Meiner Meinung nach vereinfacht ihr das Problem übermäßig - und zwar auf beiden Seiten.
Zunächst mal ein paar Vorbemerkungen:
1. Als der Hirntod als Todeskriterium festgelegt wurde, geschah das meines Wissens unter der Annahme, dass dem Hirntod notwendig und in Kürze (wenige Tage) der Herztod und schließlich der Kollaps des gesamten Organismus folge.
Diese Sichtweise ist heute widerlegt: Wir wissen, dass der Organismus mit medizinischer Apparatur auch nach dem Hirntod noch Monate oder sogar Jahre wesentliche Körperfunktionen aufrechterhalten kann, z.B. das Austragen eines Kindes.
2. Es gibt nachvollziehbare medizinische und philosophische Gründe, die dagegen sprechen, dass der Hirntod ein hinreichendes Kriterium für den Tod eines Menschen ist.
Diese Gründe und ihre Gegengründe bedürfen einer offenen Debatte in der ganzen Gesellschaft, nicht nur in medizinischen und philosophischen Fachjournalen.
3. In der Diskussion um Organspende vermischen sich grundlegende Fragen, die zwar eng zusammenhängen, aber trotzdem einer getrennten Erörterung bedürfen, z.B.:
-Ist der Hirntod das sinnvollste Kriterium für den Tod eines Menschen?
-Dürfen Organe nur toten Menschen entnommen werden?
-Ist der Mensch als lebender Organismus mit dem Menschen als Person identisch?
-Welche praktischen Kriterien sind sinnvoll, um die Entnahme von lebenswichtigen Organen zu erlauben?
-Welche Anforderungen stellen wir an die Zustimmung zur Organentnahme?
-Welche Maßnahmen halten wir für statthaft, um die Spendenbereitschaft zu erhöhen? Inwiefern stehen diese in Konflikt mit anderen moralischen (und rechtlichen) Prinzipien?
Hier sind ein paar Links mit Informationen bzw. Positionen zum Thema:
http://www.netdoktor.de/Krankheiten...ssen/Hirntod-Wie-er-festgestellt-wi-5351.html
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/todeszeitpunkt-und-organspende-wie-tot-sind-hirntote-1.1299076
Besonders zu empfehlen:
http://www.das-parlament.de/2011/20-21/Beilage/001.html
es gibt eben diverse bedenken in breiten bevölkerungsteilen und sogar unter der ärzteschaft. die spendenbereitschaft sinkt und das völlig zu recht. a) ist der prozess der gehirntoddiagnostik zu verbessern, b) sind die auswahlverfahren transparenter zu gestalten und c) sind die bedenken eben ernst zu nehmen und nicht mit so ner moralischen dumpfsinnigkeit niederzuknüppeln.
Im letzten Punkt geb ich Dir recht, aber wir müssen schon vorsichtig sein. Zu sagen, dass die Spendenbereitschaft zurecht sinke, ist zynisch, wenn man sich überlegt, wer dabei am Ende die Verlierer sind: schwerkranke Menschen, die auf ein Spendeorgan warten.
Aus Deinen Äußerungen weiter oben könnte der Eindruck entstehen, als gäbe es
den Arzt, der über den Hirntod entscheidet und auch für die Transplantation zuständig sei - auch wenn Du es vielleicht nicht so gemeint hast.
Wir sollten festhalten, dass das nicht der Fall ist. Der Hirntod muss unabhängig von zwei spezialisierten Ärzten festgestellt werden, die Transplantation nimmt wieder ein anderer Arzt vor, der keinen Einfluss auf die Diagnose des Hirntods nehmen darf.
Einen Interessenkonflikt in der Person der entscheidenden Ärzte können wir nie ausschließen. Aber ungeachtet einzelner Regelverstöße sollten wir zugestehen, dass wir ein System haben, das systematische Interessekonflikte minimiert. Ich sehe, ehrlich gesagt nicht, was man in dieser Hinsicht groß verändern könnte, außer besser zu kontrollieren, dass die bestehenden Regeln auch eingehalten werden.
Was allerdings die Diagnostik des Hirntods angeht, so kann man sicherlich schärfere Kriterien fordern. Aber das hat nichts mehr speziell mit Organtransplantation zu tun. Der Hirntod ist die medizinisch anerkannte und weltweit praktizierte Definition des Todes. Wenn der Hirntod festgestellt wird, werden die Geräte abgeschaltet und der Organismus kollabiert. Eine Organtransplantation kann hier den Kollaps des Organismus nur hinauszögern, nicht verkürzen.