In diesem Thread soll es um die Fragen gehen: Wie plane ich meine Entnahmephase? Also den Zeitraum, wenn ich nicht mehr frisches Geld in den Vermögensaufbau investiere, sondern von meinem Vermögen leben möchte.
Da gibt es natürlich sehr unterschiedliche Szenarien:
Welche großen Variablen gibt es?
Wie und wann wollt ihr euer Vermögen nutzen?
Habt ihr schon einen Detailplan?
Oder andere Learnings gemacht, die ihr teilen könnt?
Da gibt es natürlich sehr unterschiedliche Szenarien:
- Geht es nur um das klassische Schließen der Rentenlücke?
- Oder plane ich, eine zeitlang bis zur Rente, nur vom Vermögen zu leben, weil ich bspw. mit 45 oder 55 in Rente gehen möchte?
- Oder muss ich gar komplett von meinem Vermögen bis ans Lebensende lebenn, bspw. weil ich selbstständig bin und keine staatliche Rente erhalten?
Welche großen Variablen gibt es?
- Wieviel Geld brauche ich pro Jahr?
- Ändert sich diese Zahl über Zeit? (bspw. Kinder an der Uni kosten mehr, Haus abbezahlt, Rente beginnt, ..)
- Wie lange muss das Vermögen reichen? 10, 30, 60 Jahre?
- Welches Risiko bin ich bereit einzugehen, dass sich mein Kapital aufbraucht? (bzw. dass ich den Gürtel deutlich enger schnallen muss als in der Planung, um die "Pleite" zu verhindern)
- Welches Steuersystem erwarte ich? (Heutiges? Prognosen für die Zukunft? Plane ich, auszuwandern?)
- Möchte ich was vererben?
- Ich möchte grob mit 45-50 in Rente gehen, erwarte also dass ich 50 Jahre davon leben können muss.
- Ich möchte etwas vererben, es müssen aber keine Unsummen sein. Das Haus bspw. würde reichen. Grund für den Wunsch zu vererben ist, dass ich recht pessimistisch bzgl. des Standorts Deutschland bin und zweifle, ob man selbst mit überdurchschnittlicher Bildung, zuverlässig ein tolles Leben führen wird können.
- Ich möchte also ein sehr geringes Risiko haben, das Vermögen aufzubrauchen. 5% (basierend auf historischen Daten) wäre mir zuviel. Auch weil ich eben nicht schlimm fände, was zu vererben (eher im Gegenteil).
- Ich erwarte, in Deutschland zu bleiben und rechne mit dem heutigen Steuersystem. Änderungen im Steuersystem gehören zu den vielen unwägbaren Risiken, die ich nicht kontrollieren kann -- ich sehe außer einer generell vorsichtigen Planung da jetzt aber kein total konkretes Szenario, dass sich etwas drastisch ändern sollte.
- dass wir höhere Kosten während der Schul- und insb- Studienzeit der Kinder ansetze (ich rechne vorsichtig mit 10 Jahren Studienzeit).
- dass wir das Haus irgendwann abbezahlt haben, ich aber zeitlebens mit signifikanten Instandhaltungskosten rechne (BJ 1913)
- dass irgendwann die Rente kommt, die aber nicht soo hoch sein wird, da ich aufgrund früher-in-Rente-gehens und 7 Jahren Ausland nicht so viele Rentenpunkte haben werde, und diese dazu noch discounte, weil ich hier weitere Verschlechterungen erwarte
- Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass bei den heutigen Valuations eine Safe Withdrawal Rate von 3.3% für meinen Horizont (minimales Risiko, 50 Jahre) eher sinnvoll ist als die in der deutschen Bloggerszene immer noch oft zitierten 4% aus der Trinity-Study. Meine wichtigste Lektüre zu dem Thema ist die SWR-Serie von ERN, bei der man natürlich berücksichtigen muss, dass ein paar Themen wie Social Security oder Tax das ganze eine US-Perspektive hat (aber das meiste ist sehr gut übertragbar). Wichtig: Die SWR beinhaltet, dass man die Entnahmen jedes Jahr um die Inflation steigert!
- Aus der gleichen Quelle bin ich zur Überzeugung gelangt, dass man zwar genau zu Rentenbeginn ungern in 100% Aktien sein möchte (erhöht das Sequence of Return Risk, SRR), aber auch eigentlich nie unter 60-70% sein will. Und dass man 100% Aktien bis relativ kurz (2-3 Jahre) vor der Rente machen kann, insbesondere wenn man etwas Flexibilität hat (d.h. "one more year" wäre kein Weltuntergang). Meine derzeitig favorisierte Strategie ist, sukzessive auf 100% Aktien zu kommen (bzw vielleicht 5% Crypto), dann 2-3 Jahre vor der Rente auf 20-30% Cash/Bonds zu shiften zur Abfederung des SRR -- und dann abhängig von der Entwicklung der Märkte wieder auf 100% Aktien zu gehen (bspw nach einem Crash).
- Steuertechnisch rechne ich nur noch mit 5-10% Steuern, weil der Plan ja ist, möglichst ausschließlich in thesaurierenden ETFs zu sein. Neben den generellen deutlichen steuerlichen Vorteilen von thesauierern gegenüber Ausschüttern/Dividenden gibt es noch den Vorteil, dass ETF generell nur zu 70% besteuert, was übrigens ein ziemlich großer Vorteil gegenüber Einzelaktien ist. Dazu muss man ja berücksichtigen, dass man mit den relativ geringen zu versteuernden Erträgen dann teils nicht mehr so weit weg ist von den persönlichen Freibeträgen. Selbst wenn man €100k entnimmt, davon aber nur €50k Erträge sind, diese dann zu 70% besteuert werden, ist man bei nur €35k zu versteuerndem Einkommen, dem dann der persönliche Freibetrag von grob €20k (Ehepaar) gegenübersteht, so dass man nur noch auf €15k die 26,X% Steuern zahlt, was dann sogar unter 5% effektiver Steuerlast wäre.
- Dieses stärkere Bedenken von Steuereffekten hat mir noch mehr geholfen, mich von der "Einzelaktiensucht" zu heilen. Es macht einfach keinen Sinn, wenn man nicht überzeugt ist, den Markt deutlich zu schlagen, weil man eben Nachteile bzgl. Steuern und Diversifikation hat.
- Wer Einzelaktien mit hohen Buchgewinnen hat, den möchte ich an der Stelle nochmal erinnern, dass man die an die Kinder übertragen kann, die dann ihren eigenen persönlichen Freibetrag für den Verkauf und die Umschichtung in ETFs nutzen können. Das Geld gehört dann auch den Kindern, aber ich plane ja ohnehin, diese im Studium zu unterstützen, was dann genau der Zweck dieses Geldes sein wird.
Wie und wann wollt ihr euer Vermögen nutzen?
Habt ihr schon einen Detailplan?
Oder andere Learnings gemacht, die ihr teilen könnt?