Ich erlaube mir, einiges zusammenzufassen. Wenn ich auf einen Punkt nicht eingehe, dann weil ich davon ausgehe, dass er sich aus dem Kontext erschließt oder weil er mir persönlich nicht so wichtig ist.
Noch eine Vorbemerkung: Du übst relativ viel Kritik an der Umsetzbarkeit. Die ist bei vielen Punkten zweifellos nicht gegeben. Wenn man diesen Aspekt zu sehr in den Vordergrund stellt, dann erübrigt sich die Diskussion allerdings bei vielen Themen. Denn umsetzbar ist in einem so trägen politischen System wie unserem mit so vielen Akteuren, die ihre Pfründe verteidigen, ziemlich wenig - und schon gar nichts Großes in einem Rutsch. Trotzdem lohnt es sich imo darüber zu streiten, wohin die Reise gehen sollte.
Zu Steuer, Abgaben, Rente, Sozialleistungen:
-Einkommenteuer nach Staatsangehörigkeit
Hier missverstehen wir uns imo. Ich will, dass Deutschland unilateral seine Gesetze so ändert, dass jeder Deutsche in Deutschland einkommensteuerpflichtig ist, egal wo er wohnt. Wo anders schon gezahlte Steuern kann er natürlich vollständig absetzen, aber wenn er woanders viel weniger Steuern zahlt, muss er in Deutschland nachzahlen.
das ist problematisch weil somit eine unterscheidung zwischen erworbenen ansprüchen durch lange arbeit und "neueinsteigern" nicht möglich ist. d.h. ein teil des leistungsprinzips geht flöten. ein streamlining der ESt wäre aber durchaus sinnvoll.
Wo soll das ein Problem sein? Es ist dem Gesetzgeber doch unbenommen, entsprechende Regelungen zu treffen.
Im Übrigen bin ich auch kein Freund dieses Anspruchsdenkens: "Ich hab aber schon so und so viel gezahlt, jetzt will ich auch was dafür bekommen." So funktioniert eine Versicherungsgemeinschaft nicht. Sie ist kein Sparschwein, sondern sichert Risiken ab.
Bei der Rente müsste man natürlich für Zuwanderer eine Lösung finden. Auch das ist nicht schwer: Volle Ansprüche erwirbt man erst nach x Jahren Aufenthalt hier in Deutschland. Bis dahin gibt es Abschläge.
-Erbschaftssteuer
Für mich gibt es zwei Gründe: Einerseits die Mehreinnahmen, andererseits Gerechtigkeit. Für mich findet sich zwischen Himmel und Erde kein guter Grund, weshalb jemand, der Einnahmen durch eine Erbschaft erzielt, davon weniger an die Solidargemeinschaft abfuhren soll als jemand, der sich dieses Einkommen selbst erarbeitet.
Die Ausnahmen für Familienunternehmen sollte man eh ersatzlos streichen - allenfalls Stundung wäre eine Möglichkeit.
-Vermögensteuer
Ich weiß, dass die schwierig sind. Deshalb bin ich dafür, dass man es dort macht, wo es geht, und der Aufwand in einem güntigen Verhältnis zum Ertrag steht. Eine Grundsteuer zu erheben (in Form einer Bodenwertsteuer) ist z.B. nicht schwer. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es woanders auch gehen würde. Da weiß ich allerdings zu wenig, um das zu beurteilen.
-Grundrente
Da aber die meisten Menschen nicht die großen Vorsorge- und Durchdenk-Helden sind, würde das vor allem massiv diejenigen bevorzugen die sich Gedanken machen und diejenigen die der unbedarften Mehrheit irgendwelchen Vorsorgemist verkaufen wollen. Ein Umlagesystem mit Punkteerwerb ist eigentlich gar nicht schlecht.
Die Grundrente soll ja einen bescheidenen Lebensstandard ermöglichen, der für die Mehrheit ausreicht. Nur wer seinen überdurchschnittlichen Lebensstandard halten will, der muss mehr tun. Und dem ist es dann auch zuzumuten.
Ich bin allerdings auch gar nicht dagegen, dass der Staat oder zumindest eine öffentliche Einrichtung bei der privaten Altersvorsorge hilft. Man könnte dafür z.B. einen Staatsfonds gründen oder zumindest ein Gremium einsetzen, das offizielle Empfehlungen ausspricht, damit die Leute eben nicht darauf angewiesen sind, dass ihre Bank sie gut berät.
-Transferleistungen
Ich lese das mal als "Transferleistungen vereinfachen und Informationsfluss verbesser", was durchaus sinnvoll wäre. Da aber nicht alle Leistungen von den gleichen Institutionen getragen/gezahlt werden (Bund/Land/Kommune) ist eine Zusammenführung total unrealistisch und (fast) gleichbedeutend mit dem Ruf nach einem Zentralstaat.
Dieser Ruf findet sich bereits weiter oben.
Und warum denn bitte nicht? Die jetzige Organisation ist Käse.
-ALG2-Sanktionen
Das BVerfG wird (afaik nächsten Monat) entscheiden, ob Vollsanktionen überhaupt mit dem GG vereinbar sind. Dem greift der Vorschlag vor. Mir ist das im Grunde genommen erstmal egal. Einerseits denke ich, dass so eine moderate Reform keine großen Auswirkungen hat. Andererseits kann es passieren, dass wir in absehbares Zeit sowas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen. Dieser Umstieg gestaltet sich politisch einfacher, wenn man sowas schon hat und es "nur" erhöhen muss.
Zu Gesundheit, Umwelt usw.:
-Kosten-Nutzen-Abwägung
Ich verspüre einen Hauch von MV in deinen Worten. Genauso wie eine Verfassungsbeschwerde die mit der Menschenwürde zu tun haben könnte. Abgesehen davon gibt es so etwas schon in einer gewissen milden Form.
Tatsächlich gibt es das bisher fast gar nicht. Andere Länder sind da viel weiter.
Mit der Menschenwürde kriegen wir erst dann ein Problem, wenn wir jemandem etwas verwehren, auf das er ein unveräußerliches Recht hat. Für mich gibt es zwar ein Recht auf eine angemessene medizinische Versorgung im Krankheitsfall, jedoch nicht auf die bestmögliche. Es muss in meinen Augen erlaubt sein zu fragen, ob wirklich jede 85jährige Oma noch eine künstliche Hüfte braucht oder ob jeder inkrementelle Fortschritt in der Krebsmedikation mitgenommen werden muss, auch wenn er Zusatzkosten von 50.000 € pro Jahr und Patient verschlingt.
Tatsächlich sind wir von vielen dieser ganz harten Fragen noch ziemlich weit entfernt. Wir sind zum Beispiel bei fast allen Arten von Operationen international ganz vorn mit dabei. Es ist äußerst fraglich, ob das einer medizinischen Notwendigkeit entspricht. Eher haben wir zum Teil fatale Anreizstrukturen, die dafür sorgen, dass sich für die behandelnden Ärzte und Kliniken invasive Eingriffe ökonomisch mehr lohnen als eine konservative Therapie.
Das leitende Paradigma sollte daher sein: mehr Zeit für den Patienten, weniger Eingriffe.
Krankenhäuser schließen halte ich für falsch, es sollte wohl eher um eine ordentliche Abdeckung in der Fläche gehen. Gerade die Privatisierung war hier sehr zweischneidig. Einerseits wurden die KHs effizienter, andererseits hat es perverse Anreizstrukturen geschaffen.
Mein Wissen stammt hier auch nur aus zweiter Hand. Aber es ist afaik ziemlich einhellige Meinung, dass diese "Abdeckung in der Fläche" schlecht ist. Sie führt dazu, dass wir zu viele und dafür zu schlecht ausgestattete Häuser haben. Das kostet einerseits Geld aufgrund der höheren Fixkosten, andererseits verschlechtert es die Qualität, weil die z.B. qualifiziertes Personal viel weiter über das Land verstreut ist und in den kleineren Kliniken Eingriffe vorgenommen werden, für die eigentlich gar nicht die nötige Expertise da ist.
Es ist einfach unnötig, dass jeder die Möglichkeit hat, seine OP nahe am Wohnort zu bekommen. Viel sinnvoller ist es, wenn er in einer großen Klinik mit entsprechendem Schwerpunkt von erfahrenen Experten behandelt wird, auch wenn er dafür weiter fahren muss.
Im Gegenzug sollte man lieber ambulante Zentren stärken - auf den Trichter ist die Politik ja auch schon gekommen, obwohl man da immer noch historisch bedingte Berührungsängste hat. Ich nehme mal das Pfuiwort in den Mund: Polikliniken sind vom Prinzip her eine ziemlich gute Sache.
-Zucker und Paternalismus
Halte ich für den falschen Weg. Lieber Vorgaben an die Produzenten in Form von Mindestqualität. Das mag ähnlich klingen, aber es ist es imho nicht. Zucker ist nicht der Teufel, zu viel Fressen und zu wenig Bewegung ist das Problem. Man kann sich im Zweifel auch mit gesunden Dingen fett futtern. Da ist eine Lenkungssteuer auf die Produktionseffizienz vermutlich sinnvoller. Also z.B. eine Steuer auf Fleisch und sonstige Luxuslebensmittel die viele Inputs benötigen.
Der Einfluss von Bewegung auf Übergewicht wird gemeinhin überschätzt. Und natürlich ist gesunde Ernährung an sich wichtig. Zucker ist jeoch ein recht bedeutender Einzelfaktor und ließe sich mit wenigen Maßnahmen relativ gezielt eindämmen. Wir wissen, dass Steuern sehr wahrscheinlich zu einem reduzierten Konsum führen, wenn sie hoch genug sind. Die WHO empfiehlt sie auch.
In bestimmten Produkten plädiere ich zusätzlich für gesetzliche Grenzwerte. Dazu zählen insbesondere Frühstückszubereitungen, Snacks und Getränke, die sich speziell an Kinder richten.
Über weitere Maßnahmen kann man streiten. Ich fände es als Nudge durchaus sinnvoll, wenn Süßigeiten weniger offen angepriesen und ausgestellt würden. Wer sich bewusst sowas gönnen will, der kann auch ein paar extra Schritte zum Giftschrank gehen und man erweist all jenen einen Dienst, die sonst eher gedankenlos dazu greifen oder die zu selten die Nerven haben, ihren Kindern nein zu sagen.
Für mich gibt es einfach ein paar gute Gründe, die dafür, und quasi keine, die dagegen sprechen. Der Status quo nützt nur der Nahrungsindustrie.
-Umweltsteuern
Allgemeiner bitte. Davon haben wir schon ziemlich viel. Europa ist da generell weltweit ziemlich weit vorne mit dabei.
Viel ist aber nur der hässliche kleine Bruder von genug. Sinnvoll bis dringend erforderlich wären imo hohe Steuern auf
-sämtliche Treibhausgase
-Stickstoff und andere Düngemittel
-Ammoniak
-Lärm von Fahrzeugen
-Brennholz und Holzöfen
-bestimmte Lebensmittelzusatzsstoffe
Gibt sicher noch einiges mehr.
Zu Migration und Entwicklungshilfe:
Punkt 1 ist politisch dum. Da kann man gleich sagen "China takes it all". Punkt 2 ist bis auf den letzten Punkt bereits umgesetzt. Die meisten dieser Länder haben auch wenig Interesse an Importzöllen, da sie selbst massiv auf Importe angewiesen sind und das auch nicht selbst schnell substituieren könnten weil ihnen dazu die Fähigkeiten fehlen.
Du verwechselt hier imo Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik. China betreibt letzteres. Inwiefern das in unserem eigenen Interesse sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen und war hier auch nicht mein Punkt.
Was du zum zweiten Punkt schreibst, widerspricht afaik der gängigen Lesart. Viele afrikanische Staaten haben durchaus ein Interesse daran, ihre nicht wettbewerbsfähigen Binnenmärkte zu schützen. Ob dieses Interesse berechtigt ist, kann ich nicht beurteilen. Feststeht, dass die EU solche Zollerleichterungen oder -aufhebungen eher nicht aushandelt, um Afrika zu helfen, sondern um es als Absatzmarkt zu erschließen.
Es gibt nur den Anspruch auf Asyl nach GG (als Folge völkerrechtlicher Verträge). Das AsylG bezieht sich genau darauf und präzisiert die Umsetzung. Individueller Anspruch und Kontingent … das beißt sich.
Das stimmt nicht bzw. nur formal: Inzwischen ist jeder Flüchtling nach Genfer Flüchtlingskonvention einem Asylanten nach GG gleichgestellt. Letztere sind aber viel weniger und nur für die will ich den individuellen Anspruch auf Asyl beibehalten.
Um es klar zu sagen: Ich erkenne Flüchtlingen kein pauschales individuelles Recht zu, sich hier in Deutschland aufhalten zu dürfen. Das heißt nicht, dass man niemanden aufnehmen sollte, aber ich bin dagegen, dass es einen individuellen Rechtsanspruch darauf gibt. Wenn man sich entschließt, Menschen aufzunehmen, dann sollte das nach einem möglichst fairen und transparenten Verfahren passieren - "wer es bis hierher schafft" taugt mir dazu nicht.
Das widerspricht dem Prinzip von Asyl. Du meinst eigentlich Migranten, aber das krankt halt seit Ewigkeiten an den Defiziten der deutschen Immigrationsregelungen.
Nein, ich meine Asylanten und es widerspricht für mich auch nicht dem Prinzip von Asyl, an Asylanten gewisse Forderungen zu stellen. Eine Schulpflicht gibt es auch für deutsche Staatsbürger. Ich sehe also nicht, warum man unqualifizierte Asylanten nicht auch verpflichten sollte, sich in einem festgelegten Rahmen so fortzubilden, dass eine Integration hier möglich ist. Wer sich der Integration verweigert, sollte imo grundsätzlich auch seinen Asylstatus verlieren können.
Zur Familienpolitik:
Das bevorzugt genau diejenigen die überhaupt eine entsprechend hohe Steuerschuld haben und eine Steuererklärung anfertigen. Lieber Freibeträge weg und das Kindergeld einfacher gestalten. Gleichzeitig ergibt sich da aber wieder ein Moral Hazard bei Familien mit wenig Erwerbstätigkeit und vielen Kindern. Entsprechend ist es vielleicht schlauer für die Gesellschaft als Ganzes wenn man die Nebenkosten der Kindererziehung minimiert indem man Schule und KiTa sowie andere Bildungsangebote möglichst günstig (und auch verpflichtend) gestaltet damit weder Parallelgesellschaften noch Trittbrettfahrertum am Sozialstaat gefördert wird.
Offenbar missverstehen wir uns, denn du scheinst genau dasselbe zu fordern wie ich. Ich will ja gerade keinen Freibetrag, weil der Vielverdiener übermäßig bevorteilt, indem er den Grenzsteuersatz verkürzt. Und eine Steuererklärung benötigt man auch nicht, weil man den entsprechenden Pauschalbetrag einfach automatisch von der Steuer abziehen kann.
Das Kindergeld ist teuer und hat keine klare Zielsetzung. Kinderarmut bekämpft es nicht effektiv, weil es auf das ALG2 als zentrale Transferleistung für arme Familien angerechnet wird. Das ist insbesondere für Aufstocker bitter. Grundsätzlich ist "Geld für Kinder" ein zweischneidiges Schwert. Es gibt gute Hinweise darauf, dass sich dadurch die Geburtenrate steigern lässt, aber der Effekt auf die Unterschicht ist am größten und das sind - im Sinne der Staatsräson - die Kinder, auf die man am ehesten verzichten kann, denn Bevölkerungszuwachs mit geringem Humankapital ist durch Zuwanderung einfacher und eventuell sogar kostengünstiger zu erreichen.
Das Prinzip sollte imo nicht sein, einen finanziellen Anreiz zum Kinderkriegen zu schaffen, sondern den finanziellen Verlust des Kinderkriegens auszugleichen. Die "Nebenkosten der Kindererziehung" zu minimieren entspricht daher genau meinen Vorstellungen.
-Qualität in der frühkindlichen Bildung
Ja. Aber auch: Wer will das nicht?
Die Regierungsverantwortlichen wollen es offenbar nicht genug, denn auf bundesweit einheitliche Qualitätsstandards warten wir bisher vergeblich. Und es steht auch bei weitem nicht überall das nötige Geld zur Verfügung, um das zu ermöglichen. Dazu bräuchte es auch viel mehr Personal.
Wenn wir es ernst meinen mit der Vereinbarkeit, dann sollten wir Bedingungen schaffen, die Eltern keine faulen Kompromisse abverlangen. Davon sind wir nach wie vor weit entfernt. Viele Kitas sind nicht so ausgestattet, dass Eltern bei dem Gedanken frohlocken, ihre Kinder hinzuschicken - von Babys ganz zu schweigen.
Für mich sollten auch eine Haushaltshifle für die Zeit nach der Geburt und eine persönliche Kinderfrau für das Baby zum Programm gehören, wenn die Mutter wirklich früh wieder arbeiten will - auf Staatskosten.
-studierte Erzieherinnen
Das ist ja ein Prozess der in anderen Bereichen schon eine Weile am Laufen ist. Leider taugen manche Berufe und manche Menschen nicht zum akademischen Studium. Die Qualität in der Kinderbetreuung erhöhen ist das sinnvolle Ziel, die Nebenwirkung könnte sein, dass man die Menschen die es aktuell tun zum Teil aus dem Beruf drängt weil sie den höheren Anforderungen nicht gewachsen wären. Klingt fies, ist aber leider so.
Am realistischsten wäre wohl "einfach" eine bessere und längere Ausbildung sowie höhere Verdienste, um dort auch etwas mehr Wettbewerb um die Ausbildungsplätze zu generieren. Eine reine Akademisierung bringt meines Erachtens weder hier noch in anderen Bereichen etwas. Es entwertet lediglich die Studienabschlüsse und die Ausbildung gleichermaßen wenn man meint jeden durch ein Studium prügeln zu müssen.
Um Akademisierung geht es mir gar nicht, sondern um eine Steigerung des Prestiges mit dem Ziel mehr und besseres Personal zu gewinnen. Aufwertung der Ausbildung hört sich immer gut an, aber wenn wir den Tatsachen ins Auge sehen, dann sind wir an einem Punkt, wo viele junge Leute eine Ausbildung gar nicht mehr in Erwägung ziehen.
Darum ergibt es imo Sinn, ein entsprechendes praxisorientiertes Studium zu etablieren. Es ist letztlich zu einem guten Teil ein Etikettenschwindel, aber was nützt es, sich ewig gegen den - auch internationalen - Trend zu stellen? Als deutsche Erzieherin wirst du in vielen anderen Ländern nicht mal als Fachkraft anerkannt, weil du nicht studiert hast.
Eventuell ergäbe es Sinn auch eine unbestimmte Zeit erstmal zweigleisig zu fahren und die Ausbildung parallel zu erhalten.
-Elterngeld
Das ist afaik gar nicht so extrem weit vom Status quo. Problematisch am Status quo ist, dass Männer keinen (ökonomischen) Anreiz für mehr als die 2 Monate haben. Ebenso müsste man sich insb. bei Deinem Vorschlag überlegen wie man "Eltern" definiert, denn er funktioniert nur bei der klassischen Familie richtig gut. Soll ein Vater der sich nicht kümmert diesen Anspruch haben? Wie ist es wenn sie nicht verheiratet sind? Wie ist es wenn der faktische Vater nicht der biologische ist? Schwierig.
So schwierig ist das nicht. Bisher klappt es doch ganz gut mit dem Haushaltsprinzip: Wer mit dem Kind zusammen wohnt, kann Elterngeld beziehen, alle anderen haben Pech gehabt. Ich wäre nicht dagegen, ein paar Ausnahmen für komplexe Familienverhältnisse zu schaffen. Aber das steht für mich nicht im Fokus.
Die wichtigen Änderungen bestehen in
-höherer Kappungsgrenze: Bisher sinds maximal 1800 €, ich habe 2500 € vorgeschlagen, vielleicht sollte man auch bis auf 3000 € oder noch höher gehen. Die Idee ist gerade, dass auch der Hauptverdiener in Elternzeit gehen kann, ohne dass das Familieneinkommen zu sehr absackt.
-höherer Bezugsdauer: von 14 auf bis zu 24 Monate, sofern beide Eltern die volle Länge beanspruchen. Dadurch steigt der Anreiz, dass sich beide Eltern beteiligen und es wird dem Bedürfnis vieler Eltern sowie der Empfehlungen von Experten Rechnung getragen, das Kind länger als ein Jahr zu Hause zu lassen.
-höherem Zuverdienstanreiz: Bisher kann man zwar während des Elternzeitbezugs zwar auch arbeiten. Aber das Elterngeld beträgt nur zwei Drittel von der Nettolohndifferenz. Dadurch ist der finanzielle Anreiz sehr gering, so dass es für fast niemanden attraktiv ist, dafür sein Kind in eine häufig als suboptimal empfundene Betreuung zu geben. Darum würde ich den radikalen Schritt gehen und sagen, dass Zusatzeinkommen der Mutter grundsätzlich anrechnungsfrei bleibt, so dass der Arbeitsanreiz maximiert wird.
-Elternunterhaltspflicht
Versteh nicht, was du hier wieder mit MV-Land meinst. Bisher ist es so, dass in bestimmten Fällen die Kinder z.B. die Pflege der Eltern mitbezahlen müssen, während dies Kosten für Kinderlose der Sozialstaat übernimmt. Ungerechter gehts imo nicht.
Wenn man sowas macht, dann muss man auch dafür sorgen, dass Eltern im Alter eine bessere Versorgung bekommen, damit sie wenigstens einen Vorteil davon haben. Ich würde aber lieber den umgekehrten Weg gehen und sagen, dass alle gleich behandelt werden.
-Staatsquote
Das war in der Tat ein Stichpunkt, den ich eigentlich noch mit Inhalt füllen wollte. Grundsätzlich geht es um die Entprekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen. Das Problem mit der Familienförderung ist und bleibt der Widerspruch zwischen arbeitsteiligem Erwerb und Kinderbetreuung. Schon jetzt ist das Haupthindernis für Mütter, um wieder in den Beruf einzusteigen, dass sie einfach keinen geeigneten Job finden, der ihnen z.B. Teilzeit, flexible Arbeitszeiten, Home Office und alles übrige ermöglichst, was einem die Vereinbarkeit erleichtert.
Man kann versuchen das durch gesetzliche Regulierung zu erzwingen und das tut man auch. Aber das hat auch unerwünschte Nebeneffekte. Je stärker man z.B. die Position der gebärenden Arbeitnehmerin macht, desto stärker wird der Anreiz Frauen im gebärfähigen Alter gar nicht erst einzustellen, solange man Alternativen hat. Außerdem nützen einem viele dieser Regelungen erst dann so wirklich etwas, wenn man auf einem sicheren unbefristeten Arbeitsplatz ist. Das ist insbesondere für Frauen - auch Akademikerinnen - zu selten der Fall, insbesondere in dem Alter, wo man häufig das erste Kind bekommt.
Der familienfreundlichste Arbeitgeber ist immer noch der Staat, weil er ohne Rücksicht auf den Markt konsequent seine familienpolitischen Vorstellungen durchsetzen kann und das in der Regel auch tut. Darum plädiere ich sehr dafür in den Bereichen, wo der Staat sowieso als großer Geldgeber auftritt, auch einen starken Fokus auf gute Arbeitsbedingungen zu legen, die die Familiengründung nicht unnötig verzögern oder erschweren. Beispiele sind etwa der gesamte Kultur- und Wissenschaftsbetrieb oder diese unseligen Vertretungslehrer stellen, wo man die Leute über die Sommerferien vor die Tür setzt.
Und wo man nicht selbst Arbeit-, sondern nur Auftraggeber ist, sollte man einen größeren Wert darauf legen, dass gewisse Spielregeln eingehalten werden, statt jeden Auftrag an die billigste Klitsche zu vergeben, die schlecht zahlt und nur befristet einstellt.
Fortsetzung folgt ...