Wehr/Zivildienst Comeback?

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Nein, es gibt einen Mangel an Pflegekräften, unter anderem weil die Gehaltsentwicklung staatlich begrenzt ist...
Das ist natürlich nur ein Teilaspekt, darf aber nicht außer acht gelassen werden.
 
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Pflegekräfte verdienen eigentlich recht gut - wenn man sie mit anderen Lehrberufen vergleicht.

Das was diesen Beruf so unattraktiv macht, ist der imense Zeitdruck und dass die Pfleger keine Möglichkeit haben sich ihren Patienten zeitlich angemessen zu widmen. Das frustriert die Menschen extrem.
Es wird also mehr Geld gebraucht, aber eher dazu um mehr Stellen zu schaffen, als das Gehalt zu steigern. Zivis könnten da wirklich eine Hilfe sein, wenn sie den Pflegekräften die vielen einfachen Arbeiten abnehmen würden.
 
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Deswegen ist das ja auch so gut bezahlt, weil man niemanden mehr findet.

Ich kann dich nicht unwissend sterben lassen, daher ein kleiner Exkurs in die Vergütung von Pflegekräften.
Pflegekräfte werden mit dem Pflegeentgelt bezahlt, welches der Pflegeheimbetreiber mit der Pflegekasse verhandelt. Grob gesagt sagt der Betreiber, hey wir haben diese Personalkosten x + Risiko und die Kasse sagt, ok sehen wir auch so, oder wir streichen noch was, oder weiß du bitte erstmal nach, dass du Kosten x hast. Am Ende kommt ein Geldtopf raus, von dem die Kasse aber nur einen (wie von Volta schon genannt) gedeckelten Satz pro Bewohner pro Pflegegrad übernimmt, den Rest zahlt Oma. Kleines Beispiel: Man einigt sich darauf das für Oma Else 3500 € im Monat zur Verfügung stehen müssen um die Personalkosten zu decken, die Kasse zahlt davon 2000€, der Bewohner zahlt 1500€ selbst.


Da der Satz den die Kasse zahlt gedeckelt ist, geht die Erhöhung des Pflegeentgelts aktuell immer zu Lasten der Bewohner bzw. der Angehörigen. Je höher das Gehalt der Pflegekräfte desto höher logischerweise der Eigenanteil den der Bewohner am Ende zu zahlen hat. In einigen Regionen übersteigen die Eigenanteile schon die Renten der alten Menschen und wenn keine Angehörigen da sind, die das Heimentgelt schultern rutschen die Menschen massenweise in die Sozialhilfe.
Was heißt das - wer mehr Geld für die Pflege fordert muss es bezahlen und das tut aktuell Oma Else und ihre Angehörigen bzw. das Sozialamt.

Aktuell gibt es politische Bestrebungen die Deckelung der Kassen aufzuheben um Pflegebedürftige zu entlasten, was das für deinen Beitrag zur Pflegeversicherung bedeutet bedarf keiner prophetischen Fähigkeiten.

Was aber Fakt ist: Pflegefachkräfte verdienen kein beschissenes Gehalt - ganz im Gegenteil. Es gibt immer schwarze Schafe, keine Frage, als Pflegefachkraft in einem tarifgebundenen Haus werden mit den zahlreichen Zuschlägen (Nacht, Wochenende, Feiertage etc.) und etwaigen Funktionszulagen (Qualitätsbeauftragter, Praxisanleiter, Wohnbereichsleiter whatever) aber Summen nach Hause geschleift, die ganz ordentlich sein können (45 T€ - 60 T€).


Warum gibt es dann aber trotzdem so wenig Fachkräfte? Warum will es keiner machen?

Ein großer Punkt ist dass der Job diametral zu den Wünschen und Bedürfnissen der Generationen Y und Z steht, Stichwort Work-Life-Balance mit Fokus auf Life + Selbstoptimierung.
Der Job ist physisch und psychisch hart - das ist einfach unattraktiv für diese verweichlichte Generation :troll: (und es betrifft ja nicht nur die Pflege: klassische Handwerksberufe haben tausende unbesetzte Lehrstellen, der Fachkraftmangel im Handwerk ist ebenfalls eklatant)
- Körperliche Belastung (90 kg Opa Heinz aus dem Bett heben)
- psychische Belastung (Tod ist allgegenwärtig, menschliche Schicksale Tagein Tagaus)
- wenig Zeit (von mackia angesprochen - der Pflegetag ist durchgetaktet, 20 Minuten mit Oma Else plauschen ist da nicht drin)
- Kein 9-17 Job (das ganze Jahr ist Pflegejahr: Früh- Spät- Nachtschicht, Wochendarbeit, Feiertagsarbeit, Bereitschaftsdienst, Holen aus dem Frei, alles ganz normal)

- Hohe Verantwortung
 
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Ich bin mir nicht sicher, ob man das als Problem einer bestimmten Generation sehen kann. Der Pflegebedarf unserer Gesellschaft hat einfach enorm zugenommen und wird weiter zunehmen. Vielleicht ist es einfach natürlich, dass sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr genug junge Menschen finden, die hauptberuflich pflegen wollen?

Mich würde interessieren, wie andere Länder das machen. Demographischer Schwund ist kein reines deutsches Problem.
 
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Schl3mIL hat es schon gut auf den Punkt gebracht: Die Probleme sind vielfältig und hausgemacht. Es liegt nicht primär am Geld, dass man keine Leute findet, die meisten Pflegekräfte selbst fordern ja auch immer wieder nicht "mehr Geld" sondern "bessere Arbeitsbedingungen". Nur das Gehalt zu betrachten ist ein gravierender Fehler, es ist das Verhältnis zwischen den Belastungen und Verantwortungen der Tätigkeit und dem Entgelt was nicht stimmt.


Im Ausland hat man den Anreiz halt übers Geld gelöst, da verdienen Pflegekräfte enorm viel mehr als hier, darum bekommen die die Stellen trotz Jobprofil mit Schichtdienst, harten Belastungen und hoher Verantwortung trotzdem voll. Kann man natürlich gehen den Weg, dann muss man das Geld dafür eben in die Hand nehmen und die Kranken/Pflegebeiträge erhöhen, so dass man ans Personal 50% mehr Kohle ausschütten kann, dann bekommt man auch genug Leute. Die SPD hats ja versprochen, die Gehälter in der Pflege sollen um 30% steigen. Wers glaubt. ^^

Man kann natürlich auch den Weg gehen und die Arbeitsbelastungen senken, sprich 35-Stunden Woche anstatt 39,5 oder 5-Tage-Woche statt 5,5 oder 6-Tage- Woche bei vollem Lohnausgleich. Mehr Urlaub, höhere Personalschlüssel um den Stress für den Einzelnen zu senken und und und. Dann wird der Job an sich wieder attraktiver und man hat mehr Bewerber. Dummerweise kostet das halt auch wieder Geld, man bezahlt halt nicht den Einzelnen besser aber braucht mehr Leute für die selbe Arbeit.

Darum gehen wir ja auch den "Königsweg", wir importieren Pflegekräfte aus Drittweltländern, die fordern nicht viel Gehalt, sind bereit zu Malochen ohne Ende und organisieren sich schon gar nicht gewerkschaftlich oder politisch und akzeptieren Arbeitsbedingungen und Verträge die sonst niemand mit der Kneifzange anfassen würde. Auf die Konsequenzen die das für die Patientenversorgung hat, will ich mal gar nicht eingehen, aber ist ein geradezu lächerlicher Gedanke, dass die Standards in der Pflegeausbildung da wo man diese Leute her holt auch nur *im Ansatz* das mittlerweile akademische Niveau der Ausbildungen in Mitteleuropa erreicht. Wir bezahlen diesen Import mit einem massiven Verlust an Pflegequalität, mit all den daraus resultierenden Folgen.

Und da sind wir dann auch schon beim springenden Punkt: Dass wir damit das sich eigentlich in Europa mittlerweile durchgesetzte hochprofessionelle Niveau der Pflegeausbildungen torpedieren, ist ja durchaus gewollt, denn seit dem man Pflege überall um uns herum studiert (3 Jahre + 2 für die Fachweiterbildung), stellen die entsprechend ausgebildeten Leute eben auch die Frage "Wenn ich auf (teils auf Masterniveau) studiert habe und Verantwortung wie 'ne Führungskraft übernehmen soll... dann bezahlt mich doch auch wie einen Akademiker mit Führungsverantwortung?". Und dann hören sich 2k netto eben wie 'ne Verarsche an. 45-60k € sind in Deutschland eher die Ausnahme, da muss man schon einiges an Zusatzqualifikationen + viele Berufsjahre + 'nen guten Arbeitgeber zusammen haben. Der Durchschnitt liegt dann für die "Grunts" die auf den Stationen die Hauptlast der Arbeit erledigen realistisch eher bei knapp über 30k Brutto. Die Gehälter der "Spitzenverdiener" in der Pflege sind sicherlich nicht der Punkt, warum man die Stellen nicht voll kriegt, sondern das Gehalt im Verhältnis zur Arbeitsbelastung in der breiten Masse.
 
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Ein großer Punkt ist dass der Job diametral zu den Wünschen und Bedürfnissen der Generationen Y und Z steht, Stichwort Work-Life-Balance mit Fokus auf Life + Selbstoptimierung.
Der Job ist physisch und psychisch hart - das ist einfach unattraktiv für diese verweichlichte Generation :troll: (und es betrifft ja nicht nur die Pflege: klassische Handwerksberufe haben tausende unbesetzte Lehrstellen, der Fachkraftmangel im Handwerk ist ebenfalls eklatant)
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- Hohe Verantwortung

Ich quote mal den Spiegel Artikel:

https://www.spiegel.de/wirtschaft/s...legekraefte-wirklich-verdienen-a-1218718.html

Dass Krankenpfleger verhältnismäßig gut verdienen, liegt beispielsweise an Zuschlägen für Nachtdienste und besonders anspruchsvolle Tätigkeiten wie auf der Intensivstation. Diese entfallen in der Altenpflege meist - und machen diesen Bereich der Pflegeberufe finanziell unattraktiver. Die Hälfte der Fachkräfte verdient hier weniger als 2621 Euro im Monat, und somit 16 Prozent weniger als die Beschäftigten der übrigen Branchen im Schnitt. Und das, obwohl die Altenpfleger-Gehälter zwischen 2012 und 2016 um 9,4 Prozent stiegen.

Altenpfleger also um die ~31k/Jahr brutto. Da ist es ein weiter Weg zu den 45k. Und dies ist der Durchschnitt.

Wodurch kommt denn die schlechte Bezahlung zu Stande? Vielleicht auch dadurch, dass jahrelang Zivis als billige Arbeitskräfte das Lohnniveau für einige Tätigkeiten nach unten gedrückt haben?

Das sind (bis auf die psychische Belastung) alles Dinge, die du mit mehr Geld in den Griff bekommen kannst um den Job attraktiver zu machen. Das heißt mehr Stellen (also geringere Körperliche Belastung und mehr Zeit, sowie weniger Sonderschichten pro Person) und auf der anderen Seite für die Verantwortung mehr Entlohnung.

Wenn man darauf aus ist, dass Pflege nichts kosten darf, dann geht das natürlich nicht. Dann darf man sich aber nicht beschweren, wenn die Leute lieber besser bezahlte und mit besseren Arbeitsbedingungen verknüpfte Berufe wählen.

Ich hielte es für fatal, wenn wir durch eine erneute Zwangsarbeit das Problem versuchen in den Griff zu bekommen, denn dann wird dies nicht gelöst, sondern nur verlagert.
 

parats'

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Wie steht ihr zur "Wieder-"Einführung eines Pflichtdienstes? Ich persönlich bin damals mit Glück drum herum gekommen, da ich erst im Jahr der Aussetzung "wieder" an der Reihe war.
So rückwirkend kann ich dem Pflichtdienst auch weiterhin nur wenig positives abgewinnen. Wenn es aber kommen würde, dann wäre ich nur für ein soziales Jahr, bei angemessener Bezahlung und deutlich größeren dehnbaren Zeiträumen.

Den Anstoß macht FWS (wer auch sonst :rolleyes: ).
 
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Wie steht ihr zur "Wieder-"Einführung eines Pflichtdienstes? Ich persönlich bin damals mit Glück drum herum gekommen, da ich erst im Jahr der Aussetzung "wieder" an der Reihe war.
So rückwirkend kann ich dem Pflichtdienst auch weiterhin nur wenig positives abgewinnen. Wenn es aber kommen würde, dann wäre ich nur für ein soziales Jahr, bei angemessener Bezahlung und deutlich größeren dehnbaren Zeiträumen.

Den Anstoß macht FWS (wer auch sonst :rolleyes: ).
Finde ich unnötig, andere Länder kriegen es auch gebacken, ohne Pflichtdienst eine vernünftige Armee auf die Beine zu stellen.
 
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Die Diskussion ist imo ne lahme Ente und als Bundespräsident sowas anzustoßen finde ich durchaus grenzwertig.
 

Gustavo

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Ich habe das noch nie verstanden. Auf der einen Seite zielen alle Reformen in der Ausbildung der letzten Jahrzehnte (Abitur nach der 12. Klasse, Bachelor/Master-System) darauf, möglichst mehr Leute früher in den Arbeitsmarkt zu bekommen, auf der anderen Seite will man jedem Jugendlichen ein Jahr wegnehmen, in dem er/sie dann mit niedrigster Qualifikation irgendwelche Helfertätigkeiten ausführen soll? Gerade in Zeiten in denen die Arbeitskräfte bei uns knapp sind jeden Staatsbürger für ein Jahr aus dem regulären Arbeitsmarkt rausnehmen ist imho hochgradig unsinnig.
 

GeckoVOD

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Ich habe das noch nie verstanden. Auf der einen Seite zielen alle Reformen in der Ausbildung der letzten Jahrzehnte (Abitur nach der 12. Klasse, Bachelor/Master-System) darauf, möglichst mehr Leute früher in den Arbeitsmarkt zu bekommen, auf der anderen Seite will man jedem Jugendlichen ein Jahr wegnehmen, in dem er/sie dann mit niedrigster Qualifikation irgendwelche Helfertätigkeiten ausführen soll? Gerade in Zeiten in denen die Arbeitskräfte bei uns knapp sind jeden Staatsbürger für ein Jahr aus dem regulären Arbeitsmarkt rausnehmen ist imho hochgradig unsinnig.
Man könnte echt ein langes Thema dazu aufmachen, bei mir stehen die persönlich empfundenen Hauptargumente

- billige Hilfskraft statt echte Reformen in Gesundheits- und Sozialwesen zum Lückenstopfen (negativ) gegen
- wenn für alle: gute Berufsorientierung(shilfe), die ich aktuell sehr vermisse. Btw. tatsächlich, da du "Ausbildung" mit Gymnasium > Universität / FH beschreibst. Handwerk wird auch sehr wichtig werden, sollte man die grüne Wende schaffen wollen.

Im Zweifelsfall egal, da völlige Randdiskussion, die alle zwei Jahre hochschwappt.
 

parats'

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Gerade in Zeiten in denen die Arbeitskräfte bei uns knapp sind jeden Staatsbürger für ein Jahr aus dem regulären Arbeitsmarkt rausnehmen ist imho hochgradig unsinnig.
Genau das Argument habe ich bei den Befürwortern oft gelesen. Da geht es um die wichtigen Tätigkeiten, die Zivis damals übernommen haben. Jetzt will ich da nicht so recht dran glauben, denn ein System das auf ungelernte Arbeitskaft mit hoher Fluktuation setzt, kann nicht "funktionieren". Vor allem wenn die Fachkräfte in der Branche bestens ausgebildet werden.

Das knüpft dann vor allem an den ersten Punkt von @GeckoVOD an.
 

Gustavo

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- wenn für alle: gute Berufsorientierung(shilfe), die ich aktuell sehr vermisse. Btw. tatsächlich, da du "Ausbildung" mit Gymnasium > Universität / FH beschreibst. Handwerk wird auch sehr wichtig werden, sollte man die grüne Wende schaffen wollen.

Gilt das dann aber nicht hauptsächlich wieder für Abiturienten? Du wurdest ja überhaupt erst mit dem Abschluss der Schulpflicht (also typischerweise mit 18) eingezogen, dementsprechend war es für viele Leute, die den Weg Haupt-/Realschule --> Ausbildung/Berufsschule gegangen sind überhaupt nicht relevant, weil sie sich beruflich entscheiden mussten, bevor Ersatzdienst anstand. Ich weiß nicht ob sich daran etwas ändern würde. Vielleicht gibt es heute mehr Abiturienten, die Ausbildungen machen, aber im Großen und Ganzen glaube ich nicht, dass es bei der Berufsorientierung groß hilft. Oder meinst du dass Leute sich eher für bestimmte Berufe entscheiden, nachdem sie sie schon mal kennengelernt haben?
 

GeckoVOD

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Oder meinst du dass Leute sich eher für bestimmte Berufe entscheiden, nachdem sie sie schon mal kennengelernt haben?
"Das System" etwas kennenlernen, insbesondere Bereiche, die normal am Gymnasium wenig beleuchtet werden. Wie gesagt, wäre länger es auszuführen und eher auf Nahfeldempirie begründet. Es gibt dutzende Maßnahmen, die besser geeignet wären und zielgerichteter wären als das stumpfe "ein Jahr Zivi/Wehr".
 

Benrath

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Wäre es dann nicht sinnvoller nen stärkeren Anreiz für die Freiwilligkeit zu setzen? Vielleicht doch bißchen mehr Geld oder Wartesemester beim Dienst doppelt zählen.
 
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"Das System" etwas kennenlernen, insbesondere Bereiche, die normal am Gymnasium wenig beleuchtet werden. Wie gesagt, wäre länger es auszuführen und eher auf Nahfeldempirie begründet. Es gibt dutzende Maßnahmen, die besser geeignet wären und zielgerichteter wären als das stumpfe "ein Jahr Zivi/Wehr".
Wir haben da ja neulich (leicht angetrunken evtl.) drüber geredet, ich denke auch, dass "das Handwerk" in irgendeiner Form einen Boost braucht. Nahfeldempirie: Mein jüngster Neffe hat 2x probiert, irgendwas zu studieren. Er ist alles andere als blöd, hatte ein super Abi, aber es ging einfach nicht, weil er mit dem selbstverantworteten Lernen nicht klarkam. Dann hat er ne Ausbildung zum Schreiner gemacht, Abschluss mit Fanfare, jetzt superglücklich im Beruf. Nicht jeder ist fürs Studium gemacht. Und es gibt auch einfach Leute, deren Talente im Anpacken liegen. Da muss mMn mehr Werbung für praktische Berufe gemacht werden. Es gibt ja auch genug Jobs, die eben nicht nur aus Dreck und Lärm bestehen, sondern durchaus vielseitig und auch intellektuell anspruchsvoll sind, gerade wenn man in Richtung Meister und eigener Betrieb geht. Viele Schüler denken, sie müssen studieren, um irgendeine Chance auf Wohlstand zu haben. Wobei wir da im Alltag schon versuchen, Werbung für Berufe abseits der Uni zu machen.
 

Gustavo

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"Das System" etwas kennenlernen, insbesondere Bereiche, die normal am Gymnasium wenig beleuchtet werden. Wie gesagt, wäre länger es auszuführen und eher auf Nahfeldempirie begründet. Es gibt dutzende Maßnahmen, die besser geeignet wären und zielgerichteter wären als das stumpfe "ein Jahr Zivi/Wehr".

Geht vielleicht etwas vom Thema selbst weg, aber jedes Mal wenn irgendwer wieder den Freiwilligendienst ins Gespräch bringt und das als Argument kommt denke ich mir dass es eigentlich seltsam ist, wie wenig wir als Gesellschaft tun, um jungen Menschen bei ihren Entscheidungen bzgl. Jobwahl zu helfen.

Mittlerweile ist ja fast jedem klar, dass wir auf Dauer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung haben werden als früher, also tut die Politik alles Mögliche, um Anreize zu schaffen, früher ins Erwerbsleben einzusteigen. Ich frage mich immer ob es nicht mindestens so sinnvoll wäre, Jugendlichen bessere Entscheidungshilfen zu geben als wir es momentan tun. Unser Bildungssystem fokussiert fast komplett auf Eignung und sortiert früh in Kinder, die studieren können und solche, denen wir das nicht zutrauen*. Natürlich ist es auch wichtig zu wissen, ob jemand überhaupt geeignet ist einen bestimmten Beruf zu machen oder nicht, aber fast jeder ist auf einem bestimmten Qualifikationsniveau für sehr, sehr viele unterschiedliche Jobs geeignet und darüber wird imho wenig geredet. Die ganzen Debatten drehen sich im wesentlichem darum, WELCHES Qualifikationsniveau das richtige ist, wobei die eine Seite sagt(e) dass wir zu viele Schüler zu früh aussieben und die andere Seite sagt dass wir (mittlerweile) zu viele Leute Abitur machen lassen, aber niemand schert sich wirklich darum, welche Ausbildung sich junge Leute innerhalb des jeweils erreichten Qualifikationsniveaus aussuchen.

Ich wette wenn wir nur ein bisschen besser darin wären Leute in die Ausbildungen oder die Studiengänge zu bringen, die zu ihren intrinsischen Vorlieben passen, hätte man alleine dadurch eine etwas zufriederene, höher motivierte Arbeiterschaft. Ich glaube natürlich auch nicht dass man mit irgendeiner Zielsicherheit voraussagen kann, wenn jemand 16 oder 18 ist, was denjenigen mit 46 oder 48 beruflich motivieren wird, aber ich würde auch wetten mehr Informationen würden zumindest marginal einen Unterschied machen. Aber momentan überlassen wir das mehr oder weniger dem Zufall, was mir irgendwie komisch vorkommt.



*wobei wir diese Trennung in den letzten Jahrzehnten dann deutlich aufgeweicht haben
 
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Ich versteh auch nicht, warum man jungen Leuten mit dieser Entscheidung regelmäßig so allein lässt. Imo sollte es selbstverständlich sein, dass jeder Schüler mindestens einmal ausführlich seine Fähigkeiten und Interessen analysieren und sich dann zu möglichen Karrierewegen professionell beraten lassen kann.
Es hilft imo auch nicht, dass sich viele bereits für ein Studienfach entscheiden müssen, bevor sie die Uni überhaupt mal von innen gesehen haben. Ein System ähnlich dem angloamerikanischen, wo man erstmal an der Uni ankommt und sich dann im Verlauf des Studiums spezialisiert, scheint mir da deutlich sinnvoller.

Wir haben da ja neulich (leicht angetrunken evtl.) drüber geredet, ich denke auch, dass "das Handwerk" in irgendeiner Form einen Boost braucht. Nahfeldempirie: Mein jüngster Neffe hat 2x probiert, irgendwas zu studieren. Er ist alles andere als blöd, hatte ein super Abi, aber es ging einfach nicht, weil er mit dem selbstverantworteten Lernen nicht klarkam. Dann hat er ne Ausbildung zum Schreiner gemacht, Abschluss mit Fanfare, jetzt superglücklich im Beruf. Nicht jeder ist fürs Studium gemacht. Und es gibt auch einfach Leute, deren Talente im Anpacken liegen.
Ich kann dem Beispiel nicht so viel abgewinnen. Ob jemand gut mit dem selbständigen Lernen an der Uni klarkommt oder die nötigen intellektuellen Fähigkeiten hat, sind imo zwei ziemlich separate Kapazitäten, die nur sehr bedingt miteinander zu tun haben. Unsere Unis versagen auch einfach systematisch darin, die Jugendlichen dort abzuholen, wie die meisten ihr Studium beginnen. Das hat imo in der Regel wenig mit persönlichem Versagen oder gar fehlender intellektueller Eignung zu tun.
Es ist jetzt auch nicht so, dass man für Berufe, die ein Studium voraussetzen, zwingend eigenständiger sein muss als für Ausbildungsberufe. Meiner Erfahrung nach ist das Studium für viele in Sachen Selbstorganisation, Disziplin, Arbeitsmotivation usw. eine deutlich größere Herausforderung als das anschließende Berufsleben - was zweifellos auch daran liegen mag, dass einem vieles mit dem Alter leichter fällt.

Das gesagt, glaube ich absolut daran, dass es viele mittelmäßige Akademiker gibt, an denen sehr gute Handwerker verloren gegangen sind. Ich glaube allerdings mittlerweile nicht mehr daran, dass es uns gelingen wird, die klassische Berufsausbildung wieder attraktiv genug zu machen, um diesem Mangel abzuhelfen.
Darum sollte man imo in vielen Bereichen die Berufsausbildung akademisieren. Viele klassische Ausbildungsberufe sind heute noch viel komplexer als früher und es wird auch in Zukunft so sein, dass es - im Zweifel allein aus Statusgründen - für viele Abiturienten weniger eine Option sein wird eine klassische Berufsausbildung zu ergreifen als sein Studium, auch wenn die zu einer sehr vergleichbaren Tätigkeit führen.
Wir täten hier einfach gut daran, uns dem internationalen Trend anzuschließen, statt uns dauerhaft was auf unser tolles duales System einzubilden, während wir in vielen Bereichen chronischen Fachkräftemangel haben.
 
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Ich versteh auch nicht, warum man jungen Leuten mit dieser Entscheidung regelmäßig so allein lässt. Imo sollte es selbstverständlich sein, dass jeder Schüler mindestens einmal ausführlich seine Fähigkeiten und Interessen analysieren und sich dann zu möglichen Karrierewegen professionell beraten lassen kann.
Es hilft imo auch nicht, dass sich viele bereits für ein Studienfach entscheiden müssen, bevor sie die Uni überhaupt mal von innen gesehen haben. Ein System ähnlich dem angloamerikanischen, wo man erstmal an der Uni ankommt und sich dann im Verlauf des Studiums spezialisiert, scheint mir da deutlich sinnvoller.


Ich kann dem Beispiel nicht so viel abgewinnen. Ob jemand gut mit dem selbständigen Lernen an der Uni klarkommt oder die nötigen intellektuellen Fähigkeiten hat, sind imo zwei ziemlich separate Kapazitäten, die nur sehr bedingt miteinander zu tun haben. Unsere Unis versagen auch einfach systematisch darin, die Jugendlichen dort abzuholen, wie die meisten ihr Studium beginnen. Das hat imo in der Regel wenig mit persönlichem Versagen oder gar fehlender intellektueller Eignung zu tun.
Es ist jetzt auch nicht so, dass man für Berufe, die ein Studium voraussetzen, zwingend eigenständiger sein muss als für Ausbildungsberufe. Meiner Erfahrung nach ist das Studium für viele in Sachen Selbstorganisation, Disziplin, Arbeitsmotivation usw. eine deutlich größere Herausforderung als das anschließende Berufsleben - was zweifellos auch daran liegen mag, dass einem vieles mit dem Alter leichter fällt.

Das gesagt, glaube ich absolut daran, dass es viele mittelmäßige Akademiker gibt, an denen sehr gute Handwerker verloren gegangen sind. Ich glaube allerdings mittlerweile nicht mehr daran, dass es uns gelingen wird, die klassische Berufsausbildung wieder attraktiv genug zu machen, um diesem Mangel abzuhelfen.
Darum sollte man imo in vielen Bereichen die Berufsausbildung akademisieren. Viele klassische Ausbildungsberufe sind heute noch viel komplexer als früher und es wird auch in Zukunft so sein, dass es - im Zweifel allein aus Statusgründen - für viele Abiturienten weniger eine Option sein wird eine klassische Berufsausbildung zu ergreifen als sein Studium, auch wenn die zu einer sehr vergleichbaren Tätigkeit führen.
Wir täten hier einfach gut daran, uns dem internationalen Trend anzuschließen, statt uns dauerhaft was auf unser tolles duales System einzubilden, während wir in vielen Bereichen chronischen Fachkräftemangel haben.
wenn Leute nicht selbstständig lernen können, sollten sie auch nicht an die Uni gehen, sondern an die FH gehen oder duales Studium machen. Oder eine der anderen x Alternativen, die viel verschulter sind.

Zwischen Akademiker und Handwerker sollte es auch noch genug Zwischenstufen geben,

Sonst Beratung etc., in BaWü zumindest gab es das, als ich in der Mittelstufe war, schon.
wird in anderen Bundesländern hoffentlich nicht viel anders sein.
 
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Imo sollte es selbstverständlich sein, dass jeder Schüler mindestens einmal ausführlich seine Fähigkeiten und Interessen analysieren und sich dann zu möglichen Karrierewegen professionell beraten lassen kann.
Keine Ahnung wie das in anderen Bundesländern gehandhabt wird, aber bei uns in S.-H. gibt es, soweit ich informiert bin, in jeder Gemeinschaftsschule (Abschlüsse nach 9 mit ESA, nach 10 mit MSA), in denen ja nicht primär aufs Abitur hingearbeitet wird, Berufsorientierung inkl. individueller Beratung. Dazu haben die Schulen auch viele unterschiedliche Projekte laufen. Bei uns in der Stadt sind zwei Praktika in Klasse 8 & 9 verpflichtend. Jedenfalls war das an allen Einsatzorten von mir bisher so. Darüber hinaus haben wir sog. "Werkstatttage" in Klasse 8, in Klasse 7 Stärken- und Schwächenanalyse mit Profis, die dann auch Tipps geben, in welche Richtung es gehen könnte. Standardbesuch im BIZ (Berufs- & Informationszentrum) in Klasse 9 - Hier kann ich nicht sagen, ob das immer noch so gut/schlecht ist wie damals in meiner Schulzeit.

Es schiebt einige an, aber keineswegs die Mehrheit. Aus langjähriger Erfahrung und immer wieder eingeholtem Feedback ist ein Grund für mich ersichtlich: Die meisten Jugendlichen wollen ihre Jugend genießen. An meiner jetzigen Schule, von der ich echt nicht mehr weg möchte, da vernünftiges Klientel, coole Eltern, sehr geiles Kollegium und progressive, sehr gute Schulleitung, geht es den meisten Kindern vom Elternhaus sehr gut, wie vermutlich an den Gymnasien auch.
D.h. es besteht keine finanzielle Not sofort in den Beruf zu gehen und Geld zu verdienen. Mir ging es damals genauso. Es war klar: Ich mache Abi und dann wird geschaut wohin die Reise geht. Ich hätte zwar auch irgendwo eine Ausbildung gemacht, wenn ich es nicht gebacken bekommen hätte, aber das stand eig. wirklich nie real zur Diskussion. Viele schielen daher auf die weiterführende Schule; es schaffen nicht alle und etliche gehen in ausbildungsvorbereitende Maßnahmen oder irgendwelche anderen schulischen Wege (gibt da aktuell vieles und ich blicke selbst nicht mehr durch was da alles angeboten wird). Direkt in eine Ausbildung geht kaum einer der Abgänger der 10. Klasse, was für Realschüler damals ja eig. eher der Standard war.

S.o., auf Rückfrage antworten die meisten, dass sie noch keinen Bock voll zu arbeiten, wohingegen ein Nebenjob völlig ok ist, um etwas mehr als Taschengeld im Portemonnaie zu haben. Edit: Ich kann es ihnen nicht verübeln.
 

GeckoVOD

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Wäre es dann nicht sinnvoller nen stärkeren Anreiz für die Freiwilligkeit zu setzen? Vielleicht doch bißchen mehr Geld oder Wartesemester beim Dienst doppelt zählen.

Geht vielleicht etwas vom Thema selbst weg, aber jedes Mal wenn irgendwer wieder den Freiwilligendienst ins Gespräch bringt und das als Argument kommt denke ich mir dass es eigentlich seltsam ist, wie wenig wir als Gesellschaft tun, um jungen Menschen bei ihren Entscheidungen bzgl. Jobwahl zu helfen.
[...]Unser Bildungssystem fokussiert fast komplett auf Eignung und sortiert früh in Kinder, die studieren können und solche, denen wir das nicht zutrauen*

Ich versteh auch nicht, warum man jungen Leuten mit dieser Entscheidung regelmäßig so allein lässt. [...]

Mal die fetten Teile hervorgehoben. Erstmal eine dicke Raute: Das deutsche System sortiert früh und zwar am ersten Übergang zwischen Grundschule zu weiterführender Schule. Historisch gesehen hat sich daran nichts geändert, erst am Übergang zwischen Schule und "Erwerbsleben". Historisch betrachtet sollte man sich vor Augen führen, dass von Volks-/Haupt-/Mittelschule und Realschule früher mal 60-70% Abgänger waren, mittlerweile dürfte sich die Zahl doch krass verändert haben. Hinzu kam, und das würde ich nicht unterschätzen, der Wegfall der Mauer und deren Schulsystem, das mit der BRD nicht unbedingt kongruent war.
Daher primär die zweite Einfettung adressierend: Ob es nur die jungen Leute sind, die so alleine dastehen, wage ich zu bezweifeln. Über die Jahre, insbesondere seit den 90ern, wurde suggeriert, man müsse studieren, da - insert Bullshitbingo*. Deswegen sehe ich Aussagen wie diese schwierig:

Darum sollte man imo in vielen Bereichen die Berufsausbildung akademisieren. Viele klassische Ausbildungsberufe sind heute noch viel komplexer [...] -> hier bewusst abgeschnitten, der Teil mit Status meint was anderes

Natürlich werden Jobs komplexer, aber ich sehe nicht warum das akademisiert werden müsste, oder was genau da vermittelt wird. Akademisch hieße für mich im Bildungskontext man würde vermehrt Fachwissen vermitteln in einem Rahmen der auf mehr Selbstständigkeit als im klassischen Schulsystem setzt. Wo genau hilft das nun? Die Praxis hat mir gezeigt, dass das betriebliche Spezialwissen komplexer wird, da neue Technologien dynamisch eingesetzt werden müssten, die Basis aber sehr wohl die "Alte" ist. Ergo geht es mehr um Softskills, bspw. das Anwenden von Transferleistungen, die Diversität des Berufsalltags wird man in keinem Unterricht abbilden können (und das sollen ja auch die Betriebe ergänzend leisten). Andere Didaktik kann und sollte sowieso Einzug in die Schule finden.
Aber nochmal einen Schritt zurück, das Sieben von früh an ist tödlich, da hier viel vermittelt wird, das ich nicht nachvollziehen kann. Der Druck beim ersten und bei späteren Bildungsentscheidungen ist sehr hoch, aber ohne, dass es konkrete Notwendigkeit gäbe. Gustavo sagte es bereits, selbst ein mittelmäßiger Hauptschulabsolvent kann später durchaus noch studieren, wenn es denn nötig wäre. Das System gibt es her. Die Realität ist allerdings ein Run auf Zertifikate (erst Abitur, dann mindestens Bachelor), ohne Sinn und Verstand. Die Message aus dem Finanz- und Industriesektor ist krank, da wird meist mindestens eine exzellente mittlere Reife gefordert, obwohl das Wissen da ist, dass es die Leute nicht juckt, denn die versuchen dann via FOS/BOS erstmal einen draufzusetzen. Der Bodensatz wird ins Handwerk gedrückt und gesamtgesellschaftlich als solcher bezeichnet; sieht man schon am Begriff "Mittelschule", um ja nicht zu diskriminieren.
Für die Kinder selbst ist es eine Diaspora, der Fokus liegt auf Note, da Note = Zertifikat - denn das wird durch "den Arbeitsmarkt (tm)", die Eltern, die Lehrer und der ARGE vermittelt. Es geht weniger um die berufliche Dimension der "Berufung".
Ich sehe gerade, einige merken es an: Praktika würden helfen, gibt es aber flächendeckend sehr wenige innerhalb des Schulsystems, eher später. Wer nur im Schulsystem ist und Eltern hat, die das System nicht in Fülle verstehen, der wird die Chancen außenrum nicht wahrnehmen können - wie auch? Was ich teilweise real als "Beratung" von Kammern / ARGE erlebte ist grottig. 0815 Besuch im BIZ, das Vorlesen der offenen Stellen, das war's und das kann es nicht sein. Theoretisch sollte man da stärkere Services an den Schulen für die Schüler und Eltern anbieten.

Edit: Ich kenne Schul(Systeme) die Praktika verpflichtend machen, das wäre schon mal viel wert. Auch bevor man diverse Studiengänge angeht, gerade die Massendinge (wie BWL/Lehramt/"irgendwas soziales wie Soziologie"/"irgendwas mit Medien"), wären 6 Monate in irgendeinem Job außerhalb des Handels/Industrie cool (da # an Benrath, wenn ich es richtig verstanden habe). Daher empfinde ich das, was Benrath vorschlug, schon als zweckführend. Auch soziale Einrichtung können sehr viel Spaß machen, zumindest die Klienten und die Kollegen, das Umfeld eher weniger, aber das ist wieder was anderes.
Außer an diesem Punkt hat die "verpflichtende Tätigkeit" im Sinne des Wehrersatzdienstes keine Angriffsmöglichkeit und selbst die ist beschränkt. Daher ja: Die Idee zwingt manche Leute in ein System, das sie nicht kennen, aber eventuell sehr gut finden. Und es öffnet auch die Augen für Missstände, die man so nicht wahrnimmt. Es besteht die vage Hoffnung, dass man da an Gesellschaftsschichten herankommt, die in einer eigenen Realität leben. Wer mal 2-3 Monate in einem sozialen Betrieb eingespannt war, trifft eventuell andere Entscheidungen als nur "Klatschen am Fenster" und überdenkt den eigenen Standpunkt.
Aber das war es auch schon und das meiste wird pure Hoffnung sein, mein Vertrauen in die Menschheit ist recht gering, was das angeht. Ich erwarte eher, dass es als Entschuldigung genutzt wird, man hat ja immerhin 3 Monate Hintern abgewischt und so.

Führt mich zudem zu der krassen Ungleichheit der Ausbildungsmodalität mancher Berufsfelder.
Handwerk & Förderung: Ich find's krass wie viel auf dem Papier möglich ist da Leute in der Ausbildung zu unterstützen. In der Realität gibt's dann nicht genug Personal, weil man lieber die Großbetriebe ausstattet und die dort ein besseres Setting haben. Ja, ne, is klar, dann lieber gar nicht erst versuchen und den AG aus dem Handwerk anders beraten. Alles schon erlebt. Es ist echt krass, wie selbst "Beratugnsexperten" unbewusst über das Handwerk reden.
Sozial & Pflege: Man erkläre mir, warum es in sozialen und Pflegeberufen förderalistische Lehr- und Prüfungsmodalitäten geben kann, wenn nach Abschluss JEDER Arbeitgeber auf die Landesrichtlinie scheißt? Warum zur Hölle müssen die Kackausbildungen selbst bezahlt werden? Wie können die Schulen teilweise als .e.V. oder gGmbH organisiert sein und sich als privatwirtschaftend verstehen? Warum gibt es gerade für diese Schulen kein zweckgebundes QM, wenn es schon so laissez-faire organisiert ist? warum wissen diese Nulpenschulen nichts über Fördermöglichkeiten, wenn sie den Schülern schon Geld abknüpfen? Wie können Praktika in diesen Bereichen immer noch Arbeitsrecht und Bezahlung ausweichen, wenn sie es nur mögen? Und warum zur Hölle vermittelt die ARGE da nur so zaghaft, statt pro RD 4-5 Angestellte nur für solche Aufgaben ranzusetzen? Naja, lieber mal der Automotive-Kette Geld in den Rachen werfen, die sind ja "der Markt (c)" - aber Pflichtaus- und Weiterbildungen in der Pflege? Macht sicher der Träger oder halt die Privatperson.

Und genau hier bin ich wieder am Punkt: Bloß nicht wieder mit der Zivi-Scheiße anfangen. Ich kenne jetzt schon dutzende Azubis, die in dem Zwangspraktikum einen Totmannschalter in die Hand bekommen und grob in die Geschlossene für "erste Gehversuche" geschickt werden. Was zur Hölle, warum tut man sich das freiwillig an? Wo ist da das QM der Arbeitssicherheit? 8[
Hier wären Reformen so dringend nötig, mal schauen, ob man das noch zu Lebzeiten erleben wird. Sicher ist, wenn man wieder so Stopfsysteme wie den Zivildienst anfängt, dann dreht sich da aus Mangel an Notwendigkeit sicher nichts, bis der Zivildienst wieder weg ist. Und selbst da ist das Leid wohl noch nicht groß genug.
 
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Natürlich werden Jobs komplexer, aber ich sehe nicht warum das akademisiert werden müsste, oder was genau da vermittelt wird. Akademisch hieße für mich im Bildungskontext man würde vermehrt Fachwissen vermitteln in einem Rahmen der auf mehr Selbstständigkeit als im klassischen Schulsystem setzt. Wo genau hilft das nun? Die Praxis hat mir gezeigt, dass das betriebliche Spezialwissen komplexer wird, da neue Technologien dynamisch eingesetzt werden müssten, die Basis aber sehr wohl die "Alte" ist. Ergo geht es mehr um Softskills, bspw. das Anwenden von Transferleistungen, die Diversität des Berufsalltags wird man in keinem Unterricht abbilden können (und das sollen ja auch die Betriebe ergänzend leisten). Andere Didaktik kann und sollte sowieso Einzug in die Schule finden.
Ich kenne mich null damit aus, inwiefern sich die inhaltliche Anforderungen in solchen Fächern geändert haben. Ich kriege nur mit, dass wir viele Berufe durch die Ausbildung abdecken, die in vielen anderen Industriestaaten akademisiert sind, dass wir gerade in solchen Berufen oft an Fachkräftemangel leiden und dass viele dieser Berufe in den Augen unserer Gesellschaft nicht den Status haben, den sie verdienen.
Du beschreibst zutreffend, dass Status und Zertifikate Menschen wichtig sind. Und ich glaube einfach, dass wir die Ausbildung, das Handwerk, den sozialen Beruf usw. noch so anpreisen können: Gerade für Abiturienten, von denen es immer mehr gibt und von denen wir letztlich auch mehr in solchen Berufen wollen, wird es einfach attraktiver sein einen praktisch ausgerichteten Bachelor in frühkindlicher Pädagogik zu machen als eine Ausbildung zur Kindergärtnerin oder die Qualifikation zur Pflegefachkraft im Rahmen eines Studiums, statt einer Ausbildung zu erwerben.
Ich sehe einfach nicht, warum wir hier weiter auf unser althergebrachtes System setzen sollten, das international eher ein Sonderweg ist und uns offenbar praktisch kaum Vorteile bringt.



wenn Leute nicht selbstständig lernen können, sollten sie auch nicht an die Uni gehen, sondern an die FH gehen oder duales Studium machen. Oder eine der anderen x Alternativen, die viel verschulter sind.
Ob man es jetzt Universität oder FH nennt, ist Kosmetik. Es ändert nichs am Kernproblem: Wenn ein System, das im Wesentlichen aus einer Zeit stammt, als vielleicht zwei Prozent eines Jahrgangs an die Uni kamen, nicht für die 50, 60 oder 70 Prozent funktioniert, die man gern akademisch qualifizieren möchte, dann bringt es wenig zu sagen, dass die halt alle nicht reif für die Uni sind. Es schadet diesen jungen Leuten, unserer Gesellschaft und unserem Staat, wenn wir aus Borniertheit so viel Potential liegen lassen.
Ich habe als Tutor und Übungsleiter fast 10 Jahre lang ein Fach unterrichtet, bei dem in der Regel mehr als die Hälfte der Studierenden das Handtuch wirft, der Rest teils deutlich länger als die Regelstudienzeit studiert und selbst alle Übrigen das Fach oft deutlich weniger gut durchdrungen haben, als man anhand der Noten vermuten könnte. Das hat sicherlich auch fachlich-inhaltliche Gründe und mag bei einigen auch an fehlender persönlicher Eignung liegen. Im Großen und Ganzen liegt es imo aber häufig an einem System, das nicht ernsthaft darauf ausgerichtet ist, die Leute abzuholen und das Beste aus ihnen herauszuholen. Wenn ich Kollegen aus UK/USA davon berichte, dass mal wieder 80 von 120 durch die erste Klausur gefallen sind, schlagen die die Hände über dem Kopf zusammen, weil das bei denen Anlass für ne Krisensitzung wäre - bei uns ist es normal.
 

Scorn4

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Ich habe als Tutor und Übungsleiter fast 10 Jahre lang ein Fach unterrichtet, bei dem in der Regel mehr als die Hälfte der Studierenden das Handtuch wirft, der Rest teils deutlich länger als die Regelstudienzeit studiert und selbst alle Übrigen das Fach oft deutlich weniger gut durchdrungen haben, als man anhand der Noten vermuten könnte. Das hat sicherlich auch fachlich-inhaltliche Gründe und mag bei einigen auch an fehlender persönlicher Eignung liegen. Im Großen und Ganzen liegt es imo aber häufig an einem System, das nicht ernsthaft darauf ausgerichtet ist, die Leute abzuholen und das Beste aus ihnen herauszuholen. Wenn ich Kollegen aus UK/USA davon berichte, dass mal wieder 80 von 120 durch die erste Klausur gefallen sind, schlagen die die Hände über dem Kopf zusammen, weil das bei denen Anlass für ne Krisensitzung wäre - bei uns ist es normal.
OK, krass. Das mag aber auch daran liegen, dass nicht alle Studiengänge (ka wie das bei dir war) so konzipiert wurden, dass man sie tatsächlixh in der Regelstudienzeit durchziehen könne. Ich erinnere mich an Schlüsselkurse in den Geisteswissenschaften, die aufgrund des hohen Studentenaufkommens nicht belegt werden konnten, da die maximale Teilnehmerzahl bei 20 lag und es halt nur einen gab. Oder Physik an meiner Uni, wo in der Einführungsveranstaltung deutlich gesagt wurde: trennt euch von der Einbildung, ihr könntet das hier in 9 Semestern durchziehen.
Das waren andere Zeiten, afaik hat das Bachelor-Master-System das geändert; nicht sofort, aber schließlich dann doch:

Was die Leute in den USA anders tun, ist, dass alles an den individuellen Erfolg jedes Studenten gelegt wird. Die Kurse sind klein, Dozenten liegt jeder Student am Herzen. Das liegt daran, dass das Studium da scheisse teuer ist und jeder Student richtig Geld in die Uni bringt. Ich habe das ein Jahr lang erleben dürfen, an der UFL, und das war echt geil. Dafür aber mit einer Mio. Dollar Schulden oder so das Studium abszuschließen ist das dann aber doch nicht wert.
Und was die Durchfallraten angeht - zur Not winkt man Studenten einfach durch. Ein Professor kam mal zu mir und meinte, naja der Student hätte halt Freude an den sozialen Angeboten auf dem Campus gefunden, möchte sich jetzt nun aber trotzdem mehr seinen akademischen Leistungen widmen. Könnte ich aus seinen 50% nicht doch so 70% machen?
Das Durchwinken gibt es noch krasser in China. Die akademischen Leistungen können grottig schlecht sein, ja unterirdischer Mangel an jeder Kompetenz führt nicht zum Misserfolg. Es gibt nur zwei Wege, die zum erfolgreichen Scheitern des Studiums führen: Versagen im Sporttest und Versagen in politischer Bildung. Mathestudenten, die kein Mathe können oder Sprachstudenten, die die Sprache nicht beherrschen bekommen alle ihren Abschluss in der Regelstudienzeit, selbst wenn sie im Unterricht schlafen oder gar nicht da sind.

Als jemand, der die Wehrpflicht selbst abgeleistet hat - dadurch bin ich kein besserer oder schlechterer Student geworden. Das hat mir nicht bei der Wahl des Studiums oder meiner Jobwahl geholfen. Ich bin noch nichtmal ein besonders toller Soldat geworden. Mit dem G36 ein statisches Ziel treffen ging wohl ganz gut, aber die 30 oder 40 Schuss, die ich in 9 Monaten maximal abgegeben habe, hätten jetzt nicht geholfen, echte Kämpfe zu überleben.
Junge Leute jetzt heranzuziehen und sie zu quasikostenloser Arbeit zu verpflichten, und dafür die Wehrpflicht als Scheinbegründung hochzuhalten ist kacke. Ersteinmal gehört Arbeit anständig bezahlt, das bezieht Krankenpflege, Behi9ndertenbetreuung und Altenversorgung mit ein. Das sind keine Lulujobs. Wer darauf Bock hat, soll erst eine gescheite Ausbildung bekommen und danach eine gescheite Bezhalung für seine gescheite Leistung. Irgendeinen unausgildeten Zivi zu nehmen, nur weil er als Fronarbeiter billig ist, ist schlecht für den Zivi, den Kranken/Behinderten/Alten und für Fachkräfte mit Ausbildung.
Das ist jetzt auch keine neue DIskussion. Merz hat das damals schon versucht, und genau die Diskussion hat ihm damals politisch das Genick gebrochen.
 

GeckoVOD

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Ich kenne mich null damit aus, inwiefern sich die inhaltliche Anforderungen in solchen Fächern geändert haben. Ich kriege nur mit, dass wir viele Berufe durch die Ausbildung abdecken, die in vielen anderen Industriestaaten akademisiert sind, dass wir gerade in solchen Berufen oft an Fachkräftemangel leiden und dass viele dieser Berufe in den Augen unserer Gesellschaft nicht den Status haben, den sie verdienen.
Du beschreibst zutreffend, dass Status und Zertifikate Menschen wichtig sind. Und ich glaube einfach, dass wir die Ausbildung, das Handwerk, den sozialen Beruf usw. noch so anpreisen können: Gerade für Abiturienten, von denen es immer mehr gibt und von denen wir letztlich auch mehr in solchen Berufen wollen, wird es einfach attraktiver sein einen praktisch ausgerichteten Bachelor in frühkindlicher Pädagogik zu machen als eine Ausbildung zur Kindergärtnerin oder die Qualifikation zur Pflegefachkraft im Rahmen eines Studiums, statt einer Ausbildung zu erwerben.
Ich sehe einfach nicht, warum wir hier weiter auf unser althergebrachtes System setzen sollten, das international eher ein Sonderweg ist und uns offenbar praktisch kaum Vorteile bringt.
Von hinten nach vorn: Das duale System ist besonders für Handel und Industrie sehr gut und ich würde daran nichts ändern, denn deine Akademisierung bringt in den Bereichen wenig Vorteil, statt noch mehr Leute in einem ersten Schritt in das Gymnasium zu drücken und in einem zweiten dann in die Universität / FH. Wie oben beschrieben hat das duale System schon seine Stärken, u.a. das fachspezifisches Wissen im Betriebsalltag deutlich praktischer erlernt wird und auf den Einsatz angepasst wird. Für die Betriebe ist das sowieso ein großes Plus, weil man diverses nicht erst noch anlernen muss. Im Gegensatz zu anderen Wohlfahrtsstaaten hat eine deutsche Ausbildung schon einen hohen (vllt. den höchsten) internationalen Stellenwert, zumindest wäre mir niemand bekannt, der nicht sofort woanders mit dem Wisch im eigenen Arbeitsbereich hätte Fuß fassen können. Und da hatten wir in der Kammer einige. Ich gebe dir insofern recht, als das die paar tausend Berufsausbildungen sehr mit der Digitalisierung zu kämpfen haben, dort ständig die Lehrpläne, das Lehrpersonal und das Equipment auf Höhe zu halten ist extrem schwer. Und hier sehe ich wirklich viel Raum für Kritik an dem Kammer- und Verbandssystem, sowie der Hin- und Herschieberei von Verantwortung mit Ministerien. Aber das wiederum ist ein ganz anderes Thema.
Für Führungsvorbereitung etc. sind auch die Meister und Fachwirte wirklich nicht verkehrt, man lernt das Wesentliche und gut ist. Warum die plötzlich "Verakademisiert" wurden - keinen Peil, der zugehörige DQR ist auch ein Witz sondersgleichen. An der Stelle breche ich ab, Handel/Industrie haben den Karren selbstständig mit ihrem Mythos der Höherqualifizierung an die Wand gefahren, sollen sie selbst wieder rausziehen.

Was die sozialen und v.a. die Pflegeberufe angeht: Abhängig vom Berufsbild kann man streiten, ob es sich lohnt: Vieles davon ist Arbeit am Menschen und hat damit schon eine starke Praxislast, der hohe Bonus eines Studiums wäre daher individuell zu betrachten: hat das Studium einen so starken Vorteil in puncto Literatur- und Theoriestudium? Da können sicher andere User mehr sagen. Ich würde mal vorsichtig sagen für den ein- oder anderen Arbeitsbereich gibt es sicher einen Mehrwert, für die Masse wäre es aber im Optimalfall eher ähnlich zu der schulischen Ausbildung, nur in länger.
Insbesondere in der Altenpflege wurde das System so aufgeweicht, damit man wirklich jeden irgendwie da durchschleusen kann. Es geht hier teilweise um Helfertätigkeiten mit einer "Ausbildungs"dauer von wenigen Monaten. Was will ich das Niveau heben, wenn ich so schon keine Interessenten für die wirklichen Lücken habe? Hier vorzugaukeln ein BA der Pflege wäre erstrebenswert überzeugt doch keinen, die Gründe warum genau diese Berufsfelder nicht angesehen sind, hat mit einem formalen Bildungszertifikat rein gar nichts zu tun. Denn die Tätigkeit ist gesamtgesellschaftlich nicht schlecht angesehen (sondern das Gegenteil), eher die Arbeitsbedingungen und die Unwilligkeit der "Gesellschaft" daran etwas zu ändern. Der Vorschlag ~4 Jahre Studium für Pflegeberufe und später dann doch die Shitshow mit dem MDK / Kirchenrecht / Schichtsystem / Mehrarbeit / Personalschlüssel trotzdem zu erleben. Ne sorry, aber "Bachelor drauf und gut ist" ist keine Lösung, da braucht das Gesundheitssystem an sich eine Reform. Zumindest kenne ich keine Fachkraft in den Sektoren, die sagen würde "mit einem Bachelor würde ich mich jetzt besser fühlen!".


Um mal nicht nur zu motzen, mal konstruktive Ideen der lokalen AG über alle Ausbildungen hinweg - Ausbildung kann attraktiv beworben werden. Oben wurde ja schon geschildert, dass man den Teens verklickern kann, dass es schon mehr Geld ist, dass sie direkt haben (setzt natürlich Zahlungswilligkeit voraus) und der Azubi nicht direkt mit 40h/Woche in Schicht startet, Lernräume gebildet werden und - sollte irgendwann* der Wunsch kommen - auch ein duales Studium ermöglicht wird inklusive garantiertem Wohnheimsplatz. Sowie diversen Boni und Incentives, wie z.B. Bahncards & Regionalabo für die Öffis (was hier im strukturschwachen Raum wirklich lohnt, da Linientaxis drin sind), E-Scooter/Fahrräder und sozialen Initiativen. Mein Highlight sind die AGs, die tatsächlich dann Spezialschulungen in Zirkus- und Musikpädagogik aktiv während der Arbeitszeit fördern und entsprechende Lehrpläne mit Workshops, Ausflügen und Auftritten schmieden. Machen halt nur die wenigsten, die meisten stellen sich hin und weinen über den leeren Arbeitsmarkt, die Millenials und "die Politik". Konsequent mal die Geldbörse auf gibt's selten. Ich kann mir vorstellen, dass man hier auch mit wenig Geld mehr erreichen könnte, angefangen mit mehr Aufklärung was unser Bildungssystem bei den Arbeitsmarkteintritten bieten könnte, sowie der klaren Förderung des sozialen Sektors mit oben angesprochenen Vergünstigungen in vielerlei Hinsicht. Das würde vor allem auch mal Respekt zeigen.

*wobei auch vorgerechnet wird, dass man vllt. 3-4 Jahre später als der normale Student wäre, dafür aber ohne Schulden und ausgestattet mit viel Berufspraxis.
 

Gustavo

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Mal die fetten Teile hervorgehoben. Erstmal eine dicke Raute: Das deutsche System sortiert früh und zwar am ersten Übergang zwischen Grundschule zu weiterführender Schule. Historisch gesehen hat sich daran nichts geändert, erst am Übergang zwischen Schule und "Erwerbsleben". Historisch betrachtet sollte man sich vor Augen führen, dass von Volks-/Haupt-/Mittelschule und Realschule früher mal 60-70% Abgänger waren, mittlerweile dürfte sich die Zahl doch krass verändert haben. Hinzu kam, und das würde ich nicht unterschätzen, der Wegfall der Mauer und deren Schulsystem, das mit der BRD nicht unbedingt kongruent war.


Nur um es nochmal hervorzuheben: Ich finde alles richtig, was du zu dem Themenkomplex gesagt hast, aber das war nicht unbedingt mein Punkt. Ich persönlich sehe es auch so und es ärgert mich auch, dass Leute da mehr anhand ihrer ideologischen Vorurteile argumentieren als anhand von irgendeiner Empirie. Aber ich finde die Frage was jenseits davon passiert interessanter und sie wird imho krass unterbeleuchtet.

Die meisten hier standen ja mal vor demselben Problem: Man hat sein Abitur in der Tasche und jetzt gibt es unendlich viele Möglichkeiten, was man machen kann: Wenn man eine Ausbildung macht hat man in den meisten Fällen schon eine konkrete Berufstätigkeit vor Augen, wenn man ein Studium macht unter Umständen auch, wobei es da häufig noch etwas weniger klar ist. Aber warum sich Leute für die Ausbildung oder das Studium entscheiden, für das sie sich entscheiden, dafür könnte man ihnen viel mehr Hilfe an die Hand geben und da meine ich jetzt nicht "verpflichtende Schulpraktika" oder sowas. Imho sind Lehrer ein gutes Anschauungsbeispiel, weil wir es alle aus persönlicher Erfahrung kennen: Es gibt einfach Lehrer, die für den Beruf besser geeignet sind als andere, genau wie es sicher eine Menge Menschen gibt, die absolut das Temperament hätten, Lehrer zu sein, stattdessen aber irgendeinen anderen Beruf machen, in dem sie eigentlich unglücklich sind. Aber weil man halt nicht so einfach Lehrer wird (außer in Fächern in denen sowieso Mangel herrscht) hat man sich mit der ursprünglichen Entscheidung den Lebensweg quasi verbaut, außer man will unter enormen Strapazen später im Leben nochmal studieren.

Ich will jetzt keine Precogs die dir mit 18 ausspucken was deine perfekte Zukunft wäre oder so, aber ein bisschen mehr als "hier ist ein Studienratgeber, kannst du mal durchblättern" könnte man da schon machen. Ich wette mit ein bisschen psychologischer Forschung würde sich da einiges bzgl. der Big Five Persönlichkeitsmerkmale machen lassen, die einen für bestimmte Berufe besser/schlechter geeignet machen. Es bliebe natürlich immer noch die Entscheidung des Einzelnen, aber es könnte durchaus helfen wenn man Jugendlichen Daten an die Hand gibt, die ungefähr so aussehen: "Leute mit Vorlieben/Persönlichkeitsprofilen/Leistungen etc. entscheiden sich häufig für folgende Berufe und hier ist eine Auswertung, wie zufrieden sie mit ihrer Wahl im Alter von X Jahren sind".
 

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Nur um es nochmal hervorzuheben: Ich finde alles richtig, was du zu dem Themenkomplex gesagt hast, aber das war nicht unbedingt mein Punkt.
Ich nutze Zitate meist als Gedankenstütze, ich ging nicht davon aus, dass wir uns sehr weit voneinander bewegen. Das nur vorab.
Die meisten hier standen ja mal vor demselben Problem: Man hat sein Abitur in der Tasche und jetzt gibt es unendlich viele Möglichkeiten, was man machen kann[...]

Das ist richtig, das ging mir nicht anders und ich will nicht behaupten, ich hätte direkt gewusst, was ich will. In Retroperspektive mit deutlich mehr Berufserfahrung aus zwei Projekten, eins davon in der Bundesagentur und ein weiteres mit Schwerpunkt Berufsaus- und Weiterbildung, klingt mir "nach dem Abitur" schon zu spät - daher auch der Verweis auf die viel zu frühe Selektion. Ich könnte am Gymnasium durchaus nach der 10ten abgehen und eine solide Ausbildung mit einem komplett anderen Weg gehen, wenn das System nix für mich ist - und das ist da schon erkennbar. Das wird im Bestfall erwähnt, durchgeführt aber quasi nie. Hat aber auch viel mit dem Helikopterelterntum zu tun und dem Mindset Zertifikate > all.
Ich weiß nicht wie es heute auf Gymnasien aussieht, aber bei uns wurde so ziemlich alles verpennt, was irgendwie geholfen hätte. Tatsächlich hörte ich nie, wie eine Bewerbung / Lebenslauf aufgebaut sein sollte, geschweige denn wie man ein solches Dokument formatiert. Das bittere ist, dass wir in Klasse 11 - 13 mehrmals "Berufsorientierungen" hatten, das gestaltete sich wie folgt

- ein Typ von der Bundeswehr kam und laberte uns zu, wurde wütend und ging dann wieder
- ein Typ von der ARGE legte "das Buch (tm)" hin und sagte man könne ihn fragen, er säße dort drüben im Raum. "Das Buch (tm)" gabs zehnmal für 80 Schüler.
- Möglichkeiten für die 9 Leute des Physik-LKs die Abschlussarbeiten in einem Betrieb zu schreiben (nicht irgendeinem, es gab nur einen Betrieb)

Das war's. Im Rahmen meiner Förderprojekte hatte ich zwei Kollegen von einer Kammer, die mit Ausbildungsscouts u.ä. Berufsorientierung an den Haupt- und Realschulen machten. Was ich da durch die Lehrerschaft und die ARGE erlebte schwankte zwischen brilliant (1-2 Fälle) bis "oh gott" (mehrfach). Kurzes TL;DR: eigentlich müsste man erst recht am Gymnasium mit Coaching ab der achten oder neunten Klasse beginnen, ansonsten wird das Bild sugerriert, dass Gymnasium > Hochschule der einzige Weg wäre und sich die Schüler nie wirklich mit der Berufswelt auseinandersetzen müssten. Das ist schwierig.

Da ich ja beide Seiten so etwas kenne (als unbedarfter Idiot auf dem Gymnasium) und als Berater zu Um- und Weiterqualifizierung im Erwachsenenalter:
Ich will jetzt keine Precogs die dir mit 18 ausspucken was deine perfekte Zukunft wäre oder so, aber ein bisschen mehr als "hier ist ein Studienratgeber, kannst du mal durchblättern" könnte man da schon machen. Ich wette mit ein bisschen psychologischer Forschung würde sich da einiges bzgl. der Big Five Persönlichkeitsmerkmale machen lassen, [...]

Ich könnte seitenweise über die Agentur für Arbeit kotzen, aber sie forscht in der Richtung und gibt auch gut Geld aus. Unter anderem gibt es viele Medien und Kataloge zur Berufskunde. Um es zu verkürzen, greife ich mal "das Buch (tm)" auf - das war eines der ersten Projekte. Ein Katalog mit ca. 800 Seiten, jede Seite ist ein Beruf mit Zugängen und Erklärungen. Mittlerweile ist "das Buch" die seite BERUFENET, die tatsächlich eine unfassbar geile Ressource ist. Es gibt hintergründig auch ein riesiges Katalogsystem, die "DKZ", ein Pendant zur ISCO-88, zum ISCED und zu diesem Frankenstein der DQR. Wenn man Zugriff dazu hat (kriegt man über Umwege entweder über das IAB oder die Fachabteilung der Agentur kostenlos), kann man minimal gute Recherchen treiben, oder aber auch forschen. Nun das Grundproblem: Es gibt über 5.000 geregelte Ausbildungen (2.5-jährig bis 4.5-jährig), die halbgeregelten Helfertätigkeiten und die Aufstiegsweiterbildungen (Meister- und Fachwirte) ausgeklammert, sind aber auch in der DKZ auffindbar. Studiengänge sind das Hoheitsgebiet der HRK (aber auch in der DKZ), die nicht im Aufgabenbereich der Agentur liegen, oder nur so halb. Darüber kann kein Berufsberater der Welt einen Überblick haben, noch kann man es ohne weiteres Runterdummen, weil diverse Ausbildungen für den Laien identisch sind, weil es sich um Spezialisierungen innerhalb des Berufsbilds liegen.
Dennoch gibt es Agentur-intern sehr gute Ausbildungen zum Coaching von Jugendlichen in allen möglichen Bereichen, ich hatte selbst eine von der Zuständigen für BERUFENET (wenn auch verkürzt). Das Problem der Arbeit in der Agentur ist der Einsatzbereich und die Zeit. Durch Bankenkrise und Flüchtlinge waren zeitlichen Ressourcen knapp und auf andere Themenkomplexe als "Erstorientierung" gelegt. Du hast pro Woche ca. 40 Minuten Zeit pro Kunde für eine Beratung, mehr ist nicht drin. Dabei ist die Spannbreite extrem, von klassischer Erstorientierung, Fördermittelberatung, Integrationshilfen/Integrationsfragen, über Härtefälle (Jugendliche in Heimen, mit Behinderung, etc. pp.) bis hin zu Umqualifizierung im höheren Alter. Spezialisten gibt es, aber die sind halt ausgebucht und kümmern sich eher um Langzeitarbeitslose/Suchtkranke/Integrationsthemen. An Schulen selbst hast du ein Zeitfenster von 3-4 Tagen pro Jahr für alle Schüler. Ist nicht leistbar, da was konkretes zu vermitteln, wenn die Schule selbst keinen Zug hat und vorher nur halbarschig irgendwas labert (wenn sie das wenigstens machen würden).

In puncto Selbstlernmedien, bzw. Eigeninformation gibt es auch viele gute Ansätze, bspw. PlanetBeruf / PlanetAbi (oder so ähnlich) - die hatten (iirc auf den BigFive basierend) so ein Quiz zum Selbstverorten. Zu jedem Beruf gibt es BERUFENET mit Detailinformationen über die Ausbildung, Vergütung, Weiterbildungen nach der Ausbildung (und Anbietern + Fördermöglichkeiten), sowie Videos aus dem Berufsalltag (eigene Plattform). Der Coach hätte noch COSACH, der die Plattformen vereint und Ausbildungsbetriebe zeigt (die Software wird für die Vermittlung genutzt). Es ist schon viel da, nur wird's halt zu wenig genutzt, man weiß nichts darüber oder keiner steigt die Bedienung. Die HRK wollte Pendants für die Studienberatung schaffen, rausgekommen ist ein ellenlanger Fragebogen mit fragwürdigen Ergebnissen. Keine Ahnung ob sich da noch was bewegte.
Unterm Strich meine Erkenntnis: Bei solchen Funktionen kommt noch zu viel ungefiltert raus. Während bei uns wahrscheinlich zu wenig Informationen (in Papierform) da waren, gibt es heute zu viele (erst recht bei den "neuen" Studiengängen). Praxisbeispiel wäre das Ergebnis, dass man ein guter Kaufmann wäre, oder gut in der Produktion aufgehoben sei. Na toll, bleiben noch gut 400 mögliche Sparten pro Ergebnis. Spätestens an dem Punkt braucht man ein Coaching oder noch besser Praktika, damit man das in Verhältnis setzen kann.

Man hat so auf der einen Seite das Problem "zu viel ungefilterte Informationen", auf der anderen "zu wenige Berater" an "zu vielen möglichen Anlaufstellen".

Aus den Beobachtungen, so deucht mir zumindest, kam die nachvollziehbare Idee, man orientiert sich in Schulen "allgemein" und gibt "generelle Hinweise", die keinem so wirklich was bringen. Stattdessen werden halt regional die Arbeitgeber beraten, wie Stellen zu besetzen seien und was die ARGE leisten kann. Regionale Initiativen für die Ausbildungen sind selten und meist eher auf Migranten / Flüchtlinge / Inklusionsthemen ausgelegt; zudem braucht man regional auch eine Lobby, die das trägt. Und schon hat man Einzelmaßnahmen und adressiert die Masse nicht. Ist aber praktischer für die Mitarbeiter der Agentur und liest sich auf dem Papier toll.

Ein Umdenken aller Parteien wäre begrüßenswert, es gibt eher zu viele als zu wenige Informationen. Von dem Schema "eine elfte Klasse wird im BIZ abgeladen" muss man wegkommen - in allen Dimensionen. Was bringt es, wenn da 60-100 Schüler durch Aktenordnerberge marschieren, ohne was konkretes zu erfahren? Im Bestfall erfährt man, was man nicht will, nicht was ein Ziel sein könnte. Und wie gesagt, das auch schon spät, denn nach der elften das Gymnasium zu verlassen ist etwas hohl, wenn man sowieso schon knapp vor dem Abitur steht. Auch das Personalmarketing der Betriebe sollte anders agieren. Statt immer den Betrieb (Historie, Standort und Produkte) in einer Tod-durch-Powerpoint vorzustellen, ist es sinnvoller die Arbeit an sich zu präsentieren mit allem Außenrum - aber auf den schlauen Gedanken kommen sie selten.

Als Best-Practice habe ich die wenigen Schulen erlebt, die versucht haben Berufskunde im weitesten Sinne in den Lehrplan zu schleichen. Fachübergreifend wurden dann diverse Arbeiten erzwungen, beispielsweise in Gruppenarbeit Berufsbilder mit Ausflügen zu Partnerbetrieben "erarbeitet". Die Schüler sollten einen Beruf beschreiben, inkl. Essay, Präsentation, evtl. Video und ein erarbeitetes Produkt präsentieren - ein Praktikum in Schmalspurform. In Deutsch wurde dann der Essay und die Recherche in den Vordergrund gestellt, in den Naturwissenschaften die Theorie, in Geschichte der Hintergrund des Berufs und in Kunst halt das zu produzierende Video oder so was, abgerundet das ganze durch 1-2 Vorträge der FH vor Ort zum Thema "Zukunft des Berufs". Fand ich genial und es kam sehr gut an - wohlgemerkt so ab Stufe 8 im Gymnasium. Schüler haben so von Schülern was gehört und waren deutlich aufgeschlossener als sonst. Mündete letztlich in viel mehr Ferienjobs und freiwilligen Praktika als sonst. Gab auch mehr Dinge, wie beispielsweise die HWK, die mit ihren Kompetenzzentren Workshops veranstalten haben, wofür jede Klasse jeweils einen Tag frei bekam und auch selbst arbeiten durften.
Einer meiner Kollegen führte Workshops in den Schulen / Unis durch, bei dem es dann eher um Softskills ging und das auch im Lehrplan mit verzahnt wurde. Primär sollte "irgendwas" mit LEAN/AGIL/hybrid organisiert werden, konkret war's dann eine Kollegstufen-Feier, für die sich sogar eine Brauerei einspannen hat lassen. In einem anderen Beispiel wurde dann so ein Lego-Technik/Mindstorm-Battle organisiert, mit dem irgendein Shopfloor-Management simuliert wurde. Waren schon coole Effekte dabei.
Unterm Strich hing halt sehr viel vom Lehrkollegium und dessen Bereitschaft ab, sowie von dem Wohlwollen der Parteien außenrum. Das findet man leider selten, oder nur in Teilen (Klassiker, die Hälfte der Lehrer brennt für die Ideen, die andere Hälfte stellt sich tot).
 
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