"Höherer Aufwand"...Viele Literaturmeinungen sind praktisch nicht verwertbar. Es fällt Professoren mitunter schwer das einzusehen, aber deren praktische Erfahrung beschränkt sich nicht selten wenn überhaupt auf das Referendariat. Im Gerichtssaal, in denen man Mördern und Vergewaltigern und Serienbetrügern gegenübersitzt, ist es wichtiger, brauchbares, überprüfbares (und außer am BGH, ja...auch revisionsfestes) Recht zu sprechen, als sich über dogmatisch saubere Lösungen Gedanken zu machen.
Was hilft einem eine noch so schöne Theorie zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung, die sich irgendein Professor auf einem weißen Blatt ausgedacht hat, wenn das einzige Beweismittel ein Zeuge ist, der nur über den äußeren Hergang aussagen kann? Was hilft einem die tolle Abgrenzung vom Täterschaft und Teilnahme, wenn die ganze kriminelle Organisation zusammenarbeitet und man leider nicht feststellen kann, wie gewichtig der Tatbeitrag von Pate X oder Einbrecher Y ist? Sollen wir die Augen davor verschließen, dass Jurastudent J eine Lücke gefunden hat, aufgrund derer er für einen kaltblütig geplanten Mord nur höchstens fünf Jahre kriegen kann, oder sollen wir lieber die alic anwenden? Und ist es so falsch, von der absoluten ausnahmslosen Strafandrohung des § 211 StGB abzurücken, wenn die Täterin jahrelang von dem tyrannischen Opfer gequält und misshandelt wurde?
Im Übrigen sind Richter auch nur Menschen. Vielleicht ist es nicht ganz so einfach, von einer sich langsam entwickelten Rechtsprechung abzuweichen (bei deren Entstehung es vlt. gar keine Literaturmeinungen gab), einzugestehen, dass man alles falsch gemacht hat und sich dann eben denen anzuschließen, die als nächstes einen "ich habs doch schon immer gesagt"-Aufsatz veröffentlichen...
Jedenfalls geht es uns mit unserer Rechtsprechung so schlecht nicht. Die Rechtsprechung ist trotz einiger scheinbarer dogmatischer Lücken wohl bedeutend vorhersehbarer, als sie es beim Umsetzung der allermeisten Literaturansichten und der damit verbundenen Probleme wäre.