Egal wie "depressiv" ein Patient auf den ersten Blick erscheinen mag, gilt bei uns die Regel, ihn zuerst einmal gründlich auf eine organische Ursache seiner Befindlichkeit durchzuchecken, bevor wir an eine psychische Erkrankung überhaupt denken dürfen.
Es kann durchaus sein, dass beispielsweise eine Anämie (Mangel an roten Blutkörperchen bzw. Blutfarbstoff) oder eine latent verlaufende Infektionskrankheit (hier nur als Beispiel ein Pfeiffer´sches Drüsenfieber) oder eine Stoffwechselstörung wie eine Schilddrüsenunterfunktion an deinem Zustand schuld sind.
All dies und noch viel mehr kann man durch eine Ganzkörperuntersuchung und Blutabnahme zu Untersuchungszwecken schnell abklären.
Ich weiß nicht, wie alt du bist, aber es könnte auch sein, dass hormonelle Umstellungen in der Pubertät als Auslöser in Frage kommen.
Ich würde, wegen der "auffälligen Vergesslichkeit", der zunehmenden Konzentrationsschwäche und aufgrund des übergroßen Schlafbedürfnisses auch den Augenhintergrund spiegeln und eventuell ein EEG veranlassen (Ableitung der Hirnströme), um auch noch einen hirnorganischen pathologischen Befund auszuschließen.
Ich rate dir wirklich, mal zu deinem Hausarzt zu gehen und deine Beschwerden zu schildern. Dabei wäre es gut, ihn auch auf eine eventuell bestehende depressive Verstimmung anzusprechen, damit er diesen deinen Verdacht im Hinterkopf behält, wenn deine klinischen Befunde keinen Hinweis auf ein organisches Korrelat erbringen sollten.
Sollte keine organische Funktionsstörung vorliegen, dann muss man ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten fähren und hoffen, dass man inzwischen sein Vertrauen genießt. Dann müssen Themen wie unerfüllte Sehnsüchte und Einsamkeit ganz behutsam angesprochen werden.
Oft kann der Behandler Brücken ins aktive Leben bauen. Nicht immer ist eine medikamentöse Therapie angezeigt, weil sich andere Wege zur Aktivierung finden.
Bei uns ist ein Junge aus seiner Apathie aufgewacht, als er ein paar Mal beim THW reingeschnuppert hatte. Auch die aktive Teilnahme als Mitglied einer humanitären Hilfseinrichtung (z.B. DRK, Malteser) aber auch die freiwillige Feuerwehr, uneigennützige Gemeindearbeit in der "Suppenküche", Übernahme einer Hausaufgaben-Patenschaft für ein Schlüsselkind etc. kann dem Leben wieder mehr Inhalt geben. Ich könnte dir jetzt genauso gut auch eine Anmeldung beim Hochschulsport, die Mitgliedschaft in einem Modellbauclub (für ferngesteuerte Flugzeuge, Autos, Schiffe etc, die erst selber gebastelt werden müssen), den Kaninchenzüchter- und Gartenbauverein oder die Teilnahme an einem Volkshochschulkurs (Französisch, Italienisch, Kochen oder was auch immer dich interessieren könnte) empfehlen.
Das klingt jetzt wieder nach "Blümchentherapie", aber glaub mir, wir fahren ganz gut damit und es macht den Beteiligten echt Spaß. Man lernt eine Menge neuer Leute kennen und guckt ein bisschen über den Tellerrand.
Weißt du, wichtig ist die Ausstrahlung eines Menschen. Darin spiegelt sich wirklich seine Seele. Mein Chef hat da einen coolen Spruch drauf:
"Schaut mich an, - außen Bruch, innen Palazzo!"
Es wird Zeit für dich, zu renovieren.
