- Noch weniger Gameplay als in Season 1. Die "Rätsel" waren diesmal gar nicht existent. (Nein, zwei Items anklicken ist kein Rätsel.) Einerseits waren manche der Rätsel in Season 1 ziemlich nervig, z.B. fand ich das ewige Gelatsche beim Zug recht kacke - andererseits gaben sie dem Spiel ein wenig mehr...Spielcharakter. Womit wir beim eigentlichen ersten Kritikpunkt wären:
- Die einzelnen mechanischen Elemente des Spiels traten in Season 2 viel stärker hervor. Teils, weil sie schon bekannt waren, teils, weil sie zu offensichtlich platziert waren. Dazu zählen z.B. die Schießeinlagen gegen die Zombies oder die typischen Quicktime-Sequenzen. V.a. letztere haben sich einfach abgenutzt. Dann lieber gar kein Geklicke.
Aber gut, es geht bei TWD ja nicht um die Mechanik, sondern um die Story. Für mich ging es in der kompletten Season darum, wie Erwachsene Kinder ausnutzen und manipulieren. Die Entscheidung, Clem zum spielbaren Char zu machen, war riskant - es ging imho aber relativ gut auf. Denn fast alle Erwachsenen sind auf ihre Weise manipulative Arschlöcher. Ständig heißt es: Clem mach dies, Clem mach das. Clem, Clem, Clem. "Meine" Clem wurde immer mehr zum trotzig-wütenden Kind, das sich abzukapseln beginnt und immer härter wird.
Luke war zwar sowas wie ein Anker, aber er war zu loyal und zu schwach, um das Ende der Season zu erleben. Das Comeback von Kenny hat mich erst sehr überrascht, dann bin ich ihm wieder ne Weile auf den Leim gegangen. Man kann ihn ja nie so richtig hassen, auch wenn er fast nur Scheiße baut. Im Kern ist er ein geschundener Typ, der einfach mindestens 2x zu viel gelitten hat. Trotzdem hab ich ihn am Ende erschossen. Weil er zwar ein guter Kerl, aber kein verlässlicher Begleiter ist.
Die ganze Arvo-Sache war sehr clever gemacht. Hab mich lange mit Arvo solidarisiert, weil er von Kenny schlecht behandelt wurde. Dass er dann doch nur ein weiterer Soziopath ist, war überraschend. Der beste Charakter in S2 war aber Bonnie: Sie war eigentlich ein großes Kind. Leicht manipulierbar, sprunghaft, emotional. Teils mit guten Absichten, letzten Endes aber egoistisch. Ich mochte es, sie nicht zu mögen.
Und dann ist da ja noch Jane. Anfangs wirkte sie wie ein (Name vergessen, das Kirchenklettermädel aus S1)-Klon, danach bekam sie mehr Tiefe. Typische "lone wolf"-Figur, wenig spannend, aber gut umgesetzt. Ihr schäbiger Manipulationsversuch hat für mich nen Schalter umgelegt: Clem hat bei mir auch sie zurückgelassen und ist mit AJ allein unterwegs. Vernünftig ist das natürlich nicht. Aber alles, was Clem in S2 durchmacht, ist nichts anderes als Folter. Sie muss sich selbst nähen. Sie muss permanent Waffen benutzen, sei es zur Selbstverteidigung oder zur "Lösung" von Konflikten. Sie wird ausgenutzt. Verarscht. Für mich stellte Janes Manipulationsversuch sowas wie den "letzten Tropfen" dar. In meinen Augen ist Clem nun absolut im "trust no one"-Modus. Und das ist zwar richtig krass, hat mir aber auch die Season gerettet.
Denn ehrlich gesagt war sie insgesamt schon deutlich schwächer als S1. Lag wie gesagt erst mal am fehlenden Neuheitsfaktor, dann kommen aber noch andere Dinge hinzu:
1. Ep. 3 und 4 sind schwach. V.a. die erste Hälfte von Ep. 4 ist richtig zäh. Sie ist auch der Teil, der am stärksten an der "Clem tu dies, Clem tu das"-Krankheit leidet.
2. Die meisten Figuren sind weit blasser als die Charaktere von S1. Klar, nen Lee kanns nur einmal geben. (imho der beste Adventure-Protagonist seit 20 Jahren) Aber ein wenig mehr Profil hätten so Charaktere wie Nick, Alvin oder die Schwangere schon vertragen können. Andererseits sind ohnehin alle Lebenden "walking dead". Es fehlten diesmal ein wenig die "verdammt, ich mochte diesen Charakter, warum ist das jetzt passiert"-Momente, um das Prinzip scheinen zu lassen..
3. Carver war ein guter Bösewicht. Typischer Psychopath. Ich fand gut, dass sein merkwürdiges Utopia-Dings nur insofern angedeutet wurde, als dass man es durch Clems Augen sah. Und das hat Carvers System sehr gut als System der Beliebigkeit und Unterdrückung offenbart. Womit wir wieder bei der Manipulation wären.
4. Es ist wohl klar, dass Clem als extrem früh gealtertes Kind gezeigt werden soll. Imho hätten sie sie aber noch 1-2 Jährchen älter werden lassen können. Für ne 11jährige kommen da fast schon zu viele extrem lebensweise One-Liner. Auch wenn stellenweise ihre Naivität schon sehr schön angedeutet wird.
Das, was mir die Season gerettet hat, war Ep. 5. Da fand ich den ganzen Aufbau extrem gelungen. Allein dieser kurze Augenblick des Friedens am Lagerfeuer, der sehr kunstvoll demontiert wurde, war großartig. Das Finale war auch sehr schön, v.a. der Traum mit Lee war große Klasse. Da musste ich mich schon zusammenreißen. Am Ende ist Clem bei mir nun also allein unterwegs. Traumatisiert. Enttäuscht.
Ich hoffe sehr, dass sie in S3 nicht bei Clem weitermachen werden. (das dürfte wg. der extrem unterschiedlichen Enden ja sowieso schwer werden.) Eigentlich könnte ich mit "meinem" Ende leben. Nicht, weil es böse oder herzlos wäre, nein, weil ich es passend finde. In einer Welt, in der alle sterben, die ehrlich und vertrauenswürdig sind, haben Kinder keine Chance, weil sie zum Spielball der Interessen der Stärkeren werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Clem (wenn man von nem realistischen Szenario ausgeht) überlebt, sind natürlich bei ca. 2%. Aber eigentlich ists doch egal. The damage is done.
Fazit: Wenn ein Spiel mich zu so nem Textwall anstachelt, muss es was richtig gemacht haben. Wobei es beim nächsten Mal ein paar neue Elemente / Ideen sein dürfen. Die Gemachtheit trat diesmal etwas zu stark hervor, was mir manchmal die Immersion kaputt gemacht hat. Dennoch wieder ne tolle Leistung von TTG.
Spiel: 6/10
Story: 8/10