Erst mal: Das sollte vielleicht tatsächlich in einen anderen Thread. Zwar ist der russische Krieg tatsächlich der Auslöser, aber auf längere Sicht wird das eher nicht die entscheidende Rolle spielen.
Fünf Jahre 2021-2026 würde ich die Chancen für Wohlstandsverlust für groß halten.
Darüber hinaus ist es natürlich spekulativ, und meine negative Sicht tatäshlich eher Pessimismus als objektiv.
Und natürlich muss es auf die fünf Jahre nicht so sein.
Das von dir nachvollziehbarerweise geforderte Mehr an Umverteilung sehe ich übrigens auch als Risiko, weil insbesondere in Zeiten einer gewissen Fragilität (bspw was die internationale Wettbewerbssituation angeht) eine schlechte Ausgestaltung von "mehr Umverteilung" den gesamten Wohlstrand reduzieren kann. Bspw. wenn eben einfach nur naiv Einkommen & lokale Unternehmen belastet werden, um dieses Mehr an Umverteilung zu finanzieren.
Ich weiß, das ist ein Argument das im politischen Diskurs gerne gebracht wird, aber ökonomisch ist das eine fragwürdige Aussage. Es ist ziemlich schwierig zu belegen, dass höhere Steuern tatsächlich "Wachstum hemmen", auch wenn "die Wirtschaft" das gerne behauptet.
Und natürlich müssten die Einkommen von Privathaushalten und Unternehmen besteuert werden: Das ist, wo das Geld ist, das man tatsächlich besteuern kann. Heators Idee mit der Sondersteuer auf extrem wohlhabende Menschen ist an sich reizvoll (und btw auch keineswegs so systemfremd, wie man vielleicht denken möge; Stefan Bach wird bspw. nicht müde die historischen Parallelen zu betonen), aber das Problem ist, dass deren Besitz schlicht zu beweglich ist, um ihn auf dem Niveau von Menschen mit hohem Erwerbseinkommen zu besteuern.
Ich weiß, du findest eine Steuer auf Boden toll und ich bin auch der Meinung, dass man da durchaus höher besteuern könnte, aber das ist letztendlich makroökonomisch keine gangbare Lösung, weil du schlicht nicht die Summen zustande bekommst, die man braucht, um eine gesamtwirtschaftliche Umverteilung zu erreichen.
Mein Pessimismus basiert also auf ziemlich vielen Dimensionen:
- Domestic Policy risks -- gehe von schlechten politischen Entscheidungen aus
- Kosten des Klimawandels -- die ich unterstütze, aber de facto eine Wohlstandsreduktion für Individuen darstellen (utilitaristisch gesehen kann man natürlich sagen, dass durch Maßnahmen gegen den Klimawandel langfristiger Wohlstand gemehrt wird)
- Demographischer Wandel -- also Veränderungen in der Versorgungsquote. Bei den Leuten, die gerade in Rente gehen, ist der Effekt ja am klarsten -- ich vermute zumindest bei der Teilgruppe (also wenn du die 67-jährigen über Zeit vergleichst) würdest du mir zustimmen, dass der Durchschnittsbürger weniger Kaufkraft hat?
- International Policy risks -- also die Chance, dass eben auch in 5 Jahren das russische Gas nicht zurück sein wird & wir daher auch in 2026 weit über 2021 Preisen sein werden
- Monetary Policy risks -- regulatorisch und psychologisch bedingt ist der deutsche Medianbürger weiterhin in Altersvorsorgeprodukten mit Garantie, die in Zeiten niedriger Zinsen generell schlecht performen, insbesondere aber in Zeiten niedriger Zinsen UND hoher Inflation. Die private Altersvorsorge des typischen Deutschen wird weginflationiert.
Ich verstehe wo dein Pessimismus herkommt, aber ich halte ihn für nicht sehr stichhaltig. Das Kernproblem ist, dass es leicht ist diese Probleme mit einem stationären Blick zu betrachten und dann finden sich immer Gründe, warum zum aktuellen Zeitpunkt alles immer schlimmer wird: Demografischer Wandel, Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Covid, etc. pp. Nur: Die meisten dieser Probleme sind eben nicht stationär, sondern konstant.
Im Jahr 2000 war kamen auf einen Rentner drei Arbeitnehmer, im Jahr 2022 sind es nur noch zwei. Das ist ein gewaltiger Sprung, trotzdem ließ sich das in den letzten 20 Jahren durch Wirtschaftswachstum (das keineswegs durch die Bank positiv war!) auffangen, so dass die Konsumausgaben der privaten Haushalte seitdem real um 10% gestiegen sind. Selbiges etwa mit der Innenpolitik: Du gehst von schlechten politischen Entscheidungen aus. Nun bist du wie wir alle wissen kein Merkel-Fan, welche den größten Teil der letzten 20 Jahre regiert hat, insofern gehe ich davon aus dass du dort ebenfalls schlechte Innenpolitik diagnostizieren würdest; trotzdem ist das verfügbare Medianeinkommen in Deutschland heute real ca. 15% höher als vor zwanzig Jahren*. Und das wie gesagt in einer Zeit, die durchaus nicht wenige schwierige Krisen hatte.
Das einzige wirklich neue Problem ist 4), aber wie gesagt: Die aktuellen Preise spiegeln keine dauerhafte Marktkorrektur wider. Sicherlich wird Energie mittelfristig etwas teurer, aber keineswegs in einem Maß, dass das Preisniveau sich dauerhaft so krass über dem Vorkriegsniveau einpendelt.
5) ist imho stark übertrieben: Du siehst nur die Kleinsparer, die es natürlich gibt, aber lässt bspw. außer Acht, wie sich die Immobilienpreise entwickelt haben. Das fühlt sich natürlich nicht wie Wohlstand an, solange Menschen noch in diesen Häusern wohnen, aber das ändert ja nichts daran, dass in dem Segment viele Leute in den letzten Jahren enorme Wohlstandsgewinne erzielt haben. Nur halt wieder: Sehr selektiv. Und machen wir uns nichts vor: An 2) wird gespart werden, sollte es ökonomisch hart auf hart kommen.
*wohlgemerkt: Ich will nicht sagen, dass das WEGEN der Politik der Merkel-Regierungen der Fall ist, das glaube ich gar nicht. Es ist allerdings trotz der Merkel-Jahre ein Trend, der nicht aufgehalten wurde.