Genau das sind doch Beispiele für den "Rechtsstaat im Kleinen" der intakt ist. Es geht aber vollkommen an meiner Argumentation vorbei. Ich würde auch keine Selbstjustiz gegen einen ungerechten Bescheid einer Verwaltung vorschlagen, wenn es dort juristische Mittel gibt die wirksam sind.
Aber erzähl das mal einem Häftling in Guantanamo, der unschuldig gefoltert wurde und niemals Gerechtigkeit sehen wird, weil die Herren Obama und Bush immun gegen strafrechtliche Verfolgung ihrer Kriegsverbrechen sind.
Nein. Ich erlebe jeden Tag, wie der Rechtsstaat über schwierige Regelungen holpert. Da gibt es einen Scheissdreck an Rechtsschutz. Mal gegen eine Anti-Dumping-Verordnung vorgegangen?
Und es geht auch nicht vollkommen an Deiner "Argumentation" vorbei. Wenn WL einer Rechtsverletzung ausgesetzt ist, dann sollen sie klagen. Das haben sie nie gemacht. Stattdessen kommen selbsternannten Rächer der Gerechtigkeit und randalieren im Namen der Freiheit. Eine simple Wahrheit: wer sich der Institutionen des Rechtsstaates nicht bedient, obwohl er es besser weiß, ist nicht schutzwürdig.
Unsere Positionen unterscheiden sich doch gar nicht so stark. Sobald der Rechtsstaat fundamental versagt hat dürfen sich Bürger dagegen wehren.
Was dich von Unterstützern der Anon-Attacken unterscheidet ist doch lediglich die Meinung, wo genau der Rechtsstaat versagt hat. Dass dies bei völkerrechtswidrigen Kriegen und bei Folter-Gefangenenlagern der Fall ist, die in keiner Weise sanktioniert werden, ist wohl relativ offensichtlich. Das der Rechtsstaat, der Wikileaks verteidigen muss, momentan sehr hart auf die Probe gestellt wird steht auch außer Frage. Ob er dabei nun schon versagt hat oder nicht ist dagegen fragwürdig. Ich würde mit Blick auf die USA (wo ja ganz offen diskutiert wird, wie man denn endlich Assange/Wikileaks anklagen kann, weil man ja "leider" keine Gesetze gegen Veröffentlichungen hat) tendenziell mit "ja" antworten, mit Blick auf Europa (z.B. das laufende Verfahren gegen die Postfinance) dann allerdings doch eher mit "nein". Allerdings sitzt Assange zur Zeit in einem europäischen Gefängnis, auch das wird nochmal eine harte Probe. Letztendlich ist die Antwort einfach verdammt schwer und ganz sicher nicht so klar wie du es zu denken scheinst.
Unsere Positionen unterscheiden sich wie Tag und Nacht. Ich würde niemals irgendwelche derart diffusen Postulate unterschreiben. Du versuchst Selbstjustiz zu rechtfertigen - das käme mir nie in den Sinn. Unsere Gemeinsamkeit ist allein, dass wir WL dem grundsätzlich gut finden.
Aber Du mischst hier zwei Vorgänge: Assange ist derzeit in Auslieferungshaft, weil ihm ein Sexualdelikt in Schweden vorgeworfen wird. Selbst wenn es Zusammenhänge zu den Enthüllungen gebe (und obwohl das ja soooooo super offensichtlich ist, hat es noch niemand geschafft, das nachzuweisen) - das Auslassen dieses Fakts verzerrt das Bild.
Auf der anderen Seite steht WL und die Diskussion um die Reichweite der Informationsfreiheit. Und diesbezüglich teilen eben nicht alle Dein Postulat von der unbeschränkten Informationsfreiheit. Ich bin der Auffassung, dass der Staat durchaus ein berechtigtes Interesse daran hat, nicht sämtliche Informationen der Bevölkerung
umgehend zur Verfügung zu stellen. Dass später sämtliche Staatsvorgänge zugänglich gemacht werden
müssen, ist für mich ebenso klar.
Entsprechend kann ich auch die USA verstehen, wenn sie sich gegen die Veröffentlichung wehren. Greifen sie zu Hacker-Angriffen, dann nenne ich das rechtswidrig. Auch die verdammte Regierung hat den Rechtsweg zu beschreiten. Tun sie das nicht, darf sich WL natürlich zur Wehr setzen. Nur wird dadurch niemand ermächtigt, willkürlich Unternehmen anzugreifen. Ganz einfach.
Und selbstverständlich kündigen Paypal und Amazon nur aus Angst vor Regierungen. Es sind unternehmen, prinzipiell würden die jeden Kunden haben wollen. Wikileaks dagegen ist ein unbequemer Kunde weil Regierungen dann sauer werden. Selbst falls die Unternehmen nicht auf direkte Anweisung der Regierung gehandelt haben (was allerdings doch der Fall zu sein scheint) so haben sie es wenigstens aus Angst vor den Regierungen (bzw. vor der US Regierung im speziellen, vorauseilender Gehorsam) getan. Besser macht es das nicht wirklich.
So schlimm scheint die Angst ja nicht gewesen zu sein, immerhin haben sie die Zahlungen dann doch durchgehen lassen ...
Und dennoch: was folgt daraus? Rein gar nichts. Zum gefühlt hundertsten Mal: die Motivationen von Paypal, die vertragliche Verbindung zu WL aufzukündigen oder zu brechen, berechtigt Dich nicht dazu, irgendwelche rechtswidrigen Aktionen durchzuführen. Du magst Dein Konto löschen und Deine Verträge kündigen. Und das war es. Alles andere ist Willkür und Gewalt.
Nochmal ganz deutlich: Angriffe auf Unternehmen, die lediglich ihre Vertragsfreiheit nutzen, sind selbstverständlich nicht gerechtfertigt.
Das ist richtig.
Ein Angriff auf ein Unternehmen, dass durch Aufforderung der Regierung rechtsbrüchig wird (und entsprechend keine staatlichen Sanktionen zu erwarten hat) muss allerdings dennoch bestraft werden. Wenn in diesem Fall rechtsstaatliche Mittel versagen ist Selbstjustiz die nächstbeste Alternative.
Das halte ich für falsch. Zum einen unterstellst Du, dass WL kein Rechtsschutz vor amerikanischen Gerichten gewährt werden würde, zum anderen folgt selbst aus der Unterstellung kein recht zur Selbstjustiz Dritter gegenüber Paypal. Wenn jemand meint, sich austoben zu müssen, dann soll er doch die Seite vom Oval Office abschießen.
@Valhalla
All das vermag nicht zu begründen, weshalb ein Dritter das Recht haben sollte, einen Hacker-Angriff zu starten. Noch mal: einem Rechtsverhältnis erwachsen Rechte nur innerhalb der Rechtsbeziehung. Das ist eine simpler rechtlicher Grundsatz und bisher hat noch keiner geschafft, anschaulich darzulegen, wieso das hier anders sein sollte.
Beispiel: Du hast mit MegaVolt einen Vertrag zur Lieferung von zehn Eiern. Die Regierung tritt an Dich ran, weil sie MegaVolt nicht leiden kann. Auf ihr Drängen brichst Du Deinen Vertrag mit MegaVolt.
Frage: darf ich, Swatch von und zu Gerechtigkeit, Dir jetzt auf's Maul hauen? Nein, natürlich nicht. Ich darf meine Geschäftsbeziehungen mit Dir einstellen, ich darf Öffentlichkeit herstellen, mit dem Finger auf Dich zeigen und Dich ein opportunistischen Mistkerl nennen (vielleicht nicht ganz so drastisch). Mehr nicht. Haue ich Dir aber auf die Glocke, dann bin ich eben nur eines: ein Schläger.
Ich fasse mich mal selber zusammen: es gibt kein Recht auf Selbstjustiz und Vandalismus (gleich welcher Art) ist Scheiße.