Vor zehn oder fünfzehn Jahren ist ins Haus neben mir eine Familie eingezogen, die man nur als Alptraum jeder Nachbarschaft bezeichnen kann. Halt Marke Flodders; dreckig, laut, arrogant und das alles gewürzt mit einer Prise religiöser Fanatiker. Während der Mann sich damit begnügte am Abend die gesamte Familie zusammenzuschreien, und außerhalb seiner vier Wände den Mund nicht aufbekam, war seine Frau damit beschäftigt, ihre Wut an allen anderen in der Nachbarschaft auszulassen und Leute wegen den kleinsten Vergehen wüst zu beschimpfen und anzuzeigen - womit sie natürlich bei einigen der uralten Nazi-Omis, die hier verstreut lebten, besonders viel Rückhalt bekam. Grade im Sommer hat es irgendwann absolut keinen Spaß mehr gemacht. Sobald man Besuch hatte und draußen saß, kam die Olle auf ihrem äußerst zentral gelegenen Balkon an, und hat entweder so viel Radau gemacht, dass man reingehen musste, um sich noch unterhalten zu können, oder sie hat einen unter dem Vorwand, sich um ihre kleinen Blümchen zu kümmern, belauscht und später mit besagten Klatschtanten-Omis getratscht. Konventionelle Gegenmaßnahmen wie Anwalt oder Polizei waren selbstverständlich stets ein Griff ins Klo, wie es bei Nachbarschaftsstreitereien eigentlich immer der Fall ist. Eine andere Lösung musste her.
Der Plan entstand über Nacht, die Ausführung erfolgte bereits am nächsten Tag. Kreativ wie ich bin, habe ich zunächst ein paar Warnplakate der örtlichen Imkerei (die es gar nicht gab) gefaked und hier und da im Ort, aber speziell in unserer Straße aufgehangen. Eine gefährliche neue Wespenpopulation sei in unseren Breitengraden entdeckt worden, hieß es da. Sie würden sich durch besonders aggressives Verhalten auszeichnen. Es sei angeraten, sich von Blumen fern und im Sommer übermäßig drinnen aufzuhalten. Das ganze mit viel wissenschaftlichem Blabla garniert, und auf die Blumen der Nachbarin, zu deren Zerstörung sogar angeraten war, zugeschnitten. Sah einigermaßen echt und glaubhaft aus. In Phase II kam dann die Mund-zu-Mund-Propaganda zum Einsatz. Ein paar gute Freunde aus der Nachbarschaft wurden eingeweiht und machten sofort tatkräftig mit. Man hätte bereits von einigen Fällen gehört, bei denen Leute tatsächlich gestochen wurden. Gerade für ältere Semester sei das ja arg gefährlich. Der Tratsch verbeitete sich schnell und effektiv. Die ein oder andere Anzeige in den örtlichen Zeitungen, und diverse Briefkasten-Flugblätter, die eine immer größer werdende Gefahr ankündigten, aber trotzdem noch geschickt unter dem Radar zu verzeichnen waren, damit keine echten Nachrichten drauf aufmerksam wurden, erhöhten das mulmige Gefühl der Tratsch-Nachbarn. Die Leute zeigten sich besorgt, wegen den Blumen der Frau Flodder. Wir säten anderweitig noch ein bisschen Zwietracht und warteten dann ein wenig ab.
Als dann der Sommer frohlockte, die Sonne schien, die Leute nach draußen wanderten, und meine verhasste Nachbarin zu ihrer alljährlichen Radau-Nummer ansetzte, kam das Softair-Gewehr von einem guten Freund zum Einsatz. So'n Mörderteil halt. Profi-Gerät. Aua-Werkzeug. Präzise und Schmerzhaft. Ich pilgerte zu meinem guten Kumpel von Gegenüber, und dort haben wir uns auf die Lauer gelegt. Das ganze war so getimt und abgesprochen, dass eine andere Nachbarin zur gleichen Zeit Besuch bekam, und sich mit dem in den Garten setzte, als wir in Stellung und bereit waren. Selbstverständlich ließ Frau Flodder nicht lange auf sich warten. Rumpeldipumpel, ein bisschen Getüddel wegen ihrer Blumen, warten auf den günstigsten Moment, und - zack - Schuss in die Kniekehle. Da hat se gelegen. Wespenstich Nummer eins. Sie hat sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aufgerafft, ein bisschen geflucht und geschimpft und als sie sich ihren Blumen wieder humpelnd näherte - zack -, Wespenstich Nummer zwei. Wer schon mal von einer richtigen Softair getroffen wurde, der weiß, wie schmerzhaft das ist. Die Prozedur haben wir in den darauffolgenden Tagen das ein oder andere Mal wiederholt, selbstverständlich zu verschiedenen Zeiten und von wechselnden Schusspositionen aus, und auch andere blieben nicht mehr verschont. Jede, ihrer Tratsch-Kollegen hat sich mindestens einen schmerzhaften "Wespenstich" eingefangen. Und jetzt wirds lustig, denn, wir konnten die Früchte unserer Arbeit ernten. Aufgrund der zunehmenden "Gefahr" durch ihre Blumen, verschworen sich die Tratschtanten allesamt gegen Frau Flodder, die sich schon gar nicht mehr raustraute. Wir hatten Ruhe, mussten uns nur noch zurücklehnen und dabei zusehen, wie sich die anderen, ehemaligen Tratsch-Verbündeten, gegenseitig zerfleischten.
Familie Flodder zog schließlich weg. Die Tratsch-Fraktion traut sich im Sommer nicht mehr nach draußen, sofern die Imkerei wieder eine Warnung ausgibt, und wir bringen - für alle anderen völlig unbegreiflich - den Mut auf, im Sommer doch tatsächlich und trotz akuter Wespengefahr, draußen zu grillen und zu feiern...