Unreflektierter Sprachgebrauch, insbesondere herabwürdigende Begriffe, haben selbstverständlich einen Einfluss darauf, wie man über andere Menschen (bzw. eine bestimmte Gruppe anderer Menschen) denkt. Ganz konkretes Beispiel, bewusst nicht auf Aussehen oder Nationalität bezogen: "Kannst du mir eben helfen? Hr. Müller hat abgeführt" vs "Kannst du mir eben helfen? Eins Fenster hat sich mal wieder eingeschissen und darin rumgewühlt". Ich habe Hr. Müller intubiert aus dem OP übernommen, noch nie vorher ein Wort mit ihm gewechselt, weiß im Prinzip nichts über ihn, außer seiner Erkrankung. Im normalen Leben ist er vielleicht ein ganz cooler Typ, mit dem man auch mal ein Bierchen trinken würde. Die Reduktion auf die Merkmale "Bett Eins Fenster, Delir, Diarrhöen" macht es einem aber einfach, nur den deliranten Hurensohn zu sehen, der mit seiner Kacke malt. Und nein, das ist kein konstruiertes, abstraktes Beispiel, das sehe ich jeden Tag auf der Arbeit. Patienten, die von Kollegen nur als scheißendes Stück Fleisch gesehen werden, werden von entsprechenden Kollegen auch entsprechend behandelt. Ruppiger angefasst (Gewalt ist so ein unschönes Wort), agressiver angesprochen, es wird weniger Geduld gezeigt, was gerade bei deliranten Patienten zu verstärktem Abwehrverhalten führt - ein Teufelskreis. Und das, obwohl wir die Person gar nicht kennen.
Was ich sagen will: Schubladendenken ist so verlockend einfach, da man sich nicht die Mühe machen muss, unvoreingenommen auf den Einzelnen eingehen zu müssen. Es wird den Menschen aber in keiner Form gerecht.