Diese Diskussion hatten wir doch vor nicht allzu langer Zeit, nur dass wir da über Linkspopulismus statt Linksradikalismus geredet haben.
Ich bin im Übrigen nicht der Meinung, dass Radikalismus unabhängig von Mehrheiten ist, schlicht und ergreifend weil Radikalität nun mal für mich einen grundlegenden Konflikt mit der herrschenden Ordnung bedeutet und diese ist nun mal je nach Land und Zeitraum unterschiedlich, je nachdem wer die Macht hat(te). Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen dass exakt JETZT der Maßstab ist und alles davor kann uns egal sein, aber dann ergibt der Begriff imho keinen Sinn mehr, weil eine Form von Radikalität (ob rechts oder links) dann quasi auf so ziemlich jede Partei zu jeder Zeit bis vor wenigen Jahren passen würde.
Das mit dem "Kapitalismus ablehnen" halte ich für einen ziemlich schlechten Maßstab, einfach weil das so tut als würde die Antwort darauf tatsächlich etwas aussagen. Es gibt aber einfach keinen Grund zu glauben, dass sie das wirklich tut: Den meisten Leuten fällt es sowieso schon schwer, kohärente politische Präferenzen zu artikulieren, aber jeder der sich ein kleines bisschen mit Umfrageforschung befasst hat weiß, dass du möglichst konkret fragen musst und möglichst wenige, klar umrissene Alternativen geben. Es ist leicht gesagt dass man "den Kapitalismus ablehne", aber das ist halt eine ziemlich leere Phrase solange man keine konkrete Alternative vor Augen hat. Du scheinst das so zu interpretieren dass die Leute meinen dass sie ein anderes System bevorzugen, aber das halte ich für eher abwegig. Was die Leute damit wohl eher meinen dürfte sowas sein wie "bestimmte Dinge am Kapitalismus passen mir nicht", aber das ist halt ein weites Feld, weil Kapitalismus vieles heißen kann. Das stört mich auch an folgender Aussage:
Das halte ich für komplett überzogen. Noch mehr als beim bloßen Populismus, bei dem du auch schon dieses Argument gebracht hast, ist Radikalität nicht durch Einzelmaßnahmen ohne ideologische Grundlage erreichbar.
Nach der Definition sind dann aber auch wenige Rassisten rechtsradikal -- weil sie einfach sozial-historisch Rassisten sind & sich nicht mit ideologischer Theorie beschäftigen.
Wenn man das so eng spannt, sind dann nur die ideologischen / intellektuellen Kader auf beiden Seiten Radikal, und ihre Gefolgsleute nicht.
Kann man machen, finde ich aber irgendwie auch wieder eine limitierende Definition.
Du musst das Argument nicht teilen, aber der Standpunkt, dass gerade in Berlin Enteignungen angezeigt seien, weil die Immobilienkonzerne tatsächlich pure Nutznießer der Tatsache sind, dass die Stadt ihre Wohnungen nahe am Tiefpunkt ihres Werts verkauft hat, ohne einen großen Mehrwert (der ja dem Kapitalismus hier immer so gerne zugeschrieben wird) in Form von überdurchschnittlichen Sanierungsmaßnahmen oder gar Neubau zu bringen, ist jetzt eindeutig begrenzt.
Nein, da finde ich nichts begrenzt.
Durch günstigen Kauf Profit zu machen ist ein absoluter Normalfall im Kapitalismus.
Insbesondere ist es hier ja wenn, dann die Schuld des Verkäufers.
Auch das Ergebnis ist auf ganz andere Weisen veränderbar -- bspw durch staatlichen Wohnungsbau, oder durch Änderung der Regulierung rund um Wohnungsbau.
Weiterhn ist überhaupt nicht klar, dass die meisten derer, die diese Forderung erheben, gerne exakt dort die Grenze ziehen und nicht weitergehen möchten. Eher ist das Gegenteil zu vermuten. Dass man auch weiter gehen würde, es aber erstmal hier fordert, wo es gerade opportun/mehrheitsfähig erscheint
Ergo haben wir eine Situation,
- eine Alltagssituation des Kapitalismus als "böse" gesehen wird --Gefahr der slippery slope also absolut gegeben ist
- wo ein als negativ empfundener Umstand einem Stakeholder zugeschrieben wird, der dafür in keinem relevanten Maße verantworllich ist
- es viele Alternativen gibt, diesen Umstand zu behebe
Das ist schon extrem, dann zu denken, man sollte diese Unternehmen enteignen.
Extrem politisch, oder extrem dumm.
Genauso ist es ein bisschen arbiträr zu sagen, mit einem Grundbedürftnis (Wohnraum) keinen Gewinn machen zu dürfen ist an sich schon "linksradikal", obwohl wir so ziemlich dasselbe bei einem anderen Grundbedürftnis (Gesundheit) mehr oder weniger als gesellschaftliche Übereinkunft haben (wenn auch nicht in allen Lagen, wobei ich hier auf den RIESIGEN Abstand zu dem "kapitalistischer" aufgezogenen Gesundheitssystem der USA hinweisen würde).
Stimmt doch nicht.
Auch mit Gesundheit wird viel Gewinn erziehlt -- muss auch so sein.
Stichwort spezialisierte Ärzte, Medizintechnik, Pharmaforschung.
Bei Gesundheit hat man sich darauf geeinigt, dass die Gesellschaft / der Staat eine Grundversorgung garantiert, und dann selbst das System dafür gebaut. Man verhindert aber eben nicht private Aktivität darüber hinaus.
Analogie zum Wohnraum wäre, dass der Staat herzlich eingeladen ist, selbst Wohnungen zu bauen. Und Wohngeld geben.
In bedien Fällen ist keine Enteignung von Wohnungsbau- oder Pharmakonzerenn nötig und daher auch nicht legitim.