Du sprichst mir zwar aus der Seele, aber dein Beitrag weiter oben erscheint mir zu kritisch.
Ich selbst bin mit einer herausragenden Unfähigkeit geschlagen, mich auf bestimmte Aufgaben zu konzentrieren. Ich halte das nicht für Leistungsunwilligkeit, als was es dann häufig wahrgenommen wird. Es ist beinahe verhext, man hat das Gefühl schon schizophren sein zu müssen, um den Blick so zu verengen, dass man für die Zeit der Bearbeitung wirklich nur noch dieses eine Problem sieht und sonst gar nichts.
Jedenfalls ist es kein Zustand, den ich Zeit meines Lebens je lange durchgehalten hätte. Jedoch empfinde ich das als großen Nachteil.
Denn man muss auch sehen, dass die Fähigkeit, sich bewusst zu konzentrieren eine absolut notwendige ist, um bestimmte Leistungen zu erbringen. Daran führt kein Weg vorbei.
Schlimm ist es natürlich, wenn dieser verengte Blick zur allgemeinen Lebenseinstellung geworden ist, wie es, und da gebe ich dir und aMrio vollkommen recht, leider viel zu häufig geschieht.
Ich erinnere mich da gerne an eine Fernsehsendung über die Absolventen irgendeiner Elite-Wirtschaftshochschule, die gerade dabei waren, mit fettem Einstiegsgehalt bei irgendwelchen großen Konzernen einzusteigen. Die Diskrepanz zwischen der fachlichen Kompetenz, die man diesen jungen Leuten wohl einfach mal unterstellen sollte, auf der einen und ihrer übergroßen allgemeinen Naivität auf der anderen Seite fand ich schon frappierend.
In den Interviews über ihre allgemeine Lebenssituation und ganzheitliche Aspekte ihrer Arbeit hätte man, etwas überspitzt gesagt, denken können, es mit Vorschulklässlern zu tun zu haben, die sich mit so ziemlich gar nichts im Leben beschäftigt haben, außer eben ihrer elitären Berufsausbildung.
Das fand ich in der Tat nur noch traurig...
Ich stimme dir darin zu, dass man gerade in dem Bereich mit einfachen Mitteln sehr viel tun und verbessern könnte. Leider laufen die jüngsten Reformen genau in die entgegengesetzte Richtung, indem sie die fachspezifische Fokussierung allmählich zur einzigen Aufgabe der
Universität machen und damit auch noch zur Tugend erklären.
Ich habe leider wenig Hoffnung, dass sich in dem Bereich demnächst etwas zum Guten richtet.
Menschen, die etwas anderes wollen, dem trotzen und sich irgendwie außerhalb des Systems behaupten, gab es immer und wird es auch weiterhin geben. Aber unser System züchtet solche nicht gerade heran.
Original geschrieben von final chapter
Das ist ein generelles Phänomen und hat nichts mit dem Alter zu tun. Jede Gruppe hackt auf jedem rum, ähnlich wie in Brave New World. So funktioniert unsere Gesellschaft.
Ob dieses Phänomen auch woanders auftritt, ist doch erstmal egal. Es geht darum, dass es hier besonders augenfällig und in meinen Augen auch gravierend auftritt.
Den Kleinkindern sagt man: spielt nur und wartet ab, bis ihr in die Schule kommt, dann beginnt der Ernst des Lebens. In der Schule geht das dann weiter, dass sich dieser angebliche Ernst auf die Oberschule, dann schließlich die Oberstufe und das Abitur verschiebt, wo dieses Gerede die Wenigsten noch glauben. Dann fängt man an zu studieren und es tönt: studier du nur, junger Narr, du weißt ja nicht, was das Leben ist, eh du nicht selbst im Berufsleben stehst. Tritt man dann ins Berufsleben ein, wird man vermutlich erstmal als behüteter Grünschnabel behandelt und so setzt sich das schließlich fort.
Als sei Erfahrung allein schon irgendeine Form der Vortrefflichkeit, auf die man stolz sein könne und die einen berechtige, sich über all die Jüngeren mit weniger Erfahrung zu erheben. Und die meisten Menschen glauben das, bis sie durch aufsehenerregende Gegenbeispiele eines Besseren belehrt werden, besser: belehrt werden sollten, denn diese kann man ja immernoch als Ausnahmeerscheinungen abtun.
Was mich an dieser so verbreiteten und akzeptierten Einstellung so ärgert ist nicht, dass ich sie als ungerecht empfinde, sondern vielmehr, dass sie eine Form der Ignoranz ist, die uns eine große Menge wertvollen Potentials verkennen lässt.
Und das kann eigentlich nicht im Interesse unserer Gesellschaft sein.