@Gustavo Nach deiner Logik ist es ja auch "Zwang" wenn jemand nur 5k Euro pro Monat verdient statt 10k. Diese breite Definition von Zwang macht für mich wenig Sinn, ich würde das Vertragsfreiheit nennen.
Die Grenzen der Ökonomie sind kein "Zwang". Die kannst du genauso wenig Aushebeln wie die Schwerkraft. Aber alles jenseits davon sind arbiträre Festlegung: Was du völlig ausblendest ist die Tatsache, dass der Staat komplett den Rahmen für das absteckt, was du "Vertragsfreiheit" nennst. Ohne diese Rahmenbedingungen wäre keinerlei Marktwirtschaft möglich, weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer.
Insofern ist es nicht irgendwie "mehr" ein Eingriff in die Vertragsfreiheit, wenn man das zugunsten des Arbeitnehmers tut als wenn man es zugunsten des Arbeitgebers tut. Dass das nicht der status quo ist ändert daran gar nichts.
Und ja, ich bin dagegen, Arbeitgeber dazu zu zwingen. Weil es viele Jobs gibt, wo Home Office und 4 Tage Woche nicht klar besser ist. Und ich keine staatliche Bürokratie oder noch mehr Rechtsstreit möchte um festzustellen, bei exakt welchen Tätigkeiten jetzt dem Arbeitgeber Home Office oder 4 Tage Woche zugemutet werden muss.
Kannst du ja. Aber verkauf uns halt nicht als höhere Prinzipien, was lediglich ein ideologischer Grundreflex ist: Gesellschaftlich wird die Gesamtmenge des "Zwangs" durch staatliche Eingriffe in den Arbeitsmarkt nicht erhöht, sondern stark reduziert. Das gilt im Allgemeinen; ich sehe aber auch keinerlei Grund, warum das im ganz konkreten Fall hier nicht auch im Besonderen gilt. Arbeitsabläufe umzuplanen sind größtenteils Fixkosten, die einmal anfallen. Der Umstand durch eine (unnötige) 5-Tage-Woche und nicht gewährtes home office fällt dagegen dauerhaft an. Dieses Argument von wegen "keine staatliche Bürokratie" ist eine Wortblase, das hat mit ernsthafter Beschäftigung damit, wie eine Volkswirtschaft funktioniert, wenig zu tun.
Auch das Wegwischen von anderen Meinungen mit "6 auf 5 ging ja auch, warum sollte 5 auf 4 nicht gehen" ist sehr komisch.
Erstens war 6 auf 5 prozentual weniger Wegfall von Arbeitszeit, und eine Verdopplung der Freizeit. Zweitens war das eine andere Zeit, was die Demografie anging. Drittens könntest du deine simplizistische Argumentation ja auch anwenden auf "warum dann nicht 3 statt 4? Warum nicht 2 statt 3? Warum nicht sogar mehr Lohn statt nur voller Lohnausgleich?"
Wegwischen? Das ist doch absurd. Auf der einen Seite haben wir eine groß angelegte Forschungsstudie, auf der anderen Seite haben wir deine empirieferne Behauptung, die mutmaßlich nur darauf fußt, dass dir das Ergebnis nicht so recht einleuchtet. Jetzt nichts für ungut, aber du solltest dir diese Globalbehauptungen bzgl. makroökonomischen Zusammenhängen, die du nicht verstehst, wirklich schenken.
Ob von 48 Stunden in sechs Tagen zu 40 Stunden in fünf Tagen wirtschaftlich vergleichbar ist mit von 40 Stunden in fünf Tagen zu 40 (oder 38 oder 36) in vier Tagen ist etwas, worüber wir überhaupt nicht spekulieren brauchen, weil es sich empirisch feststellen lässt. Das lässt sich natürlich mit einer Studie nicht abschließend klären, aber einen Hinweis haben wir nun (neben den ganzen Tätigkeiten, die jetzt schon in 10-Stunden-Schichten arbeiten, deren Produktivität sich ja auch messen lässt).
Mal abgesehen davon, dass im Jahr des Herrn 1956, als die Gewerkschaftsbewegung anfing die Fünftagewoche einzufordern, die Demografie für Deutschland auch nicht günstiger war als heute (deshalb ja erst die Gastarbeiter), gibt es überhaupt keine Hinweise darauf, dass das nicht funktionieren würde. Die Arbeitgeber weinen natürlich wieder bittere Krokodilstränen, aber das tun sie bei so ziemlich jeder für sie nachteiligen Gesetzesänderung. Zu glauben der Zustand, in dem wir uns zufällig zu jedem bestimmten Zeitpunkt befinden, wäre nahe am (oder gar das) Pareto-Optimum ist jedenfalls wirtschaftshistorisch völlig ungerechtfertigt. Exogene Schocks verändern die Rahmenbedingungen häufig von Status A zu Status B, auch wenn das auch schon vorher möglich gewesen wäre. Normalste Sache der Welt in der Wirtschaftsgeschichte.
Es gibt kein bestimmtes Niveau an Arbeitszeit, das unsere Volkswirtschaft erfordert. Wie viel Arbeit die Arbeitnehmerschaft kollektiv anbietet ist, solange man sich innerhalb von denkbaren Arbeitszeiten bewegt*, nur ein tradeoff, wie viel gesellschaftlichen Wohlstand wir erwirtschaften wollen. Wir und die USA hatten mal ziemlich ähnliche Jahresarbeitszeit pro Arbeitnehmer, aber die europäischen Länder haben sich für den Weg entschieden, Wohlstand gegen Freizeit zu tauschen und weniger zu arbeiten. So zu tun als wäre eins normativ irgendwie besser als das andere ist Ideologie, keine Ökonomie. Wenn in Deutschland weniger Arbeit angeboten wird als Stellen zu besetzen sind, dann haben bestimmte Betriebe in Deutschland halt keine Zukunft. Das sind tendenziell die am wenigsten produktiven und daran ist auch nichts Schlechtes. Simon Jäger, der gerade neu das IZB leitet, macht den Punkt neuerdings in der deutschen Debatte immer wieder: "Fachkräftemangel" ist eine Fiktion. Es gibt genug Fachkräfte: Nicht für jeden Betrieb, aber jeder Betrieb hat die Chance auf Fachkräfte. Sie müssen nur halt besser bezahlen als die Konkurrenten.
*also jetzt nicht dass alle 80 Stunden arbeiten sollen oder 5
€dit:
Exakt, aber der Starting Bias sollte erstmal gegen mehr Regulierung sein. Anstatt nonchalant zu sagen "why not verpflichtend 4 Tage Woche. 5 ging ja auch."
Du scheinst nicht mal zu merken, dass du rein ideologisch argumentierst. Das Arbeitszeitgesetz ist genauso arbiträr wie die 4-, 5-, oder 6-Tage-Woche.