Social Media, Shadowbanning und der Niedergang der "Massenmedien"

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Ich finde das Urteil... Seltsam. Und beisst sich auch mit anderen Vorstössen? Wenn ich als Platformbetreiber nur löschen darf, was gegen die freie Meinungsäusserung verstösst, dann kann ich ja z.B. Posts mit "illegalen" Links (z.B. Urheberrechtsverletzungen) nicht mehr löschen?

Oder nimm dieses Forum hier. Es gibt eine Netiquette und es gibt ein Moderatorenteam, welche die Hausregeln (kein Spam, stay on Topic etc.) durchsetzen. Dürfen sie das nun nicht mehr?

Edit: Ja wenn man sich doppeldreifach verbiegt, kann man aus "Deutschland den Deutschen" schon einen Gewaltaufruf machen :eek3:

Hä? Das Urteil widerspricht doch nicht der Grundregel: Nach lokaler Jurisdiktion Illegales ist illegal. Die freie Meinungsäußerung ist ja kein unbeschränkt gewährtes Grundrecht insofern, als dass Du Deine Holocaustleugnung bspw. für Dich behalten solltest.

Im historischen Kontext, sowohl 33-45 als auch ~90-91 ist die notwendige Verbiegung, um "Deutschland den Deutschen" als Aufruf zur Gewalt zu sehen nicht sonderlich groß. Imho nicht größer sondern eher geringer als notwendig, um es als wertfreien Aufruf zu sehen.
 
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Weiss nicht, ob wir aneinander vorbei reden.
Die Frau hat bei FB eine Beleidigung gepostet > Faccebook tagt es als Hate Speech und löscht > Frau klagt dagegen > Frau bekommt recht (darf also Beleidigungen auf FB posten)

Begründung:
Das Oberlandesgericht München (OLG) hat die Meinungsfreiheit im Streit um Kommentare auf Facebook gestärkt. Der Betreiber des sozialen Netzwerks müsse dieses Grundrecht genauso hochhalten wie staatliche Stellen, haben die Richter entschieden. Die Meinungsfreiheit und die anderen grundgesetzlich geschützten Rechte gelten demnach zwar primär im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Sie wirkten sich aber auch mittelbar auf Dritte aus – auf einen großen "öffentlichen Marktplatz für Informationen und Meinungsaustausch", wie es Facebook darstelle.

Das OLG erklärt eine Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzwerks für nichtig, in dem dieses sich das Recht vorbehält, Kommentare zu löschen, wenn sie nach interner Auffassung gegen die erklärten Nutzungsbedingungen "oder unsere Richtlinien" verstoßen (Az.: 18 W 1294/18). Diese Regel benachteilige die Nutzer unverhältnismäßig, weil damit das freie Belieben von Facebook die Richtschnur über Beiträge der Mitglieder darstelle. Das "virtuelle Hausrecht" des US-Konzerns muss demnach hinter dem Grundgesetz zurückstehen.


Du gehst mit der Holocaust-Leugnung natürlich ans andere Ende des Spektrums von "Meinungen" - dies ist in D bekanntermassen von der Meinungsfreiheit ausgeschlossen. Ihr habt ja mittlerweile auch das NetzDG, wo Betreiber verknackst werden können, wenn sie strafbare Inhalte nicht löschen. Was würdest du also tun, eher zu viel löschen (die Beleidigung geht hier klar unter zu viel löschen), oder eher zu wenig löschen?
Schauen wir mal in den Kommentarbereich von zeit.de, bei einem umstrittenen Artikel: https://www.zeit.de/politik/deutsch...st-seehofer-chemnitz-reaktionen-angela-merkel
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Redaktion/as
Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
Entfernt. Bitte formulieren Sie Kritik sachlich und differenziert. Danke, die Redaktion/as
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen. Danke, die Redaktion/as

usw.usf.
Jetzt ist die Zeit natürlich kleiner als FB und wird deshalb nicht so hart rangenommen, aber ist das auch alles Zensur? Dürfte die Redaktion undifferenzierte Beiträge nicht mehr löschen?
Was ist mit Spam? Wenn ich die Kommentarspalten mit Spam zumülle oder rumtrolle, verstosse ich sicher nicht gegen die Meinungsfreiheit - aber in einem Onlinemedium das überleben will sind solche Moderationen doch notwendig? Was wäre eine Talkshow ohne Moderator, der zwischendurch mal einem Talk-Gast zu verstehen gibt, doch bitte mal kurz die Klappe zu halten?

Das sind doch alles Gründe, wieso Internetforen bisher halbwegs gut funktioniert haben. Es gab Moderatoren, die Spam und Trollversuche gelöscht und deren Urheber verwarnt/gebannt haben. Es wurde darauf geachtet, wenigstens halbwegs einen guten Umgangston zu erhalten (bw.de war immer stolz auf seine ruppige Art). Zu kontroverse und streitanfällige Themen wurden gelockt.
Dann kamen die "Sozialen" Medien, und alles wurde Cancer. Einer der Gründe, wieso ich kein Twitter etc. nutze ist der schiere Hass, der ungebremst umherschwappt. Was dort Leute unter ihrem Klarnamen alles raushauen, geht unter keine Kuhhaut. Das OT ist ein Kindergarten dagegen. Und jetzt soll den Betreibern noch zusätzlich verboten werden, all die Scheisse kurzerhand zu löschen? Ich sehe das nicht ein.
Aber ja, gleichzeitig haben sich die Plattformen auch zu zentralen gesellschaftlichen Institutionen gewandelt. Gerade in den USA gibt es einen beträchtlichen Anteil Leute, die ihre News ausschliesslich über FB beziehen. Das ist nicht mehr einfach ein Forum. Das ist mehr. Die Gefahr, dass da Zensur geübt wird, ist gross. Schwierige Sache.
 
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Hm, okay. Ich hätte die Äußerung jetzt eher als 08/15 Trashtalk betrachtet und nicht als Beleidigung bewertet. Gerade weil es ein Spruch ist, den seit StudiVZ-Zeiten wirklich auch der letzte Depp kennt.

Das NetzDG … lol. Heiko Maas direkt ans Kreuz allein dafür.

Ich denke man müsste (theoretisch) differenziert werden zwischen Kommentaren unter Nachrichten die schnell wieder aus der Wahrnehmung verschwinden, und Debatten die eine Eigenwirkung entfalten. Okay, ist praktisch (aktuell) unmöglich.
Pro Moderation im Grunde, allerdings: Foren wie 4chan haben auch "funktioniert."
Das war alles auch noch damals(TM) als nur ein Haufen Kellerkinder wie wir im Battle.net abhingen und ein paar Forscher und Studenten den wesentlichen Rest des Internet, abseits von den 3 Homepages die es schon gab, ausmachten. Was ich sagen will: Sobald auch der letzte Depp die Möglichkeit bekommt sich international sichtbar mit seiner Meinung zum Affen zu machen, dann zählt halt recht schnell nur noch Aufmerksamkeit da Zeit eben die ultimative Ressource ist.

Die konsequente Lösung: Sprechverbot für Deppen damit ihre Dumheit maximal lokal begrenzte Schäden verursacht. Ach ne, geht ja nicht because Individualmenschenrechte.

Die pragmatische Lösung: Effizientes Policing und soziale Homogenität (nicht als ethnisch zu verstehen! Mehr so im Sinne des Anerkennens und Umsetzens eines gemeinsamen Wertekanons). Es ist kein großes Wunder warum die Chinesen den Kram so gut im Griff haben. Je differenzierter und spezialisierter ein System ist, desto wichtiger wird die enge Kopplung aller Prozesse, und das geht halt am Besten mit einer harten Normung.

Für das westliche Menschenbild heißt das, dass wir besser in Pädagogik werden müssen damit Menschen sich nicht dum benehmen. Eventuell hilft auch Eugenik eine positive Auslese, um nur die Besten der Besten … Ach ne, das geht ja auch wieder nicht.
 

Scorn4

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Die pragmatische Lösung: Effizientes Policing und soziale Homogenität (nicht als ethnisch zu verstehen! Mehr so im Sinne des Anerkennens und Umsetzens eines gemeinsamen Wertekanons). Es ist kein großes Wunder warum die Chinesen den Kram so gut im Griff haben. Je differenzierter und spezialisierter ein System ist, desto wichtiger wird die enge Kopplung aller Prozesse, und das geht halt am Besten mit einer harten Normung.
Ich habe zwei Jahre an einer chinesischen Universität unterrichtet und habe einige Einblicke in das dortige Erziehungssystem samt seiner Auswirkungen gewonnen. Erzeihungsmethoden beginnen im Kindergarten beispielsweise mit Stillsitzen und Fresse halten, geht über stumpf abschreiben was der Lehrer sagt in der Schule/Uni und endet mit unselbständigen Akademikern, die zu reflektivem Denken nicht in der Lage sind.
In diesem System würdest du als mäkelnder Störenfried sofort aussortiert.
 
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Daran zweifle ich nicht.

Ich wollte auch mitnichten das Chinesische Modell als großes Vorbild propagieren. Vielmehr ging es mir darum herauszustellen was die Herausforderungen in einer industrialisierten und einigermaßen durchmischten Gesellschaft sind. Diese harte Normung die du mit Beispielen belegt hast steht natürlich im Konflikt mit vielen unserer Grundüberzeugungen. Allerdings: sie funktioniert.
 

Scorn4

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Diese harte Normung die du mit Beispielen belegt hast steht natürlich im Konflikt mit vielen unserer Grundüberzeugungen. Allerdings: sie funktioniert.

Ohne jetzt clawgen zu wollen, muss ich schon hinterfragen, was du mit "funktionieren" meinst. Klar kann man Menschen hart normen, das weiß man nicht erst seit gestern. Die Frage ist nur, worauf man Menschen wie hart normen soll. Es gibt / gab User hier im Forum, die unsere Gesellschaft sehr gern auf ein katholisch-christliches Leitbild normen würden, weil das ja typisch für Deutschland sei. Damit kann man sich dann auch toll gegenüber Muslimen abgrenzen und ein Leitbild schaffen, an das sich Einwanderer anzupassen haben.

Das würde bis zu einem bestimmten Punkt "funktionieren", aber warum sollte man das wollen? Ich hätte z.B. gar keine Lust darauf. Abgesehen davon verliert man das enorme Potential von Charakteren, die sich nicht auf das eine oder andere Leitbild normen lassen. Die macht man dann unnötig zu Feinden der Gesellschaft.
 
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Oh ich denke ich meine "funktionieren" genau so wie Du es verstanden hast. In einem technisch/mechanischen Sinne. Das System China z.B. bringt Menschen dazu einfach "zu funktionieren". Ich war zwar längst nicht so lange da wie Du, aber man bekommt imho auch schon recht schnell gewisse Eindrücke. Die Berichterstattung über bspw. das Social Scoring suggeriert z.B. recht deutlich, dass Menschen dort als Verfügungsmasse begriffen werden die ersteinmal zu funktionieren hat. Genau diese Art "funktionieren" meinte ich, und ich finde sie genau so wünschenswert wie Du.

Dummerweise funktioniert diese Art Management sehr gut wie sich in vielen Ländern zeigt. Menschenrechte und Individualität sind leider für eine hochentwickelte Industriegesellschaft mit großem materiellen Wohlstand absolut keine zwingenden Voraussetzungen.

Das "normen" meinte ich nur hinsichtlich des "Funktionierens" im Rahmen des Rechtsrahmens bzw. der Verwaltung. Im Sinne von "es ist Norm, dass man X oder Y halt so macht." An eine religiöse und/oder ethnisch-kulturelle Komponente dachte ich hier nicht. Der Gedanke war/ist ja mehr, dass gemeinsam akzeptierte Normen auch in ansonsten heterogenen Gruppen für ein reibungsloseres Funktionieren von Prozessen (welche auch immer) sorgen. Gerade eben weil keine Überwachung von abweichendem Verhalten notwendig ist.

Positiv gesehen ist es aber schon wünschenswert, dass über $dinge Konsens (=nennen wir es "allgemein akzeptierter Wertekanon") besteht, und somit kein Policing nötig ist. Unser Konsens hier und jetzt ist, dass wir genau das nicht mit den oben beschriebenen Mitteln erreichen wollen. Ich mutmaße aber, dass wir uns darin einig sind, dass es schön wäre wenn sich alle an die Regeln hielten. Der m.E. vielversprechende Weg wäre hier Erziehung/Normung/… aber das ist eben schwer wenn man gleichzeitig unsere Vorstellungen von Individualrechten und Menschenwürde aufrechterhalten möchte und auch nicht unbedingt Terroristen produzieren möchte.
 

Tür

Kunge, Doppelspitze 2019
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Also bestätigt Google dass nix passiert ist.
 
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