Also langsam reichts mal. Es ging hier zunächst um eine sehr schlichte Frage, die ist beantwortet. Wenn der Threadersteller oder sonstwer noch drüber diskutieren will, wie lästig, peinlich, schön, toll, was auch immer es ist ein Tischgebet zu sprechen, mitzubeten, zu ertragen, was auch immer, ist ja auch völlig in Ordnung.
Aber diese uninformierten, pauschalen, einfach peinlichen "Religionsflames" gehn mir mal sowas von auf den Sack. Wenn es euch nicht interessiert, lasst es halt. Ich behaupte mal, die meisten Menschen kommen irgendwann an einen Punkt, wo es sie irgendwie doch mal interessiert, aber das muss jeder für sich entscheiden.
Katastrophal daneben gehn ja schonmal die ganzen 0815-ahnungslos-Flames, die nichtmal zwischen Kirche und Religion unterscheiden können. Demnächst behauptet der erste noch, daß katholische Tischgebete die Gefahr für Kreuzzüge in Zentraleuropa aktuell enorm erhöhen, allerdings erst nachdem sie ganz Afrika durch eine AIDS-Welle ausgelöscht haben...
Die ganzen Theorien über "die Welt wäre besser ohne Religion" sind ungefähr so hilfreich, wissenschaftlich und interessant wie "die Welt wäre besser ohne Menschen".
Wissenschaft und Kirche ist ein ähnliches Thema wie Wissenschaft und Politik. Viel zu komplex um es in ein paar Sätzen abzuhandeln. Die gegenseitigen Verstrickungen und Manipulationen sind so weitreichend, aber ich behaupte mal, da ist es noch einfacher die Politik als böse auszumachen als die Kirche. Wobei ich der Kirche ähnlich negativ gegenüberstehe.
Wissenschaft und Religion liegen hingegen viel näher beieinander als viele oft annehmen. Gerade die Naturwissenschaften und die Religion kann man fast als zwei Seiten einer Münze ansehen, aber auch das sind sehr philosophische Gedanken und Themen, die zu weit führen.
Um aber mal auf ein paar der wirklich ganz billigen Argumente einzugehen, soweit das überhaupt möglich ist:
- Die 10 Gebote vs. das Deutsche Rechtssystem: Glücklicherweise widerspricht sich dar garnicht so viel. Die "Gott-Gebote" sind für mich klare Ausprägungen von Machtinteressen einer sich entwickelnden Kirche, abgesehn davon historisch "üblich". In den "Nächsten-Geboten" steckt wie ich finde verdammt viel grundlegende Weisheit für einen menschlichen Umgang miteinander. Allein über mein Lieblingsgebot "Liebe Deinen nächsten, wie Dich selbst", kann man sicher Tage philosophieren. Aber allein der oft unbeachtete Nachsatz "sich selbst zu lieben", scheint mir heute immer öfter verloren zu gehen, was ich sehr bedaure. Natürlich sind die 10 Gebote alles in allem etwas wenig, um das komplexe aktuelle menschliche Leben zu "regeln", aber in der Essenz wirklich gut. Und in wie fern das Deutsche Rechtssystem da erfolgreicher ist, darüber kann man noch gut streiten.
- Religiöse Symbole vs. Knigge: Seltsam, daß Schuhe abputzen sinnvoll ist, weil man den Teppich nicht dreckig machen will. Andererseits fürs Essen zu danken, weil man es zum Überleben braucht nicht. Wie bescheuert engstirnig kann man eigentlich sein? Putzt Du Dir die Schuhe nicht mehr ab, wenn Sientology das zum Ritus erklärt? Oder muss ich in den Krieg ziehen, weil ich ein Kreuzzeichen mache, als Zeichen ein gemeinsames Gebet, einen Impuls, "Zusammensein" bewußt zu erleben?
- "Unter Ludwig XIV hat es die Kirche wiedereinmal geschafft...": Herzlichen Glückwunsch, Sie haben erkannt, daß auch Religion durch Kirchen, aber auch die Kirchen selbst, zu allen möglichen Zwecken missbraucht wurden und werden. Oh sollten wir vielleicht sicherheitshalber auch die Wissenschaft verbieten, die wurde ja auch schon immer missbraucht... vielleicht wäre ja auch offensichtlich "die Welt besser dran ohne sie".
- Mein Lieblingsargument "Die böse Kirche tötet Menschen in Afrika, weil sie Kondome verbietet": Wie wäre es, wenn ihr Euch so ein ganz kleines bisschen informieren würdet. Aus durchaus nachvollziehbaren Gründen, die ich im übrigen aber nicht teile, ist die Kirche strikt gegen Empfängnisverhütung (da das sozusagen einen unrechtmäßigen Eingriff in göttliche Angelegenheiten darstellt...). Das halte ich persönlich für Quatsch, ich halte es für viel schlimmer "aus Versehen" ein Kind in diese Welt zu setzen, das dann unter unzumutbaren Bedingungen leben muss. "Innerkirchlich" ist das aber wenigstens eine konsequente Linie und zusammen mit dem Verbot von "Sex vor der Ehe" würde sogar AIDS keine ernsthafte Bedrohung darstellen. Würden sich die Leute also alle an die "böse Kirche" halten, wäre AIDS überhaupt kein ernsthaftes Problem. Nicht daß ich Sex vor der Ehe irgendwie schlecht fände, aber wenn ich da vernünftig genug bin, meinen eigenen Weg zu wählen, dann sollte ich das vielleicht auch bei den Kondomen hinkriegen. Aber wild ungeschützten Sex haben und dann die böse Kirche beschuldigen, daß sie einem das Kondom verboten hat, ist für mich ungefähr auf einem Niveau mit Amerikanerinnen, die McDonalds verklagen, weil der Kaffe im McDrive heiß war...
Ich finde grad kein "Argument" mehr, was mich nicht so wirklich überrascht. Aber ich muss doch ausnahmsweise mal Shao-Ling voll zustimmen. Religion an sich irgendwelche historischen Greultaten von Kirchen vorzuwerfen, macht ungefähr soviel Sinn, wie jemandem der sozialistische Ideen vertritt die Greueltaten des Kommunismus vorzuwerfen...