ihr seid also der ansicht, dass ein tödlicher schuss prinzipiell immer das mittel der wahl ist, weil alles andere nicht 100% risikofrei und gleich wirksam ist?
Nein. Wenn beispielsweise ein Angreifer auf das Opfer zu kommt, dann reicht vielleicht die Warnung. Denn wenn der Angreifer dann flieht, ist der Angriff abgewehrt. In Fällen, in denen der Angreifer aber gerade an der Flucht gehindert werden muss, weil gerade durch die Flucht ein Rechtsgut verletzt würde (Eigentum), ist nunmal ein Mittel erforderlich, das die Flucht sicher verhindert. Diese Ansicht ist nicht abzulehnen, sondern geltendes Recht, ein Blick in den § 32 reicht.
dazu führen würde, dass jeder angriff auf welches rechtsgut auch immer gleich den freibrief enthält, jemanden abzuknallen. schließlich ist es das bestwirksamste mittel den angriff zu beenden und für sich selbst absolut risikolos.
Nein. Wenn es noch andere Mittel gibt, die ebenfalls risikofrei sind, dabei aber weniger einscheidend, sind diese zuerst zu ergreifen.
genau aus diesem grund hat ja auch die rechtsprechung das stufige vorgehen entwickelt, zuerst zu schützen, dann zu warnen und erst dann aktive gegenmaßnahmen anzuwenden.
Die Stufen können aber nach (vollkommen herrschender Ansicht) übersprungen werden, wenn andernfalls der Abwehr-Erfolg gefährdet wäre.
das gewünschte ziel, die flucht der täter, nur mit dem töten desjenigen herbeiführen zu können und deswegen einen warnschuss zu übergehen ist meiner meinung nach nicht vertretbar.
Es geht nicht um die Flucht an sich, dazu dürfte man nicht töten. Es geht um den Schutz des Eigentums. Wenn das Opfer sein Eigentum nur dadurch effektiv behaupten kann, indem er den fliehenden Dieb oder Räuber niederschießt, dann darf er das grundsätzlich.
BGH in ständiger Rechtsprechung schrieb:
BGH NStZ 1982, 285:
"Der Angegriffene darf grundsätzlich das für ihn erreichbare Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten läßt. Er ist nicht genötigt, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist"
BGH NStZ-RR 1999, 40:
"Die iSv StGB § 32 Abs 2 erforderliche Verteidigungshandlung schließt auch den Einsatz lebensgefährlicher Mittel ein. Dies darf jedoch nur das letzte Mittel der Verteidigung sein. Der Angegriffene muß allerdings nicht auf weniger wirksame Verteidigungsmittel zurückgreifen, wenn deren Erfolg zweifelhaft ist."
Nahezug Wortgleich etwa auch BGH NStZ 1994, 581; NStZ 2002, 140
Soll ich noch mehr Fundstellen bringen?
Wer nicht glaubt, wie weit diese Kein-Risiko-Eingehen Sache geht, dem lege ich mal ein relativ neues BGH-Urteil nahe: BGH NStZ 2006, 152:
A und B werden von X und Y (das sind die "Bösen", die Angreifer) in zwei Zweikämpfe verwickelt, A-X und B-Y. A gewinnt seinen Zweikampf gegen X, hat aber B und Y aus den Augen verloren. Er sticht dem am Boden liegenden X in Tötungsabsicht mit seiner Waffe in den Brustbereich. A war hier gerechtfertigt, weil er sich nicht einmal der geringen Gefahr aussetzen muss, dass Y in dem anderen Kampf gewinnt, anschließend ihn, den A angreift und dass dann X ebenfalls wieder eingreift, was dann dazu führen würde, dass A sich X und Y gegenüber sieht. Hier reichte die wage Möglichtkeit, dass ein weiterer Angreifer auftaucht und A ebenfalls angreift, um eine Tötung zu rechtfertigen.
Notwehrrecht erlaubt es dem Opfer, sich zum Schutz seiner Rechtsgüter umfassend gegen den Angreifer zu wehren, und zwar grundsätzlich gleichgültig, wie teuer das den Angreifer zu stehen kommt! Der Satz "Recht braucht Unrecht nicht zu weichen" ist wörtlich gemeint!