Das Beispiel Landwirtschaft zeigt recht gut, wieso solche Aussagen einfach viel zu kurz sind.
Menschen haben angefangen mit rudimentären Werkzeugen wie Faustkeilen und später Hacken Landwirtschaft zu betreiben. Irgendwann wurde der Pflug erfunden und zack befinden wir uns im 21. Jahrhundert mit 5G Treckern die autonom riesige Flächen selbstständig abarbeiten können. Das dazwischen mehrere tausend Jahre an Fortschritt passiert sind, wird dann irgendwie außen vor gelassen. Dazu kommt, dass die ersetzte Arbeitskraft zum einem gewissen Teil an der Herstellung und Unterhalt der Betriebsmittel beteiligt werden musste.
Man braucht eben nicht mehr einfache Bauern mit Hacken, sondern Viehhirten für das Zugespann, Holzfäller, Bergarbeiter, Schmiede etc. pp..
Und um den Sprung mal in die heutige Zeit zu machen, was meinst Du, wieviel Arbeitskraft brauchst Du, um einen 5G Trecker am laufen zu haben? Du musst die komplette Wertschöpfung des Treckers (Rohstoffe, Zwischenprodukte, Endfertigung), den Unterhalt (Treibstoff, Ersatzteile, Reparaturen) und die Infrastruktur (Mobildfunknetz, IT Systemlandschaft, etc pp.) abbilden. Die Menschen sind doch nicht arbeitslos, sondern es bilden sich neue Wirtschaftszweige, die erstmal menschliche Arbeitskraft voraussetzen und erst mit der Zeit durch die Automatisierung wieder ohne diese auskommen können. Ja, mit dem Fortschritt wird der Einsatz von menschlicher Arbeitskraft abnehmen, keine Frage.
Bei Leuten wie RDP schwingt im subtext aber immer die Hysterie aus der ISDN-Ära mit: "Wenn irgendwann alle Computer und ISDN haben, dann sind wir alle arbeitslos".
Genau deshalb sind mir Beispiele wie die Landwirtschaft einfach viel zu kurz gedacht, weil man sich immer auf Trecker > 5g > ?? > Profit > Perpetuum Mobile beschränkt aber alles drum herum ausblendet.
p.s. im Kern bin ich bei dir. Aber ich widerspreche vehement, dass Leute wie RDP verstanden haben, wie die Digitalisierung sich auf den Arbeitsalltag auswirkt. Das mag man noch damit begründen, dass er ja nur Philosoph ist und vom technischen gar keine Ahnung hat. Wenn man sich aber eben mal mehr mit ihm beschäftigt, dann ist da viel heiße Luft. Ich gönne mir den wöchentlich Podcast Lanz und Precht, sowie seine Bücher und seine TV Auftritte und bilde mir zumindest mal ein, dass ich ein recht gutes Bild davon habe, was RDP öffentlich an Meinungen vertritt (was zugegeben nicht schwer ist, er tut ja immer seine Meinung kund).
Btw meine ich ernst, dass ich RDP nicht trashen will: In seiner Funktion als öffentlicher Intellektueller ist er imo großartig, gerade im Vergleich zu vielen anderen. Er übertritt halt regelmäßig die Grenzen seiner Kompetenz, was man ihm aber nachsehen kann, da er nun mal von Beruf zu sehr vielen Dingen (un)gefragt seine Meinung abgibt.
Ich denke, dass unsere Gesellschaft durchaus von mehr RDPs profitieren würde - ebenso allerdings davon, wenn akademisch profilierte Philosophen präsenter im öffentlichen Diskurs wären.
Das möchte ich übrigens auch nochmal unterstreichen. So sehr ich hier gegen RDP schieße, so "sinnvoll" finde ich dennoch seine Beiträge dazu. Er kann solche Themen einem breiteren Publikum sehr oberflächlich näher bringen. Aber er kennt eben keine Grenze und damit bewegt er sich bei mir auf einer Skala mit Ulrike Herrmann* die auch zu allem eine Meinung hat, aber oftmals wenig Ahnung.
Dennoch sind solche Leute wichtig, weil sie eben auf breite Masse zugänglich wirken.
Stell dir vor wir hätten überall Leute vom Schlage Karl Lauterbachs, die zwar von der Fachexpertise weit oben anzusiedeln sind, aber eine Außenwirkung wie ein Ork haben, weil sie keinen gerade Satz ohne Unterbrecher rauskriegen.
*Herrmann ist vor allem ganz witzig, weil sie unterschwellig (oder direkt offensichtlich) alle anderen um sich rum beleidigt, die nicht ihrer Meinung sind. Vor allem der Auftritt mit Frank Thelen bei Lanz ist da noch gut hängen geblieben. Vom Habitus würde sie ganz gut ins Comm-Forum passen.