Wie gut kennt ihr euch mit den Wahlsystemen aus?

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Da hier in NRW ja bald wieder Wahlen sind und das natürlich auch desöfteren mal ein Thema in Gesprächen war, hab ich nun doch so manches mal festgestellt, dass die Leute oft eigentlich was nachplappern, was sie mal gehört haben, aber nicht unbedingt sich auch mal selbst informieren.

Also ich meine grundlegende Dinge wie "Was eine Erst-/Zweitstimme?" sind den Leuten natürlich geläufig, aber wenn es um "Strategien" bei der Verteilung dieser beiden Stimmen geht, zeigt sich dann auf einmal doch bei so manchem doch eine gewisse Uninformiertheit.
Der Lieblingsmythos ist z.B. wenn man sich eine gewisse Koalition wünscht aus einer der "beiden großen" und einer "kleineren" Partei (aktuell also im Endeffekt eh nur rot/grün, weil das gelb in schwarz/gelb niemand mehr will :deliver:), dass man dann mit der Zweitstimme natürlich grün wählen sollte, aber mit der Erststimme müsse man dann quasi SPD wählen.
Bei einer Bundestagswahl wäre diese Strategie im Endeffekt auch "richtig"...bei Landtagswahlen in einigen Bundesländern (in NRW ist es mir halt bewusst und ich hab keinen Grund mich im Detail zu informieren, wo noch überall ;) ), aber eben nicht (oder zumindest wäre sie nicht zwingend), weil es zu den Überhangmandaten dann sog. Ausgleichsmandate gibt und es im Endeffekt keine Rolle spielt, wenn man seine Erstimme "verschwendet".

Mal zwei kleine Beispiele:
1) Bundestagswahl 2009, normalerweise soll der Bundestag 598 Mitglieder haben, da aber CDU 21 und CSU 3 Überhangmandate eringen konnten, wurde er auf 622 Mitglieder aufgestockt, wie man sieht genau die 24 aus den Überhangmandaten. Wenn man nun 194 Sitze der CDU auf die Gesamtzahl von 622 umrechnet, hat die CDU auf einmal 31,2% der Sitze, obwohl die Partei nur (bereinigt um die <5%-Parteien) 29% erreicht hat. Während die SPD 23,5% der Sitze hat, obwohl sie (bereinigt) 24,5% erreicht hat.
2) NRW Landtagswahl 2005, der Landtag hat mindestens 181 Mitglieder, die CDU erhielt 3 Überhangmandate und die SPD dafür 3 Ausgleichsmandate (FDP/Grüne hatten mit ihren gut 6% nicht genug Anteil, um dadurch mehr Sitze kriegen zu müssen) und dadurch wurd der Landtag auf 187 Mitglieder erweitert und das Sitzverhältnis passte weiter zum Stimmenverhältnis der Parteien (natürlich minimale Verschiebungen um 0,1-0,2%, weil es ja nunmal keine halben Sitze gibt, aber das hat man ja eh).

Also wie gut informiert ihr euch über solche Details, bevor ihr wählen geht?

PS: Habt ihr euch auch schonmal überlegt (bzw es auch schon getan), ggf einfach nur die Zweitstimme zu wählen und die Erststimme zu ignorieren?
 

Deleted_504925

Guest
wähle ohne allzu große strategische überlegung immer die gleiche partei.

würde ich in einem bundesland leben wo schwarz-grün möglich ist wäre spd wählen allerdings eine überlegung wert.

wobei man dann am ende wahrscheinlich große koalition bekommt, was ja noch schlimmer ist.
 
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Dieses "strategische wählen" hab ich schon vor jahren aufgegeben, ich wähl den kandidaten/die partei die mir am wenigsten missfällt, scheiss auf die "weggeworfene" stimme.
 
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habe mich nicht damit beschäftigt und werde es wohl auch nicht. Ist mir zu langweilig. Habe zwei Parteien die ich wählen werde und die bekommen random erste und zweite stimme
 

suN

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Jo, Outsider und Ronschk zusammen sind genau das, was ich immer denke/tue. :D
 
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Dieses "strategische wählen" hab ich schon vor jahren aufgegeben, ich wähl den kandidaten/die partei die mir am wenigsten missfällt, scheiss auf die "weggeworfene" stimme.

So sollte es ja auch eigentlich sein.
An den Piraten sieht man auch, dass es sich auszahlen kann.
(Ich erinnere noch an Aussagen von Westerwelle wo er meinte die Piraten kann man ja ruhig wählen, aber dann geht halt die Stimme verloren, dann doch lieber FDP, lol)

Mache es auch so.
Was Erst und Zweitstimme sind lernt man doch in der Schule dachte ich.
 
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So sollte es ja auch eigentlich sein.
An den Piraten sieht man auch, dass es sich auszahlen kann.
(Ich erinnere noch an Aussagen von Westerwelle wo er meinte die Piraten kann man ja ruhig wählen, aber dann geht halt die Stimme verloren, dann doch lieber FDP, lol)

Mache es auch so.
Was Erst und Zweitstimme sind lernt man doch in der Schule dachte ich.

also meinen Erfahrungen nach, haben 97% (nicht übertrieben) da wirklich keinen Durchblick. Selbst wenn man es in der Schule bespricht versteht es vielleicht ein drittel oder viertel... sind wahrscheinlich genau die unwissenden, die Pro NRW wählen, weil sie denken die Partei wäre Für(Pro) NRW :deliver:
 
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So sollte es ja auch eigentlich sein.
An den Piraten sieht man auch, dass es sich auszahlen kann.
(Ich erinnere noch an Aussagen von Westerwelle wo er meinte die Piraten kann man ja ruhig wählen, aber dann geht halt die Stimme verloren, dann doch lieber FDP, lol)
naja es stimmt natürlich schon, jeder der eine der Protestparteien wählt, die >5% packen, wählt natürlich indirekt schon auch irgendwie große Koalition

generell find ich aber, dass diese ganze Geschichte mit der Erststimme einfach nicht mehr zu unseren Parteinlandschaft passt...wenn tlw da Leute mit 32% die Mehrheit haben und damit 2/3 der Stimmen einfach keine Rolle spielen, ist das schon hirnrissig...theoretisch könnte das bei den nächsten Wahlen ja sogar noch extremer werden
 
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sind wahrscheinlich genau die unwissenden, die Pro NRW wählen, weil sie denken die Partei wäre Für(Pro) NRW :deliver:

dass man sich nicht mit Erst- und Zweitstimme auskennt heißt, dass man nen Idiot ist? Man vergisst halt ziemlich viel von dem was man in der Schule mal gelernt hat (wie ihr hier so großspurig tut, als wäre es selbstverständlich sowas zu behalten), vorallem wenn es um ein extrem langweiliges Thema geht, welches einen nur alle paar Jahre mal tangiert. Bei uns gab es zu der Zeit nicht mal Politik/Sozialwissenschafts Klausuren.
Ich denke, dass es weit aus wichtiger ist, dass man sich ein gewisses Meinungsbild bzgl der Parteien geschaffen hat, da weder die Erste noch die Zweite Stimme etwas negatives bewirken (in meiner Unwissenheit nehme ich das einfach mal an) und man sie damit schön den entsprechenden Parteien geben kann.
 
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Naja was man als "negativ" bezeichnet, kann natürlich auch subjektiv sein...ich hab auch 2005 (Bund) erlebt, dass Leute einem erzählt haben, dass sie die Linken gewählt haben und dann die große Koalition ganz schrecklich fanden :deliver:
 
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dass man sich nicht mit Erst- und Zweitstimme auskennt heißt, dass man nen Idiot ist? Man vergisst halt ziemlich viel von dem was man in der Schule mal gelernt hat (wie ihr hier so großspurig tut, als wäre es selbstverständlich sowas zu behalten), vorallem wenn es um ein extrem langweiliges Thema geht, welches einen nur alle paar Jahre mal tangiert. Bei uns gab es zu der Zeit nicht mal Politik/Sozialwissenschafts Klausuren.
Ich denke, dass es weit aus wichtiger ist, dass man sich ein gewisses Meinungsbild bzgl der Parteien geschaffen hat, da weder die Erste noch die Zweite Stimme etwas negatives bewirken (in meiner Unwissenheit nehme ich das einfach mal an) und man sie damit schön den entsprechenden Parteien geben kann.

Es ist nicht selbstverständlich das zu behalten, auch wenn man imo schon eine ungefähre Ahnung haben sollte, trotzdem kann man sich vor der Wahl informieren. Mich besorgt es halt, dass bei mir im Ort Pro NRW drittstärkste Kraft ist, sowas kommt doch nicht von ungefähr. Selbst wenn man "gegen" Ausländer ist, muss man doch einsehen, dass das keine nachhaltige Politik ist.
 
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bis jetzt war mir alles egal, seit 6 jahren mach ich keinen gebrauch von meinen wahlrecht.

nun wähl ich die piraten - und sei es nur, um die alten politiker zu trollen. :deliver:
 
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Ich glaube, dass viele Menschen nicht verstanden haben, dass die Zweitstimme die wichtigere Stimme ist.

Der Name ist ja auch irreführend, Erststimme = beudeutendere Stimme, so wäre zumindest die Vermutung wenn man keine Ahnung hat.

Deswegen halte ich das Wahlsystem für verfassungswidrig.
 

ras

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Deswegen halte ich das Wahlsystem wegen Bevölkerungsverdummung für verfassungswidrig.

fixed!

Ich kenne mich mit dem deutschen Wahlsystem gut genug aus, um die Unterschiede 1./2. Stimme zu kennen und natürlich so Standardsachen wie 5% Klausel. Das reicht denk ich als normaler Wähler, der sich eher eine Meinung über die Politik an sich, als über das Wahlsystem macht, völlig aus.
 
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Kann man so pauschal nicht sagen.

Es kann selbstverständlich sinvoll sein die Erst/Zweitstimme aufzuteilen, und zwar ganz einfach da man auf diese Art und Weise die Anzahl der Abgeordneten reduzieren kann.

Wer so dumm ist und seine Erststimme verschenkt erzeugt nur einen unnötig großes Parlament.
 
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Wer so dumm ist und seine Erststimme verschenkt erzeugt nur einen unnötig großes Parlament.
Das kann man so schlecht sagen...denn je nach aktuellen Wahltrends, kann ja grad eine Erststimme für diejenige der großen Parteien, die vielleicht ein Meinungshoch hat und dadurch auf dem Weg zu besonders vielen Direktkandidaten ist, dafür sorgen, dass das Parlament größer wird
 
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Selbstverständlich kann man das so sagen.
Du selbst kannst ja auch noch versuchen mit deiner Stimme das Ergbnis 'auszugleichen' . Machst du es nicht und wählst nicht, so wählst du für den automatischen Ausgleich.
 

Benrath

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Hab an sich auch nie verstanden, was das mit der Erststimme so wirklich soll, letzendlich zählt quasi nur die zweitstimme. Lustig wird es jetzt wenn CDU und SPD immer weniger Zweistimmen holen und doch die Direktmandate holen. Dann brauchst immer mehr Überhang und Ausgleichsmandate.

Der einzige Sinn für die Erststimme ist die Möglichkeit für Unabhängige und die Klausel mit den 3 Direktmandaten gleich Fraktionseinzug, was die PDS damals immer gemacht hat.
 

Gelöschtes Mitglied 160054

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Dieses "strategische wählen" hab ich schon vor jahren aufgegeben, ich wähl den kandidaten/die partei die mir am wenigsten missfällt, scheiss auf die "weggeworfene" stimme.

sehe ich genauso. Das vermeintliche wegwerfen kann eben dazu führen, dass sich eine neue partei etabliert.
 
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Die Überlegung ist sinnfrei, da die eigene Stimme sowieso effektiv keinen Einfluss hat und wenn es sowieso egal ist was man wählt dann ist es auch egal, ob man das strategisch tut oder nicht.

Wenn es dir um die Aufklärung der Bevölkerung geht (wenn plötzlich alle strategisch wählen macht es schon einen Unterschied) wäre es aber besser, den Leuten einzureden, "normal" zu wählen. Darauf ist unser Wahlsystem ja ausgelegt, wenn jeder strategisch wählt dann werden wir die großen Parteien nie los.
 
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Tür

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Als Parteimitglied wähle ich natürlich eh einfach meine Partei :deliver:
 

General Mengsk

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Der Name ist ja auch irreführend, Erststimme = beudeutendere Stimme, so wäre zumindest die Vermutung wenn man keine Ahnung hat.

Deswegen halte ich das Wahlsystem für verfassungswidrig.
Wenn man das nicht kennt, ist es eher ein Zeichen dafür, daß man sich damit überhaupt nicht auseinander gesetzt hat. Unsere Verfassung impliziert geradezu, daß der Bürger sich selbst informiert. Tut er das nicht und wählt dennoch, wird auch die Demokratie über kurz oder lang nicht funktionieren. Übrigens steht eine kurze Erklärung zur Bedeutung von Erst- und Zweitstimme auch noch einmal auf dem Wahlzettel. Wer also wirklich unsicher in der Wahlkabine ist, kann sich einfach die Zeit nehmen und das noch einmal nachlesen.

Hab an sich auch nie verstanden, was das mit der Erststimme so wirklich soll, letzendlich zählt quasi nur die zweitstimme. Lustig wird es jetzt wenn CDU und SPD immer weniger Zweistimmen holen und doch die Direktmandate holen. Dann brauchst immer mehr Überhang und Ausgleichsmandate.

Der einzige Sinn für die Erststimme ist die Möglichkeit für Unabhängige und die Klausel mit den 3 Direktmandaten gleich Fraktionseinzug, was die PDS damals immer gemacht hat.
Das zweite ist eher ein Nebeneffekt, aber nicht der Sinn des Systems. Der Sinn in Erst- und Zweistimme liegt darin einen direkt gewählten Wahlkreisabgeordneten zu haben, der auch als Ansprechpartner für die Bürger fungiert und sich um "seinen" Wahlkreis auf Bundes- bzw. Landesebene einsetzt. Das passiert in der Regel auch, nur kriegt man es nicht so mit, weil es da selten um die großen Themen geht. Meist geht es da um Einzelfallprobleme mit denen Bürger z.B. in der Wahlkreissprechstunde zu ihrem Abgeordneten kommen.
Das System aus Erst- und Zweitstimme sorgt zudem dafür, daß man eine Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht hat, wobei man dafür sorgen möchte, daß die Verhältniswahl am Ende die Sitzverteilung bestimmt. Zudem wählt man mit der Erststimme eine Person, während man mit der Zweitstimme eine Partei wählt, die dann intern darüber bestimmt, wer in das Parlament einzieht. Auch zeigt gerade die Vergangenheit im Bundestag, daß es die Erststimme ist, die Abgeordneten Unabhängigkeit verschafft. Wer über die Liste, also die Zweitstimme einzieht, ist viel abhängiger von seiner Fraktion und seiner Partei als jemand, der seinen Wahlkreis mit der Erststimme geholt hat. Es ist kein Zufall, daß sogenannte "Abweichler" bei Abstimmungen oft Leute sind, die einen Wahlkreis hinter sich haben. Bei einem reinen Zweitstimmenwahlrecht wäre also der Fraktionszwang noch wesentlich ausgeprägter als bisher. Man kann darüber diskutieren, ob man die Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht für ein gutes System hält, aber man sollte schon akzeptieren, daß da gewisse Gedankengänge dahinter stecken.
 

TMC|Eisen

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Die Vereinigung dieser beiden Wahlsysteme hat durchaus ihren Sinn.

Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass sowohl Direkt- als auch Verhältniswahl über Vor- und Nachteile verfügen.

Für das Mehrheitswahlsystem (auch Direktwahl, also die Erststimme) spricht, dass es für klare Mehrheitsverhältnisse sorgt. "Splitterparteien", welche die Funktionsfähigkeit des Parlaments behindern können, werden regelmäßig ausgeschlossen. (Eine der Lehren aus der Weimarer Reichsverfassung, spiegelt sich auch in der 5% Klausel wider) Zudem sind die Parteien gehalten, anerkannte Persönlichkeiten aufzustellen, die in der Bevölkerung akzeptiert werden.
Nachteil dieses Wahlsystems ist jedoch, dass es an sich exakt gleich große Wahlkreise voraussetzt, um einen absolut gleichen Erfolgswert jeder Stimme zu gewährleisten. Das ist aber aufgrund der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte unmöglich (sog. Problem der Wahlkreisgeometrie). Weiterhin werden die Mehrheitsverhältnisse oft ungenau widergespiegelt. Bereits geringfügige Änderungen im Wahlverhalten können zu Erdrutschergebnissen führen ("The Winner takes it all") Außerdem besteht die Gefahr einer Herrschaft einer Minderheit über die Mehrheit, wenn eine Partei nämlich die Mehrzahl der Wahlkreise gewinnt, infolge der ungleichen Grö0e der Wahlkreise aber insgesamt nicht die Stimmen der Mehrheit der gesamten Bevölkerung erhalten hat.

Für das Verhältniswahlsystem spricht, dass grundsätzlich jede Stimme zählt und auch kleinere Parteien eine Chance haben, in das Parlament einzuziehen. Der Nachteil liegt vor allem darin, dass es eine Tendenz zur Parteienzersplitterung hat, welche die Funktionsfähigkeit des Parlaments gefährdet. (Hier kommt wieder die 5% Klausel ins Spiel)

Es gibt 3 große Streitpunkte, was das Wahlsystem betrifft.

1. 5% Klausel verfassungswidrig?
2. Grundmandatsklausel aus § 6 VI 1 2. Fall BWG verfassungswidrig? (Hier geht es um die Frage, ob die jeweilige Partei bei mindestens 3 gewonnenen Wahlkreisen auch an der Verteilung der Zweitstimmen teilnehmen und somit mehr als die siegreichen Wahlkreiskandidaten in das Parlament schicken darf.
3. Überhangmandate nach § 6 V BWG verfasungswidrig?
Hierzu gibt es hunderte Seiten Literatur, das BVerfG hat ja erst neulich eine Reform gefordert. Eine Schande, dass immer noch nichts passiert ist. Hier geht es vor allem um das Problem des Erfolgswerts. Vereinfacht ausgedrückt führen Überhangmandate dazu, dass für einen Sitz einer Partei, die keine Überhangmandate erzielt, mehr Stimmen erforderliche sind als für einen Sitz der CDU/SPD (sonst werden idR keine Überhangmandate erzielt). Hierzu ein Beispiel: Bei der Bundestagswahl 1987 erzielte die CDU ein Überhangmandat, benötigte aufgrund dessen im Durschschnitt nur 74.976 Stimmen pro Mandat. Damit lag sie immer noch zwischen den Grünen (74.435 pro Mandat) und der CSU (75.833 pro Mandat). Damals war die Abweichung gering, deshalb nahm das BVerfG keinen Verstoß gegen die Wahlgleichheit an. Wenn diese Abweichung aufgrund einer höheren Zahl von Überhangmandaten zu stark auseinander driftet, liegt ein solcher Verstoß nach der Ansicht einiger Verfassungsrichter vor. Wer sich für das bislang früher entscheidende Urteil interessiert: BVerfG vom 10.4.1997 (z.B. NJW 1997, 1553).

Ich bin gespannt, wie die großen Volksparteien das "Problem" lösen wollen, da es ja ausschließlich sie selbst sind, die durch die Überhangmandate profitieren. Bis auf Ströbele und einige Linke liegen die Direktmandate ausschließlich in den Händen von CDU und SPD
 
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CDU/SPD (sonst werden idR keine Überhangmandate erzielt)
naja die CSU kriegt doch auch munter Überhangmandate
aber vielleicht hat ja wer ne Antwort bezüglich einer Frage zur Grundmandatsklausel...laut wikipedia kriegen Parteien die dadurch reinkommen nur Gruppen- aber keinen Fraktionsstatus...nehmen wir jetzt mal hypothetisch an die CSU landet bei einer Bundestagswahl bei 4,9%, kriegt aber natürlich >3 Direktmandate, kann sie dann trotzdem an einer schwarz/irgendwas-Regierung teilnehmen? Oder muss man dafür ne Fraktion sein?
 

TMC|Eisen

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CSU habe ich mal zur CDU gezählt... und zu deiner Frage: für die CSU gibt es afaik eine Sonderregelung. Sie gilt als Fraktion.
 
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naja die CSU kam ja bisher immer über 5% bundesweit, nur mit den Stimmen aus Bayern, damit ist sie selbstverständlich eine Fraktion
 

TMC|Eisen

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Ich spielte auf die seit 1969 geltende sog. Fraktionsgemeinschaft an. Natürlich muss auch die CSU die 5% Hürde knacken, um mit diesem Status in den BTag einzuziehen.
 
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ja, aber die Frage zielte ja darauf ab, was passiert, wenn sie <5% landen, aber eben einiges an Direktmandaten kriegen...kann sie dann in die Regierung?
 
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da wo die Audis herkommen
Klar, die MdBs aus der CSU würden sich dann einfach der CDU Fraktion anschließen. Die CSU hätte halt keinen Fraktionsstatus mehr und das wäre wohl auch sowas wie der "Supergau" für viele Bayern.

Auch ansonsten könnte man mit Gruppenstatus sich an einer Regierung beteiligen. Es kommt nur auf die Sitzanzahl bzw. Mehrheit an (Sowohl bei der Wahl des BK als auch bei sonstigen Abstimmungen).

Theoretisch könnte ja auch ein unabhängiger MdB die Regierung unterstützen.

Man kann auch wirklich unabhängige, die in keiner Partei sind, in die Regierung wählen. Das Beispiel wäre Werner Müller im Kabinett Schröder 1.

Der Phantasie sind da nicht viele Grenzen gesetzt.

Trotzdem war die Wahlrechtsvorlesung verdammt langweilig. Ich versteh schon warum man sich damit nicht intensiv beschäftigen mag. Aber ne grundsätzliche Ahnung (aka was ist Erst/Zweitstimme) sollte man als Demokrat haben.
 
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dass man sich nicht mit Erst- und Zweitstimme auskennt heißt, dass man nen Idiot ist?
Nein, das heißt, dass man eigentlich kein Wahlrecht haben sollte. Von "Herrschaft" des Volkes kann kaum mehr gesprochen werden, wenn die Wähler nicht mal wissen, wie sie ihre Macht ausüben.

Man beherrscht auch nicht das Autofahren, wenn man nicht weiß wofür eigentlich dieses runde Ding vor dem Fahrersitz ist.

PS: Da das Allgemeinbildung in unserem Land ist, heißt es natürlich zudem noch, dass man ein Idiot ist. ^^
 
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Die Vereinigung dieser beiden Wahlsysteme hat durchaus ihren Sinn.
Du legst verständlich dar, wo Vor- und Nachteile der beiden Wahlsysteme liegen. Aber daraus zu schließen, dass eine Kombination aus beidem Sinn macht ist nicht logisch. Erkläre mir doch bitte, wo konkret in unserem Wahlsystem der von dir so leichtfertig postulierte Vorteil des Mischsystems gegenüber der reinen Verhältniswahl liegt. Ich sehe folgende Unterschiede: Zum einen die Verzerrung der Stimmverhältnisse durch Überhangmandate (problematisch) und zum anderen die Schwächung interner Parteilisten (gut oder schlecht, kann man sehen, wie man will, ich find's tendenziell gut). Ich bin mir unsicher, ob die Mischwahl nicht eher negativ zu bewerten ist.
 

TMC|Eisen

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Vielleicht hätte ich dazu schreiben sollen, dass die sog. personalisierte Verhältniswahl meiner Auffassung nach sinnvoll ist. Die Vorteile überwiegen meines Erachtens die Nachteile, die wiederum durch bestimmte Regelungen kompensiert werden können. Gerade durch die Kombination der beiden Wahlsysteme können die jeweiligen Nachteile ausgeglichen und die Vorteile vereint werden. Das liegt schlicht einfach daran, dass sich die Nachteile (der beiden Wahlsysteme, jeweils für sich genommen) diametral entgegenstehen und dadurch aufgehoben werden.

Ein reines Verhältniswahlrecht würde zu Repräsentanten des Volkes führen, die auf der Liste ganz oben stehen, weil sie möglicherweise innerparteilich die Fäden ziehen. Das führt zu mangelnder Transparenz. Die Direktwahl stellt schlicht sicher, dass tatsächlich "Menschen aus dem Volk" auch dasselbe repräsentieren, das führt (der Theorie nach) zu einer höheren Identifikation und schlicht zu mehr Bürgernähe. Und gerade wegen der oben angeführten Mängel ist die Kombination sinnvoll. Indem wir die Hälfte der Sitze nach einer Verhältniswahl besetzen, zählt man Ende eben doch jede Stimme, so dass niemand das Gefühl haben muss, seine Stimme wäre irrelevant gewesen (bezogen auf die Zweitstimme natürlich).

Die erst durch die Kombination entstehenden Nachteile (Streitpunkte 1-3), auf die ich ja auch eingegangen bin, sind mMn zu verkraften. Insbesondere wenn man bedenkt, dass Überhangmandate leicht durch Ausgleichsmandate zu regulieren wäre, ohne dass eine Aufblähung über Maß zu befürchten wäre. Der einzige Grund, warum es diese Ausgleichsmandate nicht gibt ist, dass CDU/SPD kein Interesse an einer solchen Regelung haben, die letztlich nur ihnen selbst schadet. Bis zur nächsten BTag-Wahl muss laut Entscheidung des BVerfG aber eine Reformation her, man darf also gespannt sein.

Grundlagenkenntnisse sollte man von einem mündigen Bürger schon erwarten dürfen. Umso trauriger finde ich, dass es Menschen gibt, die es vorziehen, erst gar nicht wählen zu gehen. Meiner Ansicht zufolge gibt es immer eine Wahlmöglichkeit, und wenn es das kleinste Übel ist, ein Prinzip, nach dem ich die letzten Male meine Stimme abgegeben habe. Wer nicht einmal hierzu bereit ist, der ist lediglich zu faul, sich auch nur ein paar Stunden Gedanken zu machen.
 

Deleted_228929

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CSU habe ich mal zur CDU gezählt... und zu deiner Frage: für die CSU gibt es afaik eine Sonderregelung. Sie gilt als Fraktion.
Für die CSU gibt es weder irgendwelche Sonderregelungen noch gilt sie als Fraktion. Die CSU hat gar keine eigene Fraktion. Die Abgeordneten von CDU und CSU bilden bekanntermaßen eine gemeinsame Fraktion. Fraktionsbildung ist nicht an die Parteizugehörigkeit gebunden. Theoretisch könnten auch FDP und Linke eine gemeinsame Fraktion bilden, wenn sie Bock drauf hätten.

Sollte die CSU mal bundesweit weniger als 5% Zeitstimmen kriegen, würde das gar nichts ausmachen, solange sie mindestens drei Wahlkreise direkt gewinnt. Da ihre Abgeordneten keine eigene Fraktion bilden, hätte dies keinerlei Auswirkung.
 

General Mengsk

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Für die CSU gibt es weder irgendwelche Sonderregelungen noch gilt sie als Fraktion. Die CSU hat gar keine eigene Fraktion. Die Abgeordneten von CDU und CSU bilden bekanntermaßen eine gemeinsame Fraktion. Fraktionsbildung ist nicht an die Parteizugehörigkeit gebunden. Theoretisch könnten auch FDP und Linke eine gemeinsame Fraktion bilden, wenn sie Bock drauf hätten.
Nein, das können sie nicht so einfach. In der Geschäftsordnung des Bundestages heißt es nämlich:
Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. Schließen sich Mitglieder des Bundestages abweichend von Satz 1 zusammen, bedarf die Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundestages. (Quelle: BTGO §10)
Es wäre also nur möglich, wenn sich entweder FDP oder Linke plötzlich in ihrer Programatik drastisch ändern oder eben der Bundestag mehrheitlich zustimmt, was er aber kaum tun würde.

Sollte die CSU mal bundesweit weniger als 5% Zeitstimmen kriegen, würde das gar nichts ausmachen, solange sie mindestens drei Wahlkreise direkt gewinnt. Da ihre Abgeordneten keine eigene Fraktion bilden, hätte dies keinerlei Auswirkung.
Das stimmt, allerdings gibt es bei der Europawahl die Regelung mit den drei Direktmandaten nicht, daher spielt es dort plötzlich doch wieder eine Rolle.
 

TMC|Eisen

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@ SFJunky:

Keine Ahnung, worauf du eigentlich hinaus willst.
Es gibt sehr wohl eine Sonderregelung, nämlich die der sog. Fraktionsgemeinschaft (seit 1969), welche anfangs regelmäßig genehmigt werden musste durch den BTag (§ 10 BTGO). Das meinte ich, als ich sagte, die CSU gilt als Fraktion. Das ist auch so richtig, da CDU/CSU eine FraktionsGEMEINSCHAFT bilden. Die SPD hatte sogar bereits überlegt, diese Regelung anzugreifen, die Idee allerdings dann wieder verworfen.


Zu den Planspielen: Wollte die CSU keine Fraktionsgemeinschaft mehr mit der CDU bilden, würde sie auch die 5% benötigen, um den Fraktionsstatus zu erhalten. Das erklärt auch den Nachsatz.

edit: Richtig, General Mengsk. Der § 10 BTGO wurde ja ausschließlich aufgrund der CDU/CSU Konstruktion eingeführt.
 
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Deleted_228929

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Nein, das können sie nicht so einfach. In der Geschäftsordnung des Bundestages heißt es nämlich:
Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. Schließen sich Mitglieder des Bundestages abweichend von Satz 1 zusammen, bedarf die Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundestages. (Quelle: BTGO §10)
Es wäre also nur möglich, wenn sich entweder FDP oder Linke plötzlich in ihrer Programatik drastisch ändern oder eben der Bundestag mehrheitlich zustimmt, was er aber kaum tun würde.
Ach so, das wusste ich nicht.


@ SFJunky:

Keine Ahnung, worauf du eigentlich hinaus willst.
Es gibt sehr wohl Sonderregelung, nämlich die sog. Fraktionsgemeinschaft (seit 1969), welche anfangs regelmäßig genehmigt werden musste durch den BTag. Das meinte ich, als ich sagte, die CSU gilt als Fraktion. Die SPD hatte sogar bereits überlegt, diese Regelung anzugreifen, die Idee allerdings dann wieder verworfen.
Ich dachte du meintest es gäbe eine gesetzliche Sonderregelung für die CSU; dieser Irrglaube ist durchaus verbreitet. ;)
 
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