Blockupy in Frankfurt am Main

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Vielleicht ist die Idee der "share economy" ein möglicher Ansatzpunkt, um den zu überwinden. Auch eine Loslösung von tradierten Berufsbildern hin zu "Kompetenzclustern" wäre ne Überlegung wert.
Solche Veränderungen kommen ja nicht "von oben" von der Politik, sondern müssen von unten geschehen. "Shared Economy" wird ja auch teilweise ausprobiert.

Was ich mich bei solchen Ideen dann immer Frage ist, wieso setzen diejenigen die diese Ideen haben, also in diesem Falle jetzt zum Beispiel du, die Idee nicht um?
Wir leben doch in einem freien Land. Niemand hindert dich darum einen "Kompetenzcluster" zu eröffnen.
 
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@Tarkleigh
1. Der Kapitalismus ist doch nicht mehr nur reine Wirtschaftsform. Das war er vllt. zuletzt im 19. Jahrhundert. Kapitalismus durchdringt die Gesellschaft in fast allen Bereichen. Beispiele: Ausrichtung des Bildungssystems auf Vergleichbarkeit von Individuen anhand von Zahlenwerten, Ökonomisierung zwischenmenschlicher Kommunikation (erst recht seit dem Siegeszug des Internets), Zuschreibung von Warencharakter auf nicht stoffliche Entitäten, usw.)
Noten sind ja nun keine Erfindung des "Kapitalismus" und wie stellst du dir denn ein Bildungssystem ohne jegliche Bewertung vor? Irgendwann braucht man halt einen Vergleich um zu sehen, ob jemand für das was er machen will auch tauglich ist. Und ehrlich gesagt, sehe ich keine Ökonomisierung des Zwischenmenschlichen, was auch immer das heißen mag.

2. Du denkst immer noch in dem Schema "Wenn kein Kapitalismus, dann Sozialismus". Das habe ich nirgends postuliert. Im Gegenteil. Solche Denkmuster gilt es zu überwinden. Alles, was ich sage, folgt nur der Idee, den Kapitalismus nicht als Endpunkt, sondern als Station, die es zu hinterfragen gilt, zu sehen. Und ja, Sozialismus war scheiße.
Sicher ist man nicht völlig am Ende angekommen, aber deine Kritik finde ich auch deutlich überzogen. Du tust so als wäre unser jetztiges System ein alles verschlingendes Monster, das einzig existiert um den eigenen Kreislauf am Leben zu erhalten.

3. Die Menschen glauben, sie würden nicht ausgebeutet. Genauso wie sie früher glaubten, dass es ihrem Lehnsherrn zustünde, einen Teil der Ernte einzufordern. Sobald ich Arbeitskraft zum Erwerb von Tauschmitteln bereitstelle, gehe ich einen Handel ein.
Nicht missverstehen: Um etwas zu erreichen, muss man etwas tun. Das ist absolut banal. Der entscheidende Twist ist die Vorstellung, dass es einen Unterschied zwischen Erwerbstätigkeit und Tätigkeit an sich gibt. Die strenge Differenzierung zwischen Arbeitsleben und "Restleben" essen Seele auf. V.a., wenn die Arbeitstätigkeit nicht aus Eigenantrieb, sondern rein aus ökonomischer Notwendigkeit erfolgt.

@Purgatorium: Wenn ich abends von der stressigen Arbeit komme, total im Arsch bin und sofort im Sofa einpenne, meinen Job aber nicht aufgeben kann, weil ich z.B. ne Familie ernähren muss, stehe ich vor nem klassischen Dilemma. Und bei weitem nicht jeder kann sich seine Erwerbstätigkeit so aussuchen, dass er alles easy unter einen Hut bringt.
Und werden wir denn ausgebeutet? Wenn man danach geht, dass Arbeitgeber nie mehr zahlen wollen, als sie müssen, dann wohl: Ja. Aber das ist doch gerade der Witz an diesen System. Und ich sehe auch das Problem damit nicht. Und wenn man einen Job halt hat, der einen nicht erfüllt, dann trennt man wohl seine Arbeits- und Freizeit sehr. Der wirtschaftliche Erfolg ist doch gerade der Grund, dass wir überhaupt an Dreizeit denken können. Der ökonomische Antrieb ist doch hier geringer als jemals zuvor irgendwo, gerade durch das Sozialsystem. Und zu deinen Beispiel: Es gibt nicht umsonst genug freie Tage wie Wochenenden und Feiertage. So lange du keine Zahlen nennen kannst, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung unter solchen Bedingungen leidet, ist das doch nur wieder Kritik um der Kritik Willen.

4. Der Mensch ist nicht NUR Teil der Wirtschaft, sondern Teil einer Gesellschaft, die primär nach wirtschaftlichen Prinzipien organisiert ist. Das ist weder durch eine heilsbringende Ideologie noch durch irgendeinen sozialrevolutionären Bullshit überwindbar, sondern über Jahrtausende entstanden und unterliegt damit den üblichen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen. Gerade befinden wir uns an einem Punkt, an dem sich traditionelle Konzepte der Arbeit aufzulösen beginnen. Interessant ist hier, dass wir das Ganze gerne durch die europäische Brille der Aufklärung sehen. Schau mal nach Korea oder Japan, da sieht man ganz gut, was die kapitalistische Idee mit kollektivistischen Gesellschaftsentwürfen anstellt.

Andersrum formuliert: Kann der Mensch nicht Teil des Wirtschaftssystems sein und überleben? Natürlich nicht, außer er übt sich in komplettem Rückzug und Subsistenz.
Man ist immer Teil des Wirtschaftsystems, außer man ist absoluter Eremit. Was willst du damit also sagen?

5. Zur Moral: Wenn gesellschaftliche Ordnung amoralisch begründet werden soll, bleibt nicht viel übrig. Ich vermute mal, dass du auf quantitativ-utilitaristische Entwürfe anspielst.
Und was ist diese achso tolle Moral, nach der eine Gesellschaft existieren soll? Moral ist nunmal genauso wandelbar wie ein wirtschaftliches System und ich sehe auch nicht, dass die Moral hier mit komplett mit Füßen getreten wird.

6. Wenn du davon ausgehst, dass eine Wohlstandszunahme im Gesamten zu einer langfristigen Angleichung der Wohlstandslevels führt, setzt das voraus, dass sich eine Wohlstandssättigung im oberen Bereich einstellt, d.h. dass man ab einem gewissen Punkt seinen Vorsprung auf weniger reiche Systeme nicht mehr ausbauen kann. Das hätte aber zur Folge, dass relative Gewinne immer geringer ausfielen. Noch lässt sich das ja gut umgehen - banales Beispiel: Auslagerung von Produktion in Billigländer.

Derzeit gibts immer noch irgendwo ein Land, das billig genug ist, um weiterhin Gewinne zu vergrößern. Was ist, wenn sich die Unterschiede zwischen einzelnen Ländern verringern, bzw. wenn sogar irgendwann Länder als begrenzende Kategorien keine Rolle mehr spielen und es nur noch um Wirtschaftszonen unterschiedlicher Ausdifferenzierung geht?
Was am Ende dabei herauskommt, wenn die Niveaus aller Länder sich immer mehr angleichen, kann dir wohl keiner sagen. Auslagerung in Billigländer hat halt immer zwei Seiten der Medaille: Es nimmt halt Arbeitsplätze aus "unseren Land", dafür entsteht dann eben wo anders ein Aufschwung.

7. Ja, die Ressourcenbindung hat abgenommen. Geht ja auch gar nicht anders, weil mittlerweile klar ist, dass man so nicht ewig weitermachen kann. Trotzdem bin ich mir relativ sicher, dass die Menschheit genau so lange fossile Brennstoffe nutzen wird, bis wirklich keine mehr da sind. Siehe Fracking.
Das ist eine gewagte Vorraussage.

Ehrlich gesagt finde ich deine Kritik nicht gerade überzeugend: Wir haben mehr Luxus, Auswahl und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung als jemals zuvor und das für eine doch sehr breite Schicht der Bevölkerung. Und es ist nun ja nicht so, dass alles hier den Bach herunter geht. Man kann ja nicht bestreiten, das einige abgehängt werden, weil ihnen zum Beispiel die Bildung fehlt. Aber nenn doch mal irgendeine Zivilisation, in der die Unteren der Gesellschaft besser gestellt waren. Ich bezweifel auch gar nicht, dass da noch etwas kommt. Aber dieses dauernde Geheule wegen nichts finde ich eher anstrengend. Du stellst halt ohne belastbare Zahlen Behauptungen auf, die du meist nicht mal mit guten Beispielen belegen kannst. Worauf basiert denn deine Kritik, außer auf persönlichen Empfindungen?
 
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Solche Veränderungen kommen ja nicht "von oben" von der Politik, sondern müssen von unten geschehen. "Shared Economy" wird ja auch teilweise ausprobiert.

Was ich mich bei solchen Ideen dann immer Frage ist, wieso setzen diejenigen die diese Ideen haben, also in diesem Falle jetzt zum Beispiel du, die Idee nicht um?
Wir leben doch in einem freien Land. Niemand hindert dich darum einen "Kompetenzcluster" zu eröffnen.

Nein, jedes Individuum ist ein Kompetenzcluster. Kann man sicher nen besseren Begriff dafür finden. Im Endeffekt meine ich damit die Öffnung des Konzeptes "Beschäftiger - Beschäftigter". Sowas kann man aber nicht forcieren, und auch nicht auf ein bestehendes System "aufpropfen". Wie du korrekterweise sagst, muss sich sowas langsam entwickeln. Und in einigen Branchen gibts durchaus Bewegungen, die in die Richtung weisen.

Und ich lebe durchaus nach meiner Weltsicht, soweit ich eben kann. Heißt bei mir konkret: Bürgerliche Erwerbsarbeit, kreative Tätigkeit, Freelancer-Krams. Könnte nie "in einem Beruf" länger arbeiten, ohne mir nach 5 Jahren die Kugel zu geben. Sorgt natürlich dafür, dass mir ingesamt weit weniger Sicherheit und Kaufkraft zur Verfügung steht als wenn ich z.B. in ner großen Firma arbeiten würde, dafür hab ich aber mehr Zeit für Unsinn. Und Unsinn ist mir heilig im Leben.
 
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Noten sind ja nun keine Erfindung des "Kapitalismus" und wie stellst du dir denn ein Bildungssystem ohne jegliche Bewertung vor? Irgendwann braucht man halt einen Vergleich um zu sehen, ob jemand für das was er machen will auch tauglich ist. Und ehrlich gesagt, sehe ich keine Ökonomisierung des Zwischenmenschlichen, was auch immer das heißen mag.
- Nicht ohne Bewertung, aber mit einer differenzierteren Bewertung. Aber schulische Diagnostik ist ein anderes Thema, das hier nicht direkt hingehört.
- Natürlich werden zwischenmenschliche Beziehungen ökonomisiert. Das fängt schon bei Konzepten wie der "work-life-balance" an. Und erstreckt sich auch auf die Art und Weise, wie Zeit dem Sein mit Menschen zugewiesen wird.

Sicher ist man nicht völlig am Ende angekommen, aber deine Kritik finde ich auch deutlich überzogen. Du tust so als wäre unser jetztiges System ein alles verschlingendes Monster, das einzig existiert um den eigenen Kreislauf am Leben zu erhalten.
Warum kommt da immer so ne Schärfe rein? #Völler
Ich schrieb nie etwas von "Monstern" o.ä. Natürlich existiert ein gesellschaftliches System um sich selbst zu erhalten, jedes System, das sich nicht selbst erhalten kann, geht langfristig unter. Siehe Feudalismus oder Sozialismus. Das ist doch völlig wertungsfrei.

Und zu deinen Beispiel: Es gibt nicht umsonst genug freie Tage wie Wochenenden und Feiertage. So lange du keine Zahlen nennen kannst, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung unter solchen Bedingungen leidet, ist das doch nur wieder Kritik um der Kritik Willen.
Freie Tage bei einer Erwerbstätigkeit, die nur als Mittel zum Überleben angesehen wird, sind die Zeit, auf die dann das Bewusstsein während der Arbeit ausgerichtet wird. ("Boah, wann ist endlich Freitag?")

"Leiden" ist ein starker Begriff, den würde ich nur vorsichtig einsetzen. Würde eher sagen, dass sehr viele Arbeitsumgebungen nicht unmaßgeblich an der Abstumpfung vieler Menschen beteiligt sind.

Man muss aber auch mal realistisch sein: Heute können wir uns mit solchen Fragen beschäftigen, weil wir das Leben nicht mehr einer lebensfeindlichen Welt abtrotzen müssen. Im Prinzip wurde die alte Leier von "Alles Leben ist Leiden" durch die Moderne auf eine Meta-Ebene verfrachtet.

Man ist immer Teil des Wirtschaftsystems, außer man ist absoluter Eremit. Was willst du damit also sagen?
Das, was ich sagte? Dass idealisierter Individualismus Blödsinn ist?

Und was ist diese achso tolle Moral, nach der eine Gesellschaft existieren soll? Moral ist nunmal genauso wandelbar wie ein wirtschaftliches System und ich sehe auch nicht, dass die Moral hier mit komplett mit Füßen getreten wird.
Was hat das mit dem zu tun, was ich geschrieben habe? Ich sagte "amoralisch" nicht "unmoralisch". Das ist ein Unterschied.

Was am Ende dabei herauskommt, wenn die Niveaus aller Länder sich immer mehr angleichen, kann dir wohl keiner sagen. Auslagerung in Billigländer hat halt immer zwei Seiten der Medaille: Es nimmt halt Arbeitsplätze aus "unseren Land", dafür entsteht dann eben wo anders ein Aufschwung.
Zustimmung.

Ehrlich gesagt finde ich deine Kritik nicht gerade überzeugend: Wir haben mehr Luxus, Auswahl und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung als jemals zuvor und das für eine doch sehr breite Schicht der Bevölkerung. Und es ist nun ja nicht so, dass alles hier den Bach herunter geht. Man kann ja nicht bestreiten, das einige abgehängt werden, weil ihnen zum Beispiel die Bildung fehlt. Aber nenn doch mal irgendeine Zivilisation, in der die Unteren der Gesellschaft besser gestellt waren. Ich bezweifel auch gar nicht, dass da noch etwas kommt. Aber dieses dauernde Geheule wegen nichts finde ich eher anstrengend. Du stellst halt ohne belastbare Zahlen Behauptungen auf, die du meist nicht mal mit guten Beispielen belegen kannst. Worauf basiert denn deine Kritik, außer auf persönlichen Empfindungen?
Meine Kritik setzt da an, wo Selbstverständlichkeit postuliert wird.

Und ich "heule" auch nicht, im Gegenteil. Hab mehrmals geschrieben, dass wir materiell gesehen im Paradies leben. Gerade deshalb kann man doch mal die Frage stellen, was nach dem Erreichen des materiellen Wohlstands in den Fokus rücken soll. Noch mehr Wohlstand? Hedonismus? Samaritertum?
Bitte nicht immer Kritik am Kapitalismus mit "links / Sozialismus / Kommunismus / whatever" gleichsetzen. Ich versuche, so ideologiefrei wie möglich zu argumentieren, was natürlich ziemlich schwierig ist, weil so viele Begriffe mehrfach besetzt und bewertet sind. Deswegen arten solche Debatten auch immer in totale Korinthenkackerei aus. Aber das macht nix.

Und: Ja, wir haben Auswahlmöglichkeiten. Zum Glück.
 
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Nein, jedes Individuum ist ein Kompetenzcluster. Kann man sicher nen besseren Begriff dafür finden. Im Endeffekt meine ich damit die Öffnung des Konzeptes "Beschäftiger - Beschäftigter".
Und wo ist da nun der Unterschied zum Freelancer-Dasein? Genau das gibt es doch schon. Das Problem ist doch eben das nicht jeder einzelne einen "Kompetenzcluster" darstellt.
 
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Und ich "heule" auch nicht, im Gegenteil. Hab mehrmals geschrieben, dass wir materiell gesehen im Paradies leben. Gerade deshalb kann man doch mal die Frage stellen, was nach dem Erreichen des materiellen Wohlstands in den Fokus rücken soll. Noch mehr Wohlstand? Hedonismus? Samaritertum?
Die Frage kann jedes Individuum für sich selber beantworten. Das ist ja das schöne an unserer freien Gesellschaft.
Ob jemand sein Leben komplett ökonomisch durchorganisiert oder in der Freizeit Unsinn treibt ist zum Glück jedem selber überlassen.
 
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Und wo ist da nun der Unterschied zum Freelancer-Dasein? Genau das gibt es doch schon. Das Problem ist doch eben das nicht jeder einzelne einen "Kompetenzcluster" darstellt.
Ich sehe den Unterschied bei der Art der Veräußerung von Arbeitskraft. Aber die Übergänge sind fließend. Genauso fließend wie das Kompetenzgefälle innerhalb der Gesellschaft. Was auch das Problem der ganzen extremen Vereinfacher, wie sie z.B. von Blockupy verkörpert werden, ist: Da wird so getan, als könne man die Welt per Lichtschalter verändern. Und das ist dum.
 

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Freie Tage bei einer Erwerbstätigkeit, die nur als Mittel zum Überleben angesehen wird, sind die Zeit, auf die dann das Bewusstsein während der Arbeit ausgerichtet wird. ("Boah, wann ist endlich Freitag?")

"Leiden" ist ein starker Begriff, den würde ich nur vorsichtig einsetzen. Würde eher sagen, dass sehr viele Arbeitsumgebungen nicht unmaßgeblich an der Abstumpfung vieler Menschen beteiligt sind.

Man muss aber auch mal realistisch sein: Heute können wir uns mit solchen Fragen beschäftigen, weil wir das Leben nicht mehr einer lebensfeindlichen Welt abtrotzen müssen. Im Prinzip wurde die alte Leier von "Alles Leben ist Leiden" durch die Moderne auf eine Meta-Ebene verfrachtet.
Aber das ist ja eher ein Problem von Leuten, die ihren Job machen müssen um am gesellschaftlichen/wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Nicht jeder Job ist ein Traumjob, der einen erfüllt. Aber das heißt ja nicht, dass man keine Chance nebenbei auf Entfaltung hat.

Was hat das mit dem zu tun, was ich geschrieben habe? Ich sagte "amoralisch" nicht "unmoralisch". Das ist ein Unterschied.
Das ändert an der Frage trotzdem nichts. Es klingt nunmal danach als wolltest du eine Moral ins System bringen.

Und ich "heule" auch nicht, im Gegenteil. Hab mehrmals geschrieben, dass wir materiell gesehen im Paradies leben. Gerade deshalb kann man doch mal die Frage stellen, was nach dem Erreichen des materiellen Wohlstands in den Fokus rücken soll. Noch mehr Wohlstand? Hedonismus? Samaritertum?
Bitte nicht immer Kritik am Kapitalismus mit "links / Sozialismus / Kommunismus / whatever" gleichsetzen. Ich versuche, so ideologiefrei wie möglich zu argumentieren, was natürlich ziemlich schwierig ist, weil so viele Begriffe mehrfach besetzt und bewertet sind. Deswegen arten solche Debatten auch immer in totale Korinthenkackerei aus. Aber das macht nix.

Und: Ja, wir haben Auswahlmöglichkeiten. Zum Glück.
Kapitalismuskritik geht nunmal oft mit den Wunsch nach "links / Sozialismus / Kommunismus / whatever" einher und das ist wohl auch der Grund, warum du unverhofft in diese Ecke geraten bist.
Wenn man mich fragen würden wo es hingeht beziehungsweise hingehen soll: Trotz des relativen Reichtums Deutschlands sind die Leute vergleichsweise unglücklich. Denn gerade auch durch das große Angebot, wissen viele nicht, wo sie wirklich hingehören und was sie aus dem eigenen Leben machen sollen. Eigentlich müsste man daran schrauben, dass Leute es schaffen sich selbst zu erfinden, statt irgendwie orientierungslos zu sein.

P.S. Hoffe vieles klang nicht zu überspitzt. Es soll ja kein Angriff alleine auf dich sein, auch der letzte Post war eher an die "Gemscheinschaft der Kapitalismusgegner" gerichtet.
 

Gelöschtes Mitglied 683020

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Viel interessanter finde ich den Umkehrschluss: rein relative Maßzahlen wie diese führen zu weniger "Armut" wenn man den Leuten möglichst viel "Reichtum" wegnimmt (und ihn meinetwegen verbrennt). Wie hier im Thread ersichtlich ist, macht das vielen aber anscheinend nichts aus. Es geht scheinbar nicht darum, dass es allen absolut gesehen besser geht, sondern v.A. darum, das keiner relativ gesehen zu viel hat. Man hat lieber eine "gerechte" Verteilung auf niedrigem Niveau, als eine "ungerechte" auf höherem.
Mir ist natürlich klar, das man Relationen nicht komplett vernachlässigen kann - ein Staat mit 10 millionen die nix haben und einer Person mit gen unendlich strebendem Reichtum ist natürlich kein erstrebenswertes Modell. Aber wenn man sich mal an den Möglichkeiten, die die ärmsten in Deutschland haben, anschaut, würde ich persönlich sagen: wir jammern auf verdammt hohen Niveau. Welcher vergleichbar dicht bevölkerte Flächenstaat geht so gut mit seiner Unterschicht um?

Verbesserungspotential gibt es natürlich, und ich negiere auch nicht die Anwesenheit problematischer Trends (Reallohnentwicklung als ein Beispiel). Aber wenn ich dramatische Reden von immer mehr Auswegslosigkeit etc. höre, bin ich ob der empirischen Tatsachen doch eher verwundert.

Naja, dann schau halt abseits der Einkommen die Vermögensverteilung an, die ist nämlich das absurde und wird kontinuierlich weitergegeben. War das nicht sogar der Hintergrund der Occupybewegung? Selbst wenn man heute weit besser als der Durchschnitt verdient ist man schon noch weit davon entfernt "wirklich" reich zu werden. Wer ernsthaft glaubt zu den oberen 5% zu gehören hat einen Dachschaden. Mercedes, Eigenheim und Pool sind gar nix, müsste schon Villas, Yachthafen und eigener Freizeitpark sein. Dank rumverschieben der Vemögen inklusive Erbweitergabe wird sich da wohl auch nix ändern. Neid am Rise.

Generell verstehe ich daher schon, dass den Leuten der Hut hochgeht, wenn aus dem Nichts irgendeine Blase am anderen Ende der Welt platzt und Banken gerettet werden müssen. Dass die Banken nicht "die Reichen" sind ist sekundär. Primär wird wohl das Gefühl dahinterstehen, dass genau die 50% der Bevölkerung mit kaum Vermögen plötzlich von der Krise getroffen werden - sei es durch Anhäufung von Kurzarbeit, oder massiven Wellen von Überstunden, oder dem Abdrängen von Alten/Behinderten/Jungen/Geringqualifizierten aus dem Arbeitsmarkt/in prekäre Verhältnisse. Zahlen dafür gibts wohl genug, aus der Luft gegriffen sind die Beobachtungen wirkich nicht.

In Deutschland wird das relativ effizient schöngeredet: Überstunden haben nicht zugenommen, weil die absoluten Zahlen nicht zunehmen; dass allerdings nur wenige sehr viel mehr als sonst arbeiten wird unter den Tisch fallen gelassen. Arbeitslos war keiner, aber die Kurzarbeit wird zur Randnotiz, oder die Arbeitslosen in Aufbautrainings (die das Arbeitsamt in ihren Katalogen übrigens nichtmal als Kompetenz führt) fallen ebenfalls nicht unter "arbeitslos", Ältere, die auf einmal Invalidenrente bekommen, sind halt Frührentner, und das ist keine Strategie dem Druck des Arbeitsmarktes zu entfliehen.

Also, ohne jetzt sagen zu wollen der Kapitalismus wäre Dreck, verstehe ich jeden, der Angst davor hat, dass es eher in Richtung USA und Sozialversorgung geht, als dass unser Niveau gehalten werden kann. V.a. mit dem demographischen Wandel, dem Unwillen langfristige Lösungen zu finden und den Scheingeschenken an die graue Wählermasse finde ich am beängstigendsten. Hat weniger mit Neid zu tun, sondern einfach mit dem Glauben, dass momentan zu wenig und zu kurzfristig in der Politik an den Problemen gearbeitet wird.
 
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Das ändert an der Frage trotzdem nichts. Es klingt nunmal danach als wolltest du eine Moral ins System bringen.
Das würde voraussetzen, das man sowas könnte. Die Moral ist schon im System.
Moral ist etwas sehr grundsätzliches, das jeder Mensch seine ganze Kindheit über "erlernt", meist orientiert an den moralischen Vorstellungen des Elternhauses, die wiederum im Schnitt dem entsprechen, was im Kulturkreis dominiert. Die moralische Ebene unserer Systemidee ist ja das "sozial" in der "sozialen Marktwirtschaft". Selbst in dem Wort "Marktwirtschaft" schwingen moralische Konnotationen mit: Ein Markt setzt Fairness und gleiche Chancen für alle Beteiligten voraus.

Nur wird das oft ausgeblendet, was dann auch dazu führt, dass eben das kapitalistische System so verstanden wird, dass es amoralisch sein müsse. Und das finde ich ziemlich beschränkt.

Wenn man mich fragen würden wo es hingeht beziehungsweise hingehen soll: Trotz des relativen Reichtums Deutschlands sind die Leute vergleichsweise unglücklich. Denn gerade auch durch das große Angebot, wissen viele nicht, wo sie wirklich hingehören und was sie aus dem eigenen Leben machen sollen. Eigentlich müsste man daran schrauben, dass Leute es schaffen sich selbst zu erfinden, statt irgendwie orientierungslos zu sein.
Da kommen wir zu 100% zusammen. Irgendwo oben in den Textwüsten ließ ich mal das Wort "Emanzipation" fallen. Damit meinte ich genau das, was du hier beschreibst.
 
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Benrath

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Naja wie misst man denn Glück? Das ist die viel kompliziertere Frage. Das anscheinend der reine absolute Reichtum nicht der entscheidende Faktor ist, sondern viele relative Faktoren sehr wichtig sind ist klar. Aber mir fehlt irgendwie auch die Perspektive, wohin die Änderung gehen soll.

Mir fallen ad hoc xyz Reformen ein die man umsetzen sollte, aber nicht umsetzt, trotzdem läuft "das System" noch halbwegs gut.

Als Systemkritiker muss man sich mit der Fragen auseinandersetzen, was denn die ALternative ist, sonst ist es nur Kritik um der Kritik willen.
Wenn dann gerade einer von Work-Life Balance anfängt. 50-100 Jahre zurück, gabs die z.B. gar nicht. Du hast soviel Freizeit wie nie zuvor in der Menscheitsgeschicht und keiner muss ums überleben kämpfen.

Der relative Vergleich zu anderen als Quell von Unglücklichkeit ist mir zu wenig. Wenn die Ungleichheit wirklich dazu führt, dass wir insgesamt weniger haben etc. oder das verschieden schichten und Klassen ausgebeutet werden, dann haben wir ein Argument. Deswegen versucht die Politik zumindest teilweise durch progressive Steuern oder Umverteilugn zu korrigieren.

Das größte Problem ist imho nicht der Kapitalismus an sich, sondern die Globalisierung der Märkte ohne eine ausreichende Globalisierung der Institution und Regierungen. Das Rennen verlieren wir gerade und daher leidet der Otto Normal Bürger.
 
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Das größte Problem ist imho nicht der Kapitalismus an sich, sondern die Globalisierung der Märkte ohne eine ausreichende Globalisierung der Institution und Regierungen. Das Rennen verlieren wir gerade und daher leidet der Otto Normal Bürger.
Richtig. Nationalstaatliches Denken behindert definitiv den Reformprozess.
Das Problem ist aber: Wie soll eine neue globalisierte Weltordnung aussehen? Alles Prophetie.

Ich denke auch, dass wir noch ganz am Anfang der Globalisierung stehen. Vielleicht müssen wirklich erst mal die ganzen Entwicklungsländer durch den kompletten Entwicklungsprozess gehen, bevor globales Umdenken auf institutioneller Ebene realisiert werden kann. Wobei es noch zig andere Probleme zu lösen gilt. (Religion z.B.)

Während Europa sowohl wirtschaftlich als auch ideologisch auf einem "Plateau" angekommen zu sein scheint, siehts im Großteil der Welt noch komplett anders aus. An einigen politischen / gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA kann man btw auch gut sehen, wie schnell rückwärtsgewandte Denkmuster wieder populär werden können, wenn - plump gesagt - die Welt nicht mehr einfach erklärt werden kann.

Die Dialektik von Progressivität und Bewahrung ist so leicht nicht zu entwirren.
 
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Naja wie misst man denn Glück? Das ist die viel kompliziertere Frage. Das anscheinend der reine absolute Reichtum nicht der entscheidende Faktor ist, sondern viele relative Faktoren sehr wichtig sind ist klar. Aber mir fehlt irgendwie auch die Perspektive, wohin die Änderung gehen soll.
Es gibt wohl eine beschränkte Korrelation von Einkommen und Glück.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/so...reichen-fuer-vollendetes-glueck-a-716132.html
Der Rest hängt dann wohl vor allem von einem selbst ab, bzw. in wiefern man es sich schafft sich selbst zu verwirklichen, seien es Hobbys, Kinder, o.ä.

Mir fallen ad hoc xyz Reformen ein die man umsetzen sollte, aber nicht umsetzt
welche denn?

Das größte Problem ist imho nicht der Kapitalismus an sich, sondern die Globalisierung der Märkte ohne eine ausreichende Globalisierung der Institution und Regierungen. Das Rennen verlieren wir gerade und daher leidet der Otto Normal Bürger.
Beim ersten Punkt gebe ich dir absolut Recht. Staaten die Steuer-Schlupflöcher bieten um Unternehmen ins eigene Land zu holen sind ja z.B. ein großes Problem.
Oder das die Politik so halb von der EU und vom Bund reguliert wird und so unliebsame Entscheidungen gerne auf die EU abgewälzt werden.

Ich sehe aber nicht inwiefern gerade wir das Rennen verlieren. In Europa sind wir doch das Zugpferd.
 
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Naja, dann schau halt abseits der Einkommen die Vermögensverteilung an, die ist nämlich das absurde und wird kontinuierlich weitergegeben. War das nicht sogar der Hintergrund der Occupybewegung? Selbst wenn man heute weit besser als der Durchschnitt verdient ist man schon noch weit davon entfernt "wirklich" reich zu werden. Wer ernsthaft glaubt zu den oberen 5% zu gehören hat einen Dachschaden. Mercedes, Eigenheim und Pool sind gar nix, müsste schon Villas, Yachthafen und eigener Freizeitpark sein. Dank rumverschieben der Vemögen inklusive Erbweitergabe wird sich da wohl auch nix ändern. Neid am Rise.

Generell verstehe ich daher schon, dass den Leuten der Hut hochgeht, wenn aus dem Nichts irgendeine Blase am anderen Ende der Welt platzt und Banken gerettet werden müssen. Dass die Banken nicht "die Reichen" sind ist sekundär. Primär wird wohl das Gefühl dahinterstehen, dass genau die 50% der Bevölkerung mit kaum Vermögen plötzlich von der Krise getroffen werden - sei es durch Anhäufung von Kurzarbeit, oder massiven Wellen von Überstunden, oder dem Abdrängen von Alten/Behinderten/Jungen/Geringqualifizierten aus dem Arbeitsmarkt/in prekäre Verhältnisse. Zahlen dafür gibts wohl genug, aus der Luft gegriffen sind die Beobachtungen wirkich nicht.

In Deutschland wird das relativ effizient schöngeredet: Überstunden haben nicht zugenommen, weil die absoluten Zahlen nicht zunehmen; dass allerdings nur wenige sehr viel mehr als sonst arbeiten wird unter den Tisch fallen gelassen. Arbeitslos war keiner, aber die Kurzarbeit wird zur Randnotiz, oder die Arbeitslosen in Aufbautrainings (die das Arbeitsamt in ihren Katalogen übrigens nichtmal als Kompetenz führt) fallen ebenfalls nicht unter "arbeitslos", Ältere, die auf einmal Invalidenrente bekommen, sind halt Frührentner, und das ist keine Strategie dem Druck des Arbeitsmarktes zu entfliehen.

Also, ohne jetzt sagen zu wollen der Kapitalismus wäre Dreck, verstehe ich jeden, der Angst davor hat, dass es eher in Richtung USA und Sozialversorgung geht, als dass unser Niveau gehalten werden kann. V.a. mit dem demographischen Wandel, dem Unwillen langfristige Lösungen zu finden und den Scheingeschenken an die graue Wählermasse finde ich am beängstigendsten. Hat weniger mit Neid zu tun, sondern einfach mit dem Glauben, dass momentan zu wenig und zu kurzfristig in der Politik an den Problemen gearbeitet wird.

Deine Kritik am derzeitigen Kalkül der Banken (Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren) teile ich Voll und Ganz. Allerdings zielte meine Kritik ja nicht auf diesen speziellen Umstand ab, sondern an der allgemeinen Schwarzmalerei unserer gesellschaftlichen Umstände und der mitunter irrationale Umgang mit Einkommensdifferenzen. Solange es mir selber auch besser geht kann es mir doch erstmal egal sein, wenn der Manager seinen drölfzigtausendsten Bonus dafür kriegt, dass er seinen Job macht. Neid ist für mich keine gute Basis für ein Gesellschaftsmodell.

Bzgl. Bankenrettungen: Das Problem sehe ich wie gesagt ähnlich, die Sozialisierung der Verluste (egal ob direkt oder versteckt wie bei der Griechenlandkrise) stört die Risikobewertung und das rationale Kalkül der Banken nachhaltig, und dürfte die Wagnisbereitschaft langfristig eher noch erhöhen. Aber: (Große) Banken werden ja nicht aus reiner Böswilligkeit von der "korrupten Elite" gerettet. Man hat einfach panische Angst davor, dass der Bankrott einer bedeutenden Bank eine Kaskade, wie sie in den 30ern stattfand, auslöst. Die Banken sind einfach "too big to fail". Ich wüsste aber auch nicht, wie man das System von innen heraus aufbrechen sollte, da dies im Prinzip auf internationaler Ebene (ähnlich wie beim Unterbinden von Steuerschlupflöchern) einstimmig geschehen müsste. Ein solcher Prozess muss meiner Meinung nach - wenn überhaupt - von einer neuen idealistischen und entsprechend gebildeten Politikergeneration angestoßen werden. Ich bezweifle aber, dass in Frankfurt übermäßig viele Leute so denken. Auch bezweifele ich allgemein, dass der Anteil der wirklich von Armut betroffenen auf Frankfurts Straßen überhaupt sonderlich groß ist. Und wenn, dann würde ich die eher im lokalen Pegida-Ableger vermuten.

Zum Rest: Statistiktricks sind unschön, aber kannst du denn belastbare Alternativzahlen anbieten, die aufzeigen, dass es Deutschland (oder einem Großteil seiner Bevölkeurng) real schlechter geht als zb. vor 10 Jahren?
 
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Gelöschtes Mitglied 683020

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Zum Rest: Statistiktricks sind unschön, aber kannst du denn belastbare Alternativzahlen anbieten, die aufzeigen, dass es Deutschland (oder einem Großteil seiner Bevölkeurng) real schlechter geht als zb. vor 10 Jahren?

Nein, mein Punkt war auch nicht, dass es Leuten generell schlechter geht, oder dass irgendwer tatsächlich um seine Existenz fürchten muss. Generell glaube ich nichtmal, dass es für wirklich interessante Fragen belastbare Zahlen gibt. Ich kenne nur Zahlen, die nahelegen, dass es mittlerweile eine stark einseitige Belastung in Krisenzeiten von Randgruppen gibt (wo wir ja übereinstimmen) - die finden sich dann am ehesten dort, wo wenig Vermögen sitzt. Globalife-Studie müsste viele der Zahlen haben, sowie diverse Paper mit Bezug auf De-Kommofidifkation.

Einfach jeden Einwand mit "den Leuten geht es doch gut" abwinken würde ich allerdings nicht, man kann immer das Wort "noch" in den Satz einbauen. Soll auch nicht die Frankfurtdemonstranten entschuldigen.
 
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Kaum war man mal arbeiten, ist die Diskussion schon viel weiter. Ich gehe dann einfach mal grob drüber

@ Piko
Irgendwie ist mir das alles noch zu abstrakt und oft zu philosphisch. Mir ist völlig schleierhaft, was du mit dem Mensch als Kompetenzcluster meinst und was das mit Kapitalismus zu tun hat. Share Economy ist kein neues System, es ist immer noch kapitalistisch, nur das für einige wenige Güter eher ein Mietmodell als ein Kaufmodell verwendet wird (und das kann kaum auf große Teile der Wirtschaft ausgedehnt werden). Das mit dem Fortschritt hat Gunseng schon angerissen. Dazu noch ein Blick in die Geschichte: Wir haben heute mehr Wald als in den letzten Jahrhunderten, weil die Kohle das Holz als Brennstoff verdrängt hat. Auch hier haben wir nicht alles abgetragen, sondern sind auf eine neue Technik umgestiegen.

Sonst habe ich noch konkret rausgezogen, dass es dich stört, wenn Leute nur wegen des Geldes arbeiten müssen. Das ist ein ganz schönes Anspruchsdenken. Arbeit ist ja keine Erfindung, um die Leute zu nerven, sondern war früher lebensnotwendig (und heute auch noch, sonst würde ja nichts funktionieren). Es gibt kein Recht auf erfüllende Arbeit und es ist kein Systemfehler, wenn nicht jeder nichts bzw nur das machen kann, worauf er Lust hat.

@ Globalisierungsdebatte
Ich halte die Globalisierung für gut. Sie hat die ärmeren Länder in den Welthandel einbezogen und den Wettbewerb erhöht. Das ist mittelfristig zum Wohle aller, auch wenn sich dann natürlich nicht alle liebgewonnen Firmen daran anpassen können. Das ist dann halt leider so. Klar hat die Politik damit ihre Schwierigkeiten, dass kann aber auch ein Segen für uns sein (zum Beispiel wenn Regierung A eine Technologie aus irrationalen Gründen verbietet)

@ Banken
Das Thema ist sehr komplex und würde vermutlich zehn Threads füllen (hat es damals ja auch getan). Wenn wir da einsteigen, kommen wir so schnell nicht mehr raus.
 
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Nur 3 "kleine" Anmerkungen: (ich sollte mir ein anderes Hobby suchen. :troll:)

Irgendwie ist mir das alles noch zu abstrakt und oft zu philosophisch.
Damit wirst du leben müssen, wenn du mit mir diskutierst. Mir ist klar, dass man nicht unendlich abstrahieren kann, und Gecko hat ja in seinen Posts durchaus auch praktische Beispiele für Probleme genannt. Aber ohne die philosophische Ebene diskutiert man nur über Symptome. Wobei die eine Ebene die andere auf keinen Fall ausschließt, im Gegenteil. Wenn wir jetzt nur über Sachen wie Zeitarbeit reden würden, hätte ich auch nix gepostet.

Mir ging es in meinen Posts primär um die Formulierung von Ideen, die über den Tellerrand blicken. Damit ist nicht verbunden, dass ich diesen Ideen einen Wahrheitsanspruch o.ä. zuweise. Das mache ich grundsätzlich nicht, weil ich nicht davon überzeugt bin, dass es so etwas gibt. Mir sind Widersprüche, Sollbruchstellen, Dekonstruktionen wichtig. Konzepte, die allumfassend gesellschaftliche Zusammenhänge beschreiben wollen, sind entweder so stark abstrahiert, dass sie idealisiert sind, oder aber unterkomplex. Daher redet man immer auch über Propositionen, und da die Verständnisunterschiede aufzudröseln nimmt leider nen großen Teil jeder Diskussion ein. Geht aber nicht anders, weil wir sonst komplett aneinander vorbeireden würden.

Mir ist völlig schleierhaft, was du mit dem Mensch als Kompetenzcluster meinst und was das mit Kapitalismus zu tun hat.
Das war ein bewusst idealisierender Begriff für die Tatsache, dass das derzeitige Berufskonzept nicht vollständig die Vielheit menschlicher Fähigkeiten (in) einer Person abbildet. Ob sowas möglich ist, sei dahingestellt.

In konkreten Kategorien gedacht: Ich wünsche mir eine höhere Selbstständigkeit, in beiderlei Sinne. Ist jetzt auch kein komplett neues Konzept. Im Prinzip gehts darum, dass Menschen ihre Fähigkeiten viel bewusster wahrnehmen / fördern und daher ihr Berufsleben viel stärker nach ihnen ausrichten können. Also quasi eine noch viel stärkere Ausdifferenzierung als sie unser jetziges Bildungs- und Wirtschaftssystem ermöglicht.

Es gibt kein Recht auf erfüllende Arbeit und es ist kein Systemfehler, wenn nicht jeder nichts bzw nur das machen kann, worauf er Lust hat.
Das, was du sagst, ist so ein typischer Kurzschluss, der kommt, wenn der Arbeitsbegriff kritisiert wird. Es geht überhaupt nicht darum, dass plötzlich alle nichts machen sollen, oder wir in eine Anarchie des Gutdünkens abdriften.

Es wird nur gerne vergessen, dass es nicht der Kapitalismus alleine war, der unsere heutige relative Entscheidungsfreiheit begründet hat. Da muss man tiefgreifendere Prozesse mitdenken. (ganz grobe Entwicklungslinie: Humanismus -> Rationalismus -> Aufklärung, parallel dazu der Siegeszug der Naturwissenschaften bei gleichzeitiger Diesseitsfixierung durch neue religiöse und nichtreligiöse Weltbilder, usw.) Der Kapitalismus fungiert als Katalysator der in den genannten Richtungen angestoßenen Entwicklungen.

Der fundamentale Fehler ist, dass der Marktwirtschaft Letztgültigkeit attestiert wird. Sicher ist, dass sie bis dato wohl das geringste Übel darstellt, was v.a. in der Verbindung von materiellem Wohlstand und der Verankerung von Freiheitsideen in Gesetzen und Köpfen begründet ist.

Kurve zur Arbeit: Ich bin mir relativ sicher, dass Menschen gerne tätig sind, wenn sie einen Sinn in ihrer Tätigkeit sehen. Dieser Sinnbegriff kann durch viele Konzepte aufgeladen werden.

Wie oben in meinem Dialog mit ReVenger angeklungen ist, sehe ich hier auch den Punkt, an dem meine Kapitalismuskritik vereinbar mit systempositiven Positionen ist. Mir geht es nicht um die Ersetzung des Kapitalismus, sondern eine Neubewertung kapitalistischer Prozesse wie dem der Arbeit. In meinem Auge besteht ein Widerspruch zwischen der Vorstellung eines auf ökonomische Mechanismen ausgelegten Zusammenlebens und der Bildung des Menschen zu einem entscheidungsfähigen Subjekt.

Aber natürlich muss irgendjemand die Drecksarbeit machen, es kann nicht jeder Zuckerbäcker, Anwalt oder Lehrer werden. Da wird wohl langfristig nur die Automatisierung Abhilfe schaffen. Und genau da liegt doch der wunde Punkt: Was sollen eigentlich in Zukunft die Leute arbeiten, die durch Automatisierung immer überflüssiger werden?

Womit der Bogen zur anfänglichen Bildungsdebatte geschlagen wäre.
 

Gelöschtes Mitglied 160054

Guest
Machs doch mal wie in der Mathematik Piko, wo man praktisch beliebig abstraktes klar formuliert, in dem klare Definitionen verwendet werden.

Kapitalismus ist für mich lediglich folgendes:
"Allgemein wird unter Kapitalismus eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verstanden, die auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuerung von Produktion und Konsum über den Markt beruht".

Mehr nicht. Was du genau schlecht findest ist mir immernoch nicht klar, denn deine allgemeinen Ideen sind, zumindest für mich, nicht klar ersichtlich. Kommst vom einen Punkt zum nächsten ohne klar irgendein Anliegen zu formulieren.

Damit wirst du leben müssen, wenn du mit mir diskutierst. Mir ist klar, dass man nicht unendlich abstrahieren kann, und Gecko hat ja in seinen Posts durchaus auch praktische Beispiele für Probleme genannt. Aber ohne die philosophische Ebene diskutiert man nur über Symptome.
Du definierst deine Ideen nicht klar, das ist das Problem. Ohne macht es keinen Sinn zu diskutieren, wie du ja selbst sagst. Daher legst du die entweder dar oder eben nicht, aber im letzteren Fall kann man deine Ideen nicht weiter betrachten.



In konkreten Kategorien gedacht: Ich wünsche mir eine höhere Selbstständigkeit, in beiderlei Sinne. Ist jetzt auch kein komplett neues Konzept. Im Prinzip gehts darum, dass Menschen ihre Fähigkeiten viel bewusster wahrnehmen / fördern und daher ihr Berufsleben viel stärker nach ihnen ausrichten können. Also quasi eine noch viel stärkere Ausdifferenzierung als sie unser jetziges Bildungs- und Wirtschaftssystem ermöglicht.

Schön und gut, wie genau möchtest du das erreichen?
 
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Mehr nicht. Was du genau schlecht findest ist mir immernoch nicht klar, denn deine allgemeinen Ideen sind, zumindest für mich, nicht klar ersichtlich. Kommst vom einen Punkt zum nächsten ohne klar irgendein Anliegen zu formulieren.

Ich versuchs so genau wie möglich:
1. Kapitalismus ist nicht "schlecht" an sich. Das habe ich auch btw nie behauptet.
2. So wie die Dinge stehen, ist Kapitalismus auch nicht "abschaffbar". Schon gar nicht in Zeiten der Globalisierung. Wer sowas behauptet, ist dum.
3. Meine Kritik setzt dort an, was ich mit "Selbstverständlichkeit" bezeichnet habe. Definition: Selbstverständlichkeit meint das Hinnehmen von gesellschaftlichen Strukturen und eigenen Handlungsoptionen als unveränderlich.

Schön und gut, wie genau möchtest du das erreichen?
"Erreichen" impliziert, dass es einen definierbaren Soll-Zustand gibt. Den gibt es aber nicht, wenn man keine Wolkenschlösser bauen will. Was ich mir wünsche, ist simpel: Mehr bewusste Auseinandersetzungsbereitschaft der Menschen mit ihrer Umgebung, dem wirtschaftlichen System und ihrem eigenen Handeln.

Weniger "ich mach das halt so, weil es schon immer so ist". Weniger "das ist halt so, da kann man nix machen." Mehr "Ich kann selbst nicht die Welt auf den Kopf stellen, aber immerhin versuchen, zu verstehen, warum meine Situation so ist wie sie ist und mich nicht mit einfachen Antworten zufriedengeben."

Grundpfeiler: Freiheit + Mündigkeit + Emanzipation

Definitionen:
Freiheit = Möglichkeit, Willensentscheidungen zu treffen. (freier Wille vorausgesetzt)
Mündigkeit = Möglichkeit, Willensentscheidungen rational und vor dem Hintergrund eines an bestimmten Grundwerten (Gerechtigkeit, Freiheit) orientierten Gemeinwesens zu begründen.
Emanzipation = Möglichkeit, sich so in Relation zur Umwelt zu setzen, dass als Zustände interpretierte Gegebenheiten über die Grenzen eigener Interessen hinaus gedacht werden können.

Konkret in Bezug auf den Kapitalismus: Das kapitalistische System (nach deiner Definition oben) als solches wahrnehmen und sich fragen, welche Bestandteile des eigenen Handelns selbst- und welche fremdbestimmt sind.

Im Endeffekt: Selber denken. Klingt doof, aber lies mal Kommentare in social networks. Frag Menschen in der Fußgängerzone. Geh in ne Kneipe an nem Freitag Abend. Sehr viele Leute reproduzieren nur Stereotype und Rollenbilder. Das ist, was ich kritisiere.
 

Benrath

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Ach
regional angepasster Mindestlohn.
Ehegattensplitting weg
Pendlerpauschale wirklich pauschal
Studiengebühren wieder her und lieber wirklich in der Kindheit fördern
Herdpauschale weg
Negative Einkommenssteuer flattax progressiv ansteigend
falls nicht das dümmliche Steuersachen wie Trennung AG und AN teil der GK weg.

Das sind zumindest Sachen die alle national möglich sind.
 
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#2 an Benrath: Es gibt definitiv Dinge, die national möglich sind.

Viele davon würden Deutschland nicht nur fairer, sondern auch wettbewerbsfähiger machen.

Beispiel:
- Reduktion von der Steuerlast auf Arbeit (insb. für niedrige Einkommen).
+ Als Ausgleich höhere Steuern auf nicht-mobile, nicht-menschgemachte Rohstoffe (Deutschland hat kein Öl wie z.B. Norwegen - aber Land, ergo: Land Value Tax)

Schon relativ kleine Schritte wie dies können große Auswirkungen haben.
Bspw. würde eine Reduktion der Steuerlast für Niedrigverdiener im "moralischen Sinne fair" sein, aber auch wie ein kleines Konjunkturprogramm wirken. Und Land Value Tax hat definit keine Wettbewerbsnachteile des Standorts zur Folge.

Das kann man weiter denken, und weitere ineffiziente Steuern abzuschaffen (bspw. Unternehmenssteuer) oder unfaire Systeme zu ändern (Ehegattensplitting, Bevorzugung von Kapitaleinkünften ggüber Einkünften aus Arbeit etc.).


Der Kern ist auch nicht, ob man im konkreten Einzelfall mir oder Benrath widerspricht. Der Kern ist, dass man über die Effekte (national wie im internationalen Wettbewerb) verschiedenster Steuerreformen viel sachlicher reden müsste. Datengetriebene Modelle durchrechnen. Viel Energie in das Thema stecken.

Leider ist die Gesellschaft in der Praxis aber in Lager gespalten, die nicht an der Findung der optimalen Lösung interessiert sind - sondern aus egoistischen oder ideologischen Gründen ein vorgefertigtes, inflexibles Gesamtpaket durchsetzen möchten (die sich dann unter Etiketten wie "Kommunismus" oder "Kapitalismus" mediengerecht zusamenfassen lassen).
 
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ich denke, national sollte man mal so langsam um eine art "produktionsmaschinensteuer" nachdenken, bei der die unternehmen im produzierenden gewerbe abgaben zahlen, die sie durch die einsparung menschlicher arbeitskraft umgehen (natürlich nicht in der höhe ueblicher lohnnebenkosten).

Um die allgemeine stimulation kinder zu zeugen und mehr elterliche eigenverantwortung zu erreichen, sollte auch die eigene rentenhoehe an das einkommen derer gekoppelt werden, d.h. nicht mehr aus einem topf zentral verteilt. Der soziale umbruch waere gewaltig und viele einzelfaelle unverschuldeter rentner ohne berufstätige kinder zu loesen, aber gesamtgesellschaftlich wohl sehr positiv.
 
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Super Idee so eine "Produktionsmaschinensteuer" - da investieren die Unternehmen schon Milliarden, um trotz der hohen Produktionskosten weiter in Deutschland produzieren zu können und dann kommt Herr Yentoh und haut ihnen diese Investitionen um die Ohren. Sauber, wenn wir solche Ideen umsetzen, stehen wir in ein paar Jahren genauso da wie in England.

Ich bin auch dafür, dass die Steuer- und Abgabenlast bei jeder Art von Einkommen gleich sein muss und daher Arbeitserträge niedriger und Kapitalerträge höher besteuert werden müssen, als es jetzt der Fall ist, aber mit solchen Ideen zerstören wir unseren Wohlstand, anstatt ihn zu mehren.
 
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"Unser" wohlstand ist auch der oeffentliche haushalt, der dauerhaft davon belastet ist hoehere sozialausgaben zu tragen, weil wir unterqualifizierte leute immer schwerer in sozialversicherungspflichtige berufe bringen koennen, da diese arbeitsplaetze schlicht weniger werden. Und wie ich schon sagte, muesste die hoehe der steuer (wesentlich) niedriger sein als die ueblichen lohnnebenkosten. Mit der gewonnen kaufkraft in der bevoelkerung waere man auch wieder ein stueck weit unabhaengiger vom export.
 
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Mit so einer Idee zerstörst du jede Menge sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, die du eigentlich so gerne für jeden hättest. Am Ende hättest du trotz einer extra Steuer wahrscheinlich weniger Einnahmen für die Staatskasse, weil die Unternehmen dann ihre Maschinen lieber in anderen Staaten laufen lassen. Maschinen sind halt noch weit mobiler, als Arbeitnehmer.
Klare loose-loose Situation.
 
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lose-lose, außer du meinst, beide werden etwas geweitet :)

In der Sache hast du aber recht, diese Abgabe wäre verheerend und würde jede Menge Effizienz vernichten. Ein gerechteres und einfacheres Steuersystem wäre sicher sinnvoll genau wie mehr Investitionen in Infrastruktur. Beides kann schon viel für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands tun.

Was mir persönlich großes Kopfzerbrechen bereitet, ist die Demografie. Das wird die Sozialkassen ruinieren und unsere Generation hier jede Menge Geld kosten. Als Ausgleich krigen wir dann später weniger und können uns dagegen nicht mal wehren, weil durch die demografische Unwucht die Renter viel mehr Stimmen haben. Das ist echt eine deprimierende Perspektive. Gleichzeitig ist es in praktisch allen zivilisierten Ländern ähnlich, einfach auswandern ist also auch keine gute Option. Und selbst wenn wir hier alle 10 Kinder bekommen würden, würde das für die nächsten Jahre kaum etwas ändern, die Unwucht ist ja da.
 
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Maschinen sind halt noch weit mobiler, als Arbeitnehmer.
Und das geld erst! Trotzdem hat das wort finanztransaktionssteuer seinen schrecken mittlerweile verloren und wird auch ausserhalb von linken kreisen diskutiert. Dass menschliche arbeitskraft immer mehr durch maschinen ersetzt wird, ist auch ausserhalb deutschlands ein problem.
Wie man das im detail ausgestaltet, ist dann eine andere frage. Dauerhaft werden sich aber die staaten die unversteuerte leistung nicht entgehen lassen koennen.
 
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Ich hab nicht gesagt, dass ich experte bin?! Was genau stoert dich denn? Dass ich keinen beleg fuer meinen letzten satz bringen kann? Welches gegenbeispiel faellt dir denn ein, bei dem ein moderner staat monetäre leistung nicht besteuert?
 
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Was mir persönlich großes Kopfzerbrechen bereitet, ist die Demografie. Das wird die Sozialkassen ruinieren und unsere Generation hier jede Menge Geld kosten. Als Ausgleich krigen wir dann später weniger und können uns dagegen nicht mal wehren, weil durch die demografische Unwucht die Renter viel mehr Stimmen haben. Das ist echt eine deprimierende Perspektive. Gleichzeitig ist es in praktisch allen zivilisierten Ländern ähnlich, einfach auswandern ist also auch keine gute Option. Und selbst wenn wir hier alle 10 Kinder bekommen würden, würde das für die nächsten Jahre kaum etwas ändern, die Unwucht ist ja da.
Wahre Sache. Wird sicher noch spannend in 15 - 20 Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 60er alle in Rente gehen. Ich habe mich schon damit abgefunden, sofern ich in 40 Jahren noch (in Dtl.) leben sollte, dass vom Staat nicht mit Rente zu rechnen ist. Wenn überhaupt, wirds wahrscheinlich eine sehr stark eingedampfte Rente in Stufen geben, die mit dem vorherigen Einkommen nur noch indirekt was zu tun hat.

Aber wer weiß, was in 40 Jahren ist. Wahrscheinlich gibts Kreuzzüge des vereinigten Europa gegen den islamischen Staat des Südens. Da ist die Rente dann ein sekundäres Problem. :deliver:
 

Teegetraenk

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Ohje die Demographie..

Gedanken sollte man sich sicher machen aber konkrete Schritte, die vor allem inhaltlich neoliberal anmuten, heute umzusetzen ohne auch nur wissen zu können, was in 10 Jahren ist, ist Unsinn. Der Demographiewandel ist ein reiner Kampfbegriff und hat mit der Realität wenig zu tun. Gern wird in der Diskussion z.B. das Wirtschaftswachstum und die Produktionssteigerung des Einzelnen außer Acht gelassen. Solange bei immer weniger werdenden Jobs die Gesamtwirtschaftsleistung steigt, gibt es bei abnehmender Bevölkerung einen immer größer werdenden Kuchen für immer weniger Leute. Wieviele davon für wieviele aufkommen können und in wieweit das wirklich eine Belastung für die Sozialsysteme in 30 (!!!) Jahren sein wird, kann seriös niemand beantworten. Reiner Hokuspokus und Panikmache. Genau die selbe Diskussion gibt es in Deutschland seit Jahrzehnten und nie sind die Prognosen und die katastrophalen Folgen eingetreten.
 

Benrath

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Ich hab nicht gesagt, dass ich experte bin?! Was genau stoert dich denn? Dass ich keinen beleg fuer meinen letzten satz bringen kann? Welches gegenbeispiel faellt dir denn ein, bei dem ein moderner staat monetäre leistung nicht besteuert?

Klingt einfach etwas kurz gedacht, was du sagst.

Ich sehe eher, dass sich die Länder seit Jahren ein Wettrennen darum liefern wer die niedrigsten Steuern für Unternehmen anbietet und da lassen sich die staaten sehr viel Geld entgehen in der Hoffnung den anderen ein Schnippchen zu schlagen.
 
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Der Thread liest sich großartig. Ehrlich :P
 
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Ohje die Demographie..

Gedanken sollte man sich sicher machen aber konkrete Schritte, die vor allem inhaltlich neoliberal anmuten, heute umzusetzen ohne auch nur wissen zu können, was in 10 Jahren ist, ist Unsinn. Der Demographiewandel ist ein reiner Kampfbegriff und hat mit der Realität wenig zu tun. Gern wird in der Diskussion z.B. das Wirtschaftswachstum und die Produktionssteigerung des Einzelnen außer Acht gelassen. Solange bei immer weniger werdenden Jobs die Gesamtwirtschaftsleistung steigt, gibt es bei abnehmender Bevölkerung einen immer größer werdenden Kuchen für immer weniger Leute. Wieviele davon für wieviele aufkommen können und in wieweit das wirklich eine Belastung für die Sozialsysteme in 30 (!!!) Jahren sein wird, kann seriös niemand beantworten. Reiner Hokuspokus und Panikmache. Genau die selbe Diskussion gibt es in Deutschland seit Jahrzehnten und nie sind die Prognosen und die katastrophalen Folgen eingetreten.

Ich glaube eher "neoliberal" ist ein inhaltsleerer Kampfbegriff. Und es ist schon erstaunlich, dass du Schätzungen über die Sozialsystem in 30 Jahren für unseriös hälst, aber gleichzeitig einfach mal annimmst, dass die Produktivität es schon richten wird. Möglich wäre es, aber das müsste schon ein sehr starker Anstieg sein (wobei andere Probleme wie das Entmachten der jungen Generation ungelöst bleiben). Das kann auch kein Argument sein, jetzt nicht vorzusorgen. Wenn man jetzt gegensteuert und im Nachhinein dann merkt, dass man zuviele Reserven aufgebaut hat, kann man die immer noch verteilen. Umgekehrt wird das schwieriger.
 
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Und das geld erst! Trotzdem hat das wort finanztransaktionssteuer seinen schrecken mittlerweile verloren und wird auch ausserhalb von linken kreisen diskutiert. Dass menschliche arbeitskraft immer mehr durch maschinen ersetzt wird, ist auch ausserhalb deutschlands ein problem.
Dass Arbeitskraft von Maschinen ersetzt wird ist logischerweise insgesamt gut - oder willst du die Industrialisierung zurückdrehen und Computer wieder abschaffen?

Natürlich müssen Umbrüche wie die fortschreitende Automatisierung und Globalisierung gut gemanagt werden. Aufhalten kann und sollte man sie aber nicht, und strafbesteuern ist eine sehr schlechte Idee aufgrund der Konkurrenz zwischen Ländern.

Was die Besteuerung angeht:
- Reduktion der Besteuerung von niedrigen Einkommen auf 0 hilft, die Transition von ok bezahlten Verwaltungs- und Produktionsjobs zu schlecht bezahlten Servicejobs abzufedern
- Besteuert werden sollte nicht der Ersatz der Arbeitskraft durch Maschinen, sondern der dadurch entstandene Profit - und zwar idealerweise beim letztlichen Profiteur (ergo: dem Kapitalertrag)
- Kapitalflucht lässig sich limitieren, bspw. durch die US-Regelung, dass man eben nicht ohne weiteres durch Umzug in ein anderes Land die US-Steuerpflicht loswird
 
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Dass Arbeitskraft von Maschinen ersetzt wird ist logischerweise insgesamt gut - oder willst du die Industrialisierung zurückdrehen und Computer wieder abschaffen?
wat?

Zugegeben war die maschinensteuer im nationalen kontext ein schnellschuss von mir, aber im europäischen rahmen ist das nicht unvorstellbar. Um den unternehmen die motivation eines wegzuges ausserhalb der EU zunehmen, duerfte die steuer die logistikkosten zum export in den eu-binnenmarkt nicht uebersteigen. Solange die opportunitätskosten (infrastruktur, zulieferer, ausbildung, wartung) hoeher sind als eine solche steuer, wird die welt sich weiterdrehen.
 
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Wie "wat"? Was du machen willst, entspricht den Weberaufständen.

Du willst also ernsthaft ein Unternehmen dafür besteuern, dass es bspw. mit 5 statt 10 Buchhaltern auskommt, weil mit SAP & Excel alles einfacher geworden ist als mit Papier?

Und wo genau willst du das ansetzen? Rückwirkend? Wie lange? Oder nur ab jetzt? D.h. mit Nachteilen für diejenigen, die später auf Automatisierung setzen?

Der Vorschlag ist einfach absurd.
 
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Um mal auf Pikos Posts zurückzukommen: Ich find die Ansätze wirklich faszinierend und hoffe, dass der Begriff der Arbeit sich in genau diese Richtung weiterentwickelt. Wir leben im Zeitalter der Vernetzung und nach der globalen Vernetzung (Internet) folgt jetzt die Vernetzung des Individuums und aller Lebenslagen (Intelligente Haussysteme, vernetzte Behörden, Onlineeinkauf, Digitalisierung in der Lehre und zahllos mehr).
Und trotzdem Leben wir in einer Welt, in der eine Lehrerin in der vierten Klasse maßgeblich über dein Leben entscheiden kann. Oder Menschen eine Arbeit machen, die ihnen nur zur Hälfte Spaß macht und die andere Hälfte ist fürchterlich (idealisiert).

Unsere Konzepte von Bildung und Arbeit haben sich über Jahrzehnte entwickelt und waren gut und notwendig. Durch die Beschleunigung der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung hängen politisch und ideologisch belastete Begriffe wie die oben genannten aber momentan ziemlich zurück.
Wieso keine großen Gesamtschulen mit drei verschiedenen Niveaustufen für alle Fächer?Wenn ein Schüler zu 60% auf Realschulniveau ist und zu 40% auf Gynasialniveau, dann sollte man ihm doch die Förderung der 40% ermöglichen. Und das Thema der Arbeit ist imho ein sehr komplexes. Ich habe immer gehört, dass es für das eigene Glück wichtig ist, Arbeit und Beruf gut zu trennen. Jetzt bin ich mein erstes Jahr im Beruf und ich habe das Gefühl das genaue Gegenteil ist der Fall. Ich arbeite lieber Freitags mal nur 3 Stunden um micht mit Freunden treffen zu können und arbeite den Rest am Sonntag nach. Und klar, Gleitzeit ist ein bekanntes Konzept aber das ist ja auch nur der Anfang. In der oben angesprochenen Vernetzung wäre es doch vorstellbar, dass das Konzept eines "Berufs" vollkommen obsolet wird, weil jeder Mensch eine Art Freelancer wird und so alle Fähigkeiten bestmöglich verwertet werden können.
 
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