Da in diesem Thread die Gegenthese fehlt und ein Forum ohne Diskussion sinnfrei ist, versuche ich mich an einer Replik.
Russland ist wo es ist und wie es ist. Russland wird in diesem Krieg nicht nachlassen. Ihren Willen und ihre Opferbereitschaft haben sie jetzt lange genug bewiesen. Früher oder später wird der Westen die Waffenlieferungen reduzieren und die Ukraine wird ernsthafte Konzessionen machen müssen. Teil dieser Konzessionen wird ein Nichtbeitritt zur NATO und eine Beschränkung der Wehrfähigkeit sein. Dieser Ausgang ist unausweichlich. Vor diesem Hintergrund streiten wir de facto doch nur noch darum, ob die künftige Grenze 50km östlich oder westlich läuft oder ob Ukraine nach dem Krieg ein paar Panzer mehr oder weniger haben darf.
Sind es diese Details wirklich wert, dass dafür weiterhin tagtägliche zigtausende junger Männer auf beiden Seiten sterben? Männer die auch Mütter, Frauen und Familie haben und die allermeiste von denen für diesen Krieg absolut überhaupt nichts können? Wollen wir nicht einfach einen Schlussstrich ziehen, das unausweichliche ein paar Jahre vorziehen und vorwärts schauen?
Disclaimer: Das ist nicht meine Meinung, aber ich kenne eine Person, die ich ernstnehme, schätze und nicht für moralisch fragwürdig halte, die diese Meinung vertritt.
Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass Leute das tatsächlich vollumfänglich glauben bzw dabei nicht noch zumindest folgendes auslassen:
"Mir ist relativ egal, dass dieses Szenario bedeutet, dass Russland dann in wenigen Jahren einfach nochmal anfangen kann - und dann leichteres Spiel als heute hat, weil sie selbst sich neu aufrüsten können und die Ukraine eben "Beschränkung der Wehrfähigkeit" unterliegen würde.
Allermindestens müsste jemand mit diesem Gedankengang anerkennen, dass es für die Ukraine aus diesem Grunde ein schweres Dilemma ist, bei dem eben nicht glasklar ist, dass jetzt Waffen niederlegen optimal ist. Langfristig könnte das sehr gut noch mehr Tote und noch mehr Unfreiheit für die Ukraine bedeuten.
Wer das nicht so sieht, der ist mMn entweder nicht besonders clever, oder aber nicht besonders ehrlich.
Denn wer das so sieht, der müsste in diesem schweren Dilemma doch der Ukraine zugestehen, diese Entscheidung für sich selbst treffen zu müssen.
Und dann wäre logisch, dass Deutschland weiter Waffen liefern sollte, solange sich die Ukraine für das Weiterkämpfen entscheidet.
Das ist sinnvoll selbst wenn man zynisch denkt und damit "nur" der Preis für Russland hochgetrieben wird und dadurch Russland (und andere Staaten!) eher abgehalten werden, solche Angriffskriege zu führen.
Ich denke daher, dass diese Line üblicherweise nicht vollständig ist, und die ehrliche Variante folgendes enthalten würde:
- "Mir ist die Freiheit der Ukrainer piepegal"
- "Die Ukrainer sind zu doof, selbst diese Entscheidung zu treffen"
Und meiner Meinung nach auch:
- "Ich möchte zum Status ex ante zurück - billiges Gas von Russland"
Diese Ergänzungen sind nur nicht publikumswirksam.
Man würde sich als arroganter Egoist outen, dem Freiheit dann doch nicht wichtig ist.
Das passt nicht zum erwünschten Fremdbild, daher kommt die unvollständige Variante, bei der man sich als "vernünftiger Freund des Friedens" darstellen kann.