Gelöschtes Mitglied 683020
Guest
es gibt auch noch einen qualitativen, wichtigen unterschied zum klassischen bannen.
beim shadow bannen wird geradezu subversiv vorgegangen, denn statt einer klar und deutlich nachvollziehbaren sperre mit ggf einer ansage, dass der content zb illegal oder whatever war, wird auf subtile, nicht nachvollziehbare weise agiert.
likes verschwinden, viewer/click zahlen werden reduziert, content wird aus timelines entfernt und keine ahnung welche wege da noch beschritten werden. das klingt eher nach geheimdienst methoden als verfahrensweise westlicher, demokratischer milliardenkonzerne mit ethikkodex und co.
nach trump und brexit fragte man sich wie das passieren konnte. shadow banning kann ein puzzlestück dafür sein, weshalb man die öffentliche meinung nicht mehr richtig einfangen kann, denn sie wird digital manipuliert abgebildet.
Von einem Geheimdienst ist das noch Welten entfernt, v.a. da du verschiedenste Phänomene in einen Topf wirfst und kombinierst, bis es zu einer Verschwörung passt, die eine Kontrolle suggeriert, wo keine zu finden ist.
Aus dem ganzen Topic ist die einzig halbwegs berechtigte Sorge die gewesen, die der Spiegel mit seiner Bestsellerliste machte. Ich gebe gerne zu, dass ich hier wenig verfolgte, allerdings kann es gar nicht so im Schatten verlaufen sein, wie du es darstellst - du weißt ja davon, und soweit ich mich erinnere, wurde auch eine Begründung gegeben, egal wie vage diese war. Letztendes ist der Spiegel ein Medium mit einer Agenda und einer Zielgruppe, in deren Interesse sie handeln wollen. Das ist für mich zwar grenzwertig, aber noch nachvollziehbar. Ich würde mich eher über so etwas amüsieren als echauffieren, egal ob es aus dem linken oder dem rechten Lager mühselig gerechtfertigt wird.
Interessanter wäre die Diskussion um Bücher wie "Mein Kampf" und inwiefern Deutschland den Verkauf aktiv steuern will, wenn dieser ohne zusätzlichen Kontext geschieht. Aber auch hier: Gemessen an der Geschichte und dem öffentlichen Interesse eigentlich auch unbedenklich.
Was Clicks und co. angeht: Das hast du andauernd und wirklich überall, wenn es um Algorithmen geht, die entweder Suchen unterstützen oder "Interessantes" für eine Zielgruppe hervorheben sollen, primär aber nie zum Zweck einer Zensur. Das hat den einfachen Grund, dass dem Betreiber eines Portals immer daran gelegen ist, das abzubilden, was sich die Nutzer erwarten. Google will für dich nicht den objektiv optimierten Inhalt einer Anfrage, sondern den subjektiv nützlichsten für die meisten User. Entsprechend findest du bei Fragen häufiger Wikipedia als Paper, weil das eingänglicher ist. Auf Facebook findest du primär das, das deinem Interesse entspricht häufiger, aber eben nicht "nur das", außer du stellst es so ein. Damit das auch in Zukunft so bleibt schrauben dann die Betreiber an den Mechaniken herum, damit es "noch gezielter" wird - ohne überhaupt den Inhalt 'einer' Seite zu kennen. Es ist auch ab einer gewissen Anfragemenge unmöglich noch einzelne Inhalte gut zu filtern, ohne andere Themen spürbar zu zensieren, gerade da Anbieter von Posts/Blogs/News/Produkten selbst SEO und co. betreiben. Das Endergebnis sind dann sehr variierende Ergebnisse zur gleichen Suche mit unterschiedlichen Zeitpunkten, ohne dass eine moralische Agenda dasteht - das endlose Spiel von Gewichten greift.
Letztendlich ist schon eine übergreifende Zensur nahezu unmöglich, da die großen Portale überhaupt selbst homogen agieren müssten, bevor eine globale Absprache möglich wäre und letztendlich die technische Anpassung an eine Inhaltsklasse passieren kann. Bis das passiert sind die Inhalte möglicherweise schon wieder veraltet, oder selbstständig groß genug um nie wirklich zu verschwinden, da - bevor sie zum Thema werden - erst wirklich viele Querverlinkungen existieren müssen, die meist nicht nur von den Portalen leben, sondern in einer Subszene bedeutend werden.
Daher ist auch dieses Bäckerbeispiel dermaßen dümmlich: es geht hier nicht um eine Person, die mit einer anderen Person interagiert, sondern darum, dass dem Bäcker nicht auffällt, dass eine unerwünschte Person in der Bäckerei ist, bis diese irgendein Kriterium erfüllt, die sein Entfernen problematisch macht, bspw. wenn schon hundert andere Kunden im Kreis um ihn stehen. Rein optisch "unerwünschtes" zu definieren, damit ein Roboter die Person an der Tür rausschmeißt, würde im Regelfall bedeuten, dass auch mehrere hundert Leute rausgeschmissen werden, die auch gut zahlende Kundschaft sind und nicht ins Schema passen. Den Roboter zu optimieren, bis er nur das richtige rausschmeißt, würde bedeuten mehr Leute auf diese Arbeit abzustellen (Leute, die den Roboter konstant beobachten, Leute die Roboterarbeit machen, Leute die mit Kunden über den Roboter reden, Leute, die Kundenanfragen bezüglich des Roboters auswerten, Leute die Roboterlogs lesen, Leute, die den Roboter programmieren und testen, sowie Leute die dann wiederum Premiumkunden über den Roboter befragen, Leute, die Premiumkunden helfen sich an den Roboter anzupassen, Leute, die neue Kunden suchen, um den Roboter und dessen Rattenschwanz zu finanzieren, ...), sich selbst zu vergrößern, bis Kosten die Nutzen weit überschreiten und der Bäcker von seinen Angestellten gefragt wird, ob er nicht einfach in Rente gehen will.
Falls dir das noch nicht einleuchtet, dann schlag einfach mal Sachen wie das Page Ranking und 0815 SEO-Anleitungen nach. Irgendwann wird dir klar werden, dass Zensur meist pure Technik ist, und die armen zensierten Personen einfach irgendwo dermaßen über die Stränge geschlagen haben, dass andere Faktoren ins Spiel kommen, oder noch besser, gar nicht erst relevant waren, damit man zensieren hätte müssen, oder, eigentlich zur Heulerei passend, manche Stunts einfach pure Selbstinszenierung sind, von der der Betreiber gar nichts weiß.