[...] Aber ich glaube bei euch ist das "Perlen vor die Säue" werfen. Ihr versteht schlichtweg nicht wie weit das mitlerweile geht. Anders kann ich mir eure Borniertheit von wegen "Das geht ja garnicht, und wenn doch hab ich ja nichts zu verbergen" nicht erklären. Lest snowden. Zieht euch mal ein paar CCC-Videos rein. Checkt mal David Kriesel aus.
Ich brauche mir keine CCC-Videos reinziehen; ich habe an einer Uni studiert, wo wir regelmäßig massenhaft Leute ins Silicon Valley ziehen lassen, darunter einige gute Freunde von mir. Die habe ich nicht zufällig beim Pub Quiz kennengelernt, sondern weil wir dieselben Statistik-Vorlesugen hatten und zusammen Problem Sets lösen mussten*. Insofern: Komm mir nicht mit sowas. Niemand hier bestreitet, dass Google/Amazon/Facebook eine Menge Daten von uns haben.
Was mich aber ganz wie Heator sehr stutzig macht sind zwei Sachen:
1. Ich gebe gerne zu, dass ich mich nicht damit auskenne, wie die Daten gesammelt werden. Insofern glaube ich dir gerne, dass Google damit tolle deskriptive Statistik machen kann. Dass Google allerdings auch Inferenzstatistik (!) kann, nur weil Leute vage mit den Händen wedeln und auf "neural nets" verweisen, DAS sehe ich überhaupt nicht. Einfache Muster können aus solchen Daten heute ganz gut vorausgesagt werden (deine Frau kauft Sachen, die hauptsächlich von Schwangeren gekauft werden --> deine Frau ist wohl auch schwanger). Dass aber tatsächlich ein Transfer in einen Bereich gelingt, zu dem es über dich noch keine Daten gibt, dass Algorithmen dich quasi besser kennen als du selbst, das ist nicht mal ansatzweise wahr. Ein schönes Bild, das einer meiner Freunde dafür verwendet hat, der jetzt bei Facebook ist, ist Folgendes: Wenn du dir das über dich angelegte "Profil" wie ein Gemälde vorstellst, dann kann ein neural etwas malen, was dir deutlich ähnlicher sieht als wenn du zufällig malst. Es kann aber keineswegs ein Gemälde produzieren, das andere Leute (oder du selbst) als dich erkennen würden. Das ist aber eben genau das Problem: Die meisten unserer Entscheidungen für oder gegen etwas sind zu einzigartig, als dass ein ungefähres Bild von dir jemandem groß hilft, deine Entscheidungen vorauszusagen. Wenn ich Netflix schaue und Netflix weiß, dass ich Star Wars mochte, dann nehme ich vielleicht auch Black Mirror mit. Wenn Amazon allerdings weiß, dass ich das Star Wars T-Shirt ("Forest of Endor Summer Camp"), das ich gerade trage, dort gekauft habe, was kann der Algorithmus damit anfangen? Maximal mir mehr Star Wars Kram vorschlagen, für alles andere reicht mein vages "mag Sci-Fi"-Profil nämlich nicht aus, weil ich nicht für irgendetwas Geld ausgeben würde, was ich nicht wirklich will.
2. Die Schweinereien, die Google oder Facebook mit unseren Daten anfangen können, hängen für so gut wie jeden Nutzer davon ab, wie der gesetzliche Rahmen aussieht, in dem die Daten verwendet werden dürfen. Wenn es Heator jetzt nicht zufällig in die Politik zieht und er beim Bundeskartellamt (oder direkt im Wirtschaftsministerium/Kanzleramt landet), hätte Google überhaupt kein Interesse daran, Material aus seinem Privatleben offen zu legen, weil sie damit ihrem eigenen Geschäftsmodell das Wasser abgraben.
Die einzigen realistischen Szenarien, in denen der Durchschnittsnutzer einen Nachteil hätte, wären Fälle in denen wir einem Geschäftspartner genug Geld wert sind, damit er uns als Kunden diskriminieren kann: Wenn ich die ganze Zeit nach Anzeichen für Lungenkrebs google, würde mich eine Versicherung wohl nicht versichern wollen, wenn sie die Wahl hätte. Aber eben EXAKT das kann man ja gesetzlich unterbinden und genau das passiert in Deutschland ja auch (während ich in den USA das Nachsehen hätte).
Frage also: Wo sind die Szenarien, die wir (Benrath, Heator, ich) alle nicht sehen, in denen der Datenschutz dem durchschnittlichen Verbraucher einen so großen Vorteil bringt? Ich verstehe es einfach nicht und ich muss zugeben, dass die Tatsache, dass viele derjenigen, die auf Datenschutz extrem steil gehen, sehr schnell bei irgendwelchen Gattaca-Szenarien sind, stimmt mich jetzt auch nicht gerade positiv, was die Realitätsnähe angeht. Aber ernsthaft: Wenn ich etwas übersehe wäre ich dringend daran interessiert es zu lernen.
*fun fact: Für ein halbes Jahr war "Machine Learning" von Murphy mein Blumenpodest am Frühstückstisch