Im Grunde ist es ja eine ziemliche Unverschämtheit, Joachim Löw überhaupt mit Fabio Capello zu vergleichen. Der 64-Jährige hat in seiner bisherigen Trainerlaufbahn fünf mal den Scudetto in Italien gewonnen (vier Mal mit dem AC Milan, einmal mit AS Rom), ist zwei Mal Meister in Spanien mit Real Madrid geworden und hat darüber hinaus 1994 mit den Rossoneri die Champions League geholt.
Der Jogi wurde 1997 DFB-Pokalsieger mit dem VfB Stuttgart. Und, das sollte man nicht vergessen, österreichischer Meister mit Wacker Tirol (2002) Zwischen diesen beiden Triumphen ist der Badener auch mal mit Karlsruhe in die dritte Liga abgestiegen, aber das zählt ja nicht als Titel, nicht mal in Stuttgart.
Löw kann, an den nackten Resultaten gemessen, in geraumer Zukunft vielleicht mal ein Capello werden. Auf gleicher Höhe begegnen sich die beiden am Sonntag in dieser Hinsicht sicher nicht.
Die Vergangenheit zählt am Sonntag nichts, könnte man an dieser Stelle einwenden, das stimmt natürlich. Löw hat der DFB-Elf ein klares Gesicht und taktisches Konzept gegeben, während Capello noch nach der richtigen Aufstellung zu suchen scheint. Vielleicht noch wichtiger als die richtige Strategie ist aber die Fähigkeit, Fehler zu korrigieren und flexibel reagieren zu können.
Capello hat mit England in den vergangenen zwei Jahren unzählige Spiele durch beherzte Spielerwechsel umgebogen. Löw dagegen verlor beim 0:1 gegen Serbien wie schon beim 1:2 gegen Kroatien völlig die Nerven und riss Deutschland mit unglücklichen Wechseln (Odonkor, Marin, Gomez) vollends in die Konfusion.
Wenn es am Sonntag tatsächlich darum geht, wer den gewiefteren Trainer auf der Bank hat, sollten wir das Spiel vielleicht vorher mit 2:0 an die Engländer abschenken - und uns alle einen schönen Nachtmittag im Grünen machen.
Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 15 Jahren in London. Er schreibt unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und die britische Tageszeitung "The Guardian". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.