Wisst ihr worin das Problem liegt? Der gemeine Leser hält sich die fälle, die sich mit seinem gesunden volksenpfinden beißen eher im Gedächtnis als fälle in dem sein Genugtuungs- und Rachegefühl befriedigt wird. Aufgrunddessen ergibt sich das Gefühl, dass die Justiz zu "lasch" ist.
Gesteigert wird das vor allem durch öffentlichkeitswirksame Berichterstattung der Medien von "spektakulären" Geschichten, bei denen dann natürlich auch jeder meint seinen Senf dazuzugeben.
Man gewinnt den Eindruck, dass die Mehrheit denkt, dass das Gericht mal eben den erfüllten Straftatbestand und das darauffolgende Strafmaß einfach so nach gut dünken bestimmt ("wir würfeln jetzt mal kurz. Was spielt es auch für eine Rolle tot ist tot?").
Das ist natürlich nicht der Fall. Ob ein bestimmter Straftatbestand wirklich erfüllt ist, ergibt sich aus den vom Tatgericht festgestellten Tatsachen und der rechtlichen Wertung dieser einen "Wahrheit". Die rechtliche Wertung ergibt sich zunächst durch Gesetzesauslegung der (normativen) Tatbestandsmerkmale, die sich auch stetig mehr oder weniger im Wandel durch die Wissenschaft und der rechtsanwendung durch die Gerichte befindet und Konkretisierung erfährt. Aus abstrakter Rechtsauslegung muss das Gericht dann konkret aus den festgestellten Tatsachen eine Wertung vornehmen. Das gestaltet sich nicht immer einfach. (Sowohl die Feststellung der Tatsachen als auch die rechtliche Bewertung).
Die rechtsfolge (das Strafmaß) ergibt dann aus einer Reihe von vielen einzelnen Faktoren und regeln, aber erster Anhaltspunkt ist natürlich die festgelegte rechtsfolge aus dem Gesetz (mord verpflichtet etwa zur lebenslangen Freiheitsstrafe, aber auch dort gibt es in der Rechtsprechung ausnahmen zb. Haustyrannenmord). Eine große Rolle spielt da etwa die Schwere der Schuld.
Übrigens wenn von koriosen Zahlen wie circa 30 % Fehlurteilen der "niederen Gerichte" die rede ist, welche etwa vom BGH korrigiert werden, handelt es sich zu allermeist nicht um grobe Schnitzer wie zb. Täter wird freigesprochen und ist dann aber doch Mörder, sondern um kleinere dogmatische Fehler in der rechtlichen Wertung (Rechtsauslegung, Subsumtion, Verfahrensfehler). Das sind dann zb. Fälle in denen mordmerkmale fälschlicherweise angenommen/nicht angenommen wurden oder fälle in denen Merkmale für die Qualifizierung einer gefährlichen Körperverletzung fälschlicherweise angenommen wurde.
Natürlich sind das traurige Geschichten wie die bei jonny k, wo etwa tatsachenfeststellung nicht so einfach getroffen werden können wie man sich das vielleicht denkt. Und dann kommt es nunmal zu "unerwünschte" Ergebnisse, die der ein oder andere als "ungerecht" empfindet.
Aber sicher erinnern sich die Leute nicht mehr an die Verurteilung von den Tätern im fall brunner, die nahezu die absolute Höchststrafe bekamen und das gesunde volksenpfinden befriedigen konnte.
In die Köpfe der Täter kann man jedenfalls nicht reinschauen und selbst solche Unterscheidungen zwischen (bewusste) Fahrlässigkeit und (eventual-)Vorsatz sind nicht immer leicht zu treffen.
@benrath
Ob es Notwehr war oder nicht wird ja gerade das Gericht feststellen müssen. Dass der Staatsanwalt von keiner Notwehr ausgeht oder in einem zeitungsArtikel die Wertung vorgenommen wird, dass es keine Notwehr war, spielt erstmal keine Rolle. Wir müssen da wohl einfach abwarten wie die Entscheidung ausfällt. Genau kann es sowieso hier und sonstwo keiner erstmal beurteilen, weil man nicht den Zugang zu den akten hat. Kritiker wird sowieso als lautester bellen, damit kann man es sowieso nicht verpassen.