Wir kommen jetzt natürlich etwas ab von der Ausgangsthese, dass Arbeitnehmer durch Digitalisierung nicht zwangsläufig als Zahler ausfallen, sondern andere Aufgaben übernehmen. Ich lasse mich mit Statistiken oder Studien gerne überzeugen, dass meine Annahme falsch ist, aber ich sehe hier keine Arbeitslosenwellen auf uns zu kommen.
Nein, in Teilen sehe ich es auch so. Nach Überfliegen von Gustavos hingerotztem Begriff glaube ich, ich hab mich nicht klar genug ausgedrückt. Ich gehe von dem Begriff "
Normalbiographie" (2 Sek. Google Suche bei der Quelle, ist aber eher gängig, Original noch <Kohli>, iwann aus den 80ern), bzw. "Normallebenslauf" und "Normalarbeitsverhältnis" heraus, der für den deutschen Arbeitsmarkt typisch ist.
Der typische (männliche) Lebenslauf hat drei Phasen: Kindheit (Bildung), Erwachsenenalter (Arbeit), Ruhestand (Rente & Tod). Wie oben beschrieben, üblich durchläuft man diese Phasen, wobei die Brücke zwischen Phase 1 & 2 die Ausbildung war, die Brücke zwischen 2 & 3 die typische Altersrente. Gegen Ende der Phase 1, der Ausbildung, generierst du Einkommen und zahlst schon ein, wenn auch gering. In der zweiten Phase steigt dein Einkommen, meist durch reine Betriebszugehörigkeit (geboostet natürlich durch Aufstiegsweiterbildung). Gegen Ende der zweiten Phase sinkt das Einkommen wieder etwas ab, weil es dort Frührente / Altersteilzeiteffekte gibt. Soweit, vereinfacht, auch logisch.
Voraussetzung für diesen Lebenslauf ist halt a) Ausbildung, b) keine großartigen Lücken durch Betriebswechsel oder lange Elternzeiten, c) Vollzeitarbeit und d) gleichbleibende Qualifikation. Ergo wird das System eher nur für Männer (keine SchwangerschaftEN) und nicht-Akademiker gelten.
Seit paar Jahrzehnten streitet man sich sowieso, ob dieses Modell noch haltbar ist. Denke schon, da es für sehr viele weiterhin gilt, Globalisierung und sonstige Gründe merkt man zwar, aber nicht so sonderlich stark. Weitere Quellen findet man unter dem ersten Artikel, wenn man nach Allmedinger, Becker, Kohli oder Blossfeld sucht. En Masse. Diese belegen eigentlich schon gut den schleichenden Effekt der Aushöhlung des Modells, den ich oben beschrieb: Die Brücke von 2 nach 3, also von Arbeit zu Rente, erfolgt mittlerweile überzufällig häufig durch Arbeitsunfähigkeit und das Ausnutzen der Gesundheits- und Sozialssysteme. Dadurch wird wiederum Phase 2 verkürzt und die Dauer der Einzahlung in das Rentensystem verringert. Sehr viel krasser wird das wahrscheinlich nicht werden, aber es setzt auch eine Grenze dessen, was ein Renteneintrittsalter bewirken kann, wenn der Mechanismus weiterhin funktioniert.
Allerdings: Fraglich ist, wie viel Wert die Ausbildung im aktuellen System vor dem Hintergrund der Automatisierung und Digitalisierung ist. Die Berufe an sich ändern sich doch mittlerweile deutlich schneller, siehe das Beispiel Schlosser, oder vma. Maschinen- und Anlagenführer, (x-)Mechaniker, Mediengestalter (Druck), Korrespondent, ..., - die Liste ist lang und wird länger, bzw. umfasst schon viele Berufsbilder, die so gar nicht mehr existieren. Es hilft jetzt wenig zu sagen, es entstehen neue Arbeitsplätze. Klar. Aber dennoch wird es schwer ausgelernte und nicht wiederqualifizierte Personen mit einem Lebensalter von 50++ noch in ein neues Berufsbild zu pressen, selbst wenn es ausbildungsnah ist. Denn, wie oben beschrieben, unser Ausbildungssystem ist unfassbar unflexibel. Die neuen Ausbildungsordnungen sind lächerlich und ersetzen keinesfalls das, was man im Betrieb dann noch mühselig den Azubis in den ersten 2-5 Jahren nach Ausbildung noch zusätzlich vermitteln muss. Wenn ich daher weiß, dass mein umgeschulter Mitarbeiter 2,5 Jahre Ausbildung (verkürzt und gefördert nicht zu vergessen!) nochmals 1-2 Jahre on-the-job-Training plus nachgelagert weiterhin Schulungen braucht - warum schau ich nicht, dass ich ihn via Aufhebungsvertrag rauskriege? Die Denke ist leider normal für "die Wirtschaft".
Hinzu kommt: Der Standard oben gilt ja eher für jene, die typisch sind. Es gibt aber einen großen Sektor in Deutschland, der, wie du selbst sagst, prekär ist. Auch für die gilt das System nicht, da ist es ein munteres Rein und Raus aus der Arbeitswelt. Meine Vermutung: Automatisierung erhöht die Zahl derer, die aus dem typischen Modell in den prekären Ssktor fallen, sowie verstärkt die Zahl derer, die sofort in dem prekären Sektor landen. Das unterscheidet das Modell der 1990er von dem Modell, das ich für 2020-2030 erwarte.
Natürlich arbeiten die dann noch irgendwie weiter, allerdings durchlaufen die dann Sozialsysteme (sprich: Re- oder Umqualifizierung aus Sozialtöpfen) ohne direkt arbeitslos zu werden. Hint: Wenn du von der ARGE gefördert wirst, gilst du nicht als arbeitslos, du stehst ja nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Daher wird das schwer das einzeln zu belegen, weil du in den öffentlichen Statistiken schwer nach Art der Qualifikationsmaßnahme filtern kannst.
Daher meine Vermutung, dass das Lohnniveau über das Lebensalter für eine signifikante Masse nicht mehr die Maxima erreichen, die früher Standard waren. Daher meine flapsige Formulierung, dass du zwar keine Zahler verlierst, aber weniger kräftige Einzahler gewinnen wirst, wenn an das Problem nicht ganzheitlich herangegangen wird.