Strafrecht in Deutschland: quo vadis?

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Hab ich das widersprochen? Du sprachst von härterer Bestrafung und nicht von Ausnutzung der Bandbreite.
Und die Chance auf Resolzialisierung hat meines Erachtens wenig mit der Ausnutzung der Bandbreite zu tun.. oder?
 

Benrath

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Du hast mir eine Gegenfrage gestellt, die so wirkte als würdest du mir einen Widerspruch aufzeigen...

Natürlich kann ein stärkeres Ausnutzen der Bandbreite im Mittel zu einer härteren Bestrafung, wenn bisher die Bandbreite eher in Richtung des Minimalwerts ausgenutzt wird.

In meiner Laienperspektive hat die Resozialisierungschance neben anderen Fakoren wie Reue, Heimtücke etc. einen Einfluss auf das Strafmaß. K.a wie das ein Jurist sieht, ich hätte gedacht, dass er das ähnlich sieht.
 
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https://www.spiegel.de/panorama/justiz/fall-luegde-wie-das-erste-urteil-zustande-kam-a-1277898.html

Die Strafe kann ich nicht nachvollziehen. Hab mir jetzt §26, §27 und §176a zu Gemüte geführt bin aber kein Jurist. Wie kommt man auf so ein Urteil nur weil der Typ nicht vorbestraft ist und sich den Missbrauch per Webcam angeguckt hat.
Und die Opferanwältin in dem Artikel hat Recht was das für ein Signal setzt. Solange man bisher nicht wegen Sexualdelikten vorbestraft ist kann man sich ruhig die Kindervergewaltigung im Internet bestellen und angucken gibt ja eh nur Bewährungsstrafe mit Therapie? Einfach nur die VPNs stapeln und hoffen das der Typ der die Kinder wirklich vergewaltigt sich nicht erwischen lässt und selbst dann ist die Chance ja eh groß das irgendein Dorfpolizist den Fall kriegt der Hilfe braucht um den Computer anzumachen.

31.000 Fotos und 11.000 Kinderporno + Kinderschänder anstiften und bezahlen = Bewährungsstrafe und Therapie. Unfasslich.
 
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Steht doch im Artikel:

Was wirkte sich strafmindernd aus?

Das Gericht wertete das Geständnis - bereits am ersten Prozesstag - des bislang nicht vorbestraften Heiko V. zugunsten des 49-Jährigen. Er habe nie selbst ein Kind missbraucht. Seine Jahre zurückliegenden Taten seien daher nicht vergleichbar mit dem hundertfachen Missbrauch von Kindern durch die Angeklagten Andreas V. und Mario S. Außerdem habe er bereits fast sieben Monate in Untersuchungshaft gesessen.
 

Benrath

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Zählen denn die x tausend Filme und Bilder als 1 Vergehen?
 
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Ich finde das Urteil auf den ersten Blick nicht übertrieben milde. Bewährugsstrafen für sexuelle Missbrauch und Vergewaltigung sind afaik nicht unüblich. Insofern scheint mir dieser Fall nicht aus dem Rahmen zu fallen - zumal es "nur" um Anstiftung geht. Außerdem saß er offenbar schon länger in U-Haft.
 
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Schon wieder so ein unterirdischer Artikel. Die können nicht mal den Tenor wiedergeben, Hauptsache aber irgendwo rumsitzen.

„Antrag auf Revision“
„für die Revisionsbegründung hat die Staatsanwaltschaft 4 Wochen Zeit...“
„Würde der BGH fündig, müsste das Landgericht Detmold den Fall neu aufrollen“

Eigentlich kann man auf die Informationen im Artikel gar nichts geben, weil dort mal wieder verschiedene Taten und Tatbeteiligung miteinander vermischt werden. Auch weiss man nicht wieviele Fälle es betrifft (1x Beihilfe , 1x Anstiftung ? )

Gehen wir von Anstiftung (§ 26 stgb) zum schweren sexuellen Missbrauch (176a stgb) aus - wie im Artikel beschrieben: „Anstiftung und Beihilfe“ - als Einsatzstrafe (vgl. § 54 StGB, schwerstes Delikt) aus. Dann haben wir einen Strafrahmen von jedenfalls zwei Jahren (§ 176a StGB) bis 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 stgb). Im Ausgangspunkt keine Milderung nach § 49 (wie für Beihilfe) weil Anstifter bestraft wie Täter (§ 26).
Nach dem was man liest (Vorsitzende „Sie gehörten eher vor das Amtsgericht“) ist die Tat (seine Tat, nicht die der anderen) im unteren Spektrum anzusiedeln (bis also etwa 4 Jahre) mit kleine Abschlägen für Geständnis, Reue etc. Dazu kommt die Beihilfe, dann wegen zwingender Milderung §§27, 49 Strafrahmen 6 Monate bis 11,25 Jahre und auch im unteren Bereich hinsichtlich schuld und schwere.

Angenommen für die Anstiftung gab es also im Ausgangspunkt das absolute Mindestmaß 2 Jahre (wegen Reue, Geständnis etc), für die Beihilfe zb. 1 Jahr sind das als Gesamtstrafe dann mithin ca. 2 Jahre und 6/7 Monate. Jedenfalls kommt man nicht auf die abgeurteilten 2 Jahre, sondern immer auf mehr. Das ist also nicht nachvollziehbar.

Auch mit erheblichen Rabatt glaube ich nicht mal, dass das Gericht auf der untersten Grenze von 2 Jahren für Anstiftung (als Einsatzstrafe) wie oben in der Modell“Rechnung“ gegangen ist.


Also muss da was anderes dahinter stehen, entweder war die Anstiftung zu mildern (nach § 28, oder 46a etc.), was der Artikel verschweigt, oder die Anstiftung bezieht sich „nur“ auf sexuellen Missbrauch (§176 und nicht § 176a StGB). Dann wären bei ordentlich + Punkten für den Angeklagten durchaus gut vertretbar Max. 2 Jahre drin.
 
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Äh, wtf? Quelle? Das könnte ich nun absolut nicht nachvollziehen.

Als "Üblich" kann das wohl kaum bezeichnet werden, aber auch nicht ausgeschlossen.

Vergewaltigung = sexuelle Handlung, die insbesondere mit dem Eindringen in den Körper verbunden ist oder Beischlaf (vgl. § 177 StGB). Strafrahmen 2 bis 15 Jahre. Regelmäßig wird da wohl kaum eine Verurteilung genau auf der Mindestgrenze (2 Jahren) in Betracht kommen, damit die Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann (bei Strafe 1+ Jahre bis 2 Jahre sind allerdings für eine tätergünstige Prognoseentscheidung höhere Anforderung zu stellen) . Aber: Es kann ein minder schwerer Fall einer (auch schweren = Waffe) Vergewaltigung vorliegen (vgl. § 177 Abs. 9 StGB), dann verschiebt sich der Strafrahmen nach unten. Allerdings kommt das wohl nach BGH nur in gravierenden Ausnahmefällen in Betracht, ausgeschlossen ist das also nicht (z.B. BGH, Urteil vom 18.10.2018 - 3 StR 292/18 in dem die Vorinstanz (rechtsfehlerhaft) von einem minder schweren Fall ausging und 2 Jahre mit Aussetzung zur Bewährung; ähnlich BGH, Urteil vom 06.02.2019 - 5 StR 598/18)

Anders sieht das bei sexuellen Missbrauch von Kindern aus. Da hat der Grundtatbestand 6 Monate bis 10 Jahre (§ 176 Abs.1, Abs.2) bzw. 3 Monate bis 5 Jahre (§ 176 Abs.4). Insoweit kann da aufgrund des Strafrahmens regelmäßig bei Taten im unteren Bereich bei günstiger Prognose eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden.

Das klingt jetzt erstmal nach wenig und nicht wenige werden bei "sexuellen Missbrauch" sofort sagen "Das kann ja nicht sein". Dazu muss man allerdings darauf hinweisen, dass mit "sexuellem Missbrauch" - was aber fälschlicherweise wohl oft gleichgesetzt wird (auch aufgrund der unvollständigen Medienberichte)- nicht notwendiger Weise ein Eindringen in den Körper / Beischlaf (das ist schwerer sexueller Missbrauch - 2 bis 15 Jahre) und schlimmeres verbunden ist. Vielmehr fallen darunter (zurecht) zunächst bereits Handlungen mit Körperkontakt (z.B. Berührung über der Kleidung oder Berührung mit einem Gegenstand; das bewegungslose Gewährenlassen von sexuellen Handlungen einer Person unter 14 Jahren an dem Täter) und ohne Körperberührung (optische Wahrnehmung des Kindes von sexuellen Handlungen zwischen anderen Personen; das Kind dazu Bestimmen den Oberkörper zu entblößen; Einwirkungen auf das Kind per Kommunikationsmittel; das Vorzeigen pornographischer Bilder etc.; oder ein Anruf bei einem Kind während der Täter onaniert und das Kind das akustisch zB. durch das Stöhnen wahrnimmt).
 
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Sorry, ich wollte nicht suggerieren, dass Bewährungsstrafen für Vergewaltigung üblich im Sinne von (relativ) häufig sind, sondern dass man von solchen Fällen durchaus hört - es also in unserem Strafgesetz durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Statistisch wird sowas wohl ein Ausreißer sein, obwohl Fälle wie der hier durchaus Kopfschütteln bei mir hervorrufen:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/diakon-vergewaltigung-bewaehrungsstrafe-1.4311261


Danke übrigens für den Input zu dem Lügde-Urteil. Mir war gar nicht bekannt, dass man als Anstifter grundsätzlich gleich dem Täter bestraft werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt finde ich das Urteil in der Tat nicht nachvollziehbar - die Staatsanwaltschaft scheint das ähnlich zu sehen.


Ich hab nochmal einige alte Beiträge aus dem Thread hier überlesen und hätte da mal eine Frage an die Anwälte: Kommt es eurer Erfahrung nach häufiger vor, dass ein Urteil in den höheren Instanzen als zu milde kassiert wird oder als zu schwerwiegend? Hat beides für das betreffende Gericht in etwa die gleichen Auswirkungen?
Mich interessiert das nur, weil jemand behauptet hatte, die Richter würden sich häufig nicht trauen, härter zu bestrafen, weil sie um ihre Karriere fürchteten. Das würde ja implizieren, dass milde Strafen von den höheren Instanzen durchaus gewünscht sind oder dass zu harte Urteile einem größere Schwierigkeiten bereiten als zu milde.
 
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Sorry, ich wollte nicht suggerieren, dass Bewährungsstrafen für Vergewaltigung üblich im Sinne von (relativ) häufig sind, sondern dass man von solchen Fällen durchaus hört - es also in unserem Strafgesetz durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Statistisch wird sowas wohl ein Ausreißer sein, obwohl Fälle wie der hier durchaus Kopfschütteln bei mir hervorrufen:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/diakon-vergewaltigung-bewaehrungsstrafe-1.4311261
In dem Artikel ist die Rede von Täter-Opfer Ausgleich (§ 46a StGB) mit Zahlung von 15.000€. Also auch da scheinbar eine Milderung auf Strafrahmen von 6 Monate bis 11,25 Jahre. Also deshalb wohl auch zwei Jahre und dann Bewährung prinzipiell möglich. Das ist aber alles andere als zwingend. Und der Artikel liefert freilich zu wenig Infos... man müsste hier halt die Akte kennen, was genau vorgefallen ist, ob zugunsten des Täters noch etwas zu berücksichtigen war, was die Schuld angemessene Strafe so weit runterdrückt. Aber scheinbar ist das Amtsgericht (Schöffengericht, 1 Richter 2 Schöffen !!!, die den Richter freilich überstimmen können) zum Ergebnis gekommen, dass zwei Jahre reichen und Bewährungsvoraussetzungen auch vorliegen.

Danke übrigens für den Input zu dem Lügde-Urteil. Mir war gar nicht bekannt, dass man als Anstifter grundsätzlich gleich dem Täter bestraft werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt finde ich das Urteil in der Tat nicht nachvollziehbar - die Staatsanwaltschaft scheint das ähnlich zu sehen.
Eben! Es sei denn wir haben noch eine Strafrahmenverschiebung. Ansonsten ist das wohl fast unvertretbar (meine Meinung).

Ich hab nochmal einige alte Beiträge aus dem Thread hier überlesen und hätte da mal eine Frage an die Anwälte: Kommt es eurer Erfahrung nach häufiger vor, dass ein Urteil in den höheren Instanzen als zu milde kassiert wird oder als zu schwerwiegend? Hat beides für das betreffende Gericht in etwa die gleichen Auswirkungen?
Mich interessiert das nur, weil jemand behauptet hatte, die Richter würden sich häufig nicht trauen, härter zu bestrafen, weil sie um ihre Karriere fürchteten. Das würde ja implizieren, dass milde Strafen von den höheren Instanzen durchaus gewünscht sind oder dass zu harte Urteile einem größere Schwierigkeiten bereiten als zu milde.

Die eigentlich Strafzumessung ist dem Tatgericht vorbehalten. Bei Revision zum BGH (bei erster Instanz Landgericht) gibts nur einen beschränkten Raum der Überprüfung. Das kann man als Richter im Prinzip schon „Revisionsfest“ sichern.

Ansonsten kann man dazu nichts pauschal sagen. Dass ein Urteil aufgehoben wird, passiert tagtäglich. Das ist also nichts, was irgendeinen Einfluss auf die „Karriere“ hat und irgendjemanden besonders wurmt. „Karriere“ macht man mit Erledigungszahlen + Präsentation seiner Fähigkeiten vor den richtigen Leuten und/oder wenn man das richtige Parteibuch hat. Es gibt allerdings einige Richter, die sich in ihrer „Ehre“ getroffen fühlen, wenn ein Urteil oberinstanzlich aufgehoben wird. Diese Richter sind meistens dann auch die, die ihre Begründungen „Revisionsfest“ gestalten.

Die Obergerichte geben weder eine harte noch eine milde Richtung vor. Wie gesagt, da wird allein geschaut ob die Strafzumessung in rechtlicher Hinsicht richtig oder falsch ist und ausreichend begründet wurde. Ob dann 4 oder 5 Jahren oder zwei Jahre mit oder ohne Bewährung da stehen (wenn alles beachtet wurde) ist völlig egal und wird auch nicht in Abrede gestellt.

Es kommt auch drauf an, wer denn Rechtsmittel eingelegt hat. Wenn nur der Angeklagte, dann gilt das Verschlechterungsverbot nach § 358 StPO. Dann kann die obere Instanz gar nicht sagen „hey das Urteil ist aber zu milde“. Vielmehr kann dann nur noch das Gegenteil eintreten.

Freilich gibt es in den Gerichtsbezirken einige Unterschiede der Strafen. In der Regel ist es in Bayern (aber auch nicht gravierend) härter. Im Norden milder. Und innerhalb des Gerichts gibts bestimmte unverbindliche Sammlungen.

In der Regel schaut sich halt der TatRichter den Strafrahmen an (ggf. Unter Beachtung gesetzlicher Milderung und Strafrahmenverschiebung) und bewertet die Tat („wie schlimm war das jetzt? Eher ganz schlimm, dann im oberen Bereich. Durchschnittlich ? - dann irgendwo in der Mitte. Eher weniger schlimm -unten“ was schlimmer oder weniger schlimm ist erfährt man durch die verschiedenen Sachverhalt, also erfahrungswerte) und wertet dann zusätzlich Umstände (§46 stgb) zugunsten (zb. Reue, Geständnis, Wiedergutmachung) und zuungunsten des Angeklagten (zb. Erhebliche kriminelle Energie, Wiederholungstäter). Also alles „Pi mal Daumen“, keine Mathematik. Welche konkrete Zahl dann nun raus kommt (3, 4 oder 5 Jahre) kann keiner überprüfen und aufheben, wenn alles beachtet wurde.
 
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