Vom 11.11. bis zum 30.11. findet in New York die Schachweltmeisterschaft zwischen dem jetzigen norwegischen Weltmeister
Magnus Carlsen und dem russischen Herausforderer
Sergej Karjakin statt. Das Match geht über zwölf Partien, wer zuerst 6,5 Punkte erzielt ist neuer Weltmeister. Sollte es nach den zwölf ersten Partien unentschieden stehen, werden zunächst vier Schnellschachpartien (25+10) gespielt, danach vier Blitz Partien (5+3). Steht es danach immer noch unentschieden, wird eine sogenannte Armageddon-Partie gespielt (Weiß: fünf Minuten, Schwarz: 4 Minuten, Remis = Sieg für Schwarz).
Die Zeitkonrolle für die ersten zwölf Partien ist länger als im normalen klassischen Schach: 100 Minuten für die ersten 40 Züge, 50 Minuten für die nächsten 20 Züge und dann 15 Züge für den Rest der Partie. Es wird vom ersten Zug an mit einem Aufschlag von 30 Sekunden pro Zug gespielt.
Warum ist diese WM so interessant?
Carlsen ist seit 2011 Weltmeister und hat die Schachszene seitdem wie kein anderer dominiert. Er ist der erste Schachspieler, der mit einer ELO von 2853 Kasparows früheren Rekord brechen konnte (und gegen diesen im Alter von 13 Jahren ein
Remis erzielte), verschiedene
Blindsimultanveranstaltungen (unter anderem mit
weniger Zeit) gewann und sich an jede von ihm gespielte - oder gesehene - Schachpartie erinnern kann:
As a young teenager (I think he might have been 13), Magnus appeared on national television in the office of Grandmaster Simen Agdestein, the former number one in Norway. The walls in Agdestein’s office were covered with chess books. The GM, who was sort of his coach at one point, pulled down a random book from from the shelves, opened it up on a random page and held up a diagram, while covering all the text. Magnus hesitated for a moment, but then went on to provide the names of both the players who had played the game in the diagram as well as the year it was played and the tournament venue. He repeated this trick a few times and was spot on every time. We’re talking games that were played by Soviet players decades before Magnus was even born. And he knew them all.
Carlsen gewann vor kurzem das Chess.com Deathmatch gegen Hikaru Nakamura, dem schnellsten Spieler der Welt, und ist in Topform. Er ist ein extremer Grinder, der aus verlorenen Stellungen unwahrscheinlich oft noch ein Remis oder ein Sieg herausholt und/oder seinen Gegner unendlich lange quälen kann.
Sergej Karjakin ist der jüngste Großmeisters aller Zeiten (zwölf Monate und drei Monate, Carlsen hielt diesen Rekord früher ebenfalls inne), momentan die Nummer 9 in der Welt, ein bekennender Putinanhänger, Schwulenhasser und ein sehr guter Freund von Carlsen. Zudem ist es ein offenes Geheimnis, dass er in seiner Wettkampfsvorbereitung enorme Unterstützung von Putin erhielt (tatsächlich wurde Carlsens Trainingsort geheim gehalten, sein Team erbat außerdem Hilfe von
Microsoft zur Abwehr gegen russische Hacker) und Carlsens ehemaligen Sekundanten Ian Nepomniachtchi abwarb. Im klassischen Schach steht es zwar +4 für Carlsen, Karjakin ist allerdings quasi der Hard Counter für seinen Spielstil - wenn Carlsen Wasser aus einem Stein pressen kann, ist Karjakin Mount Everest. Er ist der atm wohl einzige Spieler, der unter diesen Voraussetzungen Carlsen schlagen kann.
Carlsen ist dafür bekannt, die Eröffnung sehr unambitioniert zu spielen und nur ins Mittel-/Endspiel kommen zu wollen, wo er normalerweise dominiert. Deswegen werden wir sehr wahrscheinlich einige ungewohnte Eröffnungen von Karjakin sehen, der genau weiß, dass Carlsen in dieser Partiephase am schwächsten ist und da auch gerne gegen bedeutend schwächere Spieler verliert.
Wo kann ich mir die Partien ansehen?
Nachdem Veranstalter AGON auf Teufel komm raus versucht hat, die Ausstrahlung auf anderen Seiten zu verhindern und die eigene (zahlungspflichtige) Seite zu promoten, wurde dies wenige Tage vor der WM von einem amerikanischen Gericht für ungültig erklärt. Video von den Spielern gibt es zwar tatsächlich nur auf der kostenpflichtige AGON Website, die Züge selbst werden aber von verschiedenen Websiten übertragen. Am bekanntesten dürfte hier
Chess24.com sein, die Kommentare von GMs auf Deutsch, Englisch und Spanisch anbieten.
Dazu werden die Partien von bekannten Spielern auf Youtube analysiert:
ChessExplained
ChessNetwork
Daniel King
ChessBrahs
Insbesondere ChessNetwork ist für Einsteiger sehr verständlich und lehrreich, die anderen sind allerdings ebenfalls sehr gut.
Was man sonst noch wissen sollte
- Auf GM Niveau ist der Anzugsvorteil mit Weiß enorm (ca. 55% zu 45%), bei diesem Match sogar noch höher. Carlsen und Karjakin wollen also mit Weiß gewinnen und mit Schwarz Remis spielen. Jede Partie, die mit Remis ausgeht ist deswegen ein großer Sieg für Schwarz, da Weiß quasi seine "Elfmeter" Chance vergeben hat und in der nächsten Partie "halten" muss. Natürlich können beide auch mit Schwarz gewinnen, was bei der extremen Vorbereitung der Hausanalyse allerdings sehr unwahrscheinlich ist.
- Laut unbestätigten Gerüchten (Quelle: Carlsens Schwester und sein Vater) hat Carlsen in der ersten Partie den Trompovsky Angriff gespielt, weil er ein Anhänger von Trump ist. Da diese Eröffnung auf diesem Niveau eher selten gespielt wird, scheint etwas dran zu sein. Die Partie endete Remis. In der zweiten Matchpartie wurde/wird die Spanische Eröffnung gespielt, die auf diesem Level sehr viel öfters zu sehen ist.