Was viele hier irgendwie nicht zu verstehen scheinen ist der Umstand, dass Juden auch einen gewissen Teil der amerikanischen Bevölkerung ausmachen. Zwar setzt sich nur etwa 2% der Gesamtbevölkerung aus Personen jüdischen Glaubens zusammen, aber das ist in der amerikanischen Politik eine nicht zu verachtende Größe. In Israel leben weniger Juden als in den USA.
Und das politische System der USA war schon immer so aufgebaut, dass Lobby-Gruppen einen großen Einfluss besitzen. In den Federalist Papers kann man auch nachlesen, was der ursprüngliche Sinn dahinter war. Da man die Fraktionierung der Bevölkerung ohnehin nicht verhindern könne müsste man eben durch ein intelligent organisiertes politisches System dafür sorgen, dass die unterschiedlichen Interessen einander in Schach halten. Deshalb ist das amerikanische System eben ein föderales und pluralistisches System. Damit wird auch der repräsentative Charakter der amerikanischen Demokratie begründet, da diese eher dem Gemeinwohl verpflichtet wären. So die Theorie.
Nun besitzt die USA durchaus eine erstaunliche Vielfalt an unterschiedlichen Interessengruppen, und viele dieser Interessengruppen sind auch heute noch Interessengruppen einer Ethnie oder Religionsgemeinschaft (Juden sind ja irgendwie beides). Die Juden sind da keine Sonderfall, sondern der Normalfall.
Und es ist auch so, dass Interessengruppen oftmals Sonderinteressen haben und diese gegen die Mehrheit durchsetzen können, weil sie diese Sonderinteressen laut artikulieren, wohingegen die potenzielle Mehrheit der eben nicht so stark Betroffenen sich dafür kaum interessiert. Das führt dazu, dass auch kleine Minderheiten sehr wichtig für die Wiederwahl der Repräsentanten sein können. Sei es im Kongress oder gar der Präsident selbst. Wichtig ist auch, dass der einzelne Kongressabgeordnete weniger stark in seine Partei eingebunden ist, Listenplätze existieren nicht. Das führt dazu, dass sich etwa ein Kongressabgeordneter aus New York sehr stark für die Belange der jüdischen Bevölkerung einsetzen wird, weil er das schlichtweg muss, um die Wiederwahl zu gewinnen. Oder sich ein Abgeordneter mit vielen polnisch-stämmigen Amerikanern in außenpolitischen Fragen gezwungen sieht für das zu votieren und das auf die politische Agenda zu setzen, was diese von ihm fordern oder er kann seine Wiederwahl vergessen. Dass die einzelnen Repräsentanten also eher das Gemeinwohl (Ohnehin ein schwieriger Begriff) im Blick haben, kann man so nicht sagen. Hinzu kommt sicherlich noch, dass die jüdische Bevölkerung gebildeter und reicher ist als der Durchschnitt der Bevölkerung und das ist sicherlich auch kein Nachteil.
Dass also die amerikanische Politik auf ein gutes Verhältnis mit Israel bedacht ist, ist kein Wunder, sondern zunächst dem Lobbyismus der jüdischstämmigen Bevölkerung geschuldet.
Allerdings: Gerade Israel ist ein außenpolitisches Thema, welches auch in der Mehrheitsbevölkerung aufgegriffen wird und bei denen ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung eben gute Beziehungen mit Israel wünscht. Dies sicherlich auch in Anbetracht der langjährigen Beziehungen und des Holocausts, keine Frage.
Die Wichtigkeit der israelischen Lobby-Organisationen für die amerikanische Politik resultiert sich also nicht einmal aus der Tatsache, dass diese ein starkes Interesse an guten Beziehungen mit Israel haben, ein Thema, das die Mehrheitsbevölkerung schlicht nicht interessiert.
Sondern, dass sich hier die Interessen einer kleinen und gut organisierten Minderheit mit der Unterstützung der Mehrheitsbevölkerung decken.
Was lernen wir daraus? Ja, die jüdische Lobby in den USA IST stark und relevant. Für Deutsche und ihrer Abneigung gegenüber Lobby-Gruppen ist es eventuell schwierig zu verstehen, dass das in den USA nicht als Problem empfunden wird, sondern als Normalfall.
Zum anderen aber auch, dass es keine Vorstellungen vom Weltjudentum braucht, um den Einfluss der jüdischen Lobby in Amerika zu erklären.
Die hat einfach viele Ressourcen: Geschichte (Holocaust), Geld, starke Interessen an einem spezifischen Thema (Wer die Beziehungen zu Israel noch stärker belasten würde als Obama das schon tut, würde die Stimmen vieler Juden in den USA verlieren. Die Mehrheitsbevölkerung interessiert die allgemeine Wirtschaftslage vermutlich mehr) und die Unterstützung der weniger involvierten Mehrheitsbevölkerung. Und Geld mag hier eine notwendige Ressource sein, aber sie ist mit Sicherheit nicht die wichtigste. Den meisten Banken dürfte das Thema Israel im Übrigen am Arsch vorbeigehen.