Ja, white christian nationalism dick am rise. Wobei das die Brockschmidt vor ka, 5 Jahren oder so auch in ihrem Buch hierzulande thematisiert hat.
Dieser Fokus auf "christian nationalism" als Triebfeder der radikalen Rechten in den USA hat mich ehrlich gesagt noch nie sonderlich überzeugt. Ich glaube eher das Gegenteil ist der Fall: Es ist nicht die Religion, die die Politik treibt, sondern umgekehrt. Was man bei "Religion" in den USA immer vor Augen haben sollte ist die Tatsache, dass du dort niemals eine Staatskirche hattest wie bei uns in Europa; Religionen waren auch immer in einer Art "Wettbewerb" untereinander, weshalb die religiöse Doktrin der Bewegungen häufig viel beweglicher war als die Doktrin etwa der katholischen Kirche in Deutschland, die mehr oder weniger von oben vorgegeben wird.
Eins meiner absoluten Lieblingsbücher ist "The Evolution of God" von Robert Wright, wo er beschreibt wie das Christentum sich in seiner Entstehungsgeschichte gewandelt hat, weil es als Religion in einer Peripherie eines Weltreiches entstanden ist und nie eine realistische Chance hatte, sich durch Eroberung auszubreiten. Das hat die Art, wie das Christentum gelebt wird, massiv geprägt. Natürlich konnte man, als man erst mal die dominierende Religion war, auch aus dem Christentum eine Menge Unterdrückung rausholen (wie viel christliche Nächstenliebe steckt bspw. in der Inquisition?), aber zentrale Motive waren immer davon geprägt für die breite Masse attraktiv zu sein, weil das Christentum darauf angewiesen war dass es durch friedliche Bekehrung durch das römische Reich transportiert wurde, nicht durch kriegerische Eroberung Roms.
Wenn du dir dagegen die USA ansiehst ist dort das, was "Christentum" ausmacht, häufig so weit ausgedehnt dass es für einen praktizierenden Christen der sich an den Texten der Religion orientiert de facto wenig Sinn ergeben würde. Um es etwas vereinfacht zu sagen: Bei uns ist häufig die Kultur downstream von der Religion, in den USA ist die Religion häufig downstream von der Kultur. Deshalb lässt sich das Christentum auch beliebig weit ausweiten, bis es mit der traditionellen Doktrin der katholischen Kirche nicht mehr viel zu tun hat. "Christentum" ist da nur ein Identitätsmarker (der sich natürlich auch, wie alle Religionen, exzellent zur Distinktion von Gruppen anbietet), aber der autoritäre Charakter der Bewegung stammt aus der Kultur, die schon seit Jahrzehnten immer weiter beschädigt wird. Christentum ist da nur ein Kostüm von vielen.
Auf viele Arten bin ich total fasziniert davon, WIE heuchlerisch das alles ist: Christlicher Nationalismus ergibt als Bewegung ja sogar irgendwo Sinn, auch wenn man dafür die Doktrin massiv verbiegen muss, einfach weil das Christentum mit weitem Abstand die größte Religion in den USA ist. Aber dass die Republikaner nicht aufhören können, andauernd Leute in Positionen zu bringen, die massiv gegen das verstoßen, was sie selbst die ganze Zeit vor sich her tragen, ist schon bemerkenswert: Trump ist kein Christ, ist mit einer bestenfalls semilegalen Einwandererin verheiratet und war gut mit dem bekanntesten Sexualstraftäter der USA befreundet. Was sind die großen Moralpaniken der Republikaner aktuell: Säkularisierung, Einwanderung, Kindesmissbrauch. Trump ist natürlich DIE absolute Apotheose dieser ganzen Geschichte, aber wenn man genauer hinschaut findet man Beispiele dafür die ganze verdammte Zeit, Jon Stewart hat damit schon vor 20 Jahren damit vier Daily Shows pro Woche zur Bush-Regierung gefüllt und auch Romney, was heute ein bisschen vergessen wird, wurde Kandidat nachdem die Republikaner fast vier Jahre lang gegen das Finanzsystem geschossen haben (die "Wall Street", die angeblich die "main street" ausnimmt), obwohl er quasi bis in die Faser genau der Typ Mensch war, gegen den die Republikaner vier Jahre lang Stimmung gemacht hatten, inklusive einer Gesundheitsreform auf bundesstaatlicher Ebene, welche die Vorlage für die Gesundheitsreform unter Obama war, DAS zentrale Oppositionsthema der Jahre 2009 bis 2012.