Am bwde Wesen soll die Welt genesen

Gelöschtes Mitglied 137386

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1. Ist dieses "wissenschaftlich eindeutig bewiesen, dass" blabla im besten Falle verkürzt oder gar grob wahrheitsverzerrend. Es ist die gleiche Argumentation wie mit der Todesstrafe, die angeblich - total wissenschaftlich bewiesen - keinen positiven Einfluss auf die Kriminalitätsraten hat. Dabei wird aber der Vergleich fast immer nur mit den USA gezogen - analog Debatte um Waffengesetze. Dass es Länder wie Japan gibt, die mit Todesstrafe eine fast nicht existente Kriminalitätsrate haben oder die Schweiz, die trotz liberaler Waffengesetze sicherer ist als Deutschland, wird dabei immer unterschlagen. Kurzum: es wird munter Korrelation mit Kausalität verwechselt.
2. Ich kann dir haufenweise Länder mit viel drakonischeren Strafregimen als Deutschland nennen, die eine bessere Kriminalitätsrate als Deutschland haben. Es wäre vielleicht nicht verkehrt zu erkennen, dass die Kriminalität in einem Land von vielen Dingen mehr beeinflusst wird, als von der Höhe oder Art der Bestrafung.
Beispiele: China mit nur 86000 KV-Delikten im Jahr 2015 (bei 1,3 Mrd. Einwohnern)
https://de.statista.com/statistik/d...rage/anzahl-der-straftaten-in-china-nach-art/
vs. Deutschland mit 570 000 vollendeten KV Delikten in 2018 bei mickrigen 84 Mio.

Klar, China böse Diktatur, darf alles nicht sein, alle Statistiken gefälscht. Ok.
Südkorea mit ca. 4300 Delikten bei 5 Mio Einwohnern = 87 p. 100k (Deutschland 155 p. 100k)

Japan: 17 p. 100k

Das Spiel kann ich für jedes Gewaltdelikt und für jedes Jahr spielen. Wer meint Deutschland wäre ein "sicheres Land" sollte sich a) fragen im Verhältnis zu was? Mir ist Deutschland ganz sicher nicht sicher genug, Japan ist für mich ein sicheres Land, nicht Deutschland. b) Wie er darauf kommt. Deutschland liegt in fast allen Quoten relativ weit oben und das nicht nur im Vergleich zu asiatischen Ländern, sondern auch zu vielen Ländern im mittleren Osten oder Südamerika.

3. Wer sagt denn, dass die Personen überhaupt wieder in Freiheit gelassen werden müssen? Natürlich, jeden Ladendieb lebenslang wegzusperren verlangt niemand. Aber wie man nicht verstehen kann, dass die Bevölkerung wenig Verständnis dafür hat, dass so ein Typ wie in Göttingen letzte Woche frei rumläuft, obwohl er bereits 3 mal wegen Vergewaltigung und KV-Delikten für insg. 14 Jahre einsaß, verstehe ich widerum nicht. Die zwei Frauen würden schlichtweg noch leben, wenn man ihn beim dritten mal für immer und ewig drinbehalten hätte. Gegen die Todesstrafe in diesem Kontext bin ich eigentlich auch nur, weil es nach wie vor Irrtümer geben kann.
4. Entsprechend sollte das Justizsystem gerne zweigleisig sein: eine Route zur Rehabilitation, die gerne mit allem Schnickschnack von Delfintherapie bis Yoga arbeiten darf. Und ein no future track, wo die Leute einfach nur so verwahrt werden, wie es das zivilisatorische Mindestmaß verlangt. Ich sehe einfach nicht, warum sich die Gesellschaft bemühen sollte, jemandem eine Zukunft zu ermöglichen, der wiederholt gezeigt hat, dass er eine Gefahr für die Menschheit ist. Da ist mir die Gewinn/Risiko Rechnung einfach zu schlecht.

Und da wir allgemein beim Thema Justiz sind:
Natürlich krasse Budgeterhöhung - es gibt bekanntlich deutlich zu wenig Richter und Staatsanwälte und die, die es gibt, müssen unter teils unwürdigen Bedingungen arbeiten. Von veralteter IT, abgegammelten Räumen und Möbeln über Literatur, die sich Richter zT aus eigener Tasche kaufen. Plus: das Gehalt ist für die angestrebte Klientel schlicht zu niedrig. Man muss schon ein ganz besonderer Überzeugungstäter sein, um sich für 3000 Euro netto mit teils ähnlichen Wochenstunden wie als Wirtschaftsanwalt (weil das Personal fehlt ) in vergammelten miefigen Amtsstuben mit dem Behördenapparat rumzuschlagen, anstatt das doppelte zu verdienen und im schicken klimatisierten Büro in Berlin-Mitte zu arbeiten. Und mit krass meine ich krass, sicherlich das doppelte oder dreifache mehr an Geld muss da rein (was immer noch nicht allzu viel wäre).
 
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1. Ist dieses "wissenschaftlich eindeutig bewiesen, dass" blabla im besten Falle verkürzt oder gar grob wahrheitsverzerrend. Es ist die gleiche Argumentation wie mit der Todesstrafe, die angeblich - total wissenschaftlich bewiesen - keinen positiven Einfluss auf die Kriminalitätsraten hat. Dabei wird aber der Vergleich fast immer nur mit den USA gezogen - analog Debatte um Waffengesetze. Dass es Länder wie Japan gibt, die mit Todesstrafe eine fast nicht existente Kriminalitätsrate haben oder die Schweiz, die trotz liberaler Waffengesetze sicherer ist als Deutschland, wird dabei immer unterschlagen. Kurzum: es wird munter Korrelation mit Kausalität verwechselt.
2. Ich kann dir haufenweise Länder mit viel drakonischeren Strafregimen als Deutschland nennen, die eine bessere Kriminalitätsrate als Deutschland haben. Es wäre vielleicht nicht verkehrt, dass die Kriminalität in einem Land von vielen Dingen mehr beeinflusst wird, als von der Höhe oder Art der Bestrafung.
Was redest du hier? Das hat keiner behauptet, lies mal ordentlich. Es ging darum, dass wissenschaftlich (relativ) eindeutig nachgewiesen ist, dass eine Gefangenenunterbringung wie Mackia sie befürwortet, die Resozialisierungsmöglichkeiten der Insassen drastisch verringert. Das ist zumindest so mein Kenntnisstand und bezieht sich obv. nicht nur auf einen Vergleich mit den USA. Hast du da eine andere Meinung zu? Oder andere Quellen? Dann gerne her damit.
Außerdem: Ich würde bezüglich Todesstrafe auch nie mit dem Vergleich USA oder ähnlichem argumentieren. Es geht darum, das Konzept als solches abzulehnen, schon alleine wie du sagst auf Basis möglicher Justizirrtümer. Das ist für mich das Totschlagargument (höhö) schlechthin.

3. Wer sagt denn, dass die Personen überhaupt wieder in Freiheit gelassen werden müssen? Natürlich, jeden Ladendieb lebenslang wegzusperren verlangt niemand. Aber wie man nicht verstehen kann, dass die Bevölkerung wenig Verständnis dafür hat, dass so ein Typ wie in Göttingen letzte Woche frei rumläuft, obwohl er bereits 3 mal wegen Vergewaltigung und KV-Delikten für insg. 14 Jahre einsaß, verstehe ich widerum nicht. Die zwei Frauen würden schlichtweg noch leben, wenn man ihn beim dritten mal für immer und ewig drinbehalten hätte. Gegen die Todesstrafe in diesem Kontext bin ich eigentlich auch nur, weil es nach wie vor Irrtümer geben kann.
4. Entsprechend sollte das Justizsystem gerne zweigleisig sein: eine Route zur Rehabilitation, die gerne mit allem Schnickschnack von Delfintherapie bis Yoga arbeiten darf. Und ein no future track, wo die Leute einfach nur so verwahrt werden, wie es das zivilisatorische Mindestmaß verlangt. Ich sehe einfach nicht, warum sich die Gesellschaft bemühen sollte, jemandem eine Zukunft zu ermöglichen, der wiederholt gezeigt hat, dass er eine Gefahr für die Menschheit ist. Da ist mir die Gewinn/Risiko Rechnung einfach zu schlecht.
Das kann ich nachvollziehen, fällt imo dann erst bei der Betrachtung der konkreten Einzelfälle auseinander. Also klar, bei so skrupellosen Psychopathen, die gerne schon zu Kindeszeiten Rehe aufgeschlitzt haben und die nie mehr aufhören werden, Menschen anzugreifen, die gehören auch verwahrt. Ist halt die Frage, wie viele das dann wirklich sind. Der Typ aus Göttingen war wohl in den letzten 30Jahren unauffällig und ist jetzt nochmal durchgetickt - keine Ahnung ob ich mit deiner Armchair-Psychologist Analyse übereinstimmen würde, wenn ich mich im Detail mit dem Fall beschäftigen würde.
 
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Gelöschtes Mitglied 137386

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Gegenfrage: warum müsstest du das? Warum muss das Risiko einer möglichen Fehleinschätzung auf dem Rücken der unbescholtenen Bürger ausgetragen werden, anstatt auf dem Rücken dessen, der wiederholt gezeigt hat, dass er gefährlich war. Wie gesagt, ich bin 3 strikes nicht generell abgeneigt. Nur weil es in den USA möglicherweise suboptimal funktioniert (wie das ganze Justizsystem), ist das kein Grund das Konzept abzulehnen. Und natürlich dient es nicht der Resozialisierung. Es dient der Spezialprävention, die nicht nur legitimer Strafzweck ist, sondern mE wesentlich wichtiger als Resozialisierung in der Gesamtabwägung. Mir sind 100 Gewalttäter die für den Rest des Lebens im Gefängnis verrotten, obwohl sie möglicherweise nach dem dritten Delikt dann nun wirklich wirklich aufgehört hätten es locker wert, wenn man dafür ein unschuldiges Opfer weniger hat. Und bitte jetzt nicht mit irgend einem argumentum ad absurdum ankommen von wegen "jeder Mensch ist gefährlich", "dann können wir ja gleich alle präventiv wegsperren" blabla. Natürlich können viele Menschen nichts für ihre Prägung, die sie zu Gewalttätern werden ließ. Und dafür, dass das im Vorhinein verhindert wird (Jugendamt, Schule, schnelles Eingreifen usw.) bin ich gern zu haben. Das warum interessiert mich aber ab dem Moment wenig, wo jemand gefährlich wird. Ich lass einen bissigen Hund auch nicht ohne Leine und Maulkorb rumlaufen, weil er ja nichts dafür kann, dass sein Besitzer so schlecht zu ihm war.

Es ging darum, dass wissenschaftlich (relativ) eindeutig nachgewiesen ist, dass eine Gefangenenunterbringung wie Mackia sie befürwortet, die Resozialisierungsmöglichkeiten der Insassen drastisch verringert. Das ist zumindest so mein Kenntnisstand und bezieht sich obv. nicht nur auf einen Vergleich mit den USA. Hast du da eine andere Meinung zu? Oder andere Quellen? Dann gerne her damit.

Meine Aussage war, dass man Resozialisierung nicht länger als ultimate goal für jeden Straftäter erachten sollte, sondern Resozialisierungsversuche irgendwann ein Ende haben müssen. Nach meinem Dafürhalten gerne bereits beim zweiten schweren Delikt und das auch nur mit beiden Augen zugedrückt, weil ich weder an "jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient" (einfach nö, finde ich nicht) glaube, noch an "jeder kann in einer bestimmten Situation ein Gewalttäter werden". Selbst wenn es so wäre, ist es halt das persönliche Pech des Gewalttäters, dass er nun einer ist. Klar sollte man alles für Prävention tun, damit möglichst wenige Menschen Täter werden.

Plus: bitte für die Folgediskussion nicht vergessen, dass ich hier ausschließlich von Gewaltdelikten spreche. Gefährliche KV, Raub, Mord, Vergewaltigung u.Ä.
 
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Benrath

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Gegenfrage: warum müsstest du das? Warum muss das Risiko einer möglichen Fehleinschätzung auf dem Rücken der unbescholtenen Bürger ausgetragen werden, anstatt auf dem Rücken dessen, der wiederholt gezeigt hat, dass er gefährlich war. Wie gesagt, ich bin 3 strikes nicht generell abgeneigt. Nur weil es in den USA möglicherweise suboptimal funktioniert (wie das ganze Justizsystem), ist das kein Grund das Konzept abzulehnen.
Weil ich nicht der Meinung bin, dass ein Strafsystem so funktionieren sollte. Ein false positive ist für mich deutlich schlimmer als ein false negative. Will sagen: Wird jemand weggesperrt, der das in der Form eigentlich nicht verdient hat (da er nicht rückfällig wird), dann hat der Staat sein Machtmonopol missbraucht und ihm etwas angetan, was er sein Leben lang nicht vergessen wird. Täter ist in dem Falle der Staat.
Im Falle eines false negatives, der Täter nach Haftverbüßung also erneut straffällig wird, ist er der Täter, nicht der Staat. Das ist bedauerlich für die Opfer, aber so ist das Leben. Der Staat wird dich nicht vor allen Gefahren schützen können, er kann aber so agieren, dass er quasi nie sein Machtmonopol missbrauchen würde. Keine Ahnung, vielleicht ist das auch ne Milchmädchenrechnung, aber so kommt es mir vor. Klar geht es am Ende auf einen Mittelweg aus.

Meine Aussage war, dass man Resozialisierung nicht länger als ultimate goal für jeden Straftäter erachten sollte, sondern Resozialisierungsversuche irgendwann ein Ende haben müssen. Nach meinem Dafürhalten gerne bereits beim zweiten schweren Delikt und das auch nur mit beiden Augen zugedrückt, weil ich weder an "jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient" (einfach nö, finde ich nicht) glaube, noch an "jeder kann in einer bestimmten Situation ein Gewalttäter werden". Selbst wenn es so wäre, ist es halt das persönliche Pech des Gewalttäters, dass er nun einer ist. Klar sollte man alles für Prävention tun, damit möglichst wenige Menschen Täter werden.
Naja aber das hat hier bisher auch noch keiner getan. Die Aussage von ugly war ja: "Gefängnisse möglichst barbarisch aufzuziehen ist ja nachweisbar nachteilig, wenn man vorhat, die Leute irgendwann wieder rauszulassen, da dann erneut Straftaten zu Lasten der Allgemeinheit zu erwarten sind."
Man kann alternativ natürlich damit argumentieren, diese Leute nicht mehr rauszulassen. Aber _wenn_ man sie rauslassen will, dann ist es nicht zielführend, das Gefängnis als Mackias Wildwestphantasie aufzuziehen. Würdest du dem zustimmen? Dass man in unserem Justizsystem auch andere Verschärfungen wünschen kann, ohne direkt Zwangsarbeit daraus zu machen, zeigt ja szygys Post.
Was deine Meinung zu Gewaltdelikten und Resozialisierung angeht: Tja, agree to disagree. Solange es sinnvoll ist, also durchaus Erfolge zu erzielen sind, ist Resozialisierung vorzuziehen. Immer bezogen auf die Prognose, unabhängig von der Anzahl der Gewaltdelikte.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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Haben wir denn irgendwas mehr als Höhrensage zu dem Zusammenhang Strafhöhe und Abschreckung?
Hab auf die schnelle nur das gefunden.
https://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/...7/jel.20141147
Da sind die Ergebnisse wohl mixed und es wird angemerkt, dass Straftäter eher kurzfristig/sichtig denken.

Das ist auch mein Stand und unterstreicht nur nochmal das Argument, dass das Strafmaß insb. bei Gewaltdelikten, die oft Impuls- und gerade keine Intelligenzdelikte wie ein Betrug sind, bei denen die Täter Risiken und Ertrag eher abwägen, kaum Auswirkungen hat. Das wird immer als Argument dafür missbraucht gegen Strafverschärfungen zu argumentieren. Dabei wird mE genau andersherum ein Schuh draus: wenn es keinen Einfluss hat, können wir viel härter bestrafen und damit zumindest das Strafbedürfnis der Gesellschaft befriedigen. Plus rein logisch würden damit eine bestimmte Anzahl Wiederholungstaten verhindert werden.

Ich habe dazu keine Zahlen zur Hand, aber vielleicht hat sie jemand: wieviele Straftäter werden auch nach der zweiten/dritten Strafe kriminell, d.h. wieviele Opfer würde man vermeiden, wenn man konsequent jeden Gewalttäter nach der dritten Straftat für immer wegsperren würde (meinetwegen mindestens bis ins hohe Rentenalter, bei dem Gewaltdelikten aus körperlichen Gründen nicht mehr in Betracht kommen - wann immer das passiert - damit die Art. 1 Bedenkenträger nicht rumheulen).

Weil ich nicht der Meinung bin, dass ein Strafsystem so funktionieren sollte. Ein false positive ist für mich deutlich schlimmer als ein false negative. Will sagen: Wird jemand weggesperrt, der das in der Form eigentlich nicht verdient hat (da er nicht rückfällig wird), dann hat der Staat sein Machtmonopol missbraucht und ihm etwas angetan, was er sein Leben lang nicht vergessen wird. Täter ist in dem Falle der Staat.

Na aber er hat ja was getan. Das Argument verstehe ich vollkommen für in dubio pro reo. Aber hier geht es nicht um einen false positive und mE ist es auch egal, ob er wieder rückfällig wird oder nicht. Wer drei schwere Gewalttaten begeht, hat mE mehr als genug Schuld auf sich geladen, sodass er diese niemals wieder "absitzen" kann.
 
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False Positive im Sinne von: "Wir sperren ihn jetzt wegen Wiederholungsgefahr weg." Wenn dein Argument war: "Unabhängig davon, ob der das wieder macht oder nicht: Nach drei Mal ab in die Zelle und Schlüssel weg!" Dann bleibt wie gesagt nur agree to disagree. Wer drei schwere Gewalttaten begeht, hat genau die Schuld der drei Gewalttaten auf sich geladen. Wir geben hier keinen Mengenbonus. Aber das ist wohl letztlich nicht weiter begründbar sondern Überzeugungen.
 

Deleted_228929

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1. Ist dieses "wissenschaftlich eindeutig bewiesen, dass" blabla im besten Falle verkürzt oder gar grob wahrheitsverzerrend. Es ist die gleiche Argumentation wie mit der Todesstrafe, die angeblich - total wissenschaftlich bewiesen - keinen positiven Einfluss auf die Kriminalitätsraten hat. Dabei wird aber der Vergleich fast immer nur mit den USA gezogen - analog Debatte um Waffengesetze. Dass es Länder wie Japan gibt, die mit Todesstrafe eine fast nicht existente Kriminalitätsrate haben oder die Schweiz, die trotz liberaler Waffengesetze sicherer ist als Deutschland, wird dabei immer unterschlagen. Kurzum: es wird munter Korrelation mit Kausalität verwechselt.
Äh, häh? Aber ist doch eine Beobachtung, die total anti Todesstrafe ist, wenn zwei Länder mit Todesstrafe total unterschiedliche Kriminalitätsraten haben. Wo noch nichtmal Korrelation ist, wird wohl kaum eine Kausalität sein.
 

Benrath

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Ich würde es besser finden, wenn es nicht an der Anzahl der Straftaten sondern an der insgesamt gesammelten Gefängniszeit festgemacht würde.
z.b. wenn man 15 Jahre wegen schweren Delikten gesammelt hat verlängert sich das ganz automatisch auf lebenslänglich.
Das verhindert so ein bisschen, das man wegen drei eher milden schweren KV gleich für immer wegkommt und erlaubt den Richtern etwas mehr Spielraum über das setzen der Strafen.

einfach n =3 Straften und immer weg, finde ich zu simple.

Hätte son bischen was vom Punktesystem beim Führerschein. Durch gewissen Maßnahmen (z.b. Therapie oder lange Straffreiheit) könnte man das Konto vielleicht wieder aufbessern.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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Äh, häh? Aber ist doch eine Beobachtung, die total anti Todesstrafe ist, wenn zwei Länder mit Todesstrafe total unterschiedliche Kriminalitätsraten haben. Wo noch nichtmal Korrelation ist, wird wohl kaum eine Kausalität sein.

Richtig, aber das ja nur aus der Präventionsperspektive. Strafe hat aber nicht nur General- oder Spezialprävention zum Zweck, sondern dient nach der sog. Vereinigungstheorie des BVerfG eben AUCH dem Schuldausgleich und dem Sühnebedürfnis der Allgemeinheit. Sprich: Selbst wenn wir eine Wunderpille hätten, die einen Straftäter ohne jegliche Nebenwirkungen sofort zu einem Musterbürger machen würde, müssten/sollten/wollen wir ihn trotzdem bestrafen, weil er für das von ihm angerichtete Unrecht sühnen soll.

Das verhindert so ein bisschen, das man wegen drei eher milden schweren KV gleich für immer wegkommt und erlaubt den Richtern etwas mehr Spielraum über das setzen der Strafen.

Es gibt ja aber gerade keine "milden schweren KV" (naja ganz genau genommen natürlich schon, weil es bei allen Deliktsgruppen innerhalb des Delikts noch unendlich Abstufungspotential gibt, ABER: ->) sondern der Gesetzgeber bringt über die Qualifikation als gefährliche oder schwere Körperverletzung ja schon zum Ausdruck, dass es sich um einen gegenüber einer normalen KV besonders schwerwiegende Tat handelt. Nur mal so, bei schwerer Körperverletzung sprechen wir von KV Delikten, bei denen das Opfer bleibende Beeinträchtigungen zurückbehält, etwa Gliedmaßen oder das Augenlicht verliert.
 
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Benrath

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Es gibt ja aber gerade keine "milden schweren KV" (naja ganz genau genommen natürlich schon, weil es bei allen Deliktsgruppen innerhalb des Delikts noch unendlich Abstufungspotential gibt, ABER: ->) sondern der Gesetzgeber bringt über die Qualifikation als gefährliche oder schwere Körperverletzung ja schon zum Ausdruck, dass es sich um einen gegenüber einer normalen KV besonders schwerwiegende Tat handelt. Nur mal so, bei schwerer Körperverletzung sprechen wir von KV Delikten, bei denen das Opfer bleibende Beeinträchtigungen zurückbehält, etwa Gliedmaßen oder das Augenlicht verliert.

Bin da kein Experte was die Strafrange angeht. Ich fände nur ein System das nicht nur von der Anzahl der Verurteilungen sondern dem Strafmaß abhängt fairer. Am Ende des Tages liegen wir nicht mal weit auseinander. Mein Vorschlag hätte nur wesentlich mehr Stellschrauben als three strikes, um ungewünscht Entwicklungen aufzufangen. Die Stellschrauben sind jedoch nicht überkomplex.

Beim zitieren den Namen noch drin lassen, hilft.
 

parats'

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Ich würde es besser finden, wenn es nicht an der Anzahl der Straftaten sondern an der insgesamt gesammelten Gefängniszeit festgemacht würde.
z.b. wenn man 15 Jahre wegen schweren Delikten gesammelt hat verlängert sich das ganz automatisch auf lebenslänglich.
Das verhindert so ein bisschen, das man wegen drei eher milden schweren KV gleich für immer wegkommt und erlaubt den Richtern etwas mehr Spielraum über das setzen der Strafen.

einfach n =3 Straften und immer weg, finde ich zu simple.

Hätte son bischen was vom Punktesystem beim Führerschein. Durch gewissen Maßnahmen (z.b. Therapie oder lange Straffreiheit) könnte man das Konto vielleicht wieder aufbessern.

Ich weiß, dass 15j nur ein Beispiel war, aber es gibt genügend Gewaltdelikte die selbst bei Wiederholung einige Taten benötigen. Schau dir nur mal die beiden Männer aus Lügde an, was ist dort das höchste Straßmaß? Ja, stumpf die Anzahl der Taten zählen macht wenig sinn, aber irgendwo muss ein Faktor der Grausamkeit herein. Selbst ein Marc Dutroux ist am Ende nach 16 Jahren rausgekommen.
 

parats'

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Mea Culpa, es ging um die Komplizin. Entkräftet meinen Ansatz aber hoffentlich nicht, was die beiden aus Lügde angeht.
Danke fürs drauf hinweisen!
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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Bin da kein Experte was die Strafrange angeht. Ich fände nur ein System das nicht nur von der Anzahl der Verurteilungen sondern dem Strafmaß abhängt fairer. Am Ende des Tages liegen wir nicht mal weit auseinander. Mein Vorschlag hätte nur wesentlich mehr Stellschrauben als three strikes, um ungewünscht Entwicklungen aufzufangen. Die Stellschrauben sind jedoch nicht überkomplex.

Beim zitieren den Namen noch drin lassen, hilft.

Ajo sehe ich im Prinzip ja genau so, ich treffe die Auswahl nur bereits schon mit der Einschränkung "Gewalttaten". Die sind für mich per se schwerwiegend genug, auch die einfache Körperverletzung, wenn sie so wiederholt auftritt. Dass man ein mal wegen Körperverletzung drankommt, weil man sich hat provozieren lassen oÄ. und ungerechtfertigt jemandem zB ein paar Faustschläge verpasst finde ich auch schon höchstgradig asozial, aber lass da noch mit mir reden. Wem das aber drei mal passiert - sorry, da fehlt mir völlig das Verständnis. Ich bin iwie über 30 Jahre durchs Leben gekommen, ohne eine KV zu begehen und die aller meisten Menschen in Deutschland (auch in miesesten Verhältnissen) schaffen das auch.
 

Gustavo

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Das Spiel kann ich für jedes Gewaltdelikt und für jedes Jahr spielen. Wer meint Deutschland wäre ein "sicheres Land" sollte sich a) fragen im Verhältnis zu was? Mir ist Deutschland ganz sicher nicht sicher genug, Japan ist für mich ein sicheres Land, nicht Deutschland. b) Wie er darauf kommt. Deutschland liegt in fast allen Quoten relativ weit oben und das nicht nur im Vergleich zu asiatischen Ländern, sondern auch zu vielen Ländern im mittleren Osten oder Südamerika.


Es gibt keine Forschung, die es in irgendeiner Form sinnvoll schafft, Gewaltdelikte länderübergreifend zu vergleichen. Glaub mir, ich habe LANGE danach gesucht. Dass Deutschland überdurchschnittlich viel Gewaltkriminalität hat ist relativ unplausibel, wenn man sich die Prävalenz von vergleichbaren Delikten anschaut, aber beweisen oder widerlegen kann man es nicht.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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Der Unterschied ist, dass diese Strukturen fast vollkommen im Verborgenen operieren und für die normale Bevölkerung kaum wahrnehmbar sind, im Gegensatz zu Hells Angels und co.
Dass es in Japan ecken gäbe, an denen man sich vergleichbaren Risiken aussetzt wie in den kriminellen Hotspots von Berlin und co, würde ich stark bezweifeln und widerspricht auch allen Erfahrungen, die ich dazu gelesen habe.
 

Deleted_228929

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Richtig, aber das ja nur aus der Präventionsperspektive. Strafe hat aber nicht nur General- oder Spezialprävention zum Zweck, sondern dient nach der sog. Vereinigungstheorie des BVerfG eben AUCH dem Schuldausgleich und dem Sühnebedürfnis der Allgemeinheit. Sprich: Selbst wenn wir eine Wunderpille hätten, die einen Straftäter ohne jegliche Nebenwirkungen sofort zu einem Musterbürger machen würde, müssten/sollten/wollen wir ihn trotzdem bestrafen, weil er für das von ihm angerichtete Unrecht sühnen soll.
Es ging aber doch gerade eben um die Präventionsperspektive. Schuldausgleich, dagegen sagt, glaube ich, keiner was. Habe jedenfalls noch nie jemanden getroffen, der ernsthaft behauptet hätte, dass man wegen KV oder Mord nicht bestraft werden sollte. Nur habe ich persönlich als Bürger halt ein Interesse daran, dass unser Strafverfolgungs- und Justizsystem so aufgebaut ist, dass es eine hohe Sicherheit garantiert und nicht, dass Straftäter möglichst bestialisch bestraft werden.
 
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1. Ist dieses "wissenschaftlich eindeutig bewiesen, dass" blabla im besten Falle verkürzt oder gar grob wahrheitsverzerrend. Es ist die gleiche Argumentation wie mit der Todesstrafe, die angeblich - total wissenschaftlich bewiesen - keinen positiven Einfluss auf die Kriminalitätsraten hat. Dabei wird aber der Vergleich fast immer nur mit den USA gezogen - analog Debatte um Waffengesetze. Dass es Länder wie Japan gibt, die mit Todesstrafe eine fast nicht existente Kriminalitätsrate haben oder die Schweiz, die trotz liberaler Waffengesetze sicherer ist als Deutschland, wird dabei immer unterschlagen. Kurzum: es wird munter Korrelation mit Kausalität verwechselt.

Du tust ja gerade so als gäbe es bezüglich der todesstrafe nur vergleichsstudien mit anderen ländern, dabei gibt's genug studien die sich nur mit dem impact (oder dem fehlen dessen) der todesstrafe in der USA befassen. Ganz ohne ländervergleich.

Die Schweiz hat nur ~50% mehr schusswaffenbesitz als in Deutschland, aber 300% mehr morde mit Schusswaffen. Ob das so der geile beweis für laxe schusswaffengesetze ist?
 
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... Vergleich Wien vs. Mannheim,Köln,Leipzig erlebt*, der Unterschied ist enorm. In Wien hast du z.B. überall Schilder die dich ans mitnehmen des Hundekots erinnern (und soweit ich weiß wird Zuwiderhandeln durchaus auch sanktioniert). Weitere Beispiele: In Wien wird auf Rolltreppen eigentlich immer eine Gasse für Eilige gelassen - habe ich in Deutschland in der Zuverlässigkeit bei voller Rolltreppe noch nie gesehen.

also in München ist es absolut Standard auf Rolltreppen links frei zu lassen für Eilige.

Glaube auch dass Leipzig & Mannheim kein so guter Vergleich mit Wien ist wie z.B München.
 

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Ach ja, übrigens noch hierzu:
Deine Forderung wäre also die Abschaffung des Sportunterrichts?
LoL, Sportunterricht. Der dreckige Müll, der zu meiner Schulzeit als "Sportunterricht" bezeichnet wurde kann in der Tat gerne abgeschafft werden, auch ersatzlos, und die "verantwortlichen" Lehrer alle in den Steinbruch geschickt werden. Niemand würde irgendwas vermissen.
 
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also in München ist es absolut Standard auf Rolltreppen links frei zu lassen für Eilige.

Glaube auch dass Leipzig & Mannheim kein so guter Vergleich mit Wien ist wie z.B München.

In Frankfurt auch, da wird man links von den ganzen rennenden Bankern einfach platt gemacht wenn man steht :ugly:
In Berlin dagegen kümmert die Rolltreppen-Überholspur niemanden. Ist wohl einfach stark regional unterschiedlich, ich würde eine Korrelation mit dem Stressfaktor der Stadt vermuten.

LoL, Sportunterricht. Der dreckige Müll, der zu meiner Schulzeit als "Sportunterricht" bezeichnet wurde kann in der Tat gerne abgeschafft werden, auch ersatzlos, und die "verantwortlichen" Lehrer alle in den Steinbruch geschickt werden. Niemand würde irgendwas vermissen.

War deiner echt so schlimm? Was störte denn?
Ich habe meinen sehr positiv in Erinnerung, es wurden diverse Sportarten und damit Bewegungsmuster dran genommen, sportliche Kinder konnten sich austoben und weniger sportliche mussten immerhin mal etwas machen. Hab mich da fast immer drauf gefreut, naja, außer in dem halben Jahr in dem wir Fußball gespielt haben, das fand ich aus Prinzip doof :ugly:
 

Deleted_228929

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War deiner echt so schlimm? Was störte denn?
Ich habe meinen sehr positiv in Erinnerung, es wurden diverse Sportarten und damit Bewegungsmuster dran genommen, sportliche Kinder konnten sich austoben und weniger sportliche mussten immerhin mal etwas machen. Hab mich da fast immer drauf gefreut, naja, außer in dem halben Jahr in dem wir Fußball gespielt haben, das fand ich aus Prinzip doof :ugly:
Was störte war, dass es bei mir nicht das eine halbe Jahr gab, in dem nur Fußball gespielt wurde, sondern das irgendwann das einzige Programm war. Das ganze Jahr. Jedes Jahr.

In 15 Jahren Schule habe ich exakt ein (in Zahlen: 1) Mal Speerwurf und ein (in Zahlen: 1) Mal Kugelstoßen gemacht.

Dementsprechend waren die meisten (nicht alle) Sportlehrer die übelsten Beamtenklischees auf zwei Beinen: Stinkfaul, nichts zu tun, gnadenlos überbezahlt.
 
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Ich nehme das mal als ein Appell für die Verbesserung des Sportunterrichts.
 
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Mir gefielen bisher viele der gemachten Vorschläge, insbesondere die Entbeamtung.



Steuern und Abgaben
-Besteuerung nach Staatsangehörigkeit (im Ausland gezahlte Steuern können abgesetzt werden)
-Steuer und Sozialversicherungen zusammenführen, z.B. wie hier diskutiert
(SV-Beiträge weg, Stufentarif mit Grundfreibetrag von 12.000 € und 65% Spitzensteuersatz ab 60.000 € Einkommen, d.h. Entlastung für Einkommen unter 75.000 €, fast alle Abzugsmöglichkeiten entfallen)
-Mehrwertsteuer senken, dafür den ermäßigten Satz abschaffen und durch selektive Konsumsteuern ersetzen
-Vermögen besteuern, wo es mit vertretbarem Aufwand geht (z.B. Bodenwertsteuer)
-Erbschaften wie Einkommen besteuern
-Finanztransaktionssteuer pushen

Sozialsystem
-einheitliche Grundrente für alle, Rest läuft privat
-Alle Transferleistungen zusammenführen und als negative Einkommensteuer ausgestalten. Transferleistungen müssen nicht mehr einzeln beantragt werden. Stattdessen gibt es eine zentrale Behörde, die global auf Bedürftigkeit prüft und alle Ansprüche ermittelt. Daten werden, wenn möglich, direkt von anderen Behörden eingeholt.
-ALG2 reformieren: Regelsatz senken, Sanktionen abschaffen und Engagement mit Boni belohnen

Gesundheitssystem
-Einführung einer Kosten-Nutzen-Abwägung
-stärkerer Fokus auf Generalprävention
-im großen Stil Krankenhäuser schließen und die verbleibenden besser ausstatten
-Werbeverbot für Medikamente

Umwelt- und Verbraucherschutz
-Innenstädte von Autos befreien bis ca. 2035
-Steuern auf Alkohol und Tabak stark erhöhen, Rauchverbote ausweiten
-Werbeverbot für Tabak und Alkohol
-Zuckersteuer einführen, Obergrenze für Zuckergehalt in verarbeiteten Lebensmitteln
-ab einer gewissen Ladenfläche: separates Abteil für Alkoholika und Süßwaren
-schrittweise Erhöhung der Standards in der Nutztierhaltung
-Werbeverbot für Kinder- und Jugendartikel
-Hundehaltung in Städten verbieten
-Umweltsteuern auf schädliche Substanzen und Lärm, strengere Grenzwerte

Migration und Entwicklungshilfe
-Entwicklungshilfe streichen, außer Nothilfen bei Hungersnöten, Naturkatastrophen, Kriegen
-Entwicklungsländer erhalten Zugang zum EU-Binnenmarkt, dürfen selbst aber Zölle erheben
-privilegierte Partnerschaft mit ausgewählten Ländern: Bau von Schulen, Berufsschulen und Hochschulen, Vergabe von Studien- und Ausbildungsvisa, personelle und logistische Unterstützung beim Aufbau einer effektiven staatlichen Verwaltung
-individuellen Anspruch auf Asyl abschaffen, außer den nach GG, Asylanten nur noch per Kontingent aufnehmen
-Qualifikationspflicht für Asylanten (insbesondere Spracherwerb). Bei mehrfachem Nichtbestehen gibt es Sanktionen bis zur Ausweisung.
-legale Migration erleichtern: Notwendig und hinreichend sind Sprachkenntnisse (Deutsch oder Englisch) und Intelligenz (nachweisbar durch geeignete Tests oder Proxies). Ab einem gewissen Alter sollten Berufsqualifikation und/oder Vermögen dazukommen.

Familie
-Kindergeld und Kinderfreibeträge streichen
-Pauschalbetrag für den Kindesunterhalt wird hälftig für jeden Elternteil (nicht übertragbar) von der Steuerschuld abgezogen
-kleine Gruppen, gute Betreuungsschlüssel in der frühkindlichen Betreuung
-bessere Angebote für berufstätige Mütter mit Babys, z.B. Tandem- oder Eins-zu-Eins-Betreuung
-Erzieherin zum Studienberuf mit Bachelorabschluss machen (mit Masteroptionen) und die Gehälter schrittweise an das Niveau von Lehrern angleichen. Praktische Ausbildungsteile werden vergütet.
-Umfang und Qualität der Geburtshilfe stark erhöhen, Hebammen deutlich besser bezahlen, Hebammengeburt zum Leitbild machen
-Elterngeld reformieren: Beide Eltern haben einen individuellen Elterngeldanspruch von 12 Monaten. Der Lohnausgleich beträgt 100% vom Netto (max. 2500 €) für die ersten drei Monate und sinkt dann ab. Ab dem dritten Monat kriegt die Mutter das Elterngeld auch dann, wenn sie arbeitet.
-Elterliche Unterhaltspflicht endet mit Volljährigkeit bzw. Schulabschluss
-Elternunterhaltspflicht entfällt
-Staatsquote erhöhen

[edit: Danke Eisen für die aufmerksame Kriitk :troll:]

Schulen
-Rahmenlehrpläne abschaffen. Schulen wählen Stoff und Lehrpersonal aus.
-engmaschige Evaluation von Grundkompetenzen: Leseverständnis, sprachlicher Ausdruck in Wort und Schrift, Problemlösung in Mathematik und Naturwissenschaften
-volle Kostenerstattung für freie Schulen
-Schulen mit schwieriger Schülerschaft erhalten mehr und besseres Personal
-Lehrerausbildung umkrempeln: Praktische Eignungsprüfung zu Beginn des Studiums. Berufseinstieg als stark praxisorientierter Bachelor (mit Vergütung). Master als fachliche Weiterbildung für höhere Klassenstufen, für Ausbildungs-, Führungs- und Managementaufgaben. Wer gut ist, erhält Leistungszulagen und kann Karriere machen.
-verstärkt Quereinsteiger anwerben

Hochschulen
-Hochschulen an den Bund geben
-viel, viel mehr Geld rein
-elternunabhängiges BAföG für alle, aber Leistungsnachweise ab dem ersten Semester
-vierjähriger Bachelor mit einjährigem Studium Generale, mehr (begleitete) Individualisierung des Studienverlaufs ermöglichen
-keine Exzellenzinitiativen mehr, dafür eine wesentlich bessere Grundausstattung
-Mittelvergabe mehr an Personen als an Themen/Projekten ausrichten: Was geforscht wird, entscheiden die Forscher am besten selbst.
-Mittelbau ausdünnen, dafür mehr Professorenstellen (in diese Richtung soll es gehen)
 
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TheGreatEisen

SC2-Turniersieger 2019
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- Ehegattensplitting beibehalten
- Kinderfreibeträge rauf auf 100.000 pro Kind
- mehr Steuersparmodelle (z.B. höhere Entlastung von umweltbewussten Bürgern die in PV-Anlagen investieren)
- Abschaffung der Schaumweinsteuer
- Förderung von Kindern die Privatschulen besuchen
- Übernahme der Reisekosten für OTT-Pilger
 
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In der Tat hatte ich einen Punkt vergessen. Gutes Auge!
 

Tür

Kunge, Doppelspitze 2019
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Keine Angst, wenn hier welcher kommt sage ich dir Bescheid
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Die obigen Zitate stören mich dennoch massiv. Es ist diese demonstrative Gleichgültigkeit und Akzeptanz gegenüber deviantem Verhalten, welches ich als hochgradig problematisch empfinde (s. Broken-Windows-Theory). Es wird ausgeblendet, dass solche Zustände - gerade nach längerer Zeit - unter Umständen eben doch auch "Unbeteiligte" betreffen können (Beschaffungskriminalität, austickend Junkies, Revier- und Gangbildung, Kollateralschäden wenn es mal nicht nur beim "Schubsen" bleibt, Einflussname auf die vor Ort lebenden Kinder, etc.).


Ich bin noch dabei, mich in die Hardcore-Kriminologie Literatur einzulesen, aber mein bisheriger Eindruck ist, dass die empirisch arbeitenden Kriminologen Broken Windows nicht als korrekt ansehen.

Im Übrigen halte ich diese "Ordnungskultur"-Idee für relativ absurd. Es ist für die Linke ein Fehler, sich auf dieses Spiel einzulassen; der Eingangspunkt der Autorin ist imho völlig korrekt: Indem man sich darauf einlässt, politisch über den "Görli" zu reden, konzediert man schon viel zu viel. Ob der Görlitzer Park tatsächlich ein Problem für Anwohner ist, kann man durchaus erörtern, aber eben technokratisch-empirisch, nicht als Reaktion auf das Gezeter der Anwohner. Meine Vermutung ist nämlich, dass das kein so großes Problem ist, wie bestimmte Leute tun. Im Grunde wiederholt die Linke damit denselben Fehler wie mit den "Clans": Neulich habe ich en passant in einem Artikel in der Süddeutschen gelesen, dass die Clans für 20% der organisierten Kriminalität in Deutschland verantwortlich sind. Wie viel Prozent der Aufmerksamkeit für das Thema bekommen sie dagegen? 90? 95?

Die ärgerliche Wahrheit bzgl. Politik ist, dass die meisten Menschen nicht die Aufmerksamkeit haben, sich für mehr als eine Handvoll Themen zu interessieren. Der Fehler der Linken ist einfach, dass sie permanent glaubt, man müsse nur insgesamt die valideren Argumente haben und das würde dann schon reichen, um den Populisten das Wasser abzugraben, als ob der typische Bürger das Integral über die Gesamtzahl der Themen berechnet und dann abwägt. Schau dir nur mal die Umfragen zur Expertise verschiedener Themen an: Die Konservativen werden IMMER als "eher dazu in der Lage" gesehen, Kriminalität als Problem anzugehen, obwohl es keinen Beweis dafür gibt, dass das wirklich so ist.
 
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Ich bin noch dabei, mich in die Hardcore-Kriminologie Literatur einzulesen, aber mein bisheriger Eindruck ist, dass die empirisch arbeitenden Kriminologen Broken Windows nicht als korrekt ansehen.

Im Übrigen halte ich diese "Ordnungskultur"-Idee für relativ absurd. Es ist für die Linke ein Fehler, sich auf dieses Spiel einzulassen; der Eingangspunkt der Autorin ist imho völlig korrekt: Indem man sich darauf einlässt, politisch über den "Görli" zu reden, konzediert man schon viel zu viel. Ob der Görlitzer Park tatsächlich ein Problem für Anwohner ist, kann man durchaus erörtern, aber eben technokratisch-empirisch, nicht als Reaktion auf das Gezeter der Anwohner. Meine Vermutung ist nämlich, dass das kein so großes Problem ist, wie bestimmte Leute tun. Im Grunde wiederholt die Linke damit denselben Fehler wie mit den "Clans": Neulich habe ich en passant in einem Artikel in der Süddeutschen gelesen, dass die Clans für 20% der organisierten Kriminalität in Deutschland verantwortlich sind. Wie viel Prozent der Aufmerksamkeit für das Thema bekommen sie dagegen? 90? 95?

Die ärgerliche Wahrheit bzgl. Politik ist, dass die meisten Menschen nicht die Aufmerksamkeit haben, sich für mehr als eine Handvoll Themen zu interessieren. Der Fehler der Linken ist einfach, dass sie permanent glaubt, man müsse nur insgesamt die valideren Argumente haben und das würde dann schon reichen, um den Populisten das Wasser abzugraben, als ob der typische Bürger das Integral über die Gesamtzahl der Themen berechnet und dann abwägt. Schau dir nur mal die Umfragen zur Expertise verschiedener Themen an: Die Konservativen werden IMMER als "eher dazu in der Lage" gesehen, Kriminalität als Problem anzugehen, obwohl es keinen Beweis dafür gibt, dass das wirklich so ist.

wat.

Ich kann dir versichern, dass sowas sehr relevant für's alltägliche leben ist. Wenn man solche zonen wie den Görli in der Nähe hat, dann liegt mehr Dreck in den Straßen rum, Hunde scheißen auf Fußwege, dicke Autos werden einfach irgendwo geparkt, egal ob dann der Fußweg weg ist oder andere eingeparkt sind. Wer eingeparkt ist und weg will muss entweder damit leben, dass er/sie nicht wegkommt, oder Radau machen und das Risiko eingehen, dass dann 1-3 Pumper kommen und einen bepöbeln. Selbst wenn man dann wegfahren kann ist das ein Zustand der nicht so nice für den Alltag ist. Ebenso ist es eher uncool wenn man weiß, dass in der Gegend organisierte Kriminalität gut verankert ist und das durch Straßenrennen mitten in der Nacht unterstrichen wird die einen aufwachen lassen, genauso wie Milieu-Meinungsverschiedenheiten auf offener Straße am Abend oder nachts. Selbst wenn man nie persönlich direkt betroffen ist, macht es das Leben deutlich beschissener. Allein das "öffentlichen Raum durch Provokation und Machtdemonstrationen beherrschen" ist etwas was einem massiv auf den Senkel geht wenn man nicht zufällig ein großer Freund von Autorennen in der Innenstadt, lautem Autofahren und ostentativ maximalst aufgedrehter arabischer Musik ist. Fast alles nicht strafbar, aber alles trotzdem asi to the max.

Die Clan-Geschichte ist auch nur seit vglw. kurzer Zeit recht medienpräsent. Davor wurde es sehr lange als unwichtiges Randthema behandelt. Klar sind nur eine Handvoll Städte/Regionen wirklich stark betroffen, aber daraus jetzt zu konstruieren, dass sich die Berichterstattung anteilig am Aufkommen orientieren sollte? Boi … no. Wenn es nach mir ginge sollte man diese ethnische OK und die "normale" OK bitte lieber heute als morgen restlos ausradieren. Meinetwegen durch Resozialisierung und Singen und Klatschen. Hauptsache es werden aus diesen Menschen entweder halbwegs normale Bürger oder sie sind irgendwo anders scheiße. Der "Kuschelkurs" der Vergangenheit, d.h. Probleme ignorieren und hoffen, dass sie von alleine verschwinden, hat genau zu gar nichts geführt. Beim Görlitzer Park ist das genauso. Muss man akzeptieren, dass andere Menschen sich deviant verhalten und dadurch anderen den Alltag vermiesen, noch dazu wenn sie aus eher mittelgut zu vermittelnden Gründen dort stehen und dealen? Ich weiß ja nicht so recht. Ich weiß schon ganz genau warum ich in manche Parks nicht gehe. Der wichtigste Grund ist genau so Kram.

Und wenn im Zeitungsartikel steht
"Problem sind offenbar Menschen mit dunkler Hautfarbe, die geballt auftreten, laut sprechen oder Bänke besetzen."
ist das aus zweierlei Gründen bescheuert:
  • Die dunkle Hautfarbe ist ein absolut untergeordneter Faktor. Das ist der überragenden Mehrheit scheißegal. Das Problem sind aber tatsächlich "Menschen die geballt auftreten, laut sprechend und Bänke besetzen". Das ist nämlich genau der Mechanismus mit dem andere Menschen verdrängt werden. Entweder man sucht in so einem Fall die Konfrontation indem man um Ruhe bittet oder sich direkt dazu setzt und dann im Zweifel damit leben muss, dass es weiterhin Scheiße ist, oder man bepöbelt oder verfolgt oder angegriffen wird–––oder man akzeptiert das Verhalten indem man nichts tut. Dann kann man sich dazusetzen und eben damit leben, oder man geht woanders hin, weil man eben nicht neben laut lamentierenden Dealern sitzen möchte die sich gelegentlich gegenseitig auf die Nase geben weil man das unter Umständen für unzivilisiert und nervig hält. Und dann sitzen die Arschlöcher im Park und man selbst in seinem Wohnzimmer. Super.
  • Wenn irgendwo über politische Wirkmacht diskutiert wird, dann geht es häufig und gerne auch um das Zeigen von "Präsenz im öffentlichen Raum". Allein mit den Artikeln in denen Feministinnen Experimente zu Manspreading oder Ausweichen im Straßenverkehr oder sonstigen Dingen machen kann man Bücher füllen. Bottom line ist stets: "Nur durch Präsenz und Vertreten der eigenen Überzeugungen im öffentlichen Raum kann man für selbige Wirkungsmacht entfalten." Und jetzt will mir der gleiche Menschenschlag erzählen, dass genau dieser Mechanismus nicht relevant ist und am Ende noch rassistisch ist weil evtl. Ausländer betroffen sind? Sowas kann man nur ernsthaft aus einer krassen Wohlstands- und Ignoranzblase heraus vertreten.
Wenn genau diesem oben geschilderten Verhalten nicht entschieden entgegen getreten wird, dann gilt hier genau das Gleiche wie für die AfD: Wer durch (wiederholte) Übertretung des gesellschaftlich akzeptierten Verhaltens selbige Verhaltensweisen unwidersprochen etabliert, der arbeitet daran die Grenzen des Sag- und Machbaren zu verschieben. Ich möchte weder in Höcke/Gauland-Deutschland leben von dem diejenigen träumen die offenbar vergessen haben, dass sie in einem faschistischen Staat als erste im Zug säßen, noch in dem Land das linke Dogmatiker aus Berlin produzieren würden wenn man sie denn ließe.

Es steht letztlich in beiden Fällen (Clans, Görlitzer Park) imho gar nicht primär die Kriminalitätsfrage im Mittelpunkt, sondern die Frage "In was für einem Land und was für einer Gesellschaft wollen wir leben?".

Und für mich gehört "Drogen im Park verkaufen und anderen Menschen auf den Senkel gehen" genauso wenig zu dem Land in dem ich leben möchte wie "patriarchalisch-machohaft dominiertes Protzverhalten mit dicken Autos rund um die Uhr teilweise i.V.m. diversen klein- und großkriminellen Verhaltensweisen". Hautfarbe und Ethnie ist mir da sehr scheißegal.

Genau deswegen dieser Thread für Verbesserungsvorschläge. :mond:

Stimme im übrigen Babautz zu.

saistaed:
Dein Posting ist eine wilde Mischung von "Jo, ganz netter Vorschlag/Ansatz" und "wtf hast Du Dir dabei gedacht??"

ich bin steuerzahlender, braver bürger und mir ist es scheissegal.
das sind leute, die keine arbeitserlaubnis bekommen und die verkaufen dinge dinge, die sowieso legalisiert gehören.

Hat vielleicht auch einen Grund warum sie keine Arbeitserlaubnis bekommen. Und was Legalisierung angeht: Bitte verfassen Sie doch einen Verbesserungsvorschlag. Ich nehme nicht an, dass Du Heroin direkt ins Supermarktregal stellen willst, was?
 
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Mir fiel grad noch zum Thema Hochschulen ein:

-Einrichtung einer öffentlichen Online-Lernplattform
Ziel ist ein frei zugängliches Mega-Coursera, wo jeder quasi ein vollständiges Studium durchlaufen kann. Die Unis könnten das dann direkt in die Lehre einbinden und müssten z.B. zu vielen Themen gar keine eigene Vorlesung mehr anbieten.
Man könnte das ganze zu einem EU-Projekt erweitern und in mehreren Sprachen anbieten.

-Wissenschaftsverlage zerschlagen
Es gehört zu den größten Absurditäten des heutigen Wissenschaftsbetriebs, dass der Staat Universitäten unterhält und Forscher bezahlt, die die Ergebnisse ihrer Forschung an private Verlage verhökern, denen die Universitäten Geld in den Rachen werfen, um wieder Zugriff auf diese Forschungsergebnisse zu erhalten.
Der Zugriff auf Forschungsliteratur sollte frei sein: für jeden von überall zu jeder Zeit.
 
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@saistaed: zugegebenermaßen war es mir bisher zu viel um da stück für stück drauf einzugehen. ich versuche mal ein paar wichtige strittige rauszupicken. die punkte aus deinem letzten posting finde ich super, allerdings scheitert #1 an der hybris des typischen professors, der seine eigenen akzente setzen will und bei sowas stets sein grundrecht auf freiheit in forschung und lehre bedroht sieht. da müsste man viel überzeugungsarbeit leisten und eine gewisse flexibilität mitbringen, um es diesen menschen schmackhaft zu machen. (und/oder gleichzeitig die position von profs als kleine könige mit kleinen königreichen absägen. diese position hat einige klare nachteile, aber halt auch einige vorteile … bzw. hat das modell mit starken dekanen die die richtung vorgeben auch klare schwächen aus forschungssicht––gerade für eine gewisse gedankendiversität.)
deine #2 ist uneingeschränkt zu befürworten, krankt aber daran, dass forschung ein spiel ist in dem es extrem viel um prestige geht. da ist die relevanz der forschung häufig komplett sekundär und es geht mehr darum sich und seine homies zu feiern. das ist dann auch im publikationssystem gespiegelt wo viel macht in der hand der journal-editors konzentriert ist. das aufzubrechen wird seit langem versucht, aber es gelingt nur sehr sporadisch. auch dort hätte eine politische vorgabe hin zu open access direkt ein "HITLER HITLER MEINE FREIHEIT IN FORSCHUNG UND LEHRE WIRD BESCHNITTEN!!!111einself" zur folge.

Aaaalso:

-Besteuerung nach Staatsangehörigkeit (im Ausland gezahlte Steuern können abgesetzt werden)
Ich nehme an du meinst die ESt?
Da gibt es ein Anreizproblem weil kein Land mit vielen Einpendlern da mitmachen wollen würde.
-Steuer und Sozialversicherungen zusammenführen, z.B. wie hier diskutiert
(SV-Beiträge weg, Stufentarif mit Grundfreibetrag von 12.000 € und 65% Spitzensteuersatz ab 60.000 € Einkommen, d.h. Entlastung für Einkommen unter 75.000 €, fast alle Abzugsmöglichkeiten entfallen)
das ist problematisch weil somit eine unterscheidung zwischen erworbenen ansprüchen durch lange arbeit und "neueinsteigern" nicht möglich ist. d.h. ein teil des leistungsprinzips geht flöten. ein streamlining der ESt wäre aber durchaus sinnvoll.
-Mehrwertsteuer senken, dafür den ermäßigten Satz abschaffen und durch selektive Konsumsteuern ersetzen
was sind "selektive konsumsteuern"? darunter kann ich mir so einiges vorstellen. einheitliche USt-Sätze wären in der Tat sinnvoll. Aber mit der Senkung der USt auf Hygieneartikel because Feminism gehen wir gerade eher den entgegengesetzten Weg.
-Vermögen besteuern, wo es mit vertretbarem Aufwand geht (z.B. Bodenwertsteuer)
Halte ich für schwierig. Eine stark progressive ESt erscheint mir da sinnvoller.
-Erbschaften wie Einkommen besteuern
Why? Ich sehe zwar was es bewirkt, aber ich sehe keinen großen Vorteil. Einkommensteuer müssen in Deutschland ohnehin nur die allerallerwenigsten zahlen. Da wäre es sehr viel sinnvoller sich Gedanken zu machen wie man die Mittelstands-Ausnahmeregelungen bei der Vererbung von Firmen wieder kassieren kann, denn die sind zwar einerseits gerechtfertigt, aber andererseits saudumm umgesetzt––denn sie sind ein Persilschein für Erben von KMUs.
-Finanztransaktionssteuer pushen
agreed.
-einheitliche Grundrente für alle, Rest läuft privat
Wenn Du alles über Steuern machen willst ist das folgerichtig, ja. Da aber die meisten Menschen nicht die großen Vorsorge- und Durchdenk-Helden sind, würde das vor allem massiv diejenigen bevorzugen die sich Gedanken machen und diejenigen die der unbedarften Mehrheit irgendwelchen Vorsorgemist verkaufen wollen. Ein Umlagesystem mit Punkteerwerb ist eigentlich gar nicht schlecht.
-Alle Transferleistungen zusammenführen und als negative Einkommensteuer ausgestalten. Transferleistungen müssen nicht mehr einzeln beantragt werden. Stattdessen gibt es eine zentrale Behörde, die global auf Bedürftigkeit prüft und alle Ansprüche ermittelt. Daten werden, wenn möglich, direkt von anderen Behörden eingeholt.
Ich lese das mal als "Transferleistungen vereinfachen und Informationsfluss verbesser", was durchaus sinnvoll wäre. Da aber nicht alle Leistungen von den gleichen Institutionen getragen/gezahlt werden (Bund/Land/Kommune) ist eine Zusammenführung total unrealistisch und (fast) gleichbedeutend mit dem Ruf nach einem Zentralstaat.
-ALG2 reformieren: Regelsatz senken, Sanktionen abschaffen und Engagement mit Boni belohnen
Glasklares Jein. Das Problem ist hier, wie üblich, der Mensch. Prinzipiell Zustimmung, aber ich bin da skeptisch. Mein Menschenbild ist mit dem Alter eher schlechter geworden.

Gesundheitssystem
-Einführung einer Kosten-Nutzen-Abwägung
Ich verspüre einen Hauch von MV in deinen Worten. Genauso wie eine Verfassungsbeschwerde die mit der Menschenwürde zu tun haben könnte. Abgesehen davon gibt es soetwas schon in einer gewissen milden Form.
-stärkerer Fokus auf Generalprävention
-im großen Stil Krankenhäuser schließen und die verbleibenden besser ausstatten
-Werbeverbot für Medikamente
Prävention ja. Krankenhäuser schließen halte ich für falsch, es sollte wohl eher um eine ordentliche Abdeckung in der Fläche gehen. Gerade die Privatisierung war hier sehr zweischneidig. Einerseits wurden die KHs effizienter, andererseits hat es perverse Anreizstrukturen geschaffen.
Werbeverbot für Medikamente i dunno … mir ist bisher wenig Werbung für das Zeug begegnet das richtig teuer wäre. Und von früher bis heute hat die Intensität der Bewerbung sowohl bei Apothekern als auch Ärzten stark abgenommen.
Umwelt- und Verbraucherschutz
-Innenstädte von Autos befreien bis ca. 2035
-Steuern auf Alkohol und Tabak stark erhöhen, Rauchverbote ausweiten
-Werbeverbot für Tabak und Alkohol
Meinetwegen. Verbieten würde ich es nicht, aber halt ordentlich Lenkungssteuer drauf. ÖPNV in den Städten plus on-demand-Robotaxen wäre nicht schlecht.
-Zuckersteuer einführen, Obergrenze für Zuckergehalt in verarbeiteten Lebensmitteln
Halte ich für den falschen Weg. Lieber Vorgaben an die Produzenten in Form von Mindestqualität. Das mag ähnlich klingen, aber es ist es imho nicht. Zucker ist nicht der Teufel, zu viel Fressen und zu wenig Bewegung ist das Problem. Man kann sich im Zweifel auch mit gesunden Dingen fett futtern. Da ist eine Lenkungssteuer auf die Produktionseffizienz vermutlich sinnvoller. Also z.B. eine Steuer auf Fleisch und sonstige Luxuslebensmittel die viele Inputs benötigen.
-ab einer gewissen Ladenfläche: separates Abteil für Alkoholika und Süßwaren
Paternalismus.
-schrittweise Erhöhung der Standards in der Nutztierhaltung
Joa.
-Werbeverbot für Kinder- und Jugendartikel
Ich sehe was Du willst und ich begrüße es. Allerdings würde ich befürchten, dass man damit nur kreative Regelumgehung bewirkt.
-Hundehaltung in Städten verbieten
Das hat in Deutschland vermutlich ähnlich viel Chancen auf Umsetzung wie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Der Nettonutzen dürfte auch eher marginal sein.
-Umweltsteuern auf schädliche Substanzen und Lärm, strengere Grenzwerte
Allgemeiner bitte. Davon haben wir schon ziemlich viel. Europa ist da generell weltweit ziemlich weit vorne mit dabei.

Migration und Entwicklungshilfe
-Entwicklungshilfe streichen, außer Nothilfen bei Hungersnöten, Naturkatastrophen, Kriegen
-Entwicklungsländer erhalten Zugang zum EU-Binnenmarkt, dürfen selbst aber Zölle erheben
Punkt 1 ist politisch dum. Da kann man gleich sagen "China takes it all". Punkt 2 ist bis auf den letzten Punkt bereits umgesetzt. Die meisten dieser Länder haben auch wenig Interesse an Importzöllen, da sie selbst massiv auf Importe angewiesen sind und das auch nicht selbst schnell substituieren könnten weil ihnen dazu die Fähigkeiten fehlen.
-privilegierte Partnerschaft mit ausgewählten Ländern: Bau von Schulen, Berufsschulen und Hochschulen, Vergabe von Studien- und Ausbildungsvisa, personelle und logistische Unterstützung beim Aufbau einer effektiven staatlichen Verwaltung
Gibt es schon. Funktioniert halt häufig eher so mittel.
-individuellen Anspruch auf Asyl abschaffen, außer den nach GG, Asylanten nur noch per Kontingent aufnehmen
Es gibt nur den Anspruch auf Asyl nach GG (als Folge völkerrechtlicher Verträge). Das AsylG bezieht sich genau darauf und präzisiert die Umsetzung. Individueller Anspruch und Kontingent … das beißt sich.
-Qualifikationspflicht für Asylanten (insbesondere Spracherwerb). Bei mehrfachem Nichtbestehen gibt es Sanktionen bis zur Ausweisung.
Das widerspricht dem Prinzip von Asyl. Du meinst eigentlich Migranten, aber das krankt halt seit Ewigkeiten an den Defiziten der deutschen Immigrationsregelungen.
-legale Migration erleichtern: Notwendig und hinreichend sind Sprachkenntnisse (Deutsch oder Englisch) und Intelligenz (nachweisbar durch geeignete Tests oder Proxies). Ab einem gewissen Alter sollten Berufsqualifikation und/oder Vermögen dazukommen.
Schritte in diese Richtung werden seit Jahren langsam unternommen. Dummerweise wird die Debatte darum von den Extremen dominiert. Die einen haben Angst vor den Massen ungebildeter Afrikaner die das Land überrollen, die anderen finden es rassistisch wenn man Menschen das Einwandern verwehrt die einfach nichts zu bieten haben und einen Asylgrund auch nur schwer konstruieren können.
Familie
-Kindergeld und Kinderfreibeträge streichen
-Pauschalbetrag für den Kindesunterhalt wird hälftig für jeden Elternteil (nicht übertragbar) von der Steuerschuld abgezogen
Das bevorzugt genau diejenigen die überhaupt eine entsprechend hohe Steuerschuld haben und eine Steuererklärung anfertigen. Lieber Freibeträge weg und das Kindergeld einfacher gestalten. Gleichzeitig ergibt sich da aber wieder ein Moral Hazard bei Familien mit wenig Erwerbstätigkeit und vielen Kindern. Entsprechend ist es vielleicht schlauer für die Gesellschaft als Ganzes wenn man die Nebenkosten der Kindererziehung minimiert indem man Schule und KiTa sowie andere Bildungsangebote möglichst günstig (und auch verpflichtend) gestaltet damit weder Parallelgesellschaften noch Trittbrettfahrertum am Sozialstaat gefördert wird.
-kleine Gruppen, gute Betreuungsschlüssel in der frühkindlichen Betreuung
Ja. Aber auch: Wer will das nicht?
-bessere Angebote für berufstätige Mütter mit Babys, z.B. Tandem- oder Eins-zu-Eins-Betreuung
Dito. Das ist mir etwas allgemein.
-Erzieherin zum Studienberuf mit Bachelorabschluss machen (mit Masteroptionen) und die Gehälter schrittweise an das Niveau von Lehrern angleichen. Praktische Ausbildungsteile werden vergütet.
Das ist ja ein Prozess der in anderen Bereichen schon eine Weile am Laufen ist. Leider taugen manche Berufe und manche Menschen nicht zum akademischen Studium. Die Qualität in der Kinderbetreuung erhöhen ist das sinnvolle Ziel, die Nebenwirkung könnte sein, dass man die Menschen die es aktuell tun zum Teil aus dem Beruf drängt weil sie den höheren Anforderungen nicht gewachsen wären. Klingt fies, ist aber leider so.
Am realistischsten wäre wohl "einfach" eine bessere und längere Ausbildung sowie höhere Verdienste, um dort auch etwas mehr Wettbewerb um die Ausbildungsplätze zu generieren. Eine reine Akademisierung bringt meines Erachtens weder hier noch in anderen Bereichen etwas. Es entwertet lediglich die Studienabschlüsse und die Ausbildung gleichermaßen wenn man meint jeden durch ein Studium prügeln zu müssen.
-Umfang und Qualität der Geburtshilfe stark erhöhen, Hebammen deutlich besser bezahlen, Hebammengeburt zum Leitbild machen
Dazu habe ich mangels Erfahrung keine Meinung.
-Elterngeld reformieren: Beide Eltern haben einen individuellen Elterngeldanspruch von 12 Monaten. Der Lohnausgleich beträgt 100% vom Netto (max. 2500 €) für die ersten drei Monate und sinkt dann ab. Ab dem dritten Monat kriegt die Mutter das Elterngeld auch dann, wenn sie arbeitet.
Das ist afaik gar nicht so extrem weit vom Status quo. Problematisch am Status quo ist, dass Männer keinen (ökonomischen) Anreiz für mehr als die 2 Monate haben. Ebenso müsste man sich insb. bei Deinem Vorschlag überlegen wie man "Eltern" definiert, denn er funktioniert nur bei der klassischen Familie richtig gut. Soll ein Vater der sich nicht kümmert diesen Anspruch haben? Wie ist es wenn sie nicht verheiratet sind? Wie ist es wenn der faktische Vater nicht der biologische ist? Schwierig.
-Elterliche Unterhaltspflicht endet mit Volljährigkeit bzw. Schulabschluss
Ich lese das mal als "Überarbeitung des BAFöG" und stimme insoweit zu, dass man da durchaus einiges verbessern könnte. Aber…
-Elternunterhaltspflicht entfällt
…das hier klingt dann direkt wieder nach MV-Land.
-Staatsquote erhöhen
… Nullaussage?

Schulen
-Rahmenlehrpläne abschaffen. Schulen wählen Stoff und Lehrpersonal aus.
Dafür hat keine Schule die Ressourcen. Da ist eher eine deutschlandweite Harmonisierung sinnvoll die sich nicht an den Bundesländern orientiert bei denen die Abiturienten am Schluss das kleine Einmaleins nicht können, sondern an Bayern, BaWü et al.
-engmaschige Evaluation von Grundkompetenzen: Leseverständnis, sprachlicher Ausdruck in Wort und Schrift, Problemlösung in Mathematik und Naturwissenschaften
Gibt es alles schon. Das Beispiel UK zeigt, dass das nicht viel bringt außer einem ausgeprägten KPI-Fetischismus.
-volle Kostenerstattung für freie Schulen
Bloß nicht. Es gibt genügend Sekten in Deutschland die das jetzt schon weidlich ausnutzen.
-Schulen mit schwieriger Schülerschaft erhalten mehr und besseres Personal
Agreed.
-Lehrerausbildung umkrempeln: Praktische Eignungsprüfung zu Beginn des Studiums. Berufseinstieg als stark praxisorientierter Bachelor (mit Vergütung). Master als fachliche Weiterbildung für höhere Klassenstufen, für Ausbildungs-, Führungs- und Managementaufgaben. Wer gut ist, erhält Leistungszulagen und kann Karriere machen.
-verstärkt Quereinsteiger anwerben
Da ich an der Uni auch Lehrämtler ausgebildet habe: Man sollte dort vor allem die Slacker und Sicherheitssucher aussortieren. Lehrer müssen Menschen sein, die ihren Schülern ein gewisses Feuer mitgeben können. Anstattdessen ist die Realität, dass auch viele leistungsfeindliche Träumer Lehrer werden. Lehrer sollten auf jeden Fall Akademiker sein und auf keinen Fall reine Praktiker, auch wenn ein Realitätscheck möglichst früh im Studium Sinn ergibt. Aber das ist je nach Bundesland auch schon umgesetzt und nichts neues.
Quereinsteiger werden auch bereits seit langem verstärkt angeworben. Es ist allerdings hochgradig unattraktiv weil die zu einem Zweitfach gezwungen werden (Nachstudieren notwendig) und unabhängig von der Vorbildung auch das schlechtbezahlte Referendariat machen müssen. Einerseits nachvollziehbar, andererseits lol …

Hochschulen
-Hochschulen an den Bund geben
-viel, viel mehr Geld rein
Als ob der Bund es besser könnte. Geld allein bringt da auch nichts. Eher sollte man die Struktur der tertiären Bildung generell überdenken. Viele andere Länder wie z.B. die Niederlande machen da viel richtig.
-elternunabhängiges BAföG für alle, aber Leistungsnachweise ab dem ersten Semester
Warum nicht einfach das dänische Modell kopieren? (=prinzipiell ja)
-vierjähriger Bachelor mit einjährigem Studium Generale, mehr (begleitete) Individualisierung des Studienverlaufs ermöglichen
Naja. Die Länge des Studiums ist nicht das Problem. Ein gewisser Anteil Allgemeinbildung ist sinnvoll, allerdings kann man an diesem Punkt in der Persönlichkeitsbildung auch nicht mehr alles retten was zuvor schiefgelaufen ist.
Lieber die Grade nicht mehr anglisiert benennen und die Unzahl bescheuert spezialisierter Studiengänge reduzieren. Stattdessen allgemeinere Studiengänge mit der Möglichkeit sich später durch Wahlmöglichkeiten zu spezialisieren. Allein der Verwaltungsmüll der durch den tausendsten Studiengang "something something BWL in everything but name" verursacht wird ist pure Ressourcenverschwendung.
-keine Exzellenzinitiativen mehr, dafür eine wesentlich bessere Grundausstattung
Jein. Grundsätzlich ist gezielte Förderung interessanter Initiativen schon sinnvoll. Die Exzellenzinitiative konkret ist aber schwachsinnig weil es nur zu tonnenweise Papierverschwendung und Arbeitszeitverschwendung bei Forschern und Verwaltung führt.
-Mittelvergabe mehr an Personen als an Themen/Projekten ausrichten: Was geforscht wird, entscheiden die Forscher am besten selbst.
Ist doch schon so bzw. gibt beides. Die EU- und BMBF-Förderung ist mehr themengetrieben … und die Forscher suchen sich heraus was zu ihnen passt. Die DFG-Förderung (und weitere) ist themenoffen.
-Mittelbau ausdünnen, dafür mehr Professorenstellen (in diese Richtung soll es gehen)
Das hat auch wieder seine Vor- und Nachteile. Es ist gewiss nicht so, dass mit mehr Dauerstellen alle Probleme gelöst wären, es schafft vielmehr die gleichen alten Probleme die mit der Abschaffung der Dauerstellen im Mittelbau gelöst wurden. Wer noch die alten Akademischen Oberräte kennt weiß was gemeint ist. Zero Leistungsanreiz, zero Innovation, zero Qualität, maximum Chill … und das auf A14-Stellen.
Ergo: Dieser Lösungsvorschlag ist zu einfach und löst nichts sondern verlagert nur.
 
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Für die gründliche Auseinandersetzung mit dem Thema mal ein Like. Danke für Deine sachlichen Beiträge.
 
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Ich erlaube mir, einiges zusammenzufassen. Wenn ich auf einen Punkt nicht eingehe, dann weil ich davon ausgehe, dass er sich aus dem Kontext erschließt oder weil er mir persönlich nicht so wichtig ist.

Noch eine Vorbemerkung: Du übst relativ viel Kritik an der Umsetzbarkeit. Die ist bei vielen Punkten zweifellos nicht gegeben. Wenn man diesen Aspekt zu sehr in den Vordergrund stellt, dann erübrigt sich die Diskussion allerdings bei vielen Themen. Denn umsetzbar ist in einem so trägen politischen System wie unserem mit so vielen Akteuren, die ihre Pfründe verteidigen, ziemlich wenig - und schon gar nichts Großes in einem Rutsch. Trotzdem lohnt es sich imo darüber zu streiten, wohin die Reise gehen sollte.



Zu Steuer, Abgaben, Rente, Sozialleistungen:

-Einkommenteuer nach Staatsangehörigkeit

Hier missverstehen wir uns imo. Ich will, dass Deutschland unilateral seine Gesetze so ändert, dass jeder Deutsche in Deutschland einkommensteuerpflichtig ist, egal wo er wohnt. Wo anders schon gezahlte Steuern kann er natürlich vollständig absetzen, aber wenn er woanders viel weniger Steuern zahlt, muss er in Deutschland nachzahlen.

das ist problematisch weil somit eine unterscheidung zwischen erworbenen ansprüchen durch lange arbeit und "neueinsteigern" nicht möglich ist. d.h. ein teil des leistungsprinzips geht flöten. ein streamlining der ESt wäre aber durchaus sinnvoll.
Wo soll das ein Problem sein? Es ist dem Gesetzgeber doch unbenommen, entsprechende Regelungen zu treffen.
Im Übrigen bin ich auch kein Freund dieses Anspruchsdenkens: "Ich hab aber schon so und so viel gezahlt, jetzt will ich auch was dafür bekommen." So funktioniert eine Versicherungsgemeinschaft nicht. Sie ist kein Sparschwein, sondern sichert Risiken ab.
Bei der Rente müsste man natürlich für Zuwanderer eine Lösung finden. Auch das ist nicht schwer: Volle Ansprüche erwirbt man erst nach x Jahren Aufenthalt hier in Deutschland. Bis dahin gibt es Abschläge.

-Erbschaftssteuer
Für mich gibt es zwei Gründe: Einerseits die Mehreinnahmen, andererseits Gerechtigkeit. Für mich findet sich zwischen Himmel und Erde kein guter Grund, weshalb jemand, der Einnahmen durch eine Erbschaft erzielt, davon weniger an die Solidargemeinschaft abfuhren soll als jemand, der sich dieses Einkommen selbst erarbeitet.
Die Ausnahmen für Familienunternehmen sollte man eh ersatzlos streichen - allenfalls Stundung wäre eine Möglichkeit.

-Vermögensteuer
Ich weiß, dass die schwierig sind. Deshalb bin ich dafür, dass man es dort macht, wo es geht, und der Aufwand in einem güntigen Verhältnis zum Ertrag steht. Eine Grundsteuer zu erheben (in Form einer Bodenwertsteuer) ist z.B. nicht schwer. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es woanders auch gehen würde. Da weiß ich allerdings zu wenig, um das zu beurteilen.

-Grundrente
Da aber die meisten Menschen nicht die großen Vorsorge- und Durchdenk-Helden sind, würde das vor allem massiv diejenigen bevorzugen die sich Gedanken machen und diejenigen die der unbedarften Mehrheit irgendwelchen Vorsorgemist verkaufen wollen. Ein Umlagesystem mit Punkteerwerb ist eigentlich gar nicht schlecht.
Die Grundrente soll ja einen bescheidenen Lebensstandard ermöglichen, der für die Mehrheit ausreicht. Nur wer seinen überdurchschnittlichen Lebensstandard halten will, der muss mehr tun. Und dem ist es dann auch zuzumuten.
Ich bin allerdings auch gar nicht dagegen, dass der Staat oder zumindest eine öffentliche Einrichtung bei der privaten Altersvorsorge hilft. Man könnte dafür z.B. einen Staatsfonds gründen oder zumindest ein Gremium einsetzen, das offizielle Empfehlungen ausspricht, damit die Leute eben nicht darauf angewiesen sind, dass ihre Bank sie gut berät.

-Transferleistungen
Ich lese das mal als "Transferleistungen vereinfachen und Informationsfluss verbesser", was durchaus sinnvoll wäre. Da aber nicht alle Leistungen von den gleichen Institutionen getragen/gezahlt werden (Bund/Land/Kommune) ist eine Zusammenführung total unrealistisch und (fast) gleichbedeutend mit dem Ruf nach einem Zentralstaat.
Dieser Ruf findet sich bereits weiter oben. ;)
Und warum denn bitte nicht? Die jetzige Organisation ist Käse.

-ALG2-Sanktionen
Das BVerfG wird (afaik nächsten Monat) entscheiden, ob Vollsanktionen überhaupt mit dem GG vereinbar sind. Dem greift der Vorschlag vor. Mir ist das im Grunde genommen erstmal egal. Einerseits denke ich, dass so eine moderate Reform keine großen Auswirkungen hat. Andererseits kann es passieren, dass wir in absehbares Zeit sowas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen. Dieser Umstieg gestaltet sich politisch einfacher, wenn man sowas schon hat und es "nur" erhöhen muss.



​Zu Gesundheit, Umwelt usw.:

-Kosten-Nutzen-Abwägung
Ich verspüre einen Hauch von MV in deinen Worten. Genauso wie eine Verfassungsbeschwerde die mit der Menschenwürde zu tun haben könnte. Abgesehen davon gibt es so etwas schon in einer gewissen milden Form.
Tatsächlich gibt es das bisher fast gar nicht. Andere Länder sind da viel weiter.
Mit der Menschenwürde kriegen wir erst dann ein Problem, wenn wir jemandem etwas verwehren, auf das er ein unveräußerliches Recht hat. Für mich gibt es zwar ein Recht auf eine angemessene medizinische Versorgung im Krankheitsfall, jedoch nicht auf die bestmögliche. Es muss in meinen Augen erlaubt sein zu fragen, ob wirklich jede 85jährige Oma noch eine künstliche Hüfte braucht oder ob jeder inkrementelle Fortschritt in der Krebsmedikation mitgenommen werden muss, auch wenn er Zusatzkosten von 50.000 € pro Jahr und Patient verschlingt.
Tatsächlich sind wir von vielen dieser ganz harten Fragen noch ziemlich weit entfernt. Wir sind zum Beispiel bei fast allen Arten von Operationen international ganz vorn mit dabei. Es ist äußerst fraglich, ob das einer medizinischen Notwendigkeit entspricht. Eher haben wir zum Teil fatale Anreizstrukturen, die dafür sorgen, dass sich für die behandelnden Ärzte und Kliniken invasive Eingriffe ökonomisch mehr lohnen als eine konservative Therapie.
Das leitende Paradigma sollte daher sein: mehr Zeit für den Patienten, weniger Eingriffe.

Krankenhäuser schließen halte ich für falsch, es sollte wohl eher um eine ordentliche Abdeckung in der Fläche gehen. Gerade die Privatisierung war hier sehr zweischneidig. Einerseits wurden die KHs effizienter, andererseits hat es perverse Anreizstrukturen geschaffen.
Mein Wissen stammt hier auch nur aus zweiter Hand. Aber es ist afaik ziemlich einhellige Meinung, dass diese "Abdeckung in der Fläche" schlecht ist. Sie führt dazu, dass wir zu viele und dafür zu schlecht ausgestattete Häuser haben. Das kostet einerseits Geld aufgrund der höheren Fixkosten, andererseits verschlechtert es die Qualität, weil die z.B. qualifiziertes Personal viel weiter über das Land verstreut ist und in den kleineren Kliniken Eingriffe vorgenommen werden, für die eigentlich gar nicht die nötige Expertise da ist.
Es ist einfach unnötig, dass jeder die Möglichkeit hat, seine OP nahe am Wohnort zu bekommen. Viel sinnvoller ist es, wenn er in einer großen Klinik mit entsprechendem Schwerpunkt von erfahrenen Experten behandelt wird, auch wenn er dafür weiter fahren muss.
Im Gegenzug sollte man lieber ambulante Zentren stärken - auf den Trichter ist die Politik ja auch schon gekommen, obwohl man da immer noch historisch bedingte Berührungsängste hat. Ich nehme mal das Pfuiwort in den Mund: Polikliniken sind vom Prinzip her eine ziemlich gute Sache.

-Zucker und Paternalismus
Halte ich für den falschen Weg. Lieber Vorgaben an die Produzenten in Form von Mindestqualität. Das mag ähnlich klingen, aber es ist es imho nicht. Zucker ist nicht der Teufel, zu viel Fressen und zu wenig Bewegung ist das Problem. Man kann sich im Zweifel auch mit gesunden Dingen fett futtern. Da ist eine Lenkungssteuer auf die Produktionseffizienz vermutlich sinnvoller. Also z.B. eine Steuer auf Fleisch und sonstige Luxuslebensmittel die viele Inputs benötigen.
Der Einfluss von Bewegung auf Übergewicht wird gemeinhin überschätzt. Und natürlich ist gesunde Ernährung an sich wichtig. Zucker ist jeoch ein recht bedeutender Einzelfaktor und ließe sich mit wenigen Maßnahmen relativ gezielt eindämmen. Wir wissen, dass Steuern sehr wahrscheinlich zu einem reduzierten Konsum führen, wenn sie hoch genug sind. Die WHO empfiehlt sie auch.
In bestimmten Produkten plädiere ich zusätzlich für gesetzliche Grenzwerte. Dazu zählen insbesondere Frühstückszubereitungen, Snacks und Getränke, die sich speziell an Kinder richten.
Über weitere Maßnahmen kann man streiten. Ich fände es als Nudge durchaus sinnvoll, wenn Süßigeiten weniger offen angepriesen und ausgestellt würden. Wer sich bewusst sowas gönnen will, der kann auch ein paar extra Schritte zum Giftschrank gehen und man erweist all jenen einen Dienst, die sonst eher gedankenlos dazu greifen oder die zu selten die Nerven haben, ihren Kindern nein zu sagen.
Für mich gibt es einfach ein paar gute Gründe, die dafür, und quasi keine, die dagegen sprechen. Der Status quo nützt nur der Nahrungsindustrie.

-Umweltsteuern
Allgemeiner bitte. Davon haben wir schon ziemlich viel. Europa ist da generell weltweit ziemlich weit vorne mit dabei.

Viel ist aber nur der hässliche kleine Bruder von genug. Sinnvoll bis dringend erforderlich wären imo hohe Steuern auf
-sämtliche Treibhausgase
-Stickstoff und andere Düngemittel
-Ammoniak
-Lärm von Fahrzeugen
-Brennholz und Holzöfen
-bestimmte Lebensmittelzusatzsstoffe
Gibt sicher noch einiges mehr.



Zu Migration und Entwicklungshilfe:


Punkt 1 ist politisch dum. Da kann man gleich sagen "China takes it all". Punkt 2 ist bis auf den letzten Punkt bereits umgesetzt. Die meisten dieser Länder haben auch wenig Interesse an Importzöllen, da sie selbst massiv auf Importe angewiesen sind und das auch nicht selbst schnell substituieren könnten weil ihnen dazu die Fähigkeiten fehlen.
​Du verwechselt hier imo Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik. China betreibt letzteres. Inwiefern das in unserem eigenen Interesse sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen und war hier auch nicht mein Punkt.
Was du zum zweiten Punkt schreibst, widerspricht afaik der gängigen Lesart. Viele afrikanische Staaten haben durchaus ein Interesse daran, ihre nicht wettbewerbsfähigen Binnenmärkte zu schützen. Ob dieses Interesse berechtigt ist, kann ich nicht beurteilen. Feststeht, dass die EU solche Zollerleichterungen oder -aufhebungen eher nicht aushandelt, um Afrika zu helfen, sondern um es als Absatzmarkt zu erschließen.

Es gibt nur den Anspruch auf Asyl nach GG (als Folge völkerrechtlicher Verträge). Das AsylG bezieht sich genau darauf und präzisiert die Umsetzung. Individueller Anspruch und Kontingent … das beißt sich.

Das stimmt nicht bzw. nur formal: Inzwischen ist jeder Flüchtling nach Genfer Flüchtlingskonvention einem Asylanten nach GG gleichgestellt. Letztere sind aber viel weniger und nur für die will ich den individuellen Anspruch auf Asyl beibehalten.
Um es klar zu sagen: Ich erkenne Flüchtlingen kein pauschales individuelles Recht zu, sich hier in Deutschland aufhalten zu dürfen. Das heißt nicht, dass man niemanden aufnehmen sollte, aber ich bin dagegen, dass es einen individuellen Rechtsanspruch darauf gibt. Wenn man sich entschließt, Menschen aufzunehmen, dann sollte das nach einem möglichst fairen und transparenten Verfahren passieren - "wer es bis hierher schafft" taugt mir dazu nicht.

Das widerspricht dem Prinzip von Asyl. Du meinst eigentlich Migranten, aber das krankt halt seit Ewigkeiten an den Defiziten der deutschen Immigrationsregelungen.

Nein, ich meine Asylanten und es widerspricht für mich auch nicht dem Prinzip von Asyl, an Asylanten gewisse Forderungen zu stellen. Eine Schulpflicht gibt es auch für deutsche Staatsbürger. Ich sehe also nicht, warum man unqualifizierte Asylanten nicht auch verpflichten sollte, sich in einem festgelegten Rahmen so fortzubilden, dass eine Integration hier möglich ist. Wer sich der Integration verweigert, sollte imo grundsätzlich auch seinen Asylstatus verlieren können.



Zur Familienpolitik:

Das bevorzugt genau diejenigen die überhaupt eine entsprechend hohe Steuerschuld haben und eine Steuererklärung anfertigen. Lieber Freibeträge weg und das Kindergeld einfacher gestalten. Gleichzeitig ergibt sich da aber wieder ein Moral Hazard bei Familien mit wenig Erwerbstätigkeit und vielen Kindern. Entsprechend ist es vielleicht schlauer für die Gesellschaft als Ganzes wenn man die Nebenkosten der Kindererziehung minimiert indem man Schule und KiTa sowie andere Bildungsangebote möglichst günstig (und auch verpflichtend) gestaltet damit weder Parallelgesellschaften noch Trittbrettfahrertum am Sozialstaat gefördert wird.

Offenbar missverstehen wir uns, denn du scheinst genau dasselbe zu fordern wie ich. Ich will ja gerade keinen Freibetrag, weil der Vielverdiener übermäßig bevorteilt, indem er den Grenzsteuersatz verkürzt. Und eine Steuererklärung benötigt man auch nicht, weil man den entsprechenden Pauschalbetrag einfach automatisch von der Steuer abziehen kann.
Das Kindergeld ist teuer und hat keine klare Zielsetzung. Kinderarmut bekämpft es nicht effektiv, weil es auf das ALG2 als zentrale Transferleistung für arme Familien angerechnet wird. Das ist insbesondere für Aufstocker bitter. Grundsätzlich ist "Geld für Kinder" ein zweischneidiges Schwert. Es gibt gute Hinweise darauf, dass sich dadurch die Geburtenrate steigern lässt, aber der Effekt auf die Unterschicht ist am größten und das sind - im Sinne der Staatsräson - die Kinder, auf die man am ehesten verzichten kann, denn Bevölkerungszuwachs mit geringem Humankapital ist durch Zuwanderung einfacher und eventuell sogar kostengünstiger zu erreichen.
Das Prinzip sollte imo nicht sein, einen finanziellen Anreiz zum Kinderkriegen zu schaffen, sondern den finanziellen Verlust des Kinderkriegens auszugleichen. Die "Nebenkosten der Kindererziehung" zu minimieren entspricht daher genau meinen Vorstellungen.

-Qualität in der frühkindlichen Bildung
Ja. Aber auch: Wer will das nicht?

Die Regierungsverantwortlichen wollen es offenbar nicht genug, denn auf bundesweit einheitliche Qualitätsstandards warten wir bisher vergeblich. Und es steht auch bei weitem nicht überall das nötige Geld zur Verfügung, um das zu ermöglichen. Dazu bräuchte es auch viel mehr Personal.

Wenn wir es ernst meinen mit der Vereinbarkeit, dann sollten wir Bedingungen schaffen, die Eltern keine faulen Kompromisse abverlangen. Davon sind wir nach wie vor weit entfernt. Viele Kitas sind nicht so ausgestattet, dass Eltern bei dem Gedanken frohlocken, ihre Kinder hinzuschicken - von Babys ganz zu schweigen.
Für mich sollten auch eine Haushaltshifle für die Zeit nach der Geburt und eine persönliche Kinderfrau für das Baby zum Programm gehören, wenn die Mutter wirklich früh wieder arbeiten will - auf Staatskosten.

-studierte Erzieherinnen
Das ist ja ein Prozess der in anderen Bereichen schon eine Weile am Laufen ist. Leider taugen manche Berufe und manche Menschen nicht zum akademischen Studium. Die Qualität in der Kinderbetreuung erhöhen ist das sinnvolle Ziel, die Nebenwirkung könnte sein, dass man die Menschen die es aktuell tun zum Teil aus dem Beruf drängt weil sie den höheren Anforderungen nicht gewachsen wären. Klingt fies, ist aber leider so.
Am realistischsten wäre wohl "einfach" eine bessere und längere Ausbildung sowie höhere Verdienste, um dort auch etwas mehr Wettbewerb um die Ausbildungsplätze zu generieren. Eine reine Akademisierung bringt meines Erachtens weder hier noch in anderen Bereichen etwas. Es entwertet lediglich die Studienabschlüsse und die Ausbildung gleichermaßen wenn man meint jeden durch ein Studium prügeln zu müssen.

Um Akademisierung geht es mir gar nicht, sondern um eine Steigerung des Prestiges mit dem Ziel mehr und besseres Personal zu gewinnen. Aufwertung der Ausbildung hört sich immer gut an, aber wenn wir den Tatsachen ins Auge sehen, dann sind wir an einem Punkt, wo viele junge Leute eine Ausbildung gar nicht mehr in Erwägung ziehen.
Darum ergibt es imo Sinn, ein entsprechendes praxisorientiertes Studium zu etablieren. Es ist letztlich zu einem guten Teil ein Etikettenschwindel, aber was nützt es, sich ewig gegen den - auch internationalen - Trend zu stellen? Als deutsche Erzieherin wirst du in vielen anderen Ländern nicht mal als Fachkraft anerkannt, weil du nicht studiert hast.
Eventuell ergäbe es Sinn auch eine unbestimmte Zeit erstmal zweigleisig zu fahren und die Ausbildung parallel zu erhalten.

-Elterngeld
Das ist afaik gar nicht so extrem weit vom Status quo. Problematisch am Status quo ist, dass Männer keinen (ökonomischen) Anreiz für mehr als die 2 Monate haben. Ebenso müsste man sich insb. bei Deinem Vorschlag überlegen wie man "Eltern" definiert, denn er funktioniert nur bei der klassischen Familie richtig gut. Soll ein Vater der sich nicht kümmert diesen Anspruch haben? Wie ist es wenn sie nicht verheiratet sind? Wie ist es wenn der faktische Vater nicht der biologische ist? Schwierig.

So schwierig ist das nicht. Bisher klappt es doch ganz gut mit dem Haushaltsprinzip: Wer mit dem Kind zusammen wohnt, kann Elterngeld beziehen, alle anderen haben Pech gehabt. Ich wäre nicht dagegen, ein paar Ausnahmen für komplexe Familienverhältnisse zu schaffen. Aber das steht für mich nicht im Fokus.
Die wichtigen Änderungen bestehen in
-höherer Kappungsgrenze: Bisher sinds maximal 1800 €, ich habe 2500 € vorgeschlagen, vielleicht sollte man auch bis auf 3000 € oder noch höher gehen. Die Idee ist gerade, dass auch der Hauptverdiener in Elternzeit gehen kann, ohne dass das Familieneinkommen zu sehr absackt.
-höherer Bezugsdauer: von 14 auf bis zu 24 Monate, sofern beide Eltern die volle Länge beanspruchen. Dadurch steigt der Anreiz, dass sich beide Eltern beteiligen und es wird dem Bedürfnis vieler Eltern sowie der Empfehlungen von Experten Rechnung getragen, das Kind länger als ein Jahr zu Hause zu lassen.
-höherem Zuverdienstanreiz: Bisher kann man zwar während des Elternzeitbezugs zwar auch arbeiten. Aber das Elterngeld beträgt nur zwei Drittel von der Nettolohndifferenz. Dadurch ist der finanzielle Anreiz sehr gering, so dass es für fast niemanden attraktiv ist, dafür sein Kind in eine häufig als suboptimal empfundene Betreuung zu geben. Darum würde ich den radikalen Schritt gehen und sagen, dass Zusatzeinkommen der Mutter grundsätzlich anrechnungsfrei bleibt, so dass der Arbeitsanreiz maximiert wird.

-Elternunterhaltspflicht
Versteh nicht, was du hier wieder mit MV-Land meinst. Bisher ist es so, dass in bestimmten Fällen die Kinder z.B. die Pflege der Eltern mitbezahlen müssen, während dies Kosten für Kinderlose der Sozialstaat übernimmt. Ungerechter gehts imo nicht.
Wenn man sowas macht, dann muss man auch dafür sorgen, dass Eltern im Alter eine bessere Versorgung bekommen, damit sie wenigstens einen Vorteil davon haben. Ich würde aber lieber den umgekehrten Weg gehen und sagen, dass alle gleich behandelt werden.

-Staatsquote
Das war in der Tat ein Stichpunkt, den ich eigentlich noch mit Inhalt füllen wollte. Grundsätzlich geht es um die Entprekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen. Das Problem mit der Familienförderung ist und bleibt der Widerspruch zwischen arbeitsteiligem Erwerb und Kinderbetreuung. Schon jetzt ist das Haupthindernis für Mütter, um wieder in den Beruf einzusteigen, dass sie einfach keinen geeigneten Job finden, der ihnen z.B. Teilzeit, flexible Arbeitszeiten, Home Office und alles übrige ermöglichst, was einem die Vereinbarkeit erleichtert.
Man kann versuchen das durch gesetzliche Regulierung zu erzwingen und das tut man auch. Aber das hat auch unerwünschte Nebeneffekte. Je stärker man z.B. die Position der gebärenden Arbeitnehmerin macht, desto stärker wird der Anreiz Frauen im gebärfähigen Alter gar nicht erst einzustellen, solange man Alternativen hat. Außerdem nützen einem viele dieser Regelungen erst dann so wirklich etwas, wenn man auf einem sicheren unbefristeten Arbeitsplatz ist. Das ist insbesondere für Frauen - auch Akademikerinnen - zu selten der Fall, insbesondere in dem Alter, wo man häufig das erste Kind bekommt.
Der familienfreundlichste Arbeitgeber ist immer noch der Staat, weil er ohne Rücksicht auf den Markt konsequent seine familienpolitischen Vorstellungen durchsetzen kann und das in der Regel auch tut. Darum plädiere ich sehr dafür in den Bereichen, wo der Staat sowieso als großer Geldgeber auftritt, auch einen starken Fokus auf gute Arbeitsbedingungen zu legen, die die Familiengründung nicht unnötig verzögern oder erschweren. Beispiele sind etwa der gesamte Kultur- und Wissenschaftsbetrieb oder diese unseligen Vertretungslehrer stellen, wo man die Leute über die Sommerferien vor die Tür setzt.
Und wo man nicht selbst Arbeit-, sondern nur Auftraggeber ist, sollte man einen größeren Wert darauf legen, dass gewisse Spielregeln eingehalten werden, statt jeden Auftrag an die billigste Klitsche zu vergeben, die schlecht zahlt und nur befristet einstellt.





Fortsetzung folgt ...
 
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