Original geschrieben von sHaO-LiNg
Über den Zustand der Politik klagen und ihr gleichzeitig den Rücken kehren, ist natürlich ein demokratisch äußerst gescheiter Ansatz. 
Allgemeine empfinde ich die übliche Politikverdrossenheit schon als Charakterschwäche, natürlich gibts Ausnahmen.
Man kann ein unpolitisches Leben durchaus rechtfertigen, aber dann sollte man sich auch in Gleichmut üben.
Witzig finde ich, dass viele über mangelnde Bildung und Kultiviertheit klagen, sie aber niemand sich selbst auszumachen scheint.
Offenbar gibt es nur Menschen, die nichts von Bildung halten und solche, die genug davon haben.
Mag ja sein, dass du politisch so unerträglich... korrekt bist, dass dir deine eigenen Nackenhaare kalt den Rücken herunterlaufen. Aber es ist nicht nötig mir den Vogel zu zeigen. Sicher, augenscheinlich ist es nicht das Richtige, sich "abzuwenden", aber das mache ich ja auch nicht unbegründet. Ich habe mich lange genug politisch engagiert, um einiges aus erster Hand mitzubekommen und unsere sogenannte Demokratie ist leider sehr festgefahren. Es geht nur noch um Beeinflussung und das mittlerweile in einem unverträglichen Umfang. Politische Debatten werden immer niveauloser und so platt, dass nicht einmal ein Eichhörnchen auf einer 6 spurigen Autobahn mithalten kann. Medial aufgebauschte Themen, wie die völlig haltlos herbeizitierte Klimakatastrophe werden für Wahlkampfzwecke ausgeschlachtet, und die Mehrheit des Parlaments dreht ihr Fähnchen stets nach dem Wind, der das größte Geld in ihre Taschen pustet, während sie bestenfalls unsinniges, schlimmstenfalls destruktives Flickwerk betreiben. Hinzu kommen noch die inoffiziellen, "kleinen" Gefälligkeiten zwischen Lobbyisten, die netten „Gespräche“ zwischendurch auf dem Bundestagsparklatz und der eine oder andere „Berater“-Vertrag, die, wie es meine Wagenladung Gänsefüßchen klar machen dürfte, auch nicht stimmungshebend sind. So weit so bekannt
Wer von sich selbst noch nicht zu solchen (Schand-)Taten bereit ist, wird weichgeklopft, denn Fakt ist, dass kein Politiker, der sich eines bestimmten Themas annimmt am Ende des Arbeitsprozesses noch unbeeinflusst ist. Verbände, Arbeitgeber und Lobbyisten drohen, wettern, erpressen, bestechen (vielleicht nicht unbedingt mit Geld), verschleiern, desinformieren, lügen, locken, hetzen Wähler auf, versprechen Posten für irgendwann später mal, nerven mit falschen Studien, beschäftigen Anwälte, Presseberater und professionelle Umstimmer, bis ein kleiner Minister nicht mehr weiß, wo oben und unten ist, nur, dass dahinten seine politischen Pläne plötzlich ins Gegenteil geschwenkt sind.
Man kann sich so keine Meinung mehr von den wahren Absichten des Politikers machen. Man hat keine Ahnung für was dieser Mensch wirklich einsteht (meist - ohne "alle" über einen Kamm scheren zu wollen -, für sich selbst und den Gehaltsscheck) und was sich nach seiner Wahl bewegen wird. Dafür sind Politiker auch zu gute Schauspieler und den Umgang mit der Kamera und aufdringlichen Journalisten viel zu geübt. Man muss schon sehr tief wühlen und nachforschen, um eine einigermaßen wacklige Sicht der Dinge zu bekommen - und dafür hat nicht jeder Zeit oder Geduld. Der durchschnittliche Wähler kann das bei heutigen Wahlkämpfen nicht mehr einschätzen und ist dadurch in seinem Wahlverhalten fehlgeleitet. Was bleibt, ist das kleinere Übel zu wählen, und zu hoffen, dass die nächste Generation schlauer/mutiger/unbeeinflussbarer sein wird - wohlwissend, dass diese Leute eher in die Wirtschaft gehen. Das kleinere Übel wählen? Das kann es doch nicht wirklich sein. Und ich muss sagen, die Entscheidung wurde/wird immer schwierige. Aber ok. Bis hierhin ist die Sache ja noch ganz normal, weil Menschlich, und vielleicht sogar spannend. Aber dann kommt noch die sehr träge Abfolge der Ereignisse hinzu, die mir auch ein wenig wie eine kausale Konstante erscheint.
Statt eines miteinanders, um Dinge zu bewegen, stellen sich unsere (und nicht nur die) Abgeordneten gegenseitig ein Bein. Selbst wenn die Spinner, die heute so einen Schmarrn reden und fleißig am Sessel der Konkurrenz sägen, dadurch an die Spitze gelangen - sobald sie dort sind, gibt es auch wieder andere, die Schmarrn reden und die Säge auspacken. Daher ist auch kaum eine der Parteien in der Lage ihre Politik vernünftig durchzusetzen. Was am Ende rauskommt ist immer nur Flickwerk - ein Kompromiss, der alle vielleicht ein bisschen, aber niemanden so richtig zufrieden stellt. Und sollte die Politik der regierenden Partei dann doch mal nach etlicher Verzögerung und Verlangsamung zu fruchten beginnen, sind vier Jahre um, und die anderen kommen dran. Nur halt Doof-Süßsauer statt Blöd-Herbbitter. Dann beginnt wieder alles von vorne. Das ist unsere Demokratie. Und das empfinde ich persönlich als sehr frustrierend. Jeder Biologe weiß, dass sich kleine Gruppen in Isolation am schnellsten entwickeln. Setzt man 1000 Vögel auf einer kleinen Insel aus, entwickeln sie sich schnell. Setzt man 10 000 Vögel auf einem großen Kontinent aus, verlangsamt sich die Entwicklung erheblich. Bei uns ist das nicht anders. 3 Leute in einem Komitee können etwas bewirken. Bei 10 wirds schon schwieriger. Bei 1000 geht gar nichts mehr. Sie stehen sich gegenseitig im Weg.
"Mach's doch besser", kann man jetzt sagen. Ja, das kann man versuchen. Aber die traurige Wahrheit ist, dass man als Einzelner gegen die "dumpfe Masse" nur sehr schwer ankommt. Diejenigen, die es ernsthaft versuchen, werden entweder von Einflussfaktoren zurechtgebogen, oder sie haben irgendwann von selbst die Nase voll, treten aus, gründen irgendeine ulkige Splitterpartei, oder schmeißen komplett hin. Ich bin ganz ehrlich - ich habe dafür keinen Nerv mehr. Ist mein daraus resultierendes Desinteresse richtig? Nicht unbedingt. Sollen das jetzt alle so machen wie ich? Keinesfalls!
Aber ich bin inzwischen davon überzeugt, dass wir an einem Punkt angelangt sind, wo die Bürger außerhalb der Parlamente mehr bewegen können. Und auch tun, Stichwort selbstorganisiertes Verhalten. Es ist wirksamer, in seinem direkten Umfeld anzusetzen, als in der Partei - nur meine Meinung. Ich muss mir jedenfalls die Reden nicht mehr anhören. Ist auch besser für die Tischkante, in die ich bei solchen Anlässen üblicherweise zu beißen pflege...
Und das geht vielen anderen, die sich veräppelt vorkommen und daher überhaupt kein Interesse für die politischen Vorgänge mehr aufbringen, auch so. Ich kann es und will es ihnen nicht verübeln, denn ich kenne genug Politikverdrossene, oder von anfang an völlig Politikdesinteressierte, die von den Vorgängen um sie herum weitaus mehr Ahnung haben, als diejenigen, die in Kaffekränzchen durch Politik und Anspruch zu paralysieren versuchen, wo sie etwas wollüstiges von "Links, blah, Rechts, fasel, Rot-Grün - du darfst weiterfahren" grunzen.
Aber vielleicht besitzt du als unser ausgewiesener Weinkenner, Frauenversteher, Sport- Spiel Politik- und Igelexperte und Vorsitzender des Literaturzirkels Wachtelshausen an der Ruhr, mit der Lizenz zum Augenrollen, auch einfach nur ein dickeres Fell als ich. Wenn du dich politisch ernsthaft engagierst - viel Glück! Hoffentlich bleibt dir dieses Fell erhalten. Und das meine ich mal ganz ohne Ironie. So. Tut mir leid für den etwas längeren Beitrag, der dann auch noch "leicht" abdriftet. Ich will auch keine Politikdiskussion hervorrufen - das gehört hier nicht hin. Also zurück zum Thema. Was war das noch mal? Irgendwas mit Sperma?