Ich verstehe diese Diskussion nicht so wirklich. Der Typ und seine Freundin haben m. E. alles richtig gemacht. Mal abgesehen von möglichen Selbstverteidigungsphantasien unterscheiden wir uns von dem Täter doch massiv in der zu überwindenden Hemmschwelle.
Ich habe noch nie einen Menschen mit einem Messer abgestochen und würde vermuten, dass ich selbst in so einer Extremsituation nicht zuverlässig handeln könnte. Der Typ mit der Astsäge hat aller Wahrscheinlichkeit nach bereits Gewalt erlebt und agiert auf einem völlig anderen Niveau. Im worst case geht man im 1on1 gegen den Kerl drauf und er legt die Alte auch noch um, wenn er fertig ist. Dann lieber Cops rufen und beobachten. Wenn der Typ die Frau umbringen will, kann man immer noch aktiv werden. Danach sah es aber nicht aus.
Soviel zum rationalen Standpunkt. Wenn es jemand mit seiner Männerehre nicht vereinbaren kann und den Täter frontal angreift, ist das natürlich völlig in Ordnung. Nur eben nicht besonders kluk.
Ohne diesen konkreten Fall abschließend beurteilen zu wollen ("Wir waren nicht dabei") - ich sehe durchaus kritisch, wie im Diskurs über solche Situationen der Selbstschutz zur Tugend erhoben wird. Wir täten imo besser daran, Menschen mal wieder beizubringen, das eigene Wohl nicht zu wichtig zu nehmen, wenn es darum geht, anderen zu helfen oder auch nur, die eigene Würde zu verteidigen.
Ich finde es interessant, dass du hier die Männerehre erwähnst. Die steht der Rationalität und dem Gemeinwohl oft genug entgegen, keine Frage. Trotzdem ist sie imo nicht überflüssig. Nur weil wir in einer pazifistischen und im Wesentlichen befriedeten Gesellschaft leben, muss man nicht begrüßen, dass uns die Fähigkeit zur Selbstbehauptung bei Gefahr abhanden kommt - oder das sogar fördern.
Das Gegenteil wäre imo deutlich klüger und auf lange Sicht auch rationaler im Sinne des Gemeinwohls: Jeder Einzelne möge sich ein Stück weit zuerst fragen, was denn das Richtige zu tun wäre und erst zweitens, wo ihm daraus ein Vor- oder Nachteil entsteht. Dass der Mehrzahl der Menschen diese Haltung zur zweiten Natur wird, ist doch der Zustand, den wir anstreben sollten, meinst du nicht? Der Selbstschutz dagegen ist dem Menschen angeboren und bedarf weder des öffentlichen Segens noch der institutionellen Förderung.
Um doch nochmal ne Brücke zu diesem Fall hier zu schlagen: Es ist ja wahr, dass niemand hier mit Sicherheit sagen kann, wie er sich in der Situation verhalten hätte. Aber das macht es nicht sinnlos, darüber nachzudenken, wie man sich in einer entsprechenden Situation verhalten möchte - ob man dazu dann spontan den Mut aufbringt, steht auf einem ganz andere Blatt.
Wir sollten im Übrigen auch nicht so tun, als ob es hier nur die zwei Möglichkeiten gibt, dass der Täter seinen Willen bekommt und danach beide in Ruhe lässt oder dass sie Widerstand leisten und der Täter gleich maximal eskaliert. Das ist keine rationale Abwägung von Handlungsalternativen. Wer sagt mir denn vorher, dass der Typ wirklich meine Frau und mich am Leben lässt, wenn er sie gehabt hat? Wer sagt mir, dass der wirklich seine Astsäge einsetzt, wenn wir sagen: nö, Sex gibts nur über unser beider Leichen?
Das ist alles andere als klar. Allgemein ist Vergewaltigung ein Verbrechen, bei dem Gegenwehr sehr häufig zum Abbruch der Tat führt - im Gegenzug besteht das Risiko, dass der Täter die Gewalt eskaliert. Sicher ist aber: Wenn man sich nicht wehrt, dann kommt es auf jeden Fall zur Vergewaltigung. Und wer weiß, was für psychische Wunden das Mädel davongetragen hat, ob die je wieder heilen?
In der Situation hatte sie Todesangst und hat ihren Freund gebeten, nichts zu unternehmen - so weit die Story. Ob sie sich im Nachhinein wünscht, er hätte anders gehandelt, werden wir nie erfahren.
Also ich nehme leider bisher für mich mit, dass ich solche Situationen wohl oder übel vermeiden muss.
Ich bin mit Sicherheit einem gewaltbereiten 100 Kilo Kerl mit einer Waffe nicht gewachsen, eine eigene Waffe will ich mir nicht anschaffen, auch keine Schreckschuss (die meisten Unfälle damit passieren nun mal den Kids im Haushalt und richtig weggeschlossen ist sie eben genau das, weggeschlossen wenn es drauf ankommt).
Ein Messer bringt mir auch nichts, ich glaube ich könnte nicht auf einen Menschen einstechen, da würde mir imho sogar "direkt ins Gesicht schiessen" einfacher fallen als auf jemanden einzustechen.
Du machst es dir hier imo unnötig kompliziert, indem du das ganze rein konsequentialistisch angehst. Klar kann man eine Situation so betrachten, aber derlei Abwägungen führen, wie du selbst merkst, oft ins Leere, weil man letztlich niemals genau weiß, welche Konsequenz eine Handlung hat.
Man kann das Ganze auch aus Sicht einer Pflichtethik betrachten und sich fragen: Ist es akzeptabel, dass ich tatenlos zusehe, wie meine Frau vergewaltigt wird? Wenn du die Frage mit nein beantwortest, dann weißt du, dass du was tun musst - was du dann genau tust, ergibt sich spontan aus der Situation. Die richtige Handlung wird die sein, die maximalen Schutz für deine Frau verspricht ohne Rücksicht darauf, was mit dir passiert.
Klingt lächerlich? Das hängt vom Standpunkt ab. Perspektivwechsel: Was tust du, wenn das Treppenhaus brennt, während deine Kinder im oberen Stock schlafen oder wenn dein Kind in einen Fluss stürzt, du aber nicht allzu gut schwimmen kannst? Feuerwehr/Wasserwacht anrufen und die Situation beobachten, weil Safety first und so?