Bündnis Sahra Wagenknecht

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Naja, von mir aus, damit kann man auch recht wenig anfangen, da es Folgefragen aufwirft, die dem Kern näher kommen - siehe Gustavos Punkte. Im Fokus vor allem: wie geht es mit Russland weiter, wie sehen unsere Beziehungen zu diesem Land, der Ukraine und Anrainer Russlands (Die in der Nato sind) aus? Was wären die Folgen für die Glaubwürdigkeit des Bündnisses und wie viel opfert man als Außenstehender für einen Frieden "mit Konzessionen", bzw. auf welcher Basis werden da Standpunkte aufgegeben? Eventuell wäre die verkürzte Frage: habt ihr das wirklich durchdacht, was ihr da sagt?
Das ist doch verschieben von Goalposts. Boot hat 5 konkrete Fragen gestellt und das waren 5 konkrete Antworten auf genau diese Fragen.

Jetzt sagst Du das reicht nicht, und stellst eine Reihe von schwammigen Folgefragen mit der direkten Unterstellung die Position sei nicht durchdacht. Da musst Dir schon mehr Mühe geben zu zerlegen wieso das nicht durchdacht ist damit die Diskussion weitergeht.

Grundsätzlich nehme ich an die Folgepositionen sind wie folgt:
  1. Als Land des Friedens pflegen wir einen positiven Umgang mit allen Ländern, seien dies Osteuropäische Länder, Ukraine und Russland
  2. Ein Angriff auf die NATO ist natürlich inakzeptabel. Dies wird Russland aber sowieso nicht tun. Russland hatte in der Ukraine ein berechtigtes Sicherheitsinteresse, sobald dieses gewahrt ist steht einem positiven Miteinander von EU, NATO und Russland nichts mehr im Wege.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Zwischen Links und Nationalismus gibts nur einen Widerspruch, wenn Du es ideologisch anschaust. Aus der individuellen Perspektive ist es vollkommen rational. Personen mit unterdurchschnittlicher Ausbildung in einem reichen Land sollten im Eigeninteresse für mehr staatliche Transferleistungen und gegen mehr Migration zu sein.

Mag inkonsistent und nicht alleine mehrheitsfähig sein, aber es gibt hinreichend Klientel, die sich im Eigeninteresse verhält und somit ist auch zu erwarten, dass in einem Mehrparteiensystem eine Partei dieses bedient. Die Demokraten in USA sind zu einem guten Teil auch nationalistisch und links. Sie werden nur nicht als nationalistisch wahrgenommen, da sie auch nicht-nationalistische Strömungen haben und die Reps extremer sind.


Ich wäre vorsichtig mit solchen apodiktischen Aussagen. Ideologien sind natürlich nicht völlig rational, aber sie sind auch nicht beliebig irrational: Für die meisten Leute hat es zumindest einen gewissen intrinsischen Wert, wenn sie sich selbst halbwegs plausibel einreden können, dass ihre Positionen keine kognitive Dissonanz erzeugen. Der Wert ist natürlich jetzt auch nicht unendlich groß (Upton Sinclair hat dazu mal gesagt "it is difficult to get a man to understand something, when his salary depends on his not understanding it"), das ist auch klar. Aber die meisten Leute würden ungerne andauernd ad hoc irgendwelche Ausnahmen und Addenden in ihre ideologische Überzeugung einbauen, die sie nicht wirklich begründen können, weil sie es müssen um ihre Kerninteressen zu schützen. Im Zweifelsfall kann man nämlich auch einfach seine Ideologie ändern. Und da krankt es beim "Linksnationalismus" halt: Wenn du "rational" bloß als "Eigeninteresse" definierst kann man natürlich alles Mögliche darunter definieren, aber das ist für die meisten Leute unter normalen Umständen nicht, was "rational" bedeutet. Ein in sich konsistentes Weltbild haben die allerwenigsten Leute, das ist klar, aber die meisten Leute haben zumindest oberste Prinzipien, die sie (mit Ausnahmen, wenn sie ihnen selbst zu sehr schaden) doch meistens anwenden können.

Es ist allerdings interessant, wie sich beim Thema "Linksnationalismus" die beiden Betrachtungsweisen doch relativ stark unterscheiden. "Links" spricht für mich für ein stärker ausgeprägtes Gefühl der Gleichheit, das nicht automatisch fundamentale Unterschiede zwischen Nationalitäten erkennt*, während Nationalismus ohne diese fundamentalen Unterschiede überhaupt nicht auskommt. Auf eine bestimmte Art ist es schon seltsam, dass Rechtspopulismus in (West-)Europa häufig Nationalismus und weniger Umverteilung miteinander verbindet, obwohl Umfragen nahe legen, dass die meisten Wähler der Rechtspopulisten eigentlich mehr Umverteilung wollen, nur halt mit fest umgrenzter Zielgruppe (Inländer respektive "Volkszugehörige") und quasi dass sie es "Umverteilung" nennen wollen. Insofern ist es interessant, warum so viele populistische Parteien in Europa aussehen wie die AfD und wieso so wenige aussehen wie das BSW.


Btw: Das die Demokraten "nationalistisch" sind würde ich so nicht unterschreiben.



*der klassische Ansatz der Linken war ja auch, eine Verbundenheit zwischen den "Klassen" zu sehen, unabängig von Nationalität, die in der Realität oft nicht gegeben war
 
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Da in diesem Thread die Gegenthese fehlt und ein Forum ohne Diskussion sinnfrei ist, versuche ich mich an einer Replik.

Russland ist wo es ist und wie es ist. Russland wird in diesem Krieg nicht nachlassen. Ihren Willen und ihre Opferbereitschaft haben sie jetzt lange genug bewiesen. Früher oder später wird der Westen die Waffenlieferungen reduzieren und die Ukraine wird ernsthafte Konzessionen machen müssen. Teil dieser Konzessionen wird ein Nichtbeitritt zur NATO und eine Beschränkung der Wehrfähigkeit sein. Dieser Ausgang ist unausweichlich. Vor diesem Hintergrund streiten wir de facto doch nur noch darum, ob die künftige Grenze 50km östlich oder westlich läuft oder ob Ukraine nach dem Krieg ein paar Panzer mehr oder weniger haben darf.

Sind es diese Details wirklich wert, dass dafür weiterhin tagtägliche zigtausende junger Männer auf beiden Seiten sterben? Männer die auch Mütter, Frauen und Familie haben und die allermeiste von denen für diesen Krieg absolut überhaupt nichts können? Wollen wir nicht einfach einen Schlussstrich ziehen, das unausweichliche ein paar Jahre vorziehen und vorwärts schauen?


Disclaimer: Das ist nicht meine Meinung, aber ich kenne eine Person, die ich ernstnehme, schätze und nicht für moralisch fragwürdig halte, die diese Meinung vertritt.
Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass Leute das tatsächlich vollumfänglich glauben bzw dabei nicht noch zumindest folgendes auslassen:
"Mir ist relativ egal, dass dieses Szenario bedeutet, dass Russland dann in wenigen Jahren einfach nochmal anfangen kann - und dann leichteres Spiel als heute hat, weil sie selbst sich neu aufrüsten können und die Ukraine eben "Beschränkung der Wehrfähigkeit" unterliegen würde.

Allermindestens müsste jemand mit diesem Gedankengang anerkennen, dass es für die Ukraine aus diesem Grunde ein schweres Dilemma ist, bei dem eben nicht glasklar ist, dass jetzt Waffen niederlegen optimal ist. Langfristig könnte das sehr gut noch mehr Tote und noch mehr Unfreiheit für die Ukraine bedeuten.

Wer das nicht so sieht, der ist mMn entweder nicht besonders clever, oder aber nicht besonders ehrlich.
Denn wer das so sieht, der müsste in diesem schweren Dilemma doch der Ukraine zugestehen, diese Entscheidung für sich selbst treffen zu müssen.
Und dann wäre logisch, dass Deutschland weiter Waffen liefern sollte, solange sich die Ukraine für das Weiterkämpfen entscheidet.
Das ist sinnvoll selbst wenn man zynisch denkt und damit "nur" der Preis für Russland hochgetrieben wird und dadurch Russland (und andere Staaten!) eher abgehalten werden, solche Angriffskriege zu führen.

Ich denke daher, dass diese Line üblicherweise nicht vollständig ist, und die ehrliche Variante folgendes enthalten würde:
  • "Mir ist die Freiheit der Ukrainer piepegal"
  • "Die Ukrainer sind zu doof, selbst diese Entscheidung zu treffen"
Und meiner Meinung nach auch:
  • "Ich möchte zum Status ex ante zurück - billiges Gas von Russland"
Diese Ergänzungen sind nur nicht publikumswirksam.
Man würde sich als arroganter Egoist outen, dem Freiheit dann doch nicht wichtig ist.
Das passt nicht zum erwünschten Fremdbild, daher kommt die unvollständige Variante, bei der man sich als "vernünftiger Freund des Friedens" darstellen kann.
 
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Raute an Xantos.
Ich finde die Ukraine ist keinen Krieg mit Rußland wert und habe unser Engagement im Maidan usw nie gutgeheißen.
Aber so lange die Ukrainer selber kämpfen wollen, sollten wir sie dabei unterstützen. Sie zahlen ja den Blutzoll und "wir" nur einen mickrigen Anteil unserer Steuergelder. Sollen sie selber entscheiden, wie lange sie bereit sind das zu ertragen und ob sie noch an einen guten Ausgang des Krieges glauben.
 
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