Ich finde es immer witzig, wie bei solchen Themen direkt mit unendlicher Selbstgerechtkeit die selben antireligiösen Argumente gebetsartig aufsagt werden.
Ich will gar nicht bestreiten, dass einige ( die meisten ) von ihnen richtig sind. Organisierte Religion, institutionalisierter Glaube und Dogmen haben furchtbares angerichtet. Darüberhinaus wird von ihren Führern behauptet, dass sie der Pfad zur Wahrheit sind. Doch etwas, zu dem ein starrer Pfad führt ist tot und die Wahrheit ( Gott, Allah, Brahman oder wie immer man es nennen will ) ist lebendig und deshalb KANN keine Organisation und kein Prophet mit starren Regeln und Dogmen zu ihm führen. Die Wahrheit ist ein pfadloses Land. Aber das nur am Rande.
Das Problem, das ich eigentlich ansprechen wollte ist die mangelnde kritische Selbstbetrachtung der "Religionskritiker". Jeder hat in irgendeiner Form etwas, das einer Religion ähnlich ist. Jeder hat seine Priester, die ihm Regeln vorgeben und in ihm Angst beschwören. Nur weil unser trickreicher Geist es anders benennt und es abgrenzt heißt es nicht, dass es im Kern etwas anderes ist.
Beispiel: Werbespots. Sie suggerieren "Wenn du unser Produkt kaufst, dann passiert dir etwas Gutes. Wenn du unser Produkt nicht kaufst, dann wird dein Leben ganz furchtbar." Schön zu sehen zB am Axe-Werbespot, in dem, nachdem ein Mann Axe aufträgt, ihm alle Frauen zu Füßen liegen. Ohne Axe bleibt der Mann allerdings einsam und ungefickt. Der Werbespot sagt also "Folge unseren Regeln (=kauf unser Produkt) und du kommst ins Paradies, folge ihnen nicht und du kommst in die Hölle.". Der Werbespot ist Priester und der Fernseher das Gotteshaus. Im Konsum-Kapitalismus wird also mit ganz ähnlichen Mitteln gearbeitet, wie es früher die Kirche tat. Und die Menschen fallen genauso drauf rein, wie die dummen Schafe des Mittelalters, denn selbstverständlich fliegen nicht alle Frauen auf einen, wenn man Axe benutzt, man spürt nicht unendliche Freiheit, wenn man Marlboro raucht und man fühlt sich auch nicht wie auf einer tropischen Insel, wenn man Rafaello isst. Und ebenso wie es im Mittelalter Verflechtungen zwischen Kirche und Staat gab, gibt es heute Verflechtungen zwischen Wirtschaft ( denen, die diese Werbespots schalten ) und Politik. Es werden ja sogar Kriege geführt, damit die Menschen weiter konsumieren (=ihrem Glauben fröhnen) können.
Ich will hier in keinster Weise die institutionalisierten Religionen verteidigen. Ich will nur dazu anregen, dass die, die sich so arrogant über Gläubige stellen, erstmal kritisch über ihr eigenes Weltbild, ihr Denken und ihre Handlungsweisen reflektieren sollten. Denn wie Jesus sagt "Den Splitter im Auge deines Bruders siehst du, den Balken aber in deinem Auge siehst du nicht. Wenn du den Balken aus deinem Auge ziehst, dann wirst du sehen, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders zu ziehen.“