@ Valhalla: Bzgl. der amerikanischen Steuersätze nach dem WW2 gilt das gleiche wie zu dieser Zeit in Deutschland. Das ist schlichte Augenwischerei. Auf dem Papier war die deutsche Körperschaftssteuer nach dem WW2 erdrückend. Aber der Steuertarif ist hier nicht entscheidend, sondern die Bemessungsgrundlage. Deutsche Unternehmen (im Einflussgebiet der Alliierten) mussten zwar astronomische Steuersätze zahlen, allerdings wurde die Bemessungsgrundlage vorher entsprechend reduziert. Es macht ja einen Unterschied, ob ich als Unternehmer steuerrechtlich gesehen einen Gewinn von 500.000 oder 5 Mio Euro als Bemessungsgrundlage habe. 90% von 500. 000 sind im Ergebnis schließlich weniger als 50% von 5 Mio.
Und genau dieses Problem erleben wir derzeit auch bei uns. Ganz Deutschland spricht über Steuersätze, über Erhöhung des Spitzensteuersatzes usw. Das ist aber eigentlich gar nicht die relevante Größe, auf die es ankäme. Nehmen wir § 82f der Einkommensteuerdurchführungsverordnung. Das ist ein klassisches Steuerschlupfloch für wirklich reiche Menschen.
Der erste Absatz lautet: "Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 5 des Gesetzes ermitteln, können bei Handelsschiffen, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 40 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen. § 9a gilt entsprechend."
Und genau das ist der neuralgische Punkt. Durch Sonderabschreibungen sinkt die Bemessungsgrundlage. Ebenso durch Aufwendungen zur Erhaltung von Immobiliarsachen. Der fiktive Zahnarzt mit einem Gewinn von 500.000 Euro beginnt, sich arm zu rechnen.
Durch die genannten Effekte liegt seine Bemessungsgrundlage am Ende z.B. nur noch bei 250.000 Euro. Da zahlt er dann den Spitzensteuersatz und beschwert sich noch über die ach so hohen Steuern. Der Lohnsteuerpflichtige dagegen hat gar nicht mit Möglichkeit, an seiner Bemessungsgrundlage zu schrauben. Bis auf die Werbunskostenpauschale hat er, nachdem auch das Arbeitszimmer als absetzbare Investition wegfiel, eigentlich keinen Spielraum. Wenn er also 35% Steuern zahlt, wird er in Wahrheit stärker belastet als der "arme" Zahnarzt mit seinen 42%+X. Manche sagen dann, "naja, dafür konsumiert der Zahnarzt mehr und zahlt dadurch mehr Mehrwertsteuer. Aber diese Argumentation geht fehlt. Die Mehrwertsteuer ist eigentlich verfassungswidrig, wenn man von Art 3 I GG ausgeht. Der einzige Grund, warum sie jeder Staat nutzt, ist, dass sie ein hohes Aufkommen garantiert und für den Staat ohne Aufwand zu erheben ist. Dreht man an der Mehrwehrsteuer nur um 2-3%, bedeuten das Mehreinnahmen iHv +20Mrd im Jahr. Da die Bürger ja in gewissem Maße konsumieren müssen, bedeutet ein Drehen an der Mehrwertsteuer immer ein Zuwachs der Steuereinnahmen. Aber die Mwst ist gleichzeitig die ungerechteste Steuer die wir haben, weil sie einfach nicht nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit arbeitet. Ein relativ einfaches Beispiel verdeutlicht dies. Ein Lohnempfänger mit 2500 Euro Nettoeinkommen im Monat mit Familie und 2 Kindern muss in der Regel sein gesamtes Einkommen dafür verwenden, die notwendigen Güter zu beschaffen. Nach Abzug von Miete / Fixkosten / Lebensmittelkosten / Bekleidung bleibt ihm maximal ein kleiner Betrag, den er für Urlaub oder ähnliches zurücklegen kann. D.h. sein gesamter Nettolohn wird verkonsumiert. Einige der Güter unterliegen zwar dem ermäßigten Mwst Satz, aber nicht alle (z.B. keine Babywindeln, aber dafür Schnittblumen, was mich jedesmal aufs Neue kopfschütteln lässt). D.h. seine 2500 Euro werden nochmals mit ca. 19% besteuert. Nehmen wir dagegen unseren Zahnarzt, der sagen wir 10000 Euro netto verdient. Natürlich wird er in der Regel mehr konsumieren und daher unterm Strich mehr Mehrwertsteuer zahlen. Aber selbst wenn er 6000 Euro im Monate verkonsumiert, verbleiben 4000, die er anlegen kann. Dieses Geld wird, klug angelegt, sogar noch für ihn arbeiten. Er muss idR nicht sein gesamtes Einkommen für den Konsum aufwenden.
Mein Schwerpunkt ist ja Steuerrecht, aber nicht aus der Sicht des Steuerpflichtigen, sondern aus der Perspektive des Staates. Mir gehts also nicht darum, anderen beim Armrechnen auch noch zu helfen, sondern etwas dagegen zu tun. Aber das ist ein Kampf gegen Windmühlen.
@ Bootdiskette: Du meinst sicher Legislative statt Judikative, oder? Falls ja, ist das auf jedenfall richtig. Es gibt Abgaben mit Lenkungszweck und solche, die lediglich Fiskalzwecke erfüllen. Die Behindertenabgabe in Unternehmen ist ein Beispiel für eine Sonderabgabe mit Lenkungszweck. Stellt das Unternehmen ohne sachlichen Grund keine behinderten Mitarbeiter ein, zahlt es dafür eine Abgabe. Allerdings kollidieren solche Vorgehensweisen stets mit der allgemeinen Handlungsfreiheit und sind allgemein umstritten.