Das ist doch aber teil des problems.
Die meisten deutschen chefs sind männer, die meisten davon sind mit einer hausfrau verheiratet und haben eine dazu passende einstellung: der mann geht arbeiten, die frau hält ihm den rücken frei, darf zwar auch arbeiten, aber familie sollte für sie im zweifelsfall priorität haben, damit der mann für den beruf leben kann.
Dieses rollenverständnis wird von generation zu generation weitergegeben und hier als wertneutrale kulturelle besonderheit schöngeredet.
Ich bin der meinung, dass es das nicht ist, weil es den einzelnen in seiner freiheit einschränkt. In vielen paaren kann aufgrund dieser situation gar keine unvoreingenommene diskussion über die rollenverteilung stattfinden. Viele väter haben gar keine freie wahl, ob sie sich im beruf zugunsten der familie zurücknehmen wollen, weil sie in diesem fall mit schikane zu rechnen haben; nicht wenigen kompetenten frauen wird klargemacht, dass sie es sich ja nicht leisten sollen, ein kind zu bekommen, wenn ihnen ihre karriere lieb ist.
Es geht dabei nicht nur um frauenfeindlichkeit, sondern um familienfeindlichkeit, die in zu vielen unternehmen ihren festen platz hat: Beruf und familie werden als getrennte bereiche angesehen, wobei für den mustergültigen mitarbeiter der beruf priorität hat und die familie dahinter zurückstehen muss. Dieser anspruch ist aber nur in einer gesellschaft aufrechtzuerhalten, in der die traditionelle rollenverteilung vorherrscht.
Und ich will in so einer gesellschaft nicht leben, weil sie ungerecht ist. Sie nimmt den menschen ohne not wahlmöglichkeiten und schränkt ihre freiheit ein, ihr leben so zu gestalten, wie sie es für richtig halten.
Die benachteiligung von frauen ist ein teil dieses gesellschaftlichen problems, das es zu lösen gilt.
Und ich glaube zwar nicht, dass irgend jemand hier dumm genug ist, die benachteiligung von frauen im beruf ganz zu verneinen, aber das ausmaß, in dem diese stattfindet und das leid, das man den betroffenen damit zufügt, scheinen viele hier nicht zu kennen oder nicht anzuerkennen.
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Und wenn ich dann höre, dass wir uns nicht an Skandinavien orientieren können, weil die "einen ganz anderen dienstleistungssektor haben" (wtf?), krieg ich ehrlich das kotzen.
Der unterschied zwischen uns und den skandinaviern ist ein kultureller. Und wir haben guten grund, uns dieses unterschieds zu schämen und ihn, so schnell es geht, wettzumachen.
Dann kotz doch. Es ist leider so, vieles was du schreibst ist auch so nicht richtig. Seit den Wirtschaftswunderjahren hatten wir eine Politik, die eben auf die Rollenverteilung, die von dir angesprochen wird abzielte. Und dass sich daraus ein Wertebild entwickelt sollte klar sein. Allerdings hält sich das Rollenbild nicht unbedingt, noch hält es die Frauen
heute zurück. Bis in die letzten 10-15 Jahre weichte das Bild immer weiter auf, sodass sich das etwas von Mann als Alleinverdiener hin zu Zuverdienerehe entwickelt hat. Kannst du
in so ziemlich jeder Abhandlung zu Sozialstrukturen in Deutschland finden. Wir haben zwar noch einen absurd hohen Anteil von Frauen, die es vorziehen hinter dem Herd zu stehen, allerdings änderte sich das mit der Wende in absoluten und relativen Zahlen enorm, dank der DDR Politik. Wenn wir schon Länder vergleichen wollen, warum dann nicht die DDR? Die hatten viel Unsinn, aber eine bessere Eingliederung von Müttern ins Erwerbsleben. Aber ne, Sozialismus stinkt. Würde wahrscheinlich auch nicht funktionieren, aber wenigstens erkennen die Leute sofort warum.
Übrigens, was an deinem Post so paradox ist: Wenn die Politik (Frauen keinen Beruf)
Familienfeindlich sein sollte, müsste daraus nicht ein Geburtenrückgang erfolgen? Fakt ist doch, dass seit den 70ern die Frauen 75% der Teilzeitarbeitnehmer ausmachen, also "dazuverdienen". Wenn man noch den Pillenknick abzieht, zeigen Ereignisdaten trotzdem sehr gut, dass eben das Teilzeitarbeiten und das Dazuverdienen eher "Familienfeindlich" sind, im Sinne von "Frau kriegt i.d.R ein Kind statt zwei++". Und hier beißt sich die Katze wieder in den Schwanz: sie kriegt es, weil sie es einfach nicht anders versorgen kann. Oft müssen Frauen einfach zu Hause bleiben, der Mann will nicht (obwohl er es gesetzlich genauso könnte!) und es gibt keine Infrastruktur. Wenn es sie gibt, ist sie häufig so ausgelegt, dass man sie mangelhaft nutzen kann. Die Bayern, bzw. Süddeutschen können dir hier ein Lied singen: Kindergärten mit Öffnugszeiten von 9-12 Uhr sind keine Seltenheit.
Warum das nicht mit Skandinavien oder den USA geht?
Die Skandinavier, vor allem Schweden und Norwegen, haben sich vollkommen anders als Deutschland entwickelt, nicht nur kulturell, was du ja sagen willst, sondern auch wirtschaftlich. Deren Dienstleistungsektor umfassen viele andere Branchen, der öffentliche Dienst spielt eine völlig andere Rolle und ist auch sehr viel besser ausgebaut. So eine krasse Industralisierung wie hier gab es da einfach nicht. Nur mal so am Rande. In Deutschland hast du ähnliche, aber dennoch andere Berufe im gleichen Sektor, die wiederum andere Prestigelevel mit sich bringen. Der komplette Rahmen ist anders. Wie willst du ein Modell, das seit JAHREN in einem Land mit einer besonderen Kultur funktioniert mit einem anderen Land vergleichen? Ich hoffe hier kommt noch ein Statistiker vorbei und erzählt dir etwas über sinnvolle Referenzen. Wenn die Rahmenbedingungen in einem Modell nicht extrem ähnlich sind, dann wird die Interpretation schwach. So schwach, dass dabei nur noch Unfug rauskommt. Dann kommen wieder Programme, die wild Kindergärten platzieren, die sich keiner leisten kann, oder die in Gegenden angepflanzt werden, bei denen die Frauen nicht nur nicht arbeiten gehen wollen (Tiefbayrischer Djungel), sondern es nicht können, es sei denn sie wollen Halbtags als Maurer rumeumeln. Und dann wundert sich wieder jeder, warum diese Projekte nicht angenommen werden - in Norwegen geht es doch auch an jeder Ecke.
Bei den USA wäre es noch härter. Da ist die Varianz der arbeitenden Frauen nochmals unterschiedlich. Auch hier sieht es auf den ersten Blick ähnlich zu Deutschland aus - viel Teilzeit, wenig Vollzeit, wenig(er) (absolute) Managerposten. Es gibt auch hier die Soccer-mom, aber trotzdem arbeiten sie früher. Allerdings in Niedrigverdiener Branchen. Da ist es normal, dass man halt für lau in irgendeiner Wäscherei arbeitet. Wobei das Land sowieso ein einziger Flickenteppich ist, dass dann noch krassere Stadt/Land Unterschiede hat als Deutschland und auch von Staat zu Staat völlig anders aussehen kann. Deutschland hat wenigstens die geographische Grenze der ehemaligen Mauer, mit der man was erklären kann. Aber egal, es ufert aus.
Wenn es dich wirklich interessiert, dann solltest du vielleicht diverse Studien lesen. GLOBALIFE bietet sich teilweise an, teilweise vielleicht etwas von Esping-Andersen. Die haben zwar leicht unterschiedliche Ansatzpunkte, sollten aber beide kostenlos lesbar sein und sind recht anfängerfreundlich verfasst.
Aber um all die Punkte geht es euch nicht, irgendwie wird hier eine Frauenquote verteidigt,
warum die sein
muss erklärt sich mir nicht. Sie wird de facto nichts an deinen Kritikpunkten ändern. Wenn überhaupt unterstützt sie die wenigen Frauen, die eben einen Wert auf Karriere legen, die wiederum auf Kinder verzichten müssen, weil es die Jobs so vorschreiben. Und das wiederum geht an den wahren Problemen meilenweit vorbei. Das ist reines Popularitätsgerede ohne Sinn und Zweck.
Was verändert werden soll wird ja auch nicht erklärt, es geht um die Quote weil man eine schönere Statistik haben will - aber was bildet die denn bitte ab? Zahlenjonglieren für eine Minderheit von Frauen.
Bzw. denkst du wirklich diese Quotenfrauen würden Diskriminierung entgegenwirken? Wenn sie da ankommen, dann geht doch das Gerede von "Hochschlafen" erst richtig los. Dann wird halt ein anderer Begriff genommen. Genau so wie hier im tiefsten Land jede Frau dumm angeschaut wird, die nach 3 Monaten mit Kind direkt wieder arbeitet. Das braucht Zeit und andere Politik, keine Box-In-Die-Wand-Quote. Warum sollte man so etwas auch mit Gewalt übers Knie brechen wollen? Weil, naja, Gewalt schafft immer Frieden.
Bevor wieder das Argument "schickt die Frauen halt in bessere Branchen" oder "da werden sie ja nicht genommen" - die wollen da gar nicht hin. Genausowenig wie Männer Altenpfleger werden. Ausnahmen gibt es, aber halt nicht viele. In der Doku in angesprochenem Gender-Norwegen-Thread wurde ja (interessanterweise) von Gleischstellungsbeauftragten sogar bescheinigt, dass Programme, die das lösen sollen, allerhöchstens temporär erfolgreich sind, bevor das wieder alles ins alte Muster verfällt.
Am meisten stören mich (übrigens auch viele der weiblichen Teilnehmer in Seminaren) immer die Argumentation, Deutschland wäre so rückständig. Seit Jahrzehnten wird viel auf dem Arbeitsmarkt und in den Bildungssystemen gedreht, damit möglicher Diskriminierung entgegengewirkt werden kann. In den Schulen klappt das sogar wunderbar, sogar in den meisten Unis. Dass sich dann die Geschlechter aufteilen liegt eher daran, dass sie es könne, als das sie es müssen. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es auch viele Dinge, die gerade Frauen schützen. Es ist zwar noch einiges zu tun, aber sofort extrem drastisch zu werden, weil wir ja alle, die wir dagegen sind, es verdienen von Alice Schwarzer kastriert zu werden...
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Was anscheinend bei dir mit dem Skandinavien-Beispiel nicht ankam: wir können sehr wohl von denen lernen, wie man Beruf und Familie vereinbaren kann, wenn es sorgfältig mit guten Modellen geschieht. Was schief laufen kann, siehe oben. Die Skandinavier hatten diese Quotendiskussionen übrigens auch, weil es wenige Maschinenbaufrauen oder ähnliches gab. Was totaler Quatsch ist. Ich möchte gerne mal die Meinungen vieler Frauen zu dieser Quote in diesen Ländern hören - vor allem was den Sinn angeht.
Nur weil ein Land teilweise Gutes hat, muss man nicht jeden Dreck mitmachen. Die nörgeln auf einem ganz, ganz anderen Niveau mit ganz, ganz anderem Hintergrund. Guck dir diese Doku an, dann wird dir vielleicht auch klar, warum man früher oder später zur Erkentnis kommt, dass in Norwegen nicht wirklich das Mekka ist, das wir da oft reinglorifizieren.