Original geschrieben von tic0r
Und das zudem höchst unwissenschaftlich. Du betrachtest nicht die Realität und versuchst ein Modell dazu aufzubauen, sondern drehst das ganze um. Du gehst von einem gewissen Modell aus (selbst wenn du es nicht nennst musst du eins haben, sonst könntest du keine Aussagen treffen) und "presst" die Realität da so gut es geht rein.
Interessant, du gibst in einem Satz zu, dass du nicht weißt, wie genau das Modell, dem ich meine Aussagen entnehme, überhaupt aussieht. In demselben Satz gibst du dann aber vor zu wissen, durch welche Methode dieses Modell überhaupt zustande kommt.
Könntest du mir bitte erklären, woher du diese Kenntnisse über meine Vorgehensweise beziehst?
Ich weiß auch nicht, worauf du mit dem Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit abhebst. Modelle aufzustellen und dann zu prüfen, ob sie durch empirische Erkenntnisse verifiziert oder falsifiziert werden, ist meines Wissens eine völlig legitime wissenschaftliche Methode - warum sollte es auch nicht so sein?
Allerdings liegt es auch gar nicht in meiner Absicht, nur Standpunkte zu vertreten, deren Begründung wissenschaftlichen Anforderungen genügt.
Original geschrieben von tic0r
Das zum Beispiel ist in höchstem Maße falsch. Sexuelle Anziehung ist zu einem großen Teil vom kulturellen und sozialen Umfeld bestimmt.
Ein weiteres interessantes Argument. Sehen wir etwas genauer hin.
Ich sagte: "Sexuelle Anziehung wird
zu einem bedeutenden Teil von Universalien bestimmt [...]".
Du versuchst diese Aussage so zu widerlegen: Das sei falsch, denn "sexuelle Anziehung ist zu einem großen Teil vom kulturellen und sozialen Umfeld bestimmt."
These: Die Menge A enthält zu einem bedeutenden Teil Elemente mit Eigenschaft E.
Antithese: Falsch, die Menge A enthält zu einem großen Teil Elemente mit Eigenschaft nicht-E.
???
Problem: Was ist, wenn die Menge A zu genau 50% aus Elementen mit E und zu genau 50% aus Elementen mit nicht-E besteht?
Ist der Einfluss von E bzw. nicht-E dann groß oder bedeutend oder ist er es nicht? (Tip: Wenn ein einzelner Faktor ein komplexes Phänomen zu 50% erklären kann, würde man in der Regel wohl nicht von einem großen oder bedeutenden, sondern einem gewaltigen oder enormen Einfluss sprechen.)
Ist dir vielleicht in den Sinn gekommen, dass mehr als ein Faktor erheblichen Einfluss auf ein Phänomen haben kann?
(Ich sage nicht, dass ich dir hier inhaltlich zustimme. Ich will lediglich feststellen, dass du mein Argument mit einem Gegenargument zu widerlegen versuchst, das meinem Argument überhaupt nicht widerspricht.)
Kommen wir nun zum eigentlichen Inhalt deines Arguments.
Sexuelle Anziehung ist zu einem großen Teil vom kulturellen und sozialen Umfeld bestimmt. Oder was meinst du warum in der menschlichen Vergangenheit kreidebleiche oder auch mollige Frauen als attraktiv galten?
Wodurch findest du diese Behauptung belegt?
Ich bin auf den ersten Blick sehr skeptisch, wie man überhaupt brauchbare Aussagen darüber machen will, was die Menschen vergangener Epochen sexuell anziehend fanden.
Wenn in irgendeinem Buch von damals steht, dass Haut weiß zu sein hat, steht es deshalb darin, weil die meisten Menschen es sexuell attraktiver fanden? Ging es dem Autor dabei überhaupt um eine realistische Aussage über die sexuellen Präferenzen seiner Zeit oder spielten vielleicht ganz andere Gründe eine Rolle?
Waren üppige Körperformen je aufgrund ihrer Sexiness positiv konnotiert oder vielleicht eher, weil sie Symbol für Wohlstand, Überfluss und somit auch Macht waren?
Ich halte es für schwierig, da brauchbare Erkenntnisse zu gewinnen.
Ein interessanter Ansatz wäre vielleicht, Informationen über das Aussehen von Prostituierten zu gewinnen. Die verdienen mit sexueller Attraktivität immerhin ihren Lebensunterhalt.
Ich weiß aber nicht, ob ein findiger Wissenschaftler schon mal auf die Idee gekommen ist, das nachzuforschen.
Man sollte sich übrigens auch nicht von Rubensfrauen in die Irre führen lassen. Schlankheit gehörte durchaus schon immer zum Schönheitsideal:
Kultur- und epochenübergreifend sind Dichter in schlanke Taillen vernarrt, fanden Wissenschaftler heraus.
http://www.wissenschaft-online.de/artikel/862073&_z=859070
Es ist auch Vorsicht dabei geboten, was allgemein als Schönheitsideal gilt, direkt für bare Münze zu nehmen und darauf zu schließen, dass es auch wirklich mehrheitlich als sexuell anziehend empfunden wird.
Untergewicht, das für viele Models selbstverständliches Idealmaß ist, wird nach allen mir bekannten Untersuchungen nämlich unattraktiver empfunden als gemäßigte Körperformen.
Anderes Beispiel: weibliche Oberweite.
Man hört zwar viel darüber, dass große Brüste ein modernes Schönheitsideal seien, aber wer steht wirklich drauf? Ich kenne nicht viele. Die letzten LSZ-Polls dazu ergaben, wenn ich recht entsinne, eher eine Körbchengröße zwischen B und C als Idealmaß.
Auch hier trügt also offenbar, was medial so propagiert wird.
Ich weise übrigens gar nicht zurück, dass die Wirkung von Körperformen auch eine Modeerscheinung ist. Das widerspricht nur eben meiner obigen Feststellung nicht im Geringsten.
Mein ganzer Beitrag ist als vorsichtige Relativierung zu verstehen. Ich wollte lediglich zeigen, dass eine durchdachte These nicht so einfach durch spontan ausgedachte Gegenargumente zu entkräften ist.
Darum wäre eine Diskussion ja so interessant. Aber zu der kommt es hier eben selten, weil man sich lieber polemische Phrasen an den Kopf wirft, statt mal wirklich zu versuchen, die Argumente der Gegenseite nachzuvollziehen und adäquat darauf einzugehen.