Meine Haltung hat überhaupt nichts reflexhaftes. Ich glaube seit so ziemlich immer, dass man Waffen jeder Art überal und für jedermann verbieten sollte, wo sie nicht benötigt werden.
Statt dich darüber zu echauffieren, dass dir meine Argumentation nicht gefällt, könntest du ja mal selbst ein Argument bringen, statt die einzigen Argumente, die bisher auf dem Tisch liegen, wegzuwischen.
Mich interessiert dieser konkrete Fall jetzt übrigens nicht die Bohne und auch nicht, ob und inwiefern die Polizei da vielleicht verkackt hat. Das hat alles Schlagzeilencharakter, weil es offensichtlich ein ziemlich kontingenter Umstand ist, dass dieser eine Täter jetzt so gnädig war, sich vorher im Internet unter Klarnamen als Freak zu outen. Es gibt keinen Automatismus, der dafür sorgt, dass Leute, bevor sie eine legale Schusswaffe gegen andere Menschen richten, vorher in dieser Form einen Antrag stellen, doch bitte ihre Schusswaffe loswerden zu dürfen.
Der Schutzmechanismus, den ich präferiere, ist äußerst simpel: Wenn viele Menschen sich legal ein Waffenarsenal halten dürfen, dann ist die Erwartung, dass hier und da auch mal jemand mit diesen Waffen jemand anderen töten wird. Die Kausalkette "Waffen => Unfug mit Waffen => Menschen sterben" ist in unserer Gesellschaft weitgehend Konsens, deshalb haben wir etwa im Vergleich zu Uncle Sam auch sehr starke Einschränkungen, was den legalen Kauf und Besitz von Waffen betrifft.
Wenn wir uns über diesen Mechanismus im Klaren sind, dann folgt daraus logisch: Je weniger Waffen, desto besser. Selbstverständlich kann man sich über den Grenznutzen verschärfter Waffengesetze unterhalten und ich behaupte nicht, dass wir durch Verbot bzw. effektive Maßnahmen gegen die Verbreitung von Waffen unbedingt einen proportionalen Effekt auf die Anzahl der Opfer von Gewalt durch Schusswaffen sehen werden - das liegt an den von dir so süffisant als Totschlagargument gebrauchen Substitutionsmöglichkeit. Trotzdem wird dieser Effekt größer als null sein und das ist auf normativer Ebene für mich völlig ausreichend, weil ich tatsächlich aus tiefster Überzeugung moralisch davon überzeugt bin, dass niemand sterben dürfen sollte, damit andere aus Spaß mit scharfen Waffen schießen können.
Diese Haltung ist normativ und letztlich arbiträr. Die musst du nicht teilen, deshalb habe ich dich gefragt, was deine Haltung stattdessen ist: Wie viele Tote pro Jahr, die wir durch ein komplettes Verbot von Waffen verhindern könnten, wären es dir wert? Du kannst darauf natürlich mit "null" antworten und behaupten, dass bei einem effektiveren Vollzug unserer geltenden Waffengesetze, die du ja offenbar für ausreichend hältst, tatsächlich niemand durch legale Waffen sterben würde, der nicht sowieso durch ein Substitut (illegale Waffe, anderes Mittel) gestorben wäre. Das ist wiederum ein so unverschämt starker Claim, dass man ihn vielleicht auch wenigstens mit so einer Prise von Argument würzen sollte.
Womit ich eher rechne sind ein Haufen Bullshit und Ausreden et voilà: die hast du bereits geliefert. Aber mir Emotionalisierung vorwerfen, lolski.
So war es nicht gemeint.
Ich möchte nur klar machen, dass man sich nicht der Illusion hingeben muss, dass ein Verbot legalen Waffenbesitzes dazu führt, dass es keine Delikte mehr mit Schusswaffen gibt. Viel mehr sollte man viel genauer hinschauen wem man überhaupt eine Besitzkarte aushändigt und bei denen, die eine haben viel genauer kontrollieren, ob diese noch geeignet sind.
Ich bin klar gegen Sportschützen etc. pp., aber ich lebe auch nicht in einer Traumwelt, dass durch ein Verbot das Problem beseitigt wird. Wer eine Waffe braucht, bekommt diese über diverse Wege auch illegal. Eine Bündelung der Kompetenzen würde das nämlich auch mit angehen.
Am Ende bekommen wir dann ein schärferes Waffengesetz, was ich auch begrüßen würde. Aber damit treffen wir halt nur 5% und die restlichen 95% geht man wie gewohnt nicht an.
Mir ist schon klar, dass du es so nicht gemeint hast. Trotzdem ist es imo Whataboutism in klassisch vulgärliberaler Manier ("aber die Freiheit!?"). Das fand ich deplatziert, da meine Einlassung imo nicht den Schluss zuließ, ich würde mich der genannten Illusion hingeben.
Im Übrigen stehe ich voll hinter dem, was dieser Winkelsdorf macht. Aber der agiert auch unter anderen Voraussetzungen, weil er ein Experte auf dem Gebiet ist und seine Statements öffentlich wirksam sind. Da geht es auch um Realismus, weil wir ein komplettes Waffenverbot natürlich nicht bekommen werden. Ich unterliege aber nicht dieser Restriktion und kann mich daher frei in Bezug auf first principles äußern.
Und da finde ich es, wie oben angesprochen, ziemlich verfehlt, wenn man die Diskussion primär daran aufhängt, dass dieser konkrete Amoklauf vielleicht durch besseren Vollzug der Waffengesetze hätte verhindert werden können. Denn relevant ist doch, wie viele der Toten durch legale Schusswaffen man durch besseren Vollzug insgesamt verhindern kann und dazu müsste man halt die Gesamtheit betrachten.