Da ist man mal ein paar Tage weg ... okay, der Reihe nach:
Okay, dann erklär mal wie ein Kapitaldeckungssystem funktioniert wenn folgende Situation vorliegt:
Der Staat bestehe aus 100 Personen, es bestehe ein Kapitaldeckungssystem für die Rente. 33 Personen sind Rentner und haben jeweils 100 Zahlungseinheiten durch Investitionen angespart die jeweils für das erwartete Restalter ausreichen bei den aktuellen und den erwarteten Preisen inklusive Inflation. Zur Pflege der Rentner sei pro Rentner eine Person notwendig (auch unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts), 33 Personen sind produktiv tätig und erwirtschafteten so die Zinserträge für die Investitionen der Rentner in der Vergangenheit, für die wir eine Art Steady State Pfad annehmen.
Nun wird die Gesellschaft älter, z. B. weil niemand mehr ficken will. Was passiert? Es sind jetzt 40 Rentner. Wir bräuchten 40 Pfleger und 40 Produktive damit gepflegt werden kann und auch der Investitionsertrag erwirtschaftet werden kann. Dummerweise ist der Bedarf größer als die Bevölkerung.
Es gibt hier nun mehrere relevante Punkte:
- Immigration wird notwendig um den Arbeitskraftmangel auszugleichen; Immigration muss aber für den Immigranten attraktiv und vom Land gewollt sein.
- Pflege wird tendenziell teurer und die alte Generation wird somit schlechter versorgt.
- Die Zinserträge werden geringer und die Menge an notwendigem Kapital zur Finanzierung der Rente steigt, die effektive erwartbare Rentendauer sinkt, die Lebensarbeitszeit steigt.
- Leg das Geld doch einfach im Ausland an? Funktioniert nur, wenn der Anteil an sich verjüngenden Volkswirtschaften in der Welt größer ist als der der alternden. Denn nur dort ist zu erwarten dass diese sich ggü dem Ausland netto verschulden wollen.
- In einer Steady State Weltwirtschaft ist es egal ob Kapitaldeckungssystem oder Generationenvertrag, in einer Welt mit Wechselkursen, unvollkommenen Verträgen, Altersunterschieden etc.pp. ist der Generationenvertrag deutlich im Vorteil.
Grundproblem ist immer: Insb. die für alte Menschen wichtigen Dienstleistungen stehen nur in dem Umfang zur Verfügung, wie auch Arbeitskraft vorhanden ist. D.h. es sorgt effektiv immer die produktive Generation für die Ruhestandsgeneration wenn man den Arbeitsfluss betrachtet. Warum also eine zusätzliche Abstraktionsschicht einfügen die nichts bringt außer die bekannten Kapitalmarktrisiken in ein System einzufügen was ganz besonders auf Zuverlässigkeit angewiesen ist?
Ja, der Generationenvertrag teilt einen Teil der oben genannten Schwächen, aber nicht alle. Somit ist der Generationenvertrag selbst bei einer wie oben geschehen oberflächlichen Betrachtung die einfachere, weniger risikobehaftete und somit auch vorzuziehende Lösung.
Absolut richtig, die aktuell arbeitende Generation muss alle nicht arbeitenden Menschen mitfinanzieren. Das ist unstrittig und unvermeidbar.
Die Frage ist, wie wir das am besten und effizientesten organisieren.
Allgemein wissen wir, dass der Markt, mit all seinen Fehlern, immer noch die effizienteste Form der Strukturierung ist die wir kennen. Er lenkt Mittel dort hin wo sie effizient sind und gebraucht werden.
Der Generationenvertrag dagegen lenkt Geld dort hin, wo Politiker es als sinnvoll ansehen.
Letztendlich sorgen beide konkurrierenden Systeme für ein ähnliches Ergebnis, ich vertraue aber dem Markt (ja, auch jetzt nach der Krise) noch deutlich mehr als Politikern.
Dazu kommt der Punkt der Verteilungsgerechtigkeit: Bei einer privaten Vorsorge ist diese viel eher gerechtfertigt, denn dort steht einer Einzahlung auch direkt eine Auszahlung gegenüber. Man sorgt für sich selbst vor, das ist automatisch gerecht. Umverteilung ist kein Selbstzweck, wo sie nicht zwingend nötig ist sollte sie nicht stattfinden und die Umverteilung findet ja schon bei den Einkommen statt, d.h. nochmals bei der Rente umzuverteilen ist unnötig.
Und falls die Stabilität eine Sorge ist: Der Staat kann ja gerne Garantien für große Rentenversicherer aussprechen, das wäre eine Mischung aus Generationenvertrag und Kapitaldeckung. Solange die Kapitaldecke hält wird sie genutzt, wenn irgendwann mal die Welt fast untergeht dann kann der Generationenvertrag kurzfristig in Form einer Staatsgarantie reaktiviert und danach natürlich schnellstmöglich wieder zurückgefahren werden.
@ MV: Du vergisst bei deiner Forderung nach einem Sozialstaatsabbau stets, dass der Sozialstaat eine wichtige Funktion auch für die Vermögenden und gut Verdienenden erfüllt. Und das ist Sicherheit und Stabilität. Ich bin bereit 50% meines Einkommens abzugeben, wenn ich im Gegenzug ein sicheres Leben führen kann.
Prinzipiell stimme ich dir da vollkommen zu, ich würde auch gerne einen großen Teil meines Einkommens abgeben, um in einer friedlichen Gesellschaft leben zu dürfen. Aber 50% sind dafür einfach nicht nötig.
Ich will ganz sicher nicht einen großen Teil abgeben, damit er sinnlos verschwendet wird. Eine sichere und stabile Gesellschaft kann mit deutlich, deutlich weniger garantiert werden, wenn man sie nur richtig organisiert.
Wir brauchen deutlich mehr Bürokratieabbau bei gleichzeitiger Erhaltung der sozialen Sicherungssysteme in ihrer Funktion, aber nicht notwendigerweise in ihrer Höhe.
Deshalb bin ich ja auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen (von grob 600€): Das garantiert minimale Bürokratie, weil alle anderen viel aufwändigeren sozialen Sicherungssysteme (wie staatliche Rente, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, BAföG, Kindergeld, etc.) abgeschafft werden können und es garantiert gleichzeitig auch sozialen Frieden.
@ Ancient: Ich widerspreche dir vehement.
Und zwar aus folgendem Grund: Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob jeder Bürger bei der Bundestagswahl genau EINE Stimme hat und der Bundestag nach erfolgter Wahl über den Haushalt entscheidet oder ob jeder selbst über die Verwendung von 50% seines Einkommens entscheiden kann.
Einfache Lösung:
Bürger entscheiden immer noch direkt über die Verwendung der Steuergelder, aber mit gleicher Stimme.
D.h. Steuer wird zweckgebunden erhoben und zwar so, wie die Bürger es zugeteilt haben, Umschichten zwischen den Verschiedenen Töpfen wird stark eingeschränkt (ganz verbieten wird man es aus Stabilitätsgründen wohl nicht können aber vollkommen willkürlich Gelder verteilen wie es heute passiert muss ja auch nicht sein).