Zentralhyperbolischrotierendes Nudelaug auf Extremitätenexkurs

Bier Bauch

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Eine Fortsetzungsgeschichte:

Ich war blind.
Mir wurde heiß. Ich spürte, wie mir der Schweiß auf der Stirn perlte und in kleinen Rinnsalen die Z-förmige Narbe an meiner linken Schläfe entlang ronn, um sich dann in meinem Mundwinkel zu sammeln um von meiner zuckenden Zunge gierig aufgesaugt zu werden. 'Ein perfekter Kreislauf des Lebens', schoss es mir plötzlich in meine übermüdeten Hirnwindungen.
Doch im Moment hatte ich andere Sorgen. Ich konnte nichts mehr sehen. Das letzte, woran ich mich erinnerte, war, dass ich gestern zu Bett gegangen bin.
Ich hatte mir eine Stunde lang den Homeshopping Kanal angesehen und wollte mir schon beinahe das Brotmesser, mit dem man Brückenpfeiler durchschneiden kann, bestellen, als ich mich daran erinnerte, dass meine Gattin mit meiner Kreditkarte zum Einkaufen gefahren war. Vor 7 Jahren.
'Hm', dachte ich, 'es ist schon spät und du musst morgen früh raus, legen wir uns lieber ins Bett'. Dass ich schon im Bett gelegen bin, merkte ich gar nicht, doch als ich aufgestanden war und alle anderen Zimmer vergeblich danach abgesucht hatte, bin ich wohl während des Gehens eingeschlafen und muss mich im Traum wieder ins Bett gelegt haben.
Und nun liege ich da. Blind.
Ich machte die Augen auf - die Morgensonne schien durchs Westfenster und warf merkwürdige Schatten an die Tapeten. Da merkte ich, dass ich wohl noch geschlafen hatte.
Der Wecker begann zu läuten, ich schlug auf den runden Knopf an der Oberseite des alten Tickers, doch nichts tat sich.
Erst nachdem ich die Batterien herausgenommen hatte und das Läuten immer noch nicht aufhörte, bemerkte ich, dass dieses penetrante Geräusch nicht aus dem Wecker, sondern von der Klingel an der Haustür im Erdgeschoß kam.
Der Affe musste wohl während der Nacht wieder einmal das Haus gedreht haben, wie sonst könnte jetzt das Westfenster gen Osten schauen. Der Affe lebt seit gut 4 Jahren in meinem Keller.
Eines Abends wollte ich eine Flasche Wein aus dem Keller holen gehen und als ich mit einer Bienenwachskerze bewaffnet die Stufen hinunterstieg, saß der Affe auf einem Haufen alter Decken. Ich glaube, es war ein Gorilla, ein fetter, haariger Gorilla.
Ich sah in etwas überrascht an und er schaute zurück. 'Einen Sauvignon Blanc bitte', bat ich ihn und er stand auf, sprang zu den Regalen, in denen ich einige tausend Flaschen Wein aufbewahrte, nahm die richtige heraus und reichte sie mir.
Von da an wohnte er bei mir im Keller. Des öfteren kommt es zwar vor, dass er mitten in der Nacht das Haus hoch hebt und um 180 Grad dreht, aber das stört mich nicht, ich finde ist sogar immer wieder nett, wenn ich aus dem selben Fenster auf ein völlig anderes Panorama blicke, als am Tag zuvor.
Ansonsten bereitet er mir keinerlei Probleme, zu essen besorgt er sich selber etwas, er hört nie zu laut Musik und feiert auch verhurten Goapartys.
Es klingelte noch immer. Ich stand auf und wollte mir schnell etwas überziehen, so, wie ich aussah, konnte ich niemandem die Tür aufmachen.
Leider waren all meine Krawatten in der Reinigung, so nahm ich kurzer Hand meine Kreuzotter aus dem Terrarium und band sie mir geschickt mit einem perfekt sitzenden Windsorknoten um den Hals. Jetzt konnte ich mich unter Leute wagen.


[Fortsetzung wird folgen]
 

shaoling

Guest
Original geschrieben von Bier Bauch
Ich war blind.
Mir wurde heiß. Ich spürte, wie mir der Schweiß auf der Stirn perlte und in kleinen Rinnsalen die Z-förmige Narbe an meiner linken Schläfe entlangronn, um sich dann in meinem Mundwinkel zu sammeln um von meiner zuckenden Zunge gierig aufgesaugt zu werden. 'Ein perfekter Kreislauf des Lebens', schoss es mir plötzlich in meine übermüdeten Hirnwindungen.
Doch im Moment hatte ich andere Sorgen. Ich konnte nichts mehr sehen. Das letzte, woran ich mich erinnerte, war, dass ich gestern zu Bett gegangen bin.
Ich hatte mir eine Stunde lang den Homeshopping Kanal angesehn und wollte mir schon beinahe das Brotmesser, mit dem man Brückenpfeiler durchschneiden konnte, bestellen, als ich mich daran erinnerte, dass meine Gattin mit meiner Kreditkarte zum einkaufen gefahren war. Vor 7 Jahren.
'Hm', dachte ich, 'es ist schon spät und du musst morgen früh raus, legen wir uns lieber ins Bett'. Dass ich schon im Bett gelegen bin, merkte ich gar nicht, doch als ich aufgestanden war und alle anderen Zimmer vergeblich danach abgesucht hatte, bin ich wohl während des gehens eingeschlafen und muss mich im Traum wieder ins Bett gelegt haben.
Und nun liege ich da. Blind.
Ich machte die Augen auf - die Morgensonne schien durchs Westfenster und warf merkwürdige Schatten an die Tapeten. Da merkte ich, dass ich wohl noch geschlafen hatte.
Der Wecker begann zu läuten, ich schlug auf den runden Knopf an der Oberseite des alten Tickers, doch nichts tat sich.
Erst nachdem ich die Batterien herausgenommen hatte und das Läuten immer noch nicht aufhörte, bemerkte ich, dass dieses penetrante Geräusch nicht aus dem Wecker, sondern von der Klingel an der Haustür im Erdgeschoß kam.
Der Affe musste wohl während der Nacht wieder einmal das Haus gedreht haben, wie sonst könnte jetzt das Westfenster gen Osten schauen. Der Affe lebt seit gut 4 Jahren in meinem Keller.
Eines Abends wollte ich eine Flasche Wein aus dem Keller holen gehen und als ich unten war, saß der Affe auf einem Haufen alter Decken. Ich glaube, es war ein Gorilla, ein fetter, haariger Gorilla.
Ich sah in etwas überrascht an und er schaute zurück. 'Einen Sauvignon Blanc bitte', bat ich ihn und er stand auf, sprang zu den Regalen, in denen ich einige tausend Flaschen Wein aufbewahrte, nahm die richtige heraus und reichte sie mir.
Von da an wohnte er bei mir im Keller. Des öfteren kommt es zwar vor, dass er mitten in der Nacht mein Haus hoch hebt und um 180 Grad dreht, aber das stört mich nicht, ich finde is sogar immer wieder nett, wenn ich aus dem selben Fenster auf ein völlig anderes Panorama blicke, wie am Tag zuvor.
Ansonsten bereitet er mir keinerlei Probleme, zu essen besorgt er sich selber etwas, er hört nie zu laut Radio und feiert auch keine ausgelassenen Partys.
Es klingelte noch immer. Ich stand auf und wollte mir schnell etwas überziehen, so, wie ich aussah, konnte ich niemandem die Tür aufmachen.
Leider waren all meine Kravatten in der Reinigung, so nahm ich kurzer Hand meine Kreuzotter aus dem Terrarium und band sie mir geschickt mit einem perfekt sitzenden Windsorknoten um den Hals. Jetzt konnte ich mich unter Leute wagen.
Ich kann mir denken, weshalb du hier auf den Plusquamperfekt verzichtet hast, weil die Doppelung des "war" hier ein wenig am Stil nagt, aber das Zeitverhältnis wäre sonst einfach nicht korrekt.

"Gelegen sein" ist zwar meines Wissens korrekt, aber für den Hochdeutschen klingt es schon ein wenig befremdlich. Da kannst du dir nun aussuchen, wie du es halten willst.

Substantivierte Infinitive werden nach der neuen Rechtschreibung immer groß geschrieben. Ob es nach der alten korrekt wäre, weiß ich nicht hundertprozentig, aber ich gehe nicht davon aus.

Standardsprachlich korrekt ist in diesem Falle nur "als".

Das Komma muss da meiner Ansicht nach stehen, da ich die Wortabfolge auch beim besten Willen nicht als Fügung ansähe.



Wir dürfen uns auf die Fortsetzung freuen. :)
 

Bier Bauch

Guest
Original geschrieben von sHaO-LiNg
Ich kann mir denken, weshalb du hier auf den Plusquamperfekt verzichtet hast, weil die Doppelung des "war" hier ein wenig am Stil nagt, aber das Zeitverhältnis wäre sonst einfach nicht korrekt.
die zeitverhältnisse dieser geschichte müssen nicht unbedingt korrekt im eigentlichen sinne sein.
"Gelegen sein" ist zwar meines Wissens korrekt, aber für den Hochdeutschen klingt es schon ein wenig befremdlich. Da kannst du dir nun aussuchen, wie du es halten willst.

Substantivierte Infinitive werden nach der neuen Rechtschreibung immer groß geschrieben. Ob es nach der alten korrekt wäre, weiß ich nicht hundertprozentig, aber ich gehe nicht davon aus.
die rechtschreibreform tangiert mich höchst peripher, seid froh, dass ich überhaupt die groß/klein schreibung beachtet habe

ich habe den text aber auch nicht wirklich auf rechtschreibung/grammatik kontrolliert, also danke, dass du die aufgabe der f7-taste in winword übernommen hast

€: du hast den fehler "zum einkaufen" übersehen - Einkaufen groß
 

shaoling

Guest
Achja richtig... Ich wollte eh nur bemerken, was mich beim Lesen gestört hatte. ;)
 

Tom006

Guest
Kafka schiss auf Orthografie. Und auf deine bescheidene Meinung sollte man einen feuchten Futzi geben.
 

Laertes

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Hört gefälligst auf Bier Bauch mit Franz Kafka zu vergleichen...
 
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Wieso? Die Ich-Perspektive ist doch ein eindeutiges Merkmal Kafkas :o
 
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LOL, bloß weil ihr einmal als Pflichtlektüre "der Proceß" hattet, müsst ihr nicht gleich mangels Vergleichen alles als kafkaesk bezeichnen.

Ansonsten ganz ok, ein paar Rechtschreib- und Grammatikfehler stören. Mal gespannt wie es weiter geht.
 
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Eine gut zu lesende Geschichte, ich hoffe nur du fängst in der Fortsetzung mit einer Handlung an, mit demselben Stil und weniger chaotischen Gedankensprüngen. Dein Humor gefällt mir, Das Anneinanderreihen von Merkwürdigkeiten hat seinen Reiz, auch bei Kafka. Nur um wirklich interessant zu schreiben, probier mal deiner Phantasie Grenzen zu setzen und eine Handlung ernsthaft anzugehen. Gerade bei Kafka liegen die Merkwürdigkeiten zwischen den Zeilen. Bei dir springen sie einen förmlich an.
 

Bier Bauch

Guest
Ich machte mich daran, mich ins Erdgeschoß zu begeben, verließ mein Schlafzimmer und schritt über den grünen Wandteppich, vorbei am Badezimmer, vorbei an der Toilette und obwohl ich einen starken Druck in meiner Blase verspürte, ließ ich all diese Räume rechts liegen.
Die Treppe war in Reparatur, darum drückte ich den roten Knopf, der sich inzwischen direkt vor mir befand.
Der Aufzug war in wenigen Augenblicken da und öffnete seine silbernen Türen. Ich betrat die verspiegelte Kabine und erleichterte mich zu aller erst einmal in den Ficus, der trotz des fehlenden Sonnenlichts beeindruckende Dimensionen erreicht hatte, dann drückte ich "P" für Erdgeschoß.
Der Lift setzte sich in Bewegung und als es mir den Magen in die Knie drückte, machten sich die schlummernden Kopfschmerzen von letzter Woche bemerkbar.
Schon war ich an meinem Ziel angekommen - die Lifttüren öffneten sich und beim Verlassen des selbigen wäre ich beinahe über die am Boden liegenden Briten gestolpert. Sie schliefen in aller Seelenruhe weiter.
Schon wieder dieser lästige Wecker.
Ich schob das Bücherregal weg von der Tür und öffnete sie, die Sonne blendete mich, so dass ich nicht sofort sah, wer mein Besucher war.
Dann schob sich kurz der Mond vor die untergehende Sonne und ich erblickte meinen Gegenüber.
Der große, mit einem hässlichen, grünen Anzug bekleidete Mann, streckte mir die leere rechte Hand zur Begrüßung und die linke Hand, in der er einen Schlüssel in der Form eines Gürteltiers hielt, entgegen. Ich ergriff beide, ohne ihm den Schlüssel wegzunehmen.
Er begrüßte mich, als ob wir uns noch nie zuvor begegnet wären, was auch der Fall war und unterbreitete mir, dass mein chinesisches Sternzeichen der Affe wäre.
Das alles interessierte mich herzlich wenig, also entwendete ich ihm den Schlüssel und gab ihm Geld für ein Taxi.
Wortlos entfernte er sich und ich ließ die Tür wieder ins Schloss fallen.
Nachdem ich mir meine Gummistiefel angezogen hatte, machte ich mich auf den Weg in die Garage, dabei durchquerte ich meine Küche, in der seit 7 Jahren nicht mehr gekocht worden war.
Eine großer, silberner Topf voller Zuckerwatte stand im offenen Kühlschrank und mein Kea Jonathan fühlte sich sichtlich pudelwohl, während er die Pudelkerne herauspickte.
Im vorbeigehen schloss ich die Kühlschranktür und griff mir die vorgestrige Zeitung, auf der Jonathan sein Geschäft verrichtet hatte, um kurzer Hand das staubige Küchenfenster zu putzen.
Als ich mit dieser schweißtreibenden Arbeit fertig war, war es bereits nachts, obwohl dunkle Wolken den Mond verdeckten, bemerkte ich sofort, dass die Sonne nicht mehr schien.
Nun setzte ich meinen Weg in die Garage fort, wo mein Trittbrett auf mich wartete.
Ich schlug mit dem gegen die Wand gelehnten Vorschlaghammer ein Loch in die Garagentür, das groß genug war, um aufrecht stehend mit dem Trittbrett unter meinen Füßen mein Haus zu verlassen.
Ich bog vorsichtig aus der Einfahrt, grüßte mit einem kurzen ablecken meines linken Handrückens meine Nachbarin, die sich, vollgeschmiert mit Bräunungscreme, in ihren Garten gelegt hatte und machte mich auf meinem inzwischen warm gelaufenen fahrbaren Untersatz auf den Weg zum Hafen.
Die Straße war schwer zu befahren, die Rosen wucherten dieses Jahr ziemlich hoch und niemand kümmerte sich darum, sie darauf hinzuweisen, dass sie störten.
Ich genoss die kühle Luft, die in meine Nüstern wehte, stieß sie in blauen Rauchwölkchen aus meinen Gaumen direkt an den Ort ihrer Entstehung zurück. Hie und da lag ein Toter im Rinnstein, doch diesen Anblick war ich von den täglichen Birnenernten gewohnt. Ich fuhr bestimmt eine gute Stunde, bevor ich zur Kreuzung mit dem verblichenen Wegweiser kam, der den Weg zum Hafen so wie zu der gelben Anhöhe beschilderte.
Ich wählte die gut ausgebaute Straße die mich nach einigen Kilometern in Sichtweite des Meeres brachte.
Ich brauchte eine kurze Verschnaufpause, fischte eine Dose Sauerkraut aus meinem rechten Stiefel und aß sie mit meiner Krawatte als Beilage in wenigen Stunden auf.
Nun konnte ich meinen Weg fortsetzen. Bald wurde mir jedoch etwas kalt, ich stoppte einen vorbeifahrenden Bus und betrog den Busfahrer in 5 Runden um seine Kleidung.
Er saß im warmen Bus, ihn störte es ohnehin nicht, dass er nach unserer Begegnung nackt war, ich freute mich über die dunkle Uniform, mit der ich nun bekleidet war.
Bald würde ich den Hafen erreichen.
 
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Vielleicht hat Bierbauch ja auch ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater...? :)
 

Bier Bauch

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Ich wanderte weiter über die leere Straße und pflückte ab und an eine Kokosnuss vom Wegrand, ihr zartes Fruchtfleisch ließ meine Zunge Purzelbäume schlagen.
Sind wir schon da? Hinter der nächsten Kurve.
Da tat sich vor mir der grandiose Anblick eines alten Hafens auf, hie und da lagen ein paar Schiffe an den Ankerplätzen und ein paar zwielichtige Gestalten gingen mit einer Pfeife im Mundwinkel den Kai auf und ab.
Um nicht erkannt zu werden, funktionierte ich meinen Gürtel als Augenklappe um und formte mit den leeren Kokosnussschalen zwei große Brüste unter der Uniform.
Nun konnte mich niemand mehr als den erkennen, der ich in Wirklichkeit war. Würde das nämlich passieren, würden diese armen Seefahrer gezwungener Maßen vergeblich versuchen, sich des Mordes schuldig zu machen.
Ich nahm den Schlüssel des Besuchers in die linke Hand und setzte mit wilden Hüftschwüngen meinen Weg zu den Ankerplätzen fort.
Plötzlich torkelte mir ein Mann mitte 30 mit einem 7-Tage-Bart entgegen, in der rechten Hand hielt er eine geschälte Zwiebel.
Er stank nach Spiritus und Klebstoff. Während sich der Abstand zwischen uns von 20 auf 0 Kilometer reduzierte, rieb er sich 4 mal mit der Zwiebel die Augen, um gleich darauf in schallendes Gelächter gepaart mit einem unglaublichen Tränenfluss auszubrechen. Als er direkt vor mir stand, bemerkte ich, dass er nach Känguru roch, der Spiritus- und Klebstoff Gestank war von einem alten Gummiboot direkt neben mir gekommen.
Er schaute mir tief auf die Kokosnussmöpse und fragte mich, wieviel es denn kosten würde, wenn ich ihm einen blasen würde.
Ich überlegte kurz und nannte, um ihn abzuschrecken - einen horrenden Preis, ich forderte seine Zunge als Bezahlung.
Ohne ein weiteres Wort warf der Mann die Zwiebel ins trübe, pechschwarze Wasser, fing ein rostiges Messer aus seiner Jackentasche, griff mit der rechten Hand in seinen Mund um seine Zunge so weit wie möglich herauszuziehen und schnitt sie sich ab. Oder besser gesagt, er versuchte es, denn das Messer war nicht scharf genug und so musste er insgesamt drei Mal ansetzen, bis die Zunge ab war. Fröhlich grinsend und mit tränenüberströmten Gesicht streckte er sie mir entgegen, während sein Mund sich mit beängstigender Geschwindigkeit mit Blut füllte und er spucken musste. Ich nahm die rosige Zunge leicht verdutzt entgegen und erklärte ihm, dass ich immer erst nach getanener Arbeit Bezahlungen entgegen nehme, niemals im Voraus. Er entfernte sich mit traurigem Blick und gekrümmten Rücken, um nach wenigen Schritten ins Wasser zu springen, wahrscheinlich, um sich seine Zwiebel wieder zu holen.
Ich steckte die Zunge in die geräumige Hosentasche der Uniform und setzte meinen Weg ans Ende des Steges fort.
Im Schlüssel war ein Schriftzug eingraviert - 'Nudelaug'.
Ich musterte die an ihren Ankerplätzen liegenden Schiffe und das vorletzte Schiff war mit eben diesem Namen in blendend blonder Schrift gesegnet worden. Ich blickte mich um und sah nur einen Betrunkenen, der sich gerade ins Wasser hinab übergab und in den kurzen Pausen, in denen kein Erbrochenes aus Mund und Nase hervorsprudelte, lauthals den Part der Königin der Nacht sang, das ganze etwa 30 Minuten von mir entfernt.
Ich sprang mit einem großen Satz auf das renovierungsbedürftige Schiff und warf die Leinen von Bord aus ins Wasser.
Dort wo ich hin wollte, gab es keinen Hafen, wo ich die Leinen noch hätte brauchen können.
 

Bier Bauch

Guest
Ich sah mich auf dem Schiff um und bemerkte zahlreiche leere Flaschen an Deck.
Früher mussten sie wohl einmal gefüllt gewesen sein, mit etwas Flüssigem, möglicherweise war es auch trinkbar.
Doch nur einmal, wie die toten Seefahrer, die um mich herum am Boden lagen, bewiesen.
Nachdem ich die Leichname ins Wasser befördert hatte, startete ich den hustenden Motor des Schiffes, um abzulegen. Als ich mich immer weiter vom Hafen entfernte, machte ich mich daran, die Segel zu hissen, was für einen Mann alleine gar nicht so einfach war.
Doch nach einigen schweißtreibenden Anstrengungen gelang es mir letztendlich und obwohl es so gut wie windstill war, machte das Schiff plötzlich einen Satz nach vorne und ich schaltete den Motor ab um die Stille der See zu genießen.
Es war stockdunkel und nicht einmal der Mond konnte Schatten seiner selbst auf das pechschwarze projizieren. Ich schnappte mir eine herumliegende Angel, schnitt einem Leichnam, den ich bei meinen Säuberungsarbeiten wohl übersehen haben musste, den Ringfinger ab und benutzte ihn als Köder.
Entspannt setzte ich mich auf die Lederne Couch am Heck des Schiffes, warf die Angel weit ins Meer und ließ den Wind die Arbeit tun.
Nach einiger Zeit spürte ich einen starken Harndrang und urinierte ins Wasser.
Wenige Sekunden später schoss ein Walross aus dem Wasser und fragte mich, was das denn solle, ob ich denn überhaupt keine Kinderstube genossen hätte.
Ich antwortete dem fetten, grauen Meeresbewohner, dass er doch genauso sein Geschäft erledige, woraufhin er vor lauter Wut purpurgrün anlief und zu einem strahlend schwarzen Schmetterling mutierte, der in die Lüfte stieg und nach wenigen Augenblicken nicht mehr zu sehen war.
Als ich mich wieder auf die Couch niederlassen wollte, stolperte ich über einen, auf den dunklen Holzplanken liegenden, verchromten Türgriff und wäre beinahe ins Meer gestürzt, wenn nicht gerade in diesem Moment, ein Rudel Möwen aus dem Himmel herab gestoßen wäre und gegen meinen Brustkorb flog und mich so mit einer unglaublichen Wucht gegen die Kajütenwand warf. Als Dank für meine Rettung überließ ich ihnen den von mir übersehen Leichnam.
Meine Angelrute zuckte.
Ich sprang behende auf die lederne Sitzgelegenheit und fasste die Angelrute mit beiden Händen, das Wasser begann zu sprudeln, die Rute bog sich unter dem gewaltigen Gewicht meines Fanges, den ich nur unter Zuhilfenahme meines Mundes aus dem Wasser ziehen konnte.
Es war ein Briefumschlag und jetzt, wo er an der Luft war, war er bei weitem nicht mehr so schwer, wie im Wasser.
Ich nahm den Umschlag in beide Hände und hüpfte fröhlich jauchzend auf einem Bein am Schiff auf und ab.
Jetzt musste ich mich nur noch nach einem Brieföffner umsehen.
Kurzer Hand brach ich mir den Zehennagel des großen Zehs meines linken Fußes ab und öffnete mit dem rasiermesserscharfen Horn den Brief.
Darin befand sich der Türgriff, über den ich vor kurzem fast gestolpert wäre und der meiner Reise somit ein jähes Ende gesetzt haben könnte.
Als ich etwas enttäuscht den Umschlag umdrehte, fiel klimpernd ein kleiner drei-bärtiger Schlüssel heraus.
Ich steckte beides zu der immer noch blutenden Zunge des Lüstlings in meine Tasche und warf die Couch über Bord.
Nachdem ich an 2 Schildkröten, die sich im Rückenschwimmen duellierten, vorbei gekommen war, wußte ich, dass meine Fahrt nicht mehr all zu lange dauern konnte.
 
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