschätzt, valide Schlüsse daraus zu ziehen. In dem Fall geht es nach hinten los, weil man einfach unnötig die Varianz erhöht: Fehltritte machen einen schlechten Eindruck, ohne dass sie wirklich was aussagen.
Das gilt jetzt nicht in demselben Maß für jede einzelne Frage. Die Frage, welche Ambitionen jemand so hat, ist per se natürlich schon sinnvoll, aber ob die Antwort einen brauchbaren predictive value dafür, ob der Kandidat eine mittel- oder langfristige Perspektive im Unternehmen hat, ist wieder ne andere Frage.
Wegen genau dieses Problems verpacke ich meine Frageintention ja auch ganz anders und frage genau diese Sache teilweise direkter, teilweise sehr viel indirekter. Das sind ja nicht umsonst die Klischeefragen.
Was "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" angeht … das ist für mich ein rotes Tuch. Das mag bei gut messbarem Output funktionieren, aber in meinem Bereich ist das schlicht ungerecht, weil es unmöglich ist, mit vertretbarem Aufwand eine echte und gerechte Vergleichbarkeit herzustellen.
Ich hatte es gerade erst in einem Team das ich nur fachlich betreue. Ein Typ (älterer MA, nicht dumm aber bockig, Einstellung "Arbeitgeber sind sowieso alle scheiße und ich arbeite schon viel zu viel") macht alles dreimal so kompliziert wie es sein müsste und braucht ewig für seine Pillepalleaufgaben … ist aber der Topverdiener im Team und hat ein vereinnahmendes Wesen. Entsprechend passt sich der Rest des Teams tendenziell an ihn an. Wenn er im Urlaub ist, ist das Team deutlich produktiver trotz reduzierter Mannstärke
Jetzt habe ich ihn mal damit konfrontiert, dass ich eine Task an der er jetzt 6 Wochen herumgewerkelt hat, an einem Nachmittag mal nebenbei gelöst habe. Mit weniger Code, schnellerer Durchlaufzeit und weniger Abhängigkeiten. --> Einsicht gleich Null und ich bin der Böse weil man das ja alles nicht vergleichen kann. Natürlich hatte ich seinem disziplinarischen Vorgesetzten schon seit längerer Zeit regelmäßig erzählt, dass ich da ein Problem sehe, und der sah das auch so. Passiert ist aber nichts weil er sich den Stress nicht geben wollte.
Deswegen: FK sind relevant und Arbeitnehmer sind auch häufig genug Arschlöcher. Insb. wenn sie im HO chillen und durch ihre Performance das ganze Team sabotieren.
[…] selbst wenn es ein Problem in der Leistungsbereitschaft wäre, ist immer noch der Arbeitgeber schuld, da er eine falsche Betriebskultur geschaffen hat
Wir haben beide Seiten. Ein Top-Management, das mit einem achtkantigen Rauswurf noch gut bedient wäre sowie einige Kollegen die einfach nichts leisten und ebenfalls auf die Straße gesetzt gehören (alle Verantwortungsniveaus) plus ein Haufen durchschnittliche Leute und schließlich einige extrem gute Kollegen ohne die der ganze Shit nicht funktionieren würde.
Es scheitert häufig daran, dass FK zu nett sind, um Konflikte auszutragen und die Schnarchnasen auszusieben, wodurch am Ende die Betriebskultur zur bloßen Performance zu Betriebsversammlungen und Events wird. Der Grund ist, dass man ganz schnell als schlechte Führungskraft dasteht wenn man rigoros ist. Da ist es für das Top-Management dann einfacher indirekt zu signalisieren, dass man nicht so viel Stress machen soll.
Und so entsteht dann eine Duldungsstarre in der niemand mehr etwas macht außer Dienst nach Vorschrift, und die armen pflichtbewussten guten Kollegen schmeißen aus lauter missverstandener Loyalität der Gruppe gegenüber den ganzen Laden.
[…]
Ich finde es wird oft unterschätzt was es für ein Riesenaufwand ist ne Stelle von der Genehmigung bis hin zur Abgeschlossenen Einarbeitung (s. Bootdiskette) umzusetzen. Zusätzlich kannst du nen MA nach der Probezeit quasi nicht mehr kündigen. Da rentiert sich es recht schnell, mehr Zeit in die Auswahl zu stecken. Leider machen es sich da viele FK deutlich leichter, lassen das zu 90% über die HR abwickeln, dann 1 Stunde plaudern und akzeptiert halt, dass dann nur mäßige Leistung zurückkommt mit der sich dann die restliche Firma arrangieren muss.
Das kann man nicht genug betonen!
Es ist haaresträubend wie anstrengend manche Prozesse für die Bewerber sind, während sie gleichzeitig auf Unternehmensseite absurd amateurhaft sind.
[… ÖD …]. Intern hängt viel von Connection ab und ob man einen guten Ruf hat. Es muss ja erstmal intern ausgeschrieben werden. Und da es dann rein nach Akte geht, ist man eher vorsichtig. Je nach Stelle kann es sein, dass intern schon nachgelagerter Bereich des Ministeriums umfasst und dann weißt du noch weniger wer da kommt. Ich würde es auch begrüßen, wenn der Markt da ÖD Bund weit offener ist, aber kann auch verstehen, dass jede Behörde für sich da vorsichtig.
Wenn intern keiner will, dann kann man extern ausschreiben. Texte macht afaik jeder RefL für sich. Da ist glaub ich auch Potential an manchen Stellen. Bestimmte Zielgruppen bekommt man halt nicht und dann wäre es besser breiter auszuschreiben.
Die Gespräche bei uns sind hart strukturiert mit Fragenkatalog. Hauptteil fachlich kommt vom Referat aber gibt auch paar WischiWachsi HR fragen. "Wie geht man mit Konflikt um" / "Erzähl mal was auf Englisch". Die Fragen werden dann von 1-5 gepunktet und der höchste gewinnt. In den Gesprächen geht es zwar auch um Fachwissen, aber Likeability und Teamfähigkeit zählt auch ne Menge.
In echt ist wohl recht schnell klar wer der beste ist und es wird dann bepunktet. In engen Fällen kann es dann tatsächlich über die Punkte laufen. Für manche Kandidaten kann dann wichtig sein, ob sie genug Punkte bekommen, um für andere Stellen in Frage zu kommen. Die kommen bei uns in einen Pool und können dann direkt genommen werden, wenn ein RefL Interesse hat.
Krass find ich bei uns, dass ein Gespräch von 1 Stunde quasi automatisch in die Verbeamtung führt, wenn man ausgewählt wird. In der Regel muss man sich danach schon sehr sehr sehr doof anstellen. Ich selbst wollte nach dem Angebot noch mal das Team sehen bevor ich mich entscheiden. Das empfand man afair eher ungewöhnlich.
Uff.
Ich hatte mich ja selbst mal bei einem Ministerium via Interamt beworben. Der Prozess war … mäßig. Ich dachte mir "Okay Leute, wenn ihr es nicht einmal auf diesem Level schafft einfach nur nett und wertschätzend mit den Menschen umzugehen, dann will ich never bei euch arbeiten." Was war passiert? Trotz 100% Passung auf das Profil gab es eine direkte Absage … und auf meine freundliche Frage nach Feedback, gerne auch mündlich, gab es einen Standardtext ohne Anrede.
Mal ganz im Ernst, das können heute sogar große Weltkonzerne mit riesigem Bewerbungsaufkommen. Ganz schwach.
So einen Punkteprozess finde ich an sich gut, aber auch etwas gruselig. Ich würde mir auf jeden Fall nicht von HR oder sonstwem sagen lassen wollen wen ich einstelle … und wenn die da via Bepunktung mitentscheiden können … ugh.
Und lol an die "ungewöhnliche" Bitte … srsly … das ist für mich absolut zentral. Selbst der größte Checker bringt nichts, wenn die Teamchemie kaputtgeht und man sich am Ende nur mit sich selbst beschäftigt. Da interessiert mich die Meinung von HR natürlich, aber das möchte ich am Ende dann schon selbst entscheiden wenn ich das nach hinten raus auch verantworten muss.