Institutionelle Glaubwürdigkeit ist für mich bspw die Glaubwürdigkeit im Umgang mit Geld, oder Reformen anzustreben.
Mir fällt keine höfliche Art ein, es zu sagen, also sage ich es dir direkt: Ich halte "institutionelle Glaubwürdigkeit" für eine ad hoc Erfindung, die überhaupt keinen Sinn ergibt. Es gibt keine "institutionelle Glaubwürdigkeit", es gibt journalistische Glaubwürdigkeit. Alles andere ist sowas wie Akzeptanz, aber die steht und fällt beim ÖRR (wie bei allen Medien) eben größtenteils nicht mit der Qualität der Arbeit, sondern mit der politischen Einstellung des Rezipienten*.
Es hat in Deutschland lange Tradition, dass die konservative Seite des politischen Spektrums "working the refs" betreibt, nicht weil sie tatsächlich den ÖRR abschaffen will, sondern weil sie eine Drohkulisse aufbauen möchte um den ÖRR zu mehr sympathisierender Berichterstattung über konservative Anliegen zu bringen. Das ist in den letzten 15 Jahren wieder angestiegen, weil die Union weiß, dass ihr politische Einstellung (lauwarmer Konservatismus christdemokratischer Prägung) in der aktuellen Medienlandschaft privatwirtschaftlich keinen Lebensraum mehr findet: Solange es noch die klassischen institutionellen gatekeeper gab, war sowas wie die Welt auf CDU-Linie, aber auch nicht durchgeknallt, weil sie das auch nicht sein mussten. Seit der Druck durch die Veränderung der Medienlandschaft (weniger Leser, dafür diese stärker polarisiert) stark gewachsen ist, ist es für die Union schwieriger geworden, noch Medienrepräsentanz zu finden: Journalisten die prinzipiell der CDU zuneigen gibt es nicht allzu viele und Medien, die explizit konservative Kreise ansprechen greifen im Zweifelsfall eher zu krasserem Zeug als Medien, die lediglich die CDU-Standpunkte wiedergeben. Wenn nicht staatlich subventionierter Journalismus freundlich über die CDU berichtet, wer tut es sonst?
Der Fall Schlesinger ist da nur ein Mittel zum Zweck und wäre genau denjenigen, die jetzt nach Schrumpfung krähen, völlig egal wenn die Berichterstattung anders aussähe. Mag sein dass du einer der wenigen bist, die ihre Meinung über den ÖRR aus prinzipiellen Erwägungen ableiten, aber so zu tun als wäre das allgemein so ist einfach nicht realistisch; das Muster sehen wir überall in Demokratien und es hat nochmal stark zugenommen, seit es narrowcasting gibt.
Ich halte deine Idee bzgl. eines "neuen", niedrigeren Rundfunkbeitrags btw für nicht geeignet, um das zu erreichen was du erreichen willst: Das Grundproblem ist schlicht nicht, dass der Beitrag 18 Euro ist. Das Grundproblem ist, dass Leute nicht bereit sind, Geld für Berichterstattung auszugeben, die nicht ihrem Gusto entspricht. Dass die Kosten niedriger sind hilft ein bisschen, aber es würde das Grundproblem nicht lösen. Und da ist meiner Meinung nach die Politik in der Verantwortung, eben nicht noch auf sowas wie den Schlesinger-Zug aufzuspringen, sondern den Leuten aktiv zu sagen, dass der ÖRR ein public good schafft, nämlich eine besser informierte Öffentlichkeit (und dass die Behauptungen von wegen "Schlagseite" auch stark übertrieben sind).
*fairerweise muss man zugestehen, dass der deutsche ÖRR noch das zusätzliche Problem hat, dass er aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG seine Kosten gesondert als Pro-Kopf-Pauschale ausgewiesen bekommt, statt sie innerhalb der allgemeinen Steuereinnahmen verstecken zu können wie es bei vielen anderen Politikfeldern der Fall ist; wenn bspw. in Deutschland jeder Haushalt pro Monat 102 Euro für Verteidigungsausgaben (der aktuelle Wert) bezahlen müsste, könnte man das 2,0%-Ziel für Verteidigungsausgaben direkt knicken
Und der Zusammenhang zwischen Unterhaltungssystem und Schlesinger ist, dass ich das Festhalten am Unterhaltungsauftrag als stark finanziell/egoistisch motiviert sehe. Man möchte den Apparat groß halten, weil das mehr Mitarbeiter, mehr Geld, mehr Pöstchen bedeutet.
Denn ernsthaft gute Argumente für den Unterhaltungsauftrag gibt es aus meiner Sicht schon lange nicht mehr.
Und das Festhalten am Unterhaltsauftrag und Fälle wie Schlesinger sind für mich Indizien, dass der ÖR sich nicht selbst in positiver Weise reformieren wird.
Sorry, aber das ist einfach kein realistischer Kritikpunkt. Du findest den Unterhaltungsauftrag schlecht, ist dein gutes Recht. Das heißt nicht, dass du fordern kannst dass der ÖRR prophylaktisch für eine Reform nach deinen Wünschen agitieren sollte. Das Festhalten am Unterhaltungsauftrag ist völlig normal und weder positiv noch negativ; es ist überhaupt nicht am ÖRR, seinen eigenen Auftrag zu bestimmen.
Die Zeiten des reinen Rundfunks sind halt schon lange vorbei. Schon mal von so Dingen wie Mediathek, youtube oder Webseiten gehört?
Sie betreiben auch Rundfunk.
Not today, Internetsatan.