dass die schon länger "bürger in wut" heißen als der terminus "wutbürger" in den medien kursiert, wusste ich nicht, ich bezog mich eher auf die unterschwellige botschaft, die eine politische gruppierung verkündet, wenn sie sich "bürger in wut" nennt. hier wird suggeriert, als sprachrohr für eine gesellschaftliche schicht zu fungieren - der begriff "Bürger" hat eine bewegte Geschichte hinter sich, dass aber ausgerechnet diese wirren Phrasenschweine der BIW sinnbildlich für das ebenso vielgestaltige, wie komatöse deutsche bürgertum stehen sollen, erscheint mir unrealistisch. und "wut" verbinde ich mit aggression. und aggression verbinde ich mit verminderter entscheidungsfähigkeit aufgrund hormoneller kurzschlussreaktionen.
ich habe mir vorhin mal die grundthesen der partei durchgelesen; die sind teilweise erträglich, andererseits aber auch extrem hirnschmerzerregend.
beispiele:
Bildungspolitik schrieb:
BIW gegen Einheitsschule und Spaßpädagogik, für ein leistungsgerechtes Bildungswesen und den Mut zur Erziehung.
Nicht Ziel-, sondern Startchancengleichheit ist die Richtschnur einer modernen Bildungspolitik, die ungleiche Entwicklungen akzeptiert und Differenzierung zuläßt. Über die Bildungskarriere eines Menschen dürfen ausschließlich Begabung und Einsatzbereitschaft entscheiden.
vollkommen indifferentes gelaber, dass sich am BILD-common-sense orientiert. "startchancengleichheit" ist ein problem des gesamtsystems und lässt sich nicht durch sog. "bildungspolitik" herzaubern. begriffe wie "einheitsschule" und "spaßpädagogik" sind so negativ konnotiert, dass die BIW sich jeglicher debatten um reformpädagogische ansätze entziehen können, falls es unbequem werden sollte.
Gewaltausübung schrieb:
BIW gegen Verbrechen und Terrorismus, für mehr Innere Sicherheit durch Prävention und die nachhaltige Sanktionierung von Straftaten.
Der Schutz seiner Bürger vor Kriminalität und Gewalt gehört zu den vorrangigen Pflichten des demokratischen Rechtsstaats und ist zugleich Voraussetzung für die Freiheit des einzelnen. Innere Sicherheit erfordert neben vorbeugenden Maßnahmen wirksame Gesetze, eine handlungsfähige Polizei sowie die rasche und konsequente Bestrafung von Rechtsbrechern durch die Justiz.
klassische "law and order"-schiene. natürlich müssen verbrecher bestraft werden, aber auch hier steckt wieder dieser unterton, der behauptet, dass gerade ja alles gar nicht funktioniert. als jemand der in bayern lebt, kann ich über solche thesen halt nur müde lächeln.
Aua schrieb:
BIW gegen zügellosen Materialismus und eine hedonistische Spaßgesellschaft, für die Wiederbelebung konservativer Werte und bürgerlicher Tugenden.
Das einseitige Streben nach materiellem Wohlstand auf Basis eines exzessiven Freiheitsbegriffs führt zu kultureller Verarmung und zerstört die Existenzgrundlagen der Menschheit. Die BIW wollen eine geistig-moralische Wende und die Bewahrung von Wertvorstellungen, die für den Fortbestand Deutschlands als ein zukunftsfähiges Gemeinwesen auch im 21. Jahrhundert unverzichtbar sind.
Da kommen derart viele Müllwörter drin vor, dass ich das kaum ohne Grinsen lesen kann. "Geistig-moralische Wende", aha. Sehr geil auch die Perspektivenverkleinerung: Erst reden sie von der Menschheit, dann von Deutschland. Und "Wertvorstellungen", wie ich dieses Wort verabscheue. Jeder benutzt es, aber keiner definiert es, bevor er es an die Wand schmeißt.
Zuwanderungspolitik schrieb:
BIW gegen unkontrollierte Zuwanderung und Multikulti, für eine rationale Migrationspolitik und die konsequente Integration von Ausländern.
Die erfolgreiche Eingliederung von Migranten in Deutschland erfordert neben der Begrenzung und Steuerung des Zuzugs den Willen der zu uns kommenden Menschen, unsere Verfassungs- und Werteordnung zu respektieren. An die Stelle eines konfliktträchtigen multikulturellen Nebeneinanders setzen wir die Vision eines friedlichen Miteinanders von Deutschen und Zuwanderern.
Hier lauert sie wieder, die gute, alte Leitkultur. Ich frage mich immer, wie die sich das vorstellen - natürlich ist es erstrebenswert, dass sich Ausländer so weit wie möglich integrieren (Sprache lernen, arbeiten, etc.), aber meiner Ansicht nach beißt sich die BIW mit dem letzten Satz in den Schwanz.
Zudem schmeißt obige These alle Migranten in einen Topf.
Familienpolitik schrieb:
BIW gegen Bevölkerungsschwund und Singlegesellschaft, für den Erhalt der Familie und ein kinderfreundliches Deutschland.
Die Familie basierend auf der Verbindung zwischen Mann und Frau sichert nicht nur die Generationenfolge durch die Weitergabe des Lebens, sondern ist auch eine unverzichtbare Institution für die Vermittlung von Werten und Orientierungen an nachfolgende Generationen. Ehe und Familie müssen deshalb im Rahmen einer aktiven Bevölkerungspolitik durch den Staat vorrangig gefördert werden.
Was auffällt, ist: In "mehrheitsfähigen", d.h. populistisch leicht abzugrasenden Themengebieten kümmert es die BIW einen Scheißdreck, wenn der Staatsanteil ausgebaut wird. (Migration, Familie, Subventionierung des Mittelstandes)
Sobald es aber schwierig zu werden droht, kommt sowas:
BIW gegen Sozialismus und Kapitalismus, für eine Faire Marktwirtschaft und einen starken Mittelstand in Deutschland.
In Abgrenzung zu staatlicher Planwirtschaft und totaler Marktfreiheit stehen die BIW für einen dritten Weg in der Wirtschaftspolitik. Die Faire Marktwirtschaft fokussiert die Bedürfnisse klein- und mittelständischer Unternehmen als Garanten einer gerechten, verbraucherfreundlichen Wettbewerbsordnung, in der Monopole und Kartelle keinen Platz haben.
lustig ist zudem, dass diese partei erstmal immer verkündet, dass sie DAGEGEN ist, um dann scheinbare kompromisse zu verkünden, die letzten endes kalter kaffee mit etwas soße sind. wer aber auf weltverbessernde fähnchen im auspuffwind steht, kann die guten gewissens wählen.
ich hab mich selber auf sehr kurze gedanken beschränkt, die natürlich teils auch polemisch rüberkommen - die meisten debatten wurden ja eh schon zig mal geführt, deswegen bringts kaum was, da jetzt korinthen zu kacken.
ich bleibe bei meiner meinung: wir haben genug CSU, mehr trottel braucht dieses land nicht.
edith: @flopgun: den begriff "wutbürger" finde ich übrigens außerhalb seiner sprachlichen finesse auch reichlich blöde, weil er wie so oft dinge zusammenschmeißt, die sich gut verkaufen lassen, aber viel zu komplex sind, um unter einem leitwort subsumiert werden zu können.