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Artensterben Religion: Die Kirche

GeckoVOD

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In guter Tradition des untergetauchten und (zumindest von mir) vermissten Monokel-Admins ein Thread zur Steigerung der Aktivität. Mir gefällt die Idee von reddit (schamlos geklaut) auch Updates aus Bubbles zu bekommen, eventuell euch ja auch. Meine Bubble ist die kirchliche Welt. Da die größten Vollpfosten weg sind, traue ich mich mal und hoffe mich nicht zu doxxen. Daher immer mal wieder Auslassungen.


Disclaimer:

Es geht um Kirche, speziell die katholische und die evangelische, allerdings bewusst mit Fokus eher auf den 'weltlichen' Teil der Religion. Anzumerken sei, dass ich mich tatsächlich nicht als Atheisten bezeichnen würde, eher in die Richtung Deismus tendiere. Ich bewerte Religion und Gläubige grundsätzlich wenig, eventuell später mehr dazu. Vor knapp zehn Jahren war ich radikaler, was das Urteil angeht, mittlerweile: Man sollte nicht kritisieren, was andere Leute antreibt, im Positiven wie im Negativen. Was allerdings kritisiert werden darf ist die Institution (Vatikan, EKD) oder das Fehlen einer solchen. Sekten sowieso, abhängig davon wie theologisch genau man bei diesem Begriff ist. Wie dem auch sei.

Ausgangslage


Ich klammere (anfangs) bewusst mal den Missbrauch aus. So viel sei gesagt: Ich nehme Bemühen wahr, dass zumindest die Historie in vielen Bistümern und LKs (Landeskirchen) aufgerollt und verurteilt wird. Viel Licht, aber teilweise erschreckender Schatten. Ich begrüße ausdrücklich, dass man Marx' Büro durchsuchte. Es geht aufwärts.

Mir begegnen immer wieder Videos wie oben, gepaart mit diversen Aussagen, die in diese Richtung geht. Die Kirche ist reich, die Kirche hat Geld, Deutschland ist nicht säkular und was weiß ich. Früher war es Tebartz van Elst, heute ist es Marx und Wölki, teilweise aber auch eher Unbekannte wie Gössl, die sich zielgerichtet in die Fettnäpfchen stürzen oder gerade heraus bescheuert sind. Die Gläubigenzahlen sinken rapide, teilweise durch Austritte (Missbrauch), teilweise durch die Demographie (bye bye, Weltkriegsgeneration). Außerdem, der "synodale Weg" der katholischen Kirche scheitert immer wieder brachial am Widerstand des Vatikan - Mitwirken von Laien ist schon noice, aber halt nur im mikroskopischen Bereich. Das hat Folgen. Unter anderem auf das (erweiterte) Sozialsystem, denn das Geld fehlt, auch wenn das Video oben es anders suggeriert.

Struktur(en)

Das Video oben meint, die Kirche hätte viel Geld oder wüsste, was sie so hat. Real ist das nicht so, die Kirche ist tatsächlich sehr verwirrend. Plakativ nehme ich die Katholiken, Leute mit Hirn werden es auf die Ökumene übertragen können. Es heißt gerne, die Kirche denkt in Jahrhunderten, was auch tatsächlich notwendig ist. Im Fokus der Kritik steht die Kirchensteuer, bzw. nicht mal die Steuer an sich, sondern dass sie durch den Staat erhoben wird.

Wer es nicht wusste, das geht mehr oder weniger auf Napoleon zurück. Vor dessen Kriegen war die Steuer Gegenstand für Fürsten, die wiederum eng mit dem Klerus verbandelt waren. Dank dem Franzosen gab's dann Reformen und die Fürsten hatten zu wenig Geld, also enteigneten diese die Kirche. Die Kirche wiederum erhielt Reparationen, die die Fürsten abgaben. Als das deutsche Reich gegründet wurde, war die Weimarer Republik (iirc) der Rechtsnachfolger, irgendwann dann wir. Ergo gibt es die Steuer.

Die Steuer soll immer wieder mal abgeschafft werden, die Logik ist, man hätte alles abgezahlt, was auch richtig ist. Allerdings hat das ernste Konsequenzen, da die Kirche an und für sich kaum eintreiben können wird und massiv bluten würde. Der Widerstand ist groß. Die meisten Politiker raffen sehr schnell, dass das ungünstig werden könnte, weswegen es immer wieder auf Halte kommt. Tatsächlich glaube ich, dass die meisten Kirchen damit leben könnten, wäre der Übergang klarer. Irgendwie wollen beide Seiten gleichwenig.

Aber zurück, die Kirchen selbst sind mit der Steuer sehr kompliziert gebunden. Es ist nicht so, als ob die selbst ohne Weiteres verwalten könnten. Tatsächlich muss das Geld in die "Pfrüde" fließen, also das Personal. Ein Teil darf in andere Dinge fließen, aber meist versickert es schnell ohne wirklich verschwendet zu werden. Darunter fallen primär die pastoralen Mitarbeiter, aber auch Verwaltung und der "soziale Auftrag" im Allgemeinen. Im Endeffekt ähnlich zu Unternehmen. In die Gemeinde fließt es meines Wissens nie zurück. Und hier liegt die Krux, denn Kirche ist als "Eigentümer" kleiner als man denken dürfte. Das Video suggiert so einiges und setzt es nur sehr kurz in Relation.

Zunächst: Eigentümer der meisten Objekte und gegebenenfalls Erträge aus den Objekten ist weder das Bistum, noch die "Gemeinde" vor Ort. Hintergründig stehen Stiftungen, die sich wiederum meist in einen sakralen Teil (Kirchen, Betrieb und Erhalt dieser), sowie Nutzgebäuden (Pfarrhaus, Pfarrzentrum, Verwaltung, Mieten) gliedern. Häufig gibt es noch weitere Stiftungen (oder Fonds), die weitere Erträge generieren. Häufig muss auch das Plus an das Bistum und/oder den Vatikan abgeführt werden, wenn etwas bleibt. Und das ist selten der Fall. Die Stiftungen selbst haben Vorstände, die diese vertreten. Lustigerweise ist das absolutes Chaos, da Kirchen- und zugehörige Pfründestiftungen von der gleichen Person oder völlig unterschiedlichen Personen vertreten sein können. Rein satzungsrechtlich ist das ein ewiges Hick-Hack. Vor allem, da diese pastorale und weltliche Aufgaben haben, die in krassen Widerspruch stehen können. Dazu später mehr.

Hinzu kommt, das wird häufig vergessen, diverse andere Stiftungen. Domkapitel, Metropolitankapitel o.ä. für die großen Bauwerke (Kathedralen, etc.) und Verwaltungsgebäude. Aber auch Sozialverbände (Caritas, Diakonie, Zweckverbände) als KdöR oder gGmbH. Und Wohnbauunternehmen, die teilweise noch unter Aufsicht des Bischofs stehen, oder komplett frei agieren. Oder mit der Kommune verbandelt sind. Diese können aus den Erträgen querfinanziert werden, allerdings nur unter Koordination des Bistums / des Generalvikars (quasi der Bischof für die weltlichen Angelegenheiten).

Fasst man zusammen: Der Kirche gehört an Objekten wenig und die aktiven Einkommen sind gar nicht mal so groß. Was allerdings korrekt ist, die Erträge aus den wirtschaftlichen Teilen können groß sein (bspw. Einnahmen aus Erbpacht / Pacht / Vermietung), sowie der historische Aktien- und Wertpapierbestand. Allerdings, gemessen an den üblichen Konzernen ist das immer noch nicht so riesig wie dargestellt und wird wohl auch gebraucht. Wie viel da in den Bistümern bleibt, ohne in den Vatikan zu fließen, ist unklar. Der teilt das übrigens auch gerne um, bloß wie? Weiß keiner. Da haben sie recht.


Vermögen

Im Video wird so getan, als sei der Kölner Dom mehr als 30€ wert. Ist er das? Tatsächlich unklar. Man hat sich, gemäß Denken-in-Jahrhunderten nie Gedanken gemacht, weil warum auch. Man sollte verstehen, dass diese Institutionen bis um die Jahrtausendwende auch Kammeralistik als Buchhaltung einsetzten, die Wertermittlung erst durch die Umstellung auf Doppik angestoßen wurden. Und selbst die Umstellung war erzwungen, weil diverse Steuerreformen (die letzte war die Grundsteuer) angestoßen wurden.

Sakralbauten haben einige Probleme, u.a. dass sie keiner will, nichtmal der Staat. Mit Ausnahme der UNESCO sind große Sakralbauten, zumindest die prominenten, sehr schnell Millionen- und Milliardengräber. Der Unterhalt ist gigantisch, eine Nachnutzung für nicht-religiöse Einrichtungen meist uninteressant. Dank der Kubatur geht da auch sehr, sehr wenig. Nicht selten ist auch die Technik schwierig, da die Gebäude mit anderen Objekten verbunden sein können, sich sogar Heizsysteme u.ä. teilen. Isolieren, nachverdichten, usw. usf. sind schöne Ideen, aber extrem teuer. Dennoch kommt viel Bewegung in die Sache, denn die Kirchen müssen weg. Die Stiftungen mit den Gemeinden sterben und können sich kaum noch etwas leisten, selbst die Bistümer sehen keinen Zweck mehr.
Und dann kommt der Denkmalschutz um die Ecke. Nicht nur die großen Gothik- und Barockmonster sind geschützt, mehr und mehr Betonklötze aus den 50ern und 60ern kriegen ein Etikett, weil irgendein Spinner beim Staat ein Plakat draufklebt. Ohne dabei zu kalkulieren, dass das dem Staat viel Geld kosten wird, denn der muss meist bezuschussen. Und die Kirche kann die Gebäude nichtmal absperren, weil die Instandhaltung von einem "kann" zu einem "muss" wird.
Als Kirsche kommt auf die Sahnetorte bei den jüngeren Objekten das Urheberrecht der Architekten - man könnte umbauen, man hätte Konzepte, aber der Architekt sagt nein. Oder dessen Erben. Also muss man u.U. bis zu 70 Jahre nach dessen Tod warten und hoffen. Völlig behindert.

Ähnlich sieht es mit "Kunst" aus. Die Kirchen sind voller Kunst, Kunst die selten veräußerbar ist. Der Markt für Marienikonen ist begrenzt, der Markt für die "Großen Meister" wäre da; aber wie will ich ein Fresko verkaufen, dass an der Decke hängt? Oder wie will ich den Altar herausteilen? Wer nimmt diesen? Stattdessen muss ich diese erhalten und restaurieren, weil Denkmalschutz. Realistisch ist bei einer Umwidmung die Kunst der allerletzte Stolperstein. Die muss eingelagert werden, was wiederum riesige Kosten erzeugen kann. Man kam schon auf die glorreiche Idee die Kunst an Kirchen weltweit zu verschenken. Es will keiner.

Es bleiben Pfarrheime und ähnliche Bauten. Innerstädtisch sind diese toll, die Realität der meisten Bistümer und Kirchen ist allerdings, dass diese Bruchbuden im tiefsten Schwarzwald o.ä. stehen. Wert? 1€, mit viel Glück.

Ergo, das meiste Vermögen ist gebunden und erzeugt sehr viel mehr Kosten als man erwartet.

Und jetzt kommen die guten Immobilien - das Video spricht von Innenstädten. Korrekt. Erstmal die Moral: Man sollte auf das Grundbuch und die Historie des Gebäudes schauen. Sehr, sehr häufig hat die Kirche diese Immobilien, weil sie die Grundstücke für lächerlich wenig Geld gekauft hat. Meist im Zeitraum 1946 bis 1955, mit ganz vielen Bomben und Schutt drin, in einer Zeit, als sich keiner was leisten kann. Sehr häufig sind diese Luxusimmobilien dann 20 - 40 Jahren sehr deutlich unter Marktpreis vertrieben worden, dann nochmals aufwendig modernisiert worden. Seit ca. 20 - 30 Jahren tragen einige davon dicke Früchte und Rendite. Wie immer, Licht und Schatten. Teilweise sind diese Objekte jetzt immer noch und sehr bewusst unter Marktpreis und mit Sozialauswahl als Mietobjekte im Umlauf. Zudem war die Kirche einer der ersten Besitzer, die auf Quartiersentwicklung und ökologische Modernisierung achtete - so es ging.
Mir ist bewusst, dass es auch ziemlich kapitalistische Wohnbaugesellschaften gibt und diverse Stories rundherum. Es gibt aber auch gute, die wirklich viel wert sind (wen es interessiert: evangelische Heimwerkstatt bspw.).

Hinzu kommen auf jede tolle Immobilie einige, die für symbolische Preise an Caritas, Kitas, Kommune, Land oder sonstige Träger vergeben wurden. Das sind Krankenhäuser, Parks, Museen, Alten- und Pflegeheime, Obdachlosenunterkünfte, Sozialkaufhäuser, Hospitze usw. usf. Das eine finanziert das andere über Ecken und Enden.

Ausgeklammert bis jetzt, sowohl im Vermögen als auch in der Struktur, das Wort "Orden". Diese sterben langsam, aber sehr sicher. Und das sind krasse Gebäude und Vermögenswerte, die mit allen Problemen kommen. Egal wer das auffangen wird, es wird ein trojanisches Pferd werden. Klöster im Innenstadtbereich, die riesige Brocken sind und sehr schwer zu modernisieren wären. Mal schauen, wo das hingehen wird.

Sozialer Auftrag und gesellschaftliche Auswirkungen

Eines vorweg: Kirchliches Arbeitsrecht ist Krebsaids und gehört abgeschafft. Allerdings auch wahr: Wo ist es in der sozialen Welt denn gut? Generell gehört da arbeitsrechtlich vieles geschraubt, meine Laienmeinung.

Die Kirche argumentiert, dass sie viel gutes schafft, u.a. durch die sozialen Zweige. Das Video wischt das weg und meint das gehört in staatliche Hand. Das ist korrekt. Das wird aber nicht en passant gehen. Noch ist es mir klar, dass der Staat das effizient und gerecht darstellen will. Ich empfinde es als riesige Frechheit, dass der Status Quo gewahrt wird, ohne beiderseitig zu schauen, wie man sich aus der Einbahnstraße manövrieren wird. Und hier kommen wir auf die Ausgangslage: Die Kirche kann sich den Auftrag simpel nur noch sehr bedingt leisten und muss Abstriche machen.

Klar ist, dass die Kirche, sollte sie mehr Gelder verlieren, nicht bei den Ertragszweigen sparen wird, sie muss schließlich mit weniger mehr haushalten. Mein Einblick sagt mir, dass gerade der Umbruch stattfindet. Intern wird re-organisiert und Wasserköpfe abgebaut, bzw. zentralisiert - beispielsweise Gemeinden fusioniert und Zwischenebenen gegründet. Kitas werden nicht mehr durch Stiftungen vertreten, sondern durch Zweckverbände. Das machen sie imo schon ganz gut, meist sogar besser als größere Organisationen, die mir so begegnet sind.

Parallel werden Kostengräber abgestoßen, so es denn geht - siehe Kirchen. Hier liegt eine Chance bei Kommunen diese Konversionsflächen umzunutzen. Man steht sich aber selbst noch sehr im Weg, siehe unklares EEG, dem Denkmalschutz, Urheberrechtsfragen und der eigenen Unfähigkeit auch solche Projekte zu koordinieren. Größere Geldquellen werden zu zögerlich geöffnet oder koordiniert, man denke an EFRE und co. - es kommt wenig.

Die meisten von uns wird's nicht sonderlich interessieren, aber in Dörfern wird's diskutiert - wenn die Kirchen aufgegeben werden, beschweren sich interessanterweise nicht die Gläubigen als erstes, sondern die Einwohner. Plötzlich ist der Kirchturm dann doch irgendwie ortsprägend und ganz toll, warum soll der weg? Also rennen wir schnell zum Denkmalschutz oder bequatschen den Bürgermeister. Wer das dann zahlt, darauf kommen sie letztlich nicht. Bin mal gespannt, wie das in den Innenstädten wird.

Andere Initiativen erleben einen Rückgang. Diverse Sonderobjekte werden geschlossen, weil die Stiftungen kein Geld für den Bauunterhalt mehr aufbringen können. Jugendräume, Integrationscafes, Suppenküchen - es gibt eine Latte. Auch das feste Personal wurde umgeschoben, sodass jetzt Ehrenamtliche ein eingeschränktes Angebot aufbringen. Und die sterben bald, ich hab sie gesehen, die müffeln tatsächlich schon. Tja, scheiße. Da gehen pro Quartier meist ein paar gute Initativen drauf, für die es keinen Ersatz gibt. Teilweise vermisse ich die echt nicht, teilweise ist es maximal schade, vor allem das völlige Desinteresse der Kommunalpolitiker. Aber dann beschweren, wenn die Jugendlichen auf der Straße rumgammeln.

Weiterhin wird alles mehr oder weniger zur Diskussion gestellt, was ich als logisch empfinde. Die großen Sakralbauten werden mehr in Richtung Staat geschoben - Monumente nationaler Bedeutung oder so ähnlich heißt es laut Gesetz. Meint, die Baulast wird früher oder später zu 80%+ auf den Staat abgewälzt, der das hoffentlich teilweise von der EU und der UNESCO holt. Wobei, halt. Wenn die Stadt bereits von der UNESCO profitiert, dann muss man das auch erhalten. Selbst ein paar % weniger aus der Kirche fressen dann aber das Plus aus dem Tourismus echt schnell auf. Vor allem wenn wir über Ensemble und co. reden. Na, egal.
Große Grundstücke mit Erbpacht aber sekundär pastoraler Bedeutung werden unter die Lupe genommen - angesprochene Museen, Krankenhäuser oder ähnliches. Ist das kein kirchennaher Verband, dann kann man das theoretisch erhöhen. Und wieder würde der Staat zahlen.

Letztlich werden aber auch die Beiträge erheblich steigen. Die Altenpflege wird auf dem Markt verhandelt und die Kirche zieht langsam, aber sicher zu den großen Privaten nach. Ähnlich sieht es mit der Kita-Betreuung aus. Zwar werden die Kosten für Personal durch den Staat großzügig gefördert, deren Verwaltung und (direkte & indirekte) Objektkosten allerdings nicht. Auf dem platten Land werden schon Kitas aus diesen Gründen zusammengelegt - einerseits wenig Belegung, andererseits hohe Bau- und Verwaltungskosten. Und die Kinder kommen mangels ÖPNV nicht von A nach B. Die Kommune wartet und hat selbst kein Geld. Im städtischen Bereich erlebe ich es jetzt auch und obwohl 90% der Kitas, Krippen und Horte kirchlich sind, tut sich nichts an Alternativen. Tatsächlich gibt es keine einzige öffentliche Alternative zur Kirche im Umkreis von 40 Kilometern wenn es um Alten- oder Kinderpflege geht. Alle Initiativen sind privat organisiert, sei es betrieblich oder als Elterninitiative, die Kommune oder der Staat ist nicht da. Man sieht den Baum fallen, aber man reagiert nicht.

Von den Sozialbauprojekten müssen wir nicht reden. Entweder die, die es können, werden preislich nachhziehen, oder es wird davon weniger geben. Aber macht nichts, der Staat macht ja schon so viel an sozialem Wohnraum, wird sich nichts ändern.
 

Scorn4

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Wenn man sagt, dass die Kirche reich ist, spricht man natürlich von der katholischen Kirche.
 
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Schöner Post und Thread.

Zwei Fragen hierzu:
"Man sollte nicht kritisieren, was andere Leute antreibt, im Positiven wie im Negativen."

1. Beschränkst du das auf religiöses, oder auch politische & andere Einstellungen? Wie ziehst du da die Grenze?

2. Was bedeutet das für dich konkret bei religiösen Überzeugungen, die mit unserer Verfassung / meinem Wertebild als liberalen Atheisten kollidieren? Warum soll ich das nicht kritisieren dürfen?

"Die Kirche argumentiert, dass sie viel gutes schafft, u.a. durch die sozialen Zweige. Das Video wischt das weg und meint das gehört in staatliche Hand. Das ist korrekt. Das wird aber nicht en passant gehen. Noch ist es mir klar, dass der Staat das effizient und gerecht darstellen will"

Aus meiner Laiensicht ist die Kostenübernahme durch den Staat so hoch, dass es der Staat das, was Sinn macht, mehr oder weniger direkt übernehmen kann. Die kleine Kostendifferenz wäre mehr als ausgeglichen, wenn man andere staatliche Subventionen an die Kirche stoppt. Bspw die Übernahme der Kosten für Bischöfe, oder die Steuervorteile.

Auch beim Thema Kirchen sehe ich da kein Problem. Wenn die Kirche nicht mehr selbst dafür aufkommen will, soll sie es dem Staat schenken. Der kann dann entscheiden, wo das dann beibehalten werden soll (bspw Kölner Dom vermutlich schon), und wo nicht.

Die kleine Kirche im Nachbarort, wo ich aufgewachsen bin, steht auch auf Immoscout. Sehe nicht das Problem.
 
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GeckoVOD

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Zwei Fragen hierzu:
"Man sollte nicht kritisieren, was andere Leute antreibt, im Positiven wie im Negativen."

1. Beschränkst du das auf religiöses, oder auch politische & andere Einstellungen? Wie ziehst du da die Grenze?
In diesem Thema rein religiös und auf das Christentum, weil ich mit dem Rest nichts zu tun habe. Wie gesagt, jeder soll herzlich eingeladen sein auch Updates aus seiner (professionellen oder sonstwie) Welt zu teilen, wenn man darüber nicht in den anderen Themen schon sowieso redet.

Ich ziehe grundsätzlich beim intrinsischen, individuellem Glauben nirgends eine Grenze (vma. Glaube an das 'Danach / Auferstehung', die 10 Gebote, [...], von mir aus Heilsteine und Homöopathie). Gedanken sind frei. Die Grenze ziehe ich dort, wo neben Forderungen auch Umsetzungen erfolgen, die andere Leute einschränken. Egal ob Forderung oder Tat, Dinge die rein normativ begründet sind (es soll sein, weil Dinge so sein SOLLEN), sind offen für Kritik - kurz gesagt das, was in der Durkheimschen Weltsich normativ durch die Gesellschaft sanktioniert werden könnte. Obviously fällt Missbrauch in diese Kategorie, aber auch vordergründlich softe Forderungen wie das bayerische Kreuz in Amtsgebäuden oder zuletzt die Kanzelpredigten über die Position zur Abtreibung von Richtern. Lustigerweise sind diese Forderungen auch innerhalb der Kirche umstritten, aber das nur am Rande.

Beim erneuten Lesen fiel mir auf, dass Deismus der falsche Begriff ist, ich meinte wohl eher Agnostik, aber geschenkt. Mir ging es eher darum den (nicht mehr anwesenden) MV abzugreifen, von wegen Atheismus wäre die logische Antwort mit der impliziten Konsequenz die Moral wäre somit auf der Seite des Atheisten. Das ist Bullshit, Atheismus ohne Reflektion ist auch eher Fundamentalismus, weil es reine Rechthaberei ist, um sich nicht differenziert mit einem Thema beschäftigen zu müssen. Und wie man sieht, hier driftet es ab, weil es mir weniger um die Kirche als instituionalisierte Religion mit deren Inhalten geht, mehr um die Verbindung der Kirche mit den sozialen Systemen unseres Landes.

2. Was bedeutet das für dich konkret bei religiösen Überzeugungen, die mit unserer Verfassung / meinem Wertebild als liberalen Atheisten kollidieren? Warum soll ich das nicht kritisieren dürfen?
Siehe oben. Ton macht die Musik und der Gegenstand will entsprechend gewählt sein.
Aus meiner Laiensicht ist die Kostenübernahme durch den Staat so hoch, dass es der Staat das, was Sinn macht, mehr oder weniger direkt übernehmen kann. Die kleine Kostendifferenz wäre mehr als ausgeglichen, wenn man andere staatliche Subventionen an die Kirche stoppt. Bspw die Übernahme der Kosten für Bischöfe, oder die Steuervorteile.
Von hinten nach vorne: Hier trete ich selbst auf dünnem Eis wegen Halbwissen, aber die Steuervorteile kann man nicht pauschal betrachten. Bspw. die Befreiung von Grundsteuer für Einrichtung, die der religiösen Glaubensausübung dienen, finde ich unproblematisch. Einerseits, weil da sowieso kaum etwas zu holen ist, andererseits, weil es auch andere caritative Einrichtungen schnell betreffen könnte. Zwar weniger über die religiöse Schiene, aber weil in diesen Einrichtungen immer ein sozialer Mehrwehrt geschaffen wird. Sollen sie gerne haben. Ausgenommen offensichtliche "Glaubensgemeinschaften", die tatsächlich problematisch sind, etwa Scientology oder ähnliche Maschinerien. Aber die sind schlau genug sich entsprechend zu positionieren, um wieder andere Fässer zu öffnen. Low hangig fruits sind was anderes.

Die Besoldung von Bischöfen wäre das, was ich oben als Ausgleich geschrieben habe. Die Sonderposition der Katholiken und Protestanten kann und sollte forciert werden. Am Rande, andere Christen werden iirc nicht so subventioniert, z.B. die Neuapostolen oder die Orthodoxen. Bringt zu der "direkten Übernahme". Ich glaube wir sind uns da einig, allerdings weniger über den Zeitrahmen. Eine akute Übernahme wäre absoluter Selbstmord für das Pflegesystem, es wäre nichtmal eine mittelfristige Option, wenn es nicht eine krasse Reform unseres gesamten Wohlfahrtsstaats gäbe.

Die Kirche würde nicht von heute auf morgen diese Zweige aufgeben, egal aus welcher Perspektive. Aus moralischer Perspektive unter Garantie nicht, da die Gemeinschaft sich schon auf diese Ziele eingeschossen hat. Man mag diese Personen für verkalkt halten, deren Engagement ist aber tatsächlich nicht gespielt, das sagt das Wort Glaube für viele aus. Auch wirtschaftlich ergäbe es keinen Sinn für die Organisationen ihre Gebäude, das Personal, das Know-How oder die Kunden einfach zu überhändigen. Wenn das mit einem Streich gehen sollte, würde das maximal über die Mechanik einer Enteignung gehen, die wiederum mit deinem liberalen Gefühl kollidieren sollten.

Um das System zu integrieren, braucht es zwingend mehr Overhead in der Verwaltung. Das meinte ich mit wegwedeln im Video, die komplette Koordination, das Management, der Gebäudeunterhalt, die Zertifizierungen, die Prüfungen / Audits, die Geräte, usw. usf. befinden sich in kirchlicher Obhut. Das wäre mit einem Strich beim Staat, aber auch da nicht "dem Staat" alleine, sondern müsste erst in die Ebenen eingegliedert werden; überzufällig häufig würde das die Kommunen betreffen, die meist auch chronisch pleite sind.

Siehst du hier tatsächlich aktuell einen Spielrahmen dieses Projekt auch einfach so anzuwerfen? Oder ab wann? Realistisch, würde man jetzt beginnen (was man müsste), denke ich da so eher "ab in 20 Jahren", damit die Kernstrukturen übernommen werden. Stattdessen haben wir hier in Bayern Söder mit seinen 250€ Zusatzkindergeld, damit die Mamas zu Hause bleiben müssen, aber kaum Hortplätzen, damit man tatsächlich als Eltern eine Wahl hat. Ich sehe hier absoluten Stillstand beim Ausbau, heute, gestern und seit Jahren. Dazu noch Unwillen gepaart mit fadenscheiniger Bekenntnis zum Glauben, damit man so tun könnte, als wäre die Kirche der eigentliche Bremser, nicht der Umsetzer als Ausgleich zum maroden System.

Auch beim Thema Kirchen sehe ich da kein Problem. Wenn die Kirche nicht mehr selbst dafür aufkommen will, soll sie es dem Staat schenken. Der kann dann entscheiden, wo das dann beibehalten werden soll (bspw Kölner Dom vermutlich schon), und wo nicht.

Die kleine Kirche im Nachbarort, wo ich aufgewachsen bin, steht auch auf Immoscout. Sehe nicht das Problem.
Ernst gemeinte Frage: Wie lange steht die da schon und was für eine Kirche ist das? BGF, Baujahr, Baustil, Denkmalschutz ja/nein. Beobachte mal, wie lange das noch so verharrt im Vergleich zu anderen Immobilien. Gibt schon verkaufbare Kirchen, nur so viele sind das nicht.

Das offensichtliche Problem ist die doppelte Rechtssprechung, zumindest beim direkten Start. Wenn man den nicht trivialen und sehr häufigen Fall hat, dass eine Gemeinde nur eine Kirche besitzt, dann hat diese meist zwei Stiftungen im Hintergrund: Kirchenstiftung und Pfründe. Die Kirchenstiftung muss qua Satzung die Gemeinde am Leben halten, was zumindest bei den Katholiken einen Rattenschwanz auflöst. Denn dort ist die Kirche der zentrale Ort, was durch das kanonische Recht (internationales Recht des Vatikan), fixiert und an das Gebäude gebunden ist. Verliert sie das Gebäude ist die Satzung verletzt, also muss die Satzung entsprechend verändert werden oder die Stiftung aufgelöst werden. Wird die eine Stiftung aufgelöst, muss die andere fast zwingend auch aufgelöst werden, bzw. bis zu dem Punkt verändert werden, dass diese eigenständig agieren kann. Was sie nicht kann, wenn es nicht Ersatzorte für die Messe / den Gottesdienst gibt, weil das nunmal ihr primärer Zweck ist - die Gemeinschaft der Gläubigen zu ermöglichen.

Der Weg aus der Misere heißt erstmal Profanierung, also Aufhebung des Gebäudes Kirche als geweihten Ort. Die Richtlinien dafür sind lang, aber meist nicht der Hänger, zumindest heute nicht. Die Stiftungen werden dann meist fusioniert (Einzug einer mittleren Ebene) und die Grundbücher der Kirche entsprechend geändert; das wäre ein großer Akt, in etwa als ob du eine Tochtergesellschaft auflöst und anders aufziehst. Das setzt aber voraus, dass die Gemeinde dem einstimmig zustimmt, was in der Realität dann in entsprechende Widerstände läuft, wenn es nicht von vornherein ein extrem solides Konzept gibt. Auch hier der Verweis auf oben, plötzlich sind die Leute, die da "ja" sagen müssen auch unter Druck von nicht-Gläubigen, die nicht kapieren wollen, dass die Ortskirche weg ist. Sollte man nicht meinen, aber es ist so, wieder und wieder. Das wird dir so bei keinem Unternehmen der Welt passieren, völlig irational auf vielen, vielen Ebenen. Man könnte Geschichten erzählen %(

Danach kommt die Suche nach Akteuren, die das wollen. Wenn die Kirche erstmal zur Disposition steht, dann finde einen Abnehmer. "Die öffentliche Hand" ist eigentlich nur im Fall von wirklich krassen Sakralbauten der offensichtliche Abnehmer. Wir reden über die dicken Klöster, die großen Wallfahrtskirchen, Basiliken oder Kathedralen, eventuell noch kleinere Objekte mit großer kulturellen Bedeutung, die im Zentrum von Kirchweih / sonstigen Zeremonien stehen. Dann springt der Staat oder das Land ein. Ansonsten ist es immer die Popelkommune vor Ort. Und für die ist eine Baulast ohne Nachnutzung heftig, je nach Lage.

Die Ortskirche mal eben absperren und dichtmachen ist ein Ding das möglich ist, aber nur, wenn diese kein Ensemble ist, also nicht freisteht. Meist sind die Dinger 200+ Jahre alt und so gebaut, dass sie im Zentrum des Ortes steht, siehst du btw an Ortsschildern. In Bayern sind in 70%+ der Fälle die Distanzen zwischen Ortschaften nicht Schild-zu-Schild, sondern Kirchturm-Kirchturm als Ortszentrum. Kippt da ein Turm, oder bricht da eine Einfriedung unterspült, dann hängt die auf der (Haupt)Straße, oder das Dach fliegt auf die Nachbargebäude. Entsprechend heftig sind Drainagen, Stabilisierungen usw. usf.. Weil die dann - Denkmalschutz - am besten noch historisch zu restaurieren sind. Unterschätze bitte den Kostenpunkt nicht. Entsprechend schnell sind die Kommunen beim "nein", weil es auch nicht förderlich für die Gemeinde ist. Was brauch ich die Ruine auch, wenn ich andere Baustellen habe, die ich gerade nicht lösen kann? Btw. Abriss ist gut gemeint, aber auch da steigen die Kosten immer weiter, man kann ja nicht mehr Material einfach so wegkippen. Auch ökologisch ist das eine partielle Katastrophe, graue Energie sollte nicht unterschätzt werden.

Für die Nachnutzung ist die Kubatur meist das Problem. Man hat immer das Bild von diesen rechteckigen Schiffen mit Turm vor Augen, aber es gibt so viel mehr und so viel absurde Konstruktionen. Also bau mal was interessantes rein, das einen Mehrwert schafft. Es gibt ein Limit an Möglichkeiten, mir fällt ein:

- Dresden, Klosteranlage, ist jetzt ein soziales Quartier. Hat 10 Jahre Planung gebraucht, 10 Jahre Umsetzung, perfekte Konditionen (Bistum stößt als Eigentümer / Rechtsfolger eines Ordens ab, Orden half bei Koordinierung und Planung)
- Aachen, Gründerzentrum, hat auch länger gedauert. Staatlich stark subventioniert, auch sehr gute Konditionen (Bistum stößt als Eigentümer ab)
- München, Kletterturm und Jugendtreff, kommunal und privat stark gefördert, sehr gute Konditionen (Kuratiestiftung [noch so eine Sonderform], wurde fusioniert und hatte eigentständig das Konzept erarbeitet, dieses mal Protestanten)
- München, Veranstaltungskirche mit Konzert- und Leseräumen (Landeskirche als ehemaliger Besitzer und Bistum als ökumenischer Betreiber in Kooperation, starke kommunale und europäische Förderung iirc)
- Ostdeutschland, Einzugsgebiet Ballungsraum, Umbau zu Archiv / Bibliothek. (Landesförderung und aufgelöste Ordensgemeinschaft als Eigentümer)

Das wars. Für lokale Kirchen, speziell außerhalb des urbanen Raums, fehlen mir alle Beispiele, weil es einfach noch zu viele Widerstände überall gibt. Ich hoffe mal es werden mehr.


Aber ja, wie gesagt, die Kirche als Sonderobjekt ist nicht das Problem, weil das Gebäude nicht so wichtig ist. Mir zeigen aber obige Beispiele, dass man da als Gemeinschaft außerhalb der Kirche was erhalten kann, wenn man die Chance nutzt.

Mein Problem ist eher, dass das gerade die Ressourcen der Kirche frisst, die an anderen Ecken spart und dort Risse zeigt. Die Beiträge hier lokal für Pflege gehen bspw. indirekt deswegen hoch. Zwar nicht sooo wild, aber die Tendenz wird bleiben. Und ich sehe nicht, ab wann das wieder stabiler wird.
 
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