Kuint:
Siehe das was Benrath schrieb. Und auch wenn es zynisch klingt: ja, die Rahmenbedingungen sehen so aus, dass man auch mit 55 noch wird bereit sein müssen etwas neues zu lernen. Lebenslanges Lernen ist als Schlagwort schon eine Weile bekannt und genau das bedeutet es (auch). Man wird sich auch daran gewöhnen müssen, dass man vielleicht Lohneinbußen hinnehmen muss wenn die eigenen Fähigkeiten nicht mehr gefragt sind … genau das ist ja das "zu teuer". Erfahrung ist das eine, aber ausreichend aktuelle/gefragte Fähigkeiten das andere. Ein Lohn bzw. Gehalt muss halt stets durch Leistung gerechtfertigt sein, sonst müssen effektiv andere in der Firma für einen mitarbeiten. Das geht auch noch in einem gewissen Rahmen wenn ein Mitarbeiter sozial wichtig ist, aber es geht eben nicht unbegrenzt.
Parats:
Ja sicher. Das meine ich ja. Ich habe selbst schon damit abgeschlossen, dass ich mit 67 in Rente gehen könnte. Ich rechne fest mit 70 oder mehr. Alternativ kriege ich vielleicht eine Rente ab 65/67, die aber so gering ist, dass ich nicht davon leben kann. Die Vorstellung, dass sich das ganze in 30-40 Jahren normalisiert halte ich für arg optimistisch, denn ein Umlagesystem braucht halt eine stabile Bevölkerungsverteilung und idealerweise eine Pyramide mit mehr jungen Leuten. Die Alternative ist eben ein späterer Renteneintritt. Eine flexible Grenze ist denkbar, aber mE extrem schwer umsetzbar. Wie bestimmt man zum Beispiel ob jemand länger und härter gearbeitet hat als jemand anderes? Eine Staffelung nach Berufen und Belastungsgruppen klingt zwar interessant aber ich sehe keine Möglichkeit das umzusetzen ohne wieder riesige Anreize für Beschiss zu schaffen.
SFJunky:
Kanada ist ein Land was noch ganz gut als Vergleich herangezogen werden kann. Eine komplette Literaturrecherche zu dem Thema kostet Tage und es ist auch nicht sicher, ob es sowas in der gewünschten Form und wenigstens mäßiger Aktualität überhaupt gibt. Vom Kahlschlag in der gesetzlichen Rente kann ich wenig finden, denn hier:
https://www-genesis.destatis.de (Tabelle 22611-0002)
(dynamische Aufruflinks funktionieren leider nicht, Tabellencode ins Suchfeld eingeben funktioniert aber gut.)
Sehe ich, dass das Wachstum der durchschnittlich ausgezahlten Altersrente nicht ganz mit der Inflation schrittgehalten hat seit 2005 (Wachstum um 15,5%). Und das ist wohlgemerkt der Durchschnitt. Das bedeutet wohl vor allem, dass die Anzahl der Menschen mit unterdurchschnittlich vielen Rentenpunkten im Rentenbezugsalter gestiegen ist. Das sind inbesondere diejenigen die einen großen Teil ihres Erwerbslebens in der DDR verbracht haben und so weniger Rentenpunkte erworben haben.
Wenn man die Entwicklung des Rentenwerts anschaut sieht man, dass hier im gleichen Zeitraum der Wert eines Punkts um knapp 45% gewachsen ist, was deutlich über dem Inflationsausgleich liegt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Aktueller_Rentenwert
Wenn man nämlich da ebenfalls das statistische Bundesamt heranzieht, stehen beim Verbraucherpreisindex leicht über 22% Steigerung seit 2005. -->
https://www-genesis.destatis.de (Tabelle 61111-0001)
Dabei ist die Zahl der Altersrentner von 16,2 Mio. (2005) auf 17,6 Mio. (2018) gestiegen (allgemeine Rentenversicherung). Was ein Plus von 8,6% ist. -->
https://www-genesis.destatis.de (Tabelle 22611-0001)
Und auch aus diesem Diagramm sehe ich keinen Kahlschlag:
https://www.bpb.de/nachschlagen/zah...n-in-deutschland/61857/einnahmen-und-ausgaben
Derweil sieht man, dass von 2008 bis 2019 die Anzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten um gut 20% gestiegen ist. -->
https://www-genesis.destatis.de (Tabelle 13111-0001)
Was man also sieht ist, dass die durchschnittlichen Ausgaben pro Rentner gestiegen sind, wenn auch etwas geringer als die Inflation, bei einem Zuwachs der Rentnerzahl um knapp 9% und einem Abbau der Arbeitslosigkeit bzw. Aufbau der Laborforce um 20% (in Anzahl Beschäftigungsverhältnisse), während ein durchschnittliches Arbeitsjahr in der Rentenberechnung im gleichen Zeitraum um über 40% wertvoller geworden ist. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass:
- überdurchschnittlich viele Menschen mit unterdurchschnittlich vielen Rentenpunkten in Rente gegangen sind (Frauen und Ostdeutsche wäre meine Vermutung)
- der Rentenwert deutlich stärker zugelegt hat als die Inflation
- Die Gesamtausgaben grob über den Daumen um 26% gestiegen sind (= Durchschnittszahlung +15,5% und Anzahl +9%)
Das steht dann vor allem für eine bemerkenswerte Stabilität des deutschen Rentensystems, fällt aber auch in einen Zeitraum in dem es Deutschland eigentlich durchgehend gutging und mit Ausnahme der Volatilität der Finanzkrise ein konstanter Abwärtstrend in den Arbeitslosenzahlen existierte.
Sobald dieser Trend mal nicht weitergeht werden wir relativ unmittelbar andere Zahlen sehen. Allein schon Corona wird hier einen dicken Impact haben. Die Rente wird nämlich gezahlt egal ob woanders Wert geschöpft wird oder nicht. Die Reserve der Rentenversicherung ist Ende dieses Jahres von 6 Wochen auf 2 Wochen runter (FAZ irgendwann die Tage).
Auch interessant:
https://www.faz.net/-gv6-9xqgv
Also nein atemberaubender Kahlschlag sieht anders aus. Seit 2005 gab es eigentlich nur ein Wahlgeschenk nach dem anderen für Rentner. Schau Dir mal die Anzahl der BAFöG-Erhöhungen seitdem an. Oder die Entwicklung der Bildungsausgaben.
Apropos Bildungsausgaben zwischen 2005 und 2018 (alle Zahlen aus der Datenbank des Statistischen Bundesamtes)
Ausgaben für Hochschulen +78% --> oh, besser als gedacht
Anzahl Studenten +44% --> ah, das relativiert es deutlich.
Wenn man Ausgabenwachstum und Studentenzahlwachtum zusammenwirft +23,6% pro Student --> eigentlich besser als erwartet aber … achja, die Korrektur um den Verbraucherpreisindex muss noch her (22%) was bleibt ist letztlich nix und real eher weniger, denn die Entlohnung nach TV-L ist seither stärker als der VPI gewachsen. Wir würden also erwarten, dass die Anzahl der Vollzeitäquivalente an den Hochschulen (pro Student) eher zurückgegangen ist, denn das Geld pro Student ist real gleich geblieben und der Tarif ist stärker gewachsen als die Inflation. Aber nein:
Wissenschaftliches Personal an Hochschulen in Deutschland: +67% (nach Köpfen) was einen ganz bestimmten Schluss nahelegt, nämlich, dass es sehr viel mehr Leute mit Teilzeitverträgen sind. Wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass dabei auch das Verwaltungspersonal nach Köpfen um 23% gewachsen ist, welches aber in der überragenden Mehrheit Vollzeitstellen hat … tja.
--> Effektiv hat sich bei den Ausgaben pro Student genau gar nichts getan
--> Die Ausbeutung über Teilzeitstellen und Lehrbeauftragungen ist gestiegen
--> Die Verwaltung ist tendenziell größer geworden
--> Good Night Bildungsrepublik.