Ich denke das hedonistische Weltbild ist in der Generation, der hier Vertretenen, recht weit verbreitet. Umfragen zeigen hier eine hohe Zahl von Agnostikern und Atheisten, was auch den Trend in der einflußreichen Mittel- und Oberschicht, welche die politische Macht inne hat, wiedergibt.
Ich denke viele von denen, die sich selbst als Agnostiker bezeichnen, sind eigentlich auch Atheisten. Agnostik und Atheismus schließen sich ja nicht gegenseitig aus. Du kannst ein agnostischer Atheist sein ("ich glaube nicht an Götter, aber ich weiß nicht sicher, ob sie nicht doch existieren") oder ein gnostischer Atheist ("ich weiß/bin mir sehr sicher, dass es keine Götter gibt"). Ich bin z.B. ein gnostischer Atheist gegenüber speziellen Göttern wie dem christlichen oder dem islamischen, aber ein agnostischer Atheist gegenüber höheren Wesen im Allgemeinen.
Bei Ereignissen wie der Finanzkrise, aber auch im Kleinen, beim Lebensstil Einzelner, frage ich mich, ob ein Zusammenhang besteht, weil niemand mehr Angst hat, daß unmoralisches Verhalten, solange es legal ist, Konsequenzen nach sich zieht.
Wenn das wirklich der Grund für die Finanzkrise war, brauchen wir nicht mehr Religion, sondern bessere Gesetze.
Die Frage ist ob das Sozialstaatsmodel in einer hedonistischen Gesellschaft überleben kann.
Wieso soll der Wegfall der Religion gleich zu einer hedonistischen Gesellschaft führen? Und warum soll der Sozialstaat in so einer Gesellschaft nicht überleben? Es gibt doch den 'universellen Hedonismus', bei dem jeder Mensch nach der Minimierung des Leids aller und der Maximierung der Freude aller streben soll. Klingt relativ sozial für mich.
Außerdem gibt es ja auch Sachen wie den
Humanismus. Ist ja nicht so als ob Hedonismus die einzige nicht-religiöse philosophische Idee wäre.
Ich will damit nicht sagen, daß gläubige Menschen per se moralischer sind, aber z.B. noch in der ersten Generation nach dem Krieg war Moral und Rücksicht stärker ausgeprägt und Egoismus geringer.
Der Grund für den geringeren Egoismus war wohl eher, das die Leute sehr wenig hatten und deshalb enger zusammenarbeiten mussten, um zu überleben, als höhere Religiösität. Wie es um die Moral und Rücksicht stand hat Valhalla ja schon ausgeführt.
Die USA ist auch zu 80% christlich. Woraus man wohl schließen kann, dass Religion und Egoismus sich in keinster Weise ausschließen.
Wenn überhaupt, haben religiöse Leute weniger Grund altruistisch zu sein.
Unser aufgeklärtes Weltbild oder anders gesagt "unsere Kultur" ist so eng mit dem Christentum verstrickt, dass eine Aussage ziemlisch schwer ist. Unsere gesamte Moral fußt ja prinzipiell auf dem Leitbild des neuen Testaments: Der Vergebung.
Unser gesamtes Rechtsprinzip folgt hier ebenso.
Dass unser Rechtssystem ausnahmsweise mal mit der Bibel einer Meinung ist, heißt nicht, dass das eine auf dem anderen beruht.
Und Vergebung ist aus komplett weltlichen Gründen sinnvoll für ein soziales zusammenleben, da braucht es keine Religion irgendeiner Art, um dadrauf zu kommen.
Nun ist natürlich die Frage:
Konnte sich diese Moral und unsere aufgeklärte Gesellschaft nur auf Grundlage des Christentums entwickeln?
oder führt allgemein die Aufklärung zu einer heutigen Gesellschaftsordnung.
Die heutige "aufgeklärte" Moral hätte sich auch genausogut ohne Religion entwickelt, wahrscheinlich sogar deutlich schneller.
Die Aufklärung war ja quasi dazu da, die Religion so weit aus der Gesellschaft zu drängen, dass wir uns endlich mal eine vernünftige, rationale Ethik ausdenken konnten.
Die Frage kann man meiner Meinung nach nicht beantworten.
Was wir heute noch "Religion" nennen sind für mich allerdings auch nur noch sinnlose Sachen.
Man darf aber eben nicht vergessen, dass unserer gesamten Kultur weiterhin der Grundgedanke des Christentums zugrunde liegt.
(Ich meine jetzt einfach immer das neue Testament, hieraus berufen sich die Christen einfach vermehrt)
Der "Grundgedanke des Christentums" ist aber die ganze Bibel. Und das beinhaltet auch "Sklaverei ist toll", "steinige deine Kinder wenn sie dir widersprechen" und "wenn ein Mann eine Frau vergewaltigt, muss er sie heiraten (und ihrem Vater 5 Shekel bezahlen)".
Sobald du anfängst, Teile davon wegzulassen, nimmst du deine eigene Moral und pickst dir die Stellen aus der Bibel, die dazu passen. Auf die Art kann man auch sagen, dass unsere Gesellschaft auf dem Koran basiert, oder auf dem Herrn der Ringe.
Und die 10 Gebote z.B. stehen im alten Testament (zusammen mit 603 anderen Geboten, aus denen die 10 willkürlich herausgepickt wurden).
Ich denk mal das trifft auf unsere heutige, aufgeklärt Gesellschaft zu.
Aber Kommunisten waren doch wohl auch Atheisten und trotzdem die größten Verbrecher.
Also würde ich sagen, Religion ist schlecht, aber genauso auch alle anderen Dinge, die religiös vergöttert werden.
Wie du schon so halb sagst, war der Kommunismus sowas wie eine atheistische Religion.
Atheismus hindert Leute nicht daran, Schlechtes zu tun, aber es bringt Leute auch nicht dazu. Religion bringt Leute dazu, schlechte Dinge zu tun, auch wenn sie ihren eigenen Moralvorstellungen widersprechen, und deshalb hat sich der Kommunismus so negativ entwickelt.