Naja, es liegt wohl weniger an der Einstellung zum Sport als an der Einstellung zu Superlativen.
Vor 100 Jahren waren die Menschen auch fasziniert, wie die Sprinter barfuß nen Rasen langgerannt sind.
Aber damit es immer höher, weiter und schneller geht, müssen eben auch immer neue Methoden gefunden werden, um den menschlichen Körper an seine Grenzen zu bringen - und wenns sein muss, eben auch darüber hinaus.
Es zweifelt ja niemand an, dass Phelps und Co absolute Ausnahmetalente sind, die dazu ihr Leben mit Fleiß und Hingabe ihrem Sport widmen - man muss sich nur mal überlegen, dass der Junge täglich ins Wasser steigt, solange er denken kann und so weiche Gelenke hat, dass er nicht mal mehr Joggen gehen kann wegen des Verletzungsrisikos.
Natürlich sind diese Atheleten schon von der Natur gesegnet. Die nächste Zutat ist unerbitterlicher Ehrgeiz und der eiserne Wille, es zu schaffen. Sind diese Voraussetzungen noch da, holt man sich aus dem Reagenzglas den Rest, um es bis an die Spitze zu schaffen.
Sicherlich ist Sport-Faszination auch eine Begleiterscheinung unserer Wohlstandsgesellschaft. Wir müssen halt nicht mehr um unser Überleben fürchten, Krieg und weltpolitische Großereignisse sind rar gesäht, da müssen die Massen sich den Kick eben woanders suchen und ein Fußball-Turnier wird mal eben zum Ereignis des Jahres.
Wie alle Phänomene des Fernsehens liegt es sicherlich auch daran, dass viele Menschen verlernt haben, in ihrem eigenen Leben wirklich aufzugehen. Ist ja auch bequemer, sich auf die Couch zu setzen und bei dem mitzufiebern, was andere Menschen erreichen - von all den Entbehrungen und dem, was sie dafür opfern müssen, bekommt man ja eh nichts mit.
Gleichzeitig will man auch glauben, dass es irgendwie noch menschlich, irgendwie noch natürlich ist oder wenigstens so wirkt.
Die Menschen wollen diese Illusion. Sie wollen daran glauben können, dass ein Mensch nur durch hartes Training und gute Ernährung 100m in weniger als 10s laufen kann.
Solange diese Illusion existiert, ist der Rest nebensächlich.
Um das "betrogene" Publikum tuts mir darum, ehrlich gesagt, auch kein bisschen leid.
Wer noch mein größtes Mitgefühl hat, sind die fleißigen, hoffnungsvollen jungen Sportler, die das Talent und den Willen mitbringen, um wirklich gut zu werden und dann irgendwann feststellen, dass das, woran sie in ihrer jugendlichen Naivität vielleicht mal geglaubt haben, der ganz große Erfolg, auf legalem, auf (pseudo-)moralischem Wege dann doch nicht mehr zu erreichen ist.
Und es gibt sicher nur sehr, sehr Wenige, die noch umgekehren, wenn sie mal so weit gekommen sind.