Wenn die Leute alle hinter Ihren Tischen sitzen und nicht den Eindruck machen als wollten sie dir die Hand geben, lass das sein. Bei den meisten Bewerbern wirkt das einfach nur aufgesetzt und dämlich.
Dann gibt es zwei grundsätzliche Fragen.
1. Wie hochwertig ist das Auswahlverfahren?
2. Was muss man mitbringen um die Stelle optimal zu besetzen?
Leider kann man auch bei Großunternehmen nicht automatisch davon ausgehen, dass sie ein vernünftiges Auswahlverfahren haben (also eines, bei dem das Ergebnis des Verfahrens gut hervorsagt, wie erfolgreich der Bewerber nach ein paar Jahren im Beruf ist). Das klassische, unstrukturierte Interview erfreut sich immer noch sowohl bei Bewerbern als auch bei den Organisationen größter Beliebtheit. Dabei ist es einfach nur
schlecht (im Wissenschafts-Jargon: Es klärt meistens nur etwa 20% Varianz des Berufserfolgs auf). Wenn du ein strukturiertes Interview kriegst (z.B. das Multimodale Interview nach Schuler, siehe Wikipedia), sind die Chancen, dass ein sehr guter Kandidat die Stelle kriegt, sehr viel höher (~50% Varianzaufklärung).
Aus 2. ergeben sich die Stärken und Schwächen, die du nennen kannst. Denke nach, was für eine Firma es ist, was für eine Position und was für eine Arbeitsumgebung. Ein im Personalbereich gutes Unternehmen (und im Weiteren gehe ich einfach mal davon aus, dass du ein vernünftiges strukturiertes Interview kriegst) gibt dir schon vor dem Interview Detailinformationen zur Stelle oder wenigstens im Interview vor den wichtigsten Bewertungen. Wenn es also eine Stelle ist, bei der Teamwork besonders wichtig ist, dann stelle das heraus, egal wie abgedroschen es in deinen Ohren klingen mag. Wenn es eine Stelle ist, in der Teamwork nicht so wichtig ist, dann kannst du es auch als Schwäche nennen (wenn es denn eine offensichtliche Schwäche von dir ist).
Dabei immer ehrlich bleiben. In strukturierten Interviews wird häufig nicht nur nach "wie würden Sie sich verhalten" gefragt, sondern "Erzählen Sie uns von einem Erlebnis im letzten Jahr, wo Sie das besonders herausstellen konnten"! Da ist es sehr viel schwerer, jemand anderem etwas vorzugaukeln. Man sollte also sowohl besonders erfolgreiche als auch besonders unerfolgreiche Situationen aus der Vergangenheit im Kopf haben.
Zu den Schwächen-Fragen: Es versteht sich von selbst, dass du da nichts nennen solltest, was offensichtlich zu den Kernkompetenzen des Jobs gehört. Und die meisten Interviewer nervt es auch, wenn sie da Dinge wie "Perfektionismus" im weiteren oder engeren ("Ich mache Dinge zu genau") Sinne hören. Es kommt vielmehr darauf an, wie du mit deiner Schwäche in der Vergangenheit umgegangen bist. Eine "starke" Schilderung ist z.B.
"Ich tendiere dazu Dinge aufzuschieben. In der Schule musste ich nie viel lernen um gut abzuschneiden - das wurde im Studium schlagartig anders, als die reine Stoff-Masse um ein Vielfaches wuchs. Weil ich das Mit-dem-Lernen-Anfangen für Prüfungen immer wieder herausgezögert habe, war zum Schluss einfach nicht mehr genug Zeit, und die Quittung habe ich in den ersten Semestern mit sehr schlechten Noten gekriegt. Danach habe ich mir detaillierte Lernpläne mit hohen, aber erreichbaren Zielen erstellt, den großen Berg in kleine Häppchen aufgeteilt. Mit meinen Strategien komme ich jetzt auch mit großen Projekten zurecht, und meine Noten sind auch sichtbar besser geworden. Trotzdem passiert es mir immer noch ab und an, dass ich etwas Zeit brauche um mich zum Anfangen zu überwinden, und deswegen will ich weiter daran arbeiten."
Klar, worauf es ankommt? Es darf gerne eine echte und gravierende Schwäche sein. Aber du solltest ebenso klar machen, dass du daran schon in der Vergangenheit gearbeitet hast und es dadurch besser geworden ist oder zumindest die Folgen nicht mehr so gravierend sind.
Abschließend noch zu den Bereichen "Soziale Erwünschtheit" und "Sympathie":
- "Soziale Erwünschtheit" nennt man Verhaltensweisen (bzw. Antworten im Interview), von denen der Bewerber glaubt, dass die Auswähler sie hören wollen. Das macht fast jeder Bewerber. Es kann erwünscht sein (weil es eine Sozialkompetenz ist zu erahnen, was dein Gegenüber hören will) oder auch unerwünscht. Und es gibt durchaus Methoden sie entweder zu unterbinden oder zu erkennen.
- Sympathie spielt beim professionellen Auswählen eine weniger bedeutende Rolle. Beim Multimodalen Interview z.B. gibt es feste Bewertungsregeln für die Bewerber-Antworten und das Ergebnis ist hinterher ein mathematisches. Um die Akzeptanz (auch auf Seiten der Auswähler) zu erhöhen, kann Sympathie als eigenständiges Bewertungsfeld eingerechnet werden, das einen im Vergleich zu den objektiven Bewertungen festen Einfluss hat. Das Ausklammern von Sympathie ist wegen
Halo-Effekt, fundamentalem
Attributionsfehler,
Gruppenpolarisation & Co. durchaus gerechtfertigt.