Erbschaftssteuer

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Eine Gesellschaft in der es Konsens ist 100% Vermögenssteuer zu nehmen ist keine in der man leben möchte.
 
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Was du eigentlich sagen willst, ist, dass es keine Gesellschaft ist, in der du leben möchtest.
Und selbst das würde ich in Frage stellen, sofern es ein Urteil über die objektive Qualität der Gesellschaft ist, statt ein reines Geschmacksurteil.
 
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Ich meinte, dass es rechtlich bestimmte Auslegungsgrenzen gibt, die man mit dem existierenden GG nicht überschreiten kann
Da hast Du möglicherweise sogar Recht. Ich gebe jedoch zwei Dinge zu bedenken:

1. Das existierende GG kann geändert werden und wird auch geändert werden, wenn sich der gesellschaftliche Konsens ändert. Die Auslegungsgrenzen von denen Du sprichst, werden aber imho aktuell von noch keinem relevanten Diskussionsteilnehmer (in der Politik) in Frage gestellt. Auf jeden Fall wäre aber auch innerhalb dieser Auslegungsgrenzen im heutigen GG noch "Luft nach Oben" was die Belastung von Erben angeht, ohne in Konflikt mit der Menschenwürde zu kommen wie das GG sie aktuell vorsieht.

2. Auch das derzeit existierende GG wird rein faktisch trotz "Ewigkeitsklausel" nicht wirklich "ewig" bestehen. Es wird eine Zeit kommen, in der das GG von einem anderen "Grundrecht" egal welcher Art abgelöst werden wird. Sei es eine europäische Verfassung, sei es eine überarbeitete deutsche Fassung, whatever. Das wird so kommen, das steht bereits jetzt zu 100% fest. Die Frage ist nur, wie weit in die Zukunft man dafür schauen muss. Ich halte es aber für nicht legitim, per se davon auszugehen, dass das was danach kommt zwingend "schlechter" sein muss. Es wird "anders" sein, kann eben aber auch "besser" sein, auch wenn das derzeitige GG schon ziemlich gut ist. Das heisst aber auch, ein dogmatisches Klammern an das GG so wie es heute exisitiert ist vielleicht in einer formaljuristischen Diskussion sinnvoll, nicht aber in einer eher philosophischen Diskussion über zukünftige Gesellschaftsmodelle. Einige andere haben das schon angesprochen: Es mag aus Deiner jetzigen Sicht eine Gesellschaft sein, in der DU nicht mehr leben möchtest. Dies sei Dir auch so zugestanden. In Stein gemeißelt ist das aber noch lange nicht, Deine Sicht kann sich durchaus ändern, wenn diese Gesellschaft Dir (oder Deinen Nachfahren) andere Vorteile bietet die Dir (oder Deinen Nachfahren) später vielleicht wichtiger sind.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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1. Das existierende GG kann geändert werden und wird auch geändert werden, wenn sich der gesellschaftliche Konsens ändert. Die Auslegungsgrenzen von denen Du sprichst, werden aber imho aktuell von noch keinem relevanten Diskussionsteilnehmer (in der Politik) in Frage gestellt. Auf jeden Fall wäre aber auch innerhalb dieser Auslegungsgrenzen im heutigen GG noch "Luft nach Oben" was die Belastung von Erben angeht, ohne in Konflikt mit der Menschenwürde zu kommen wie das GG sie aktuell vorsieht.

Das GG kann nur bis zu einer bestimmten Grenze geändert werden und von der sprach ich ja auch. Schau mal in die sog. Ewigkeitsklausel Art. 79 III GG:

"(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt.
(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.
(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig."

Also, ja, es gibt natürlich Luft nach oben bei der Belastung von Erben. In meinem Beispiel sprach ich aber gerade die Grenzen an und die sind bei einem vollständigen Entfallen des Erbrechts (= Erbschaftssteuer 100% ) oder zB. bei der Abschaffung des Privateigentums oder anderen Entkernungen der garantierten Grundrechte des GG erreicht. Dass das im moment keiner ernsthaft fordert ist ja auch richtig, deswegen war es aus meiner Sicht auch einfach nur ein Extrembeispiel, um meinen Punkt zu verdeutlichen. Wobei es nicht ganz zutrifft, dass es keine Fordert. Ich habe schon eine ganze Reihe von Artikeln gelesen, die genau mit diesem Gedanken spielen - was natürlich nicht bedeutet, dass es sich um gesellschaftlich relevante Strömungen handelt.

Zu 2: Da hast du Recht, ich habe das ja auch bereits gesagt. Natürlich kann sich das deutsche Volk schlicht eine neue Verfassung geben (also ganz so schlicht ist es nicht, es wären ENORM hohe Hürden zu nehmen und ich habe ganz realistisch arge Zweifel, dass der dafür notwendige Konsens in der BRD jemals erreicht würde - eher würde es sich um einen anderen Staat/Nachfolgerstaat handeln).

Abgesehen davon bin ich da vielleicht auch einfach konservativ - ich habe aber arge Bedenken, dass das was danach kommt besser wäre. Einfach weil das Grundgesetz, und das ist soweit ich das überblicke ein ziemlicher Konsens unter allen westlichen Verfassungsrechtlern der Welt, eines der besten Verfassungswerke, das es in der Geschichte der Menschheit bislang gab. Es schafft auf bislang sehr selten erreichte Weise einen Ausgleich aus Freiheiten und Grenzen dieser Freiheiten, Schutz von Individualinteressen- und Rechten und dem Bedenken der Gemeinwohlinteressen. Darüber hinaus ist die Verfassung im Gegensatz zu Fehlversuchen der Vergangenheit wehrhaft und nicht zuletzt aufgrund der Ewigkeitsklausel inherent abgesichert. Kurzum: be careful what you wish for und das Bessere ist eben oft Feind des Guten. Mir fehlt schlicht die Fantasie dafür, wie eine Verbesserung zum status quo aussehen könnte, die die Abschaffung des GG rechtfertigen würde.
 
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TheGreatEisen

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Ich sehe die Erbschaftsteuer verfassungsrechtlich eher variabel hinsichtlich einer Neufassung. Unser Grundgesetz wurde seinerzeit so gestaltet, dass sogar Sozialismus in bestimmten Grenzen zulässig wäre. Art. 14 Abs. 2 GG enthält hierzu eine "Öffnungsklausel". Es wäre verfassungsrechtlich - vor dem Hintergrund, dass der Verfassungswandel die Verfassung im "flow" hält - sicherlich möglich, die Freibeträge zu streichen und den Tarif auf 50 % zu setzen.

Inwieweit eine solche Maßnahme Ausweichverhalten herbeiführt, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Interessant wäre auch die Frage, wie stark die Flucht von Leistungsträgern ins Ausland aussähe und welche Schäden das herbeiführen könnte. Zu glauben, eine extreme Erhöhung der Erbschaftsteuer würde lediglich das Steueraufkommen erhöhen und für "Gerechtigkeit" sorgen, ist einfach nur naiv. Heißt nicht, dass man nicht dennoch dafür sein darf..
 

Gelöschtes Mitglied 137386

Guest
Ich sehe die Erbschaftsteuer verfassungsrechtlich eher variabel hinsichtlich einer Neufassung. Unser Grundgesetz wurde seinerzeit so gestaltet, dass sogar Sozialismus in bestimmten Grenzen zulässig wäre. Art. 14 Abs. 2 GG enthält hierzu eine "Öffnungsklausel". Es wäre verfassungsrechtlich - vor dem Hintergrund, dass der Verfassungswandel die Verfassung im "flow" hält - sicherlich möglich, die Freibeträge zu streichen und den Tarif auf 50 % zu setzen.

Seh ich ja nicht anders. Irgendwo ist aber eine Grenze erreicht, bei der das Recht entkernt ist. Ob diese nun erst bei 100% oder schon bei 80% oder 70% liegt, ist sicher diskutabel, der Punkt ist aber: es muss stets möglich bleiben einen signifikanten Teil seines Vermögens an seine Nachkommen weiterzugeben.
 

Gustavo

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Inwieweit eine solche Maßnahme Ausweichverhalten herbeiführt, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Interessant wäre auch die Frage, wie stark die Flucht von Leistungsträgern ins Ausland aussähe und welche Schäden das herbeiführen könnte. Zu glauben, eine extreme Erhöhung der Erbschaftsteuer würde lediglich das Steueraufkommen erhöhen und für "Gerechtigkeit" sorgen, ist einfach nur naiv. Heißt nicht, dass man nicht dennoch dafür sein darf..


Ich dachte auch eher an ein Szenario, das wir uns heute so noch nicht wirklich vorstellen können. Ich bin zwar skeptisch bzgl. der Chance, das wir alle so eine Welt auch nur ansatzweise erleben, aber es ist zumindest prinzipiell vorstellbar, dass irgendwann menschliche Arbeitskraft kaum noch gebraucht wird. Je nachdem, wie unsere Wirtschaft dann ausgestaltet ist, könnte das zu allen möglichen Resultaten führen, von Utopie bis Dystopie. Falls Deutschland bis dahin noch ein echter Staat ist und nicht Teil eines europäischen Bundesstaates (was ich für die realistischste Alternative halte), glaube ich auch nicht, dass es eine andere Verfassung hat als das GG. Ich glaube allerdings, dass es dann in Teilen grundegend anders ausgelegt würde. Man denke als Vergleichsbeispiel dafür, was ich meine, die USA: Die Verfassung ist noch aus dem 18. Jahrhundert und in großen Teilen nicht auf eine moderne Industrieökonomie, geschweige denn eine Dienstleistungsgesellschaft, angepasst. Also hat man die Geltung der Commerce Clause weit darüber hinaus ausgedehnt als das, was sie ursprünglich regeln sollte. Genau sowas würde ich auch für das GG erwarten, sollte es irgendwann nicht mehr zum Wirtschaftssystem passen. Aber das ist natürlich alles Zukunftsmusik. Ich wollte nur sagen dass man als Jurist nicht zu sehr daran glauben sollte, dass es irgendwelche unendlich geltenden Wahrheiten gäbe, die verfassungsrechtlich dauerhaft gegen den Willen der Bevölkerung kodifiziert werden können. Verfassungsinterpretation erlaubt eine Menge Kreativität.
 
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