Eins vorweg: ich bin ein Technikenthusiast, und generell ein Befürworter der Gentechnologie. Die zeitgenössische Praxis jedoch ist höchst fragwürdig. Was genau, lege ich im Folgenden dar.
Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) werden massenweise freigesetzt, weltweit im Zehntausendermaßstab und in der EU im Tausendermaßstab. Mit Stand 2002 hat es im Gemeinsamen Europa seit dem 92er Jahr 1.912 Freisetzungsanträge gegeben. Der Großteil davon waren landwirtschaftliche Kulturpflanzen und hier wiederum Mais, Raps, Zuckerrübe Kartoffel in führender Position. 2003 wurden bereits die ersten Anträge auch für die bedeutendste Getreidepflanze gestellt; seitdem ist auch Weizen in der Warteschleife. Noch eine Kennzahl zur Größenordnung: Auf über 6.300 Standorten wurden bereits über 15.000 Freisetzungsversuche durchgeführt. Österreich wurde nicht zuletzt auf Grund des Gentechnikvolksbegehrens von diesem Boom verschont.
Welche gentechnischen Veränderungen dort das Licht der Umwelt erblickten, ist noch interessanter. In mehr als 50 % der Fälle handelt es sich um Herbizidresistenzen; d.h. es wurden landwirtschaftliche Nutzpflanzen untersucht, denen ein Gen eingeschleust wurde, das sie gegen ein chemisches Pflanzengift resistent macht. Hauptsächlich bezog sich dies auf die Mittel 'Roundup’ der Firma Monsanto und auf das Mittel 'Basta’ der Firma Bayer Crop Science. Diese beiden großen Agrochemiekonzerne zusammen mit Syngenta, eine pro forma Abspaltung vom Schweizer Chemiekonzern Novartis, sowie der vom Chemieriesen Dupont aufgekaufte Saatgutkonzern Pioneer beherrschen im Prinzip die Entwicklung und das zukünftige Geschäft mit den Gentechnikpflanzen.
Nachdem die Agrochemieumsätze stagnieren und rückläufig sind, und die bisherigen Mittel aufgrund von Umweltproblemen zunehmend aus dem Verkehr gezogen werden müssen, hat man sich darauf verlegt, über die Gentechnik einerseits die Agrochemieanwendungen mit der Züchtung zu verbinden bzw. über die Durchsetzung der Patentierung der gentechnisch veränderten Pflanzen die Gentechnik so zu optimieren, damit man Ähnliches oder sogar mehr erreicht als mit der Chemisierung der Landwirtschaft.
Weiteres hauptsächliches derzeitiges Anwendungsgebiet in der Landwirtschaft ist die Insektenresistenz (in 22 % der Fälle), wobei hier die sogenannten Bt-Toxin-Gene des Bodenbakterium Bacillus thuringiensis zum Einsatz kommen. Diese Toxine, im Eigentlichen Eiweißstoffe oder Proteine, die hochspezifisch an Zelloberflächen binden können, haben die Eigenschaft, die Darmwand einiger Fraßinsekten zu zerstören. Bt-Präparate, die direkt vom Bacillus thuringiensis gewonnen werden, kommen seit längerem als biologische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz und sind auch im Ökologischen Landbau zugelassen. Sind die Bt-Toxine aber direkt gentechnisch in die Pflanzen eingebaut, so gelangen sie unmittelbar in die menschliche Ernährung.
Am Beispiel der gentechnisch veränderten Bt-Pflanzen können die Risikodimensionen der agrarischen Gentechnik gut abgebildet werden. Zuerst einmal besteht die Möglichkeit, dass durch die massenweise Produktion von Bt-Toxinen in den Pflanzen die Resistenzbildung bei den Insekten enorm beschleunigt wird, sodass längerfristig auch die allgemeine Anwendung als Bakterienpräparat im Biologischen Landbau verunmöglicht wird. Zudem ist ein ökologisches Schadenspotential in Bezug auf sogenannte Nicht-Zielorganismen gegeben. Es gibt genügend Studien die beweisen, dass nicht nur die anvisierten Schadinsekten vergiftet werden, sondern auch andere Insekten, die einfach Nützlinge sind, wie z.B. die Florfliege, oder die als solche nicht betroffen sein sollten, wie z.B. Schmetterlinge.
Wesentlich ist auch, wenn die gentechnische Bt-Pflanze als Nahrungsmittel zum Einsatz kommt, dass die gentechnische Veränderung auch die Eigenschaften der Bt-Toxine per se unerwartet beeinflussen könnte. Obwohl angenommen wird, dass Bt-Toxine im menschlichen Darmtrakt abgebaut werden bzw. dort nicht binden, wurden die entsprechenden toxikologischen Studien, selbst nach so vielen Versuchsjahren, nicht mit den Toxinen aus den gentechnisch veränderten Pflanzen sondern nur mit dem bakteriellen Toxin durchgeführt.
Dass eine solche Annahme einer Eigenschaftsveränderung realistisch sein könnte, stellte der bristisch-ungarische Biochemiker Dr. Pusztai 1998 beim Schneeglöckchenlektin, einem ähnlichen hochspezifisch wirksamen Protein, das in Kartoffel eingebaut wurde, fest. Bei Rattenversuchen mit dem gentechnisch veränderten Lektin aus der Pflanze zeigten sich plötzlich Wachstumsstörungen bzw. Veränderungen in der Darmwand der Versuchstiere – im Gegensatz zum Präparat aus den Schneeglöckchen selbst. Anstatt die neuen von Dr. Pusztai vorgeschlagenen Testverfahren anzuwenden bzw. auszubauen, wurde dieser von seinem Forschungsinstitut entlassen bzw. von anderen Wissenschaftern bekämpft. Dabei verlangte er nur die bessere Überprüfung der Toxikologie bzw. verlieh er dieser Forderung Nachdruck, indem er sagte: Er würde diese Nahrungsmittel beim gegenwärtigen Stand des Wissens nicht essen. Das war wohl zuviel für die wirtschaftlichen Interessen. Heute noch werden bei Zulassungen von Bt-Pflanzen keine an die gentechnische Veränderung anknüpfenden Fütterungsstudien gemacht und zur Beurteilung herangezogen, sondern lediglich auf Annahmen basierend die bakteriellen Bt-Toxin-Studien als aussagerelevant zitiert.
Zudem stellte sich heraus, dass eine spezifische Bt-Toxin-Variante (Cry9c) im menschlichen Magen längere Zeit stabil bleiben kann und somit als potentiell allergieerregend einzustufen sei. Daraus entstand in den USA der sogenannte StarLink-Skandal, da diese Bt-Variante zwar nur für Futtermittel zugelassen wurde, gleichzeitig aber aufgrund fehlender Trennungen in Nahrungsmitteln auftauchte. Die Kosten der Rückruf- und Beseitigungsaktionen wurden auf über 1 Mrd. Dollar für die Betreiberfirma Aventis geschätzt. Selbst nach mehr als drei Jahren tauchen immer noch Spuren von StarLink in manchen US-Mais-Chargen auf.
Derzeit gibt es 16 zugelassene GVO-Produkte in der EU, wobei vorwiegend neben dem Importsoja von Monsanto (Roundup-Resistenz), gentechnisch veränderte Mais- und Rapsvarianten betroffen sind. Die Rapsvarianten wurden vorderhand nur zur Saatguterzeugung zugelassen. Österreich hat unter wohl überlegten Begründungen gegenüber der EU die GV-Mais-Produkte mit einem Importverbot belegt. Nachdem es trotz neuer Freisetzungsrichtlinie in der EU keine klaren Kennzeichnungsrichtlinien, keine Vorschriften für Futtermittel und Regelungen über die Vermarktungs- und Verarbeitungswege (Rückverfolgbarkeit) gab, haben 2001 Österreich und andere EU Länder (Frankreich, Italien, Dänemark, Griechenland, Luxemburg, Belgien) erklärt, dass sie bis zur Erlassung entsprechender Vorschriften keine neuen Zulassungen von GVO-Erzeugnissen in Europa erlauben werden. Dies wurde als zeitlich begrenztes de facto Moratorium bezeichnet.
Nachdem die entsprechenden Regelungen im Entwurfsstadium vorliegen und im Herbst vom Europaparlament verabschiedet werden, wird ein großes neues Zulassungskarussell für die Vermarktung in naher Zukunft erwartet. Die Industrie hat vorderhand gleich 17 neue Vermarktungsanträge gestellt und erwartet für Herbst ebenfalls positive Entscheidungen diesbezüglich. Unser Kommissar in Brüssel hat die USA, die die EU mit einem Verfahren vor dem WTO Schiedsgericht eindecken möchte und vehement auf Zulassungen drängt, bereits gebeten, noch etwas Geduld zu haben. Gleichzeitig drohte er aber bereits jenen EU-Ländern wie Österreich, die dann weiterhin am Moratorium festhalten wollen, mit rechtlichen Konsequenzen. Also es wird zunehmend ernst mit der Gentechnik auf unseren Tellern.
Dazu kommt ein anderes wesentliches Problem der agrarischen Gentechnikanwendung: GVOs kreuzen aus, so wie jede andere Pflanze auch. Insbesondere Nutzpflanzen mit einem hohen Fremdbefruchtungsanteil wie Raps oder Pflanzen mit hohen Pollenfrachten wie Mais lassen sich schon auf den Äckern nicht gegenseitig abgrenzen. Gleiches wird für Getreide gelten. Das bedeutet, dass umliegende Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen verunreinigt werden. Man kann es ruhig Gen-Verschmutzung nennen. Jetzt streiten sich die Experten, welche Abstände man vorschlagen soll. Die Abstandsregelungen bei der Saatguterzeugung von ein 10 oder 20 Metern bis maximal 100 oder 200 Meter sind nicht wirksam, denn bei Sortenreinheitsfragen sind ein paar Prozent Verunreinigungen nicht wichtig und auch kaum nachweisbar. Gentechnische Verunreinigungen dagegen sind jederzeit spezifisch nachweisbar und können bei ungünstigen Windverhältnissen oder durch Insektenflug sogar über Kilometerdistanzen auftreten. D.h. die GVOs und ihre Verbreitung sind bei den meisten Kulturpflanzen nicht kontrollierbar und eingrenzbar. Gleich wie bei der Chemieanwendung wird in solchen Fällen die Diskussion der Schwellenwerte zum entscheidenden Faktor. Ab 0,9 % unbeabsichtigten GVO-Anteil soll laut EU-Entwürfen erst gekennzeichnet werden.
Ganz besonders problematisch wird diese schleichende Verunreinigung für den biologischen Landbau, denn dieser lehnt auf Grund seiner Prinzipien (Z.B: Ursachenbezogenheit, Systemintegration und Risikovermeidung) die Anwendung der Gentechnik ab. Diese Ablehnungshaltung wird auch ganz besonders von den BiokonsumentInnen mitgetragen. Zu der biologischen Verunreinigung kommen noch Belastungsmöglichkeiten technischer Art in der Nahrungskette, d.h. von der Ernte bis zum fertigen Konsumprodukt. Derzeit ist davon auszugehen, dass der Biolandbau bei gleichzeitigem großflächigem GVO- Anbau vor allem unter den kleinstrukturierten Verhältnissen wie z.B. Österreichs nicht gentechnikfreigehalten werden kann. Daraus ergibt sich eine grundsätzliche Problematik des Nebeneinander, die neuerdings als Koexistenzproblem bezeichnet wird.
Bei ungünstigen Verhältnissen kann das dazu führen, dass die Ernte mit GVOs verunreinigt wird, sodass sie de facto nicht mehr als biologisch vermarktet werden kann, oder dass direkt einkaufende BiokonsumentInnen abspringen und den Einkaufsplatz wechseln. Dies kann sowohl individuell als auch in Summe für den gesamten Biosektor zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen. Auch würden angefangen von den Analysekosten bis hin zu den diversen Abgrenzungs- und Trennungskosten immer höhere potentielle Kosten auflaufen, je intensiver GVO-Anbau in einer Region betrieben wird. Entscheidender Knackpunkt für die Zukunft wird es sein, ob es entsprechende einklagbare Haftungsregelungen geben wird, damit das Risiko, die Auflagen und Schutzmaßnahmen jene zu verantworten haben, die GVO anwenden bzw. vermarkten. Jedenfalls bis jetzt gibt es solche Haftungsregelungen nicht. Es erscheint notwendig, solche Regelungen vehement von der Politik einzufordern.
Auch die EU hat darauf schon zu reagieren versucht und die Koexistenzproblematik zumindest als solche anerkannt. Erstmals wurde in europäischen Strategiepapieren der Grundsatz der Wahlfreiheit der Wirtschaftsakteure angesprochen bzw. das Recht auf freie Konsumwahl anerkannt. Nur was man darunter versteht ist nicht klar. Die industriellen Interessenslobbys in Brüssel gehen davon aus, dass der Biolandbau und die BiokonsumentInnen einen bestimmten Verschmutzungsgrad mit GVO akzeptieren müssten bzw. dass die Biobauern für die Erhaltung ihrer Gentechnikfreiheit selber verantwortlich seien, während die Umweltorganisationen und Bioverbände die Verantwortung und Haftung von jenen einfordern, die GVO verkaufen und anwenden.
Aber auch das erste Mitteilungspapier von der EU-Kommisssion zur Koexistenzfrage war mehr als enttäuschend. Es wird die Verantwortlichkeit für Verunreinigungen nicht zugeteilt. Im Gegenteil es wird sogar umgekehrt unterstellt, dass die Biobauern auch die GVO-Pflanzen verschmutzen würden und deshalb mitverantwortlich seien, nicht eingedenk, dass das traditionelle Gewohnheitsrecht vor dem Recht geht, durch technische Neuerungen Umweltveränderungen zu erzeugen. Es wird also in Zukunft auch darauf ankommen, die Anerkennung der Gentechnikfreiheit der Umwelt sowie der gentechnikfreien Nahrung als öffentliches, zu schützendes Gut, das auch zerstört werden kann, politisch durchzusetzen.
Hier wurden noch lange nicht alle Dimensionen der gentechnisch veränderten Nahrungsmittel vorgestellt. GVOs lassen sich beispielsweise auch direkt in der Nahrungsmittelverarbeitung einsetzen. In der traditionellen Lebensmittelbiotechnologie werden mit, aus der Natur selektierten Produktionsmechanismen, alkoholische Getränke, milchsaure Säfte, Backwaren, Essig und Sauerkraut, verschiedene Sojaprodukte, Rohwürste und Schinken, und vor allem auch Milchprodukte erzeugt. Aber auch Kaffee, Kakao, Tabak und Tee sind "alte" fermentative Lebensmittel. Mit Hilfe der Gentechnologie könnten bei sämtlichen der eingesetzten Mikroorganismen die Produktivität gesteigert, die Enzymwirkung verstärkt oder standardisiert werden, aber auch unerwünschte Nebenprodukte ausgeschlossen und neue Enzymfunktionen hinzugefügt oder mehrstufige Prozessschritte vereinfacht werden. Doch aufgrund der Ablehnungshaltung der Bevölkerung kommen solche GVOs kaum direkt zum Einsatz. Viele der technologischen Träume der Gentechniker haben sich, nachdem den KonsumentInnen das Grausen kam, als Luftschlösser, wenn auch jederzeit realisierbar, entpuppt.
Anders verhält es sich bei Hilfs- und Zusatzstoffen für Nahrungsmittel, die zu einem Gutteil bereits gentechnisch erzeugt werden. Es zählen dazu: Fruchtsäuren (zum Aufschließen, Konservieren und zur Geschmacksgebung), Aminosäuren (als Geschmacksverstärker, Antioxidantien, Proteinaufwerter und Super-Süßungsmittel für "Light- Getränke" - "Aspertame" besteht nur aus zwei Aminosäuren), Vitamine (als Gesundheitsaufwerter, Geschmacks- und Aromastoffe primär auch für Fertiggerichte), Enzyme (z.B. Herstellung von Fructosesirup als Zuckerersatzstoff, Labferment, Weichmacher beim Fleisch...).
In der EU, in Deutschland und auch in Österreich sind insbesondere Lebensmittel, bei deren Erzeugung gentechnisch hergestellte Enzyme eingesetzt werden, bereits längst am Markt. Nachdem solche Stoffe von nur ganz wenigen Unternehmen weltweit erzeugt werden, wird es immer schwieriger eine gentechnikfreie, traditionell erzeugte Variante am Markt zu erhalten. Ähnliches könnte uns im schlimmsten Fall auch bei den Kulturpflanzen passieren.
Quellen
Syngenta, Monsanto, Aventis, BASF, DuPont, Bayer, Dow AgroSciences, Makhteshim-Agan, Sumitomo, FMC, pubmed.gov, BMELV